Kurzgeschichte
Schrei!!

Ihre Schritte brachen durch den nachtstillen Asphalt wie durch Papier. So zumindest fühlte es sich für sie an, als sie die Straße hinunter rannte, nichts um sich als Schwärze und niemanden als Begleitung außer der Dunkelheit. Wieder krachte ihr Fuß auf den Boden, ihre Ferse bohrte sich hinein und sie schrie auf, als sie beinahe hinfiel. Doch sie fasste sich rechtzeitig und stolperte weiter. Die Luft war still, die Häuser schwiegen und die Straßen gaben keinen Laut von sich. Niemand schien sie zu bemerken, als sie durch die Stadt hastete, planlos und doch so sicher, ziellos und doch so gefasst. Schritt für Schritt, Krach für

Krach, Fall für Fall. Keuchender Atem entfuhr ihrem Mund, ihr Herz hämmerte gegen seinen Käfig aus Rippen und wollte aus ihrer Brust ausbrechen. Brennend, die Flammen um sich schlagend versuchte es sie von innen her aufzufressen. Doch sie wehrte sich dagegen. Noch nicht, versuchte sie es zu beruhigen. Bald darfst du fliegen, doch jetzt noch nicht. Ihr Herz schrie wie ein eingesperrtes Tier und sie schrie mit, ließ die Laute in der Luft zerfallen, zerbröseln. Ihr war, als würde sie die Töne sehen, die vor ihr auf dem Boden in tausend winzige Stücke zersplitterten. Sich in ihr Fleisch bohrten, so nutzlos und doch so

haltgebend. Sie war einfach frustriert, dass niemand außer ihr es so wahrnahm, dass keiner so spürte wie sie. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, sie presste sie fest an ihren Körper, als sie plötzlich stehen blieb, sich auf die Knie fallen ließ und gegen den harten Beton unter ihr hämmerte. Ihre Haut riss auf, das Blut floss ihr klebrig über die Handgelenke. Sie schrie wieder, markerschütternd, ohrenbetäubend; und wieder konnte sie niemand hören. Dann stand sie auf und lief weiter, als wäre nichts geschehen. Ihre Tränen versengten ihr die Wangen, als sie glühend heiß auf den Boden tropften. Endlich war sie angekommen, an ihrem

Ziel. Nichts außer weiten Wiesen, endloser Nacht, alles verschlingendem Himmel. Sie stolperte weiter, bis ihr Fuß gegen etwas Hartes stieß. Sie gab einen kleinen Freudenschrei von sich und kletterte behände auf die Schienen. Holz und Metall unter ihr, Sterne und Wolken über ihr. Sie richtete den Blick wieder gerade aus und sie grinste. Ein letzter Schrei; doch diesmal schrie nicht sie... sonder der bremsende Zug...

(c)2014 by Wolfspfote