08:45 Uhr im Treppenhaus der Hausnummer 54 in der Schillerstraße in Duisburg – 1. Etage. Anwesend sind Rita König und ihre Nachbarin Jutta Speicher.
„Moin Rita.. Hasse Lust auf’n Käffken?“
„Ja, moin auch.. Nee Jutta.. ich muß einkaufen.. sonst schnappen se mir wieder datt beste vor de Nase wech.. Später vielleicht. Sach, hasse schon den neuen gesehn?“
„Den neuen Nachbar meinze? ..den Herr Schubert? Ja, denn hab ich schon gesehen. Lecker Teilchen, meinze nich auch? Da könnt man schoma auf ganz angenehme Gedankengänge kommen..“
„Ach, in mein Alter sollte man datt langsam ma abhaken. Mein Ernst hat sowieso nie Bock, also gewöhn ich mir datt auch ma langsam ab. Weisse.. ich kann machen watt ich will.. komm ich in ein neuet Neklische, fracht er, ob ich zuviel Geld über hab und wenn ich Kerzkes aufstellen tu, meint er, er würd sich die Augen verderben.. da vergeht einem doch glatt allet.“
„Mensch, Rita.. datt kann doch nich wahr sein.. der Ernst? ..in echt getz? Der sieht doch noch so angeschärft aus.. man sieht ihn die 48 garnich an... und der hat keine Böcke mehr? unglaublich!“
„Watt soll ich denn machen? ..wenn die Maschin kaputt iss, isse eben kaputt.. und wenn der Dampf nachlässt, bleibt eben nur ne beschlagene Scheibe.. watt soll et.. Iss ja nich so, als wüsst man sich nich selbst zu helfen, nä?“
„Ja klar.. und wenne da ma auf nette Gedanken komms, bei den Anblick, den der Herr Schubert bietet.. et sei Dir gegönnt.. die Gedanken sind schließlich frei.“
„Höma Jutta.. der Schubert, bei den gehen die Weibskes ein und aus.. gestern allein schon drei Stück.. und letzte Woche waren et bestimmt sechs oder sieben.. Der scheint nen ganz schönen Verschleiß zu haben, der Schubert.. Na, wenn man so aussehen tut.. kein Wunder, näh?“
„Ja, Rita.. da bin ich ma nur gespannt, wann er sich dat Mäusken aus der 2. Etage aufreißt.. Du weiß doch.. datt kleine Fräulein Petra, die immer die knappen Minis trägt und ständig Frischluft um den Bauch herum tragen tut..“
„Och, iss sicher nur ne Frage der Zeit.. bei dem Verbrauch, wäre der doch schön blöd, wenn er das, was vor seine Nase wohnen tut, verweigern würde.. Warum in die Ferne schweifen.. So ungefähr ging datt doch, watt der Goethe da geschrieben hat.., oder?“
„Psst.. ich hör watt.. da kommt einer runter.. sei ma stille..“
Ein paar Sekunden später kommen Ernst König und Petra Linzer die Treppe herunter. Fräulein Petra ist gerade dabei, die letzten Knöpfe an ihrer Bluse zu schließen und Herr König richtet sich seinen Kragen. Petra schießt die Röte ins Gesicht, als ihr Blick auf Frau König fällt.
„..ähm.. guten Morgen zusammen..“ und schon ist sie durch die Haustüre verschwunden.
„Watt war datt denn getz?.. Nich ma für ein paar Wörtkes kannse stehen bleiben.. so ungemütlich iss die sons auch nich.. oder Rita?“
Ernst König wird es sehr unbehaglich in seiner Haut, als er seinem Weib begegnet.. „Watt machse denn noch hier? Ich dachte, du wolltes auf Jöck zum einkaufen?“
„Und du.. du wolltes nach’n Dokter.. bis schon viel zu spät.. wat iss dat für nen Fleck auf Dein Kragen? ..lass ma kucken..“
Aber Ernst König ist schneller.. „Nee.. getz laß doch.. ich hab mitte Mamelade gekleckert..Iss nich so schlimm.. Ich bin dann getz ma wech.“ Sprachs und war nach unten und durch die Haustür verschwunden.
„Ja sag ma.. hasse getz dafür noch Worte, Jutta? ..meint der Ernst getz echt in Ernst, er kann mich verkohlen? ..behalt datt bitte für Dich, aber ich glaub, da läuft watt mit die Petra..“
„Na da lob ich mir doch Kerls wie den Schubert.. der macht datt öffentlich und steht wohl auch noch dazu.. sonst würd der die Tanten nich hier im Haus empfangen. Laß den Kopp nich hängen, Rita.. war ja vielleicht wirklich ganz harmlos.. vielleicht war et die selbstgemachte Erdbeermamelade, die ich dich gebracht hab.. datt gibt ja Wahnsinnsflecken..“
Unten öffnet sich die Haustür und Herr Schubert in Begleitung einer jungen, hübschen Frau betritt den Flur. Rita und Jutta hängen sich übers Geländer, um bloß alles von dem unten geführten Gespräch mitzukriegen, aber das ist nicht so einfach.
Jutta, die ihre Brille ganz vergessen hatte, die ihr in der Blusentasche steckte, presste sich vor Schreck die Faust auf den Mund, als das gute Stück jetzt mit leisem PLING auf dem Boden im Erdgeschoss landete. Herr Schubert bückte sich um es aufzuheben, blickte nach oben und sah gerade noch die Köpfe von Rita und Jutta verschwinden. Das Geräusch von sich schließenden Türen folgte.
09:15 Uhr am selben Tag
Herr Schubert klopft nebst Begleitung an Jutta Speichers Wohnungstür.
Rita hängt mit ihren Ohren von innen an der eigenen, um bloß nichts zu verpassen.
„Frau Speicher.. entschuldigen Sie die Störung. Ist das vielleicht Ihre Brille? Ich fand sie unten im Erdgeschoß auf dem Fußboden.. leider ist ein Glas gebrochen.“
„Nee, Herr Schubert.. datt iss nich meine. So’n ollet Modell trach ich nich!“
„Na ja, egal. Ich wollte Ihnen nur kurz ein paar Neuerungen im Haus mitteilen. Wie Sie ja sicherlich wissen..“ er wurde durch die sich öffnende Haustür von Rita König unterbrochen..
„Jutta.. hab ich vielleicht meine Kanne bei Dich stehen gelassen?“
„Nee, Rita.. aber bleib ma gleich hier. Der Herr Schubert wollt mir grad watt neues aus’m Haus erzählen. Wird Dich ja wohl sicherlich auch betreffen.“
„Ja, Frau König.. das trifft sich in der Tat sehr gut. Also, wie sie ja sicherlich wissen, habe ich vor vier Wochen dieses Haus gekauft..“
Auf Seiten von Rita und Jutta folgt ein unmelodisches "Mmmpppffff.."
„Nun ist es mir nach längerer Suche gelungen, eine nette, junge Hausverwalterin zu engagieren, die sich zukünftig mit den Belangen des Hauses und der Mieter beschäftigen wird. Sollten Sie also Fragen irgendwelcher Art haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Fräulein Müller. Sie wird in Kürze die Wohnung, die ich bislang bewohnte, in ein Büro umwandeln und beziehen.. Wissen Sie, es ist nicht einfach, für 10 Häuser ganz allein zu sorgen, da bin ich schon sehr dankbar für Fräulein Müllers Hilfe.“
Sprachlose Stille kehrt ein.. unterbrochen von heftigen Schluckbeschwerden würgt Jutta schließlich raus „Guten Tag, Fräulein Müller.. bei uns iss ja hier allet in Ordnung.. gaaaanz nette Leute hier und super ordentlich.. bis auf den Jungspund, der unterm Dach wohnt.. der putzt ja nie und durch seine Fenster kann der bestimmt nich mehr kucken.. dabei gehen so viele junge Tussis da ein und aus.. könnt sich doch wohl die eine oder andere mal nen Lappen greifen.. und dummes Gerede finden se hier auch nich.. wir sind nich so, wie manche Leute.. neee.. ganz un garnich! näh, Rita? “
„Da hasse verdammt noch ma Recht, Jutta. Sagen se ma, Herr Schubert, watt haben se denn da für ne Brille.. die sieht aus wie Dein Spekuliereisen, Jutta.. oder isset datt nich?“
Herr Schubert drückte Jutta nun mit einem charmanten Grinsen die Brille in die Hand und Rita war für sie von stundan gestorben.
©Christina Maverik
09/2008