Krimis & Thriller
Schattenpuppe - Kapitel 5, 6

0
"Schattenpuppe - Kapitel 5, 6"
Veröffentlicht am 26. April 2014, 66 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Hallo, ich heiße Joshua und ich schreibe seltsame, melancholische Texte und zeichne gerne! Ich bin 19 Jahre alt, komme aus Österreich und bin schon länger bei mystorys.de dabei, als ich zugeben will. Ich bin angehender Schriftsteller und Künstler und steuere mit letzterem ein bisschen was zu meiner Miete bei. Ein paar meiner Bilder könnt ihr unten in meiner Galerie sehen. Derzeit schreibe ich an meinem New Adult Roman "Less Like Shit".
Schattenpuppe - Kapitel 5, 6

Schattenpuppe - Kapitel 5, 6

allein


Ich bin in einem Meer aus Baumwolle versunken und alle Geräusche dringen nur dumpf an meine Ohren. Alles um mich ist dunkel und scheint unendlich weit weg. Doch die Berührungen sind nah und wirklich als ich spüre wie ich hoch gehoben werde. Mein Kopf knickt nach hinten und ich spüre einen Arm der sich um mich schlingt. Bin ich wirklich so schwach? Habe ich die Tränen nicht halten können? Muss ich wieder mit brennenden Augen und brennendem Herzen in den Schlaf meiner Ängste sinken? Die Scham brennt in meinem

Kopf aber auch die Wut über mich. Aber bald verlöscht die Wut und die Geräusche werden immer leiser, bis sie aus einer anderen Welt zu mir zu dringen scheinen. Der Druck um meinen Körper lässt nach und ich spüre wie sich weicher Stoff an mich schmiegt. Instinktiv krallen sich meine Finger um den weichen, warmen Stoff und ziehen ihn an mich als die letzten Geräusche verklingen. Die Schwärze empfängt mich sofort und bildet ein wirres Traumnetz in das ich mich verfange und verheddere. Ich schrecke hoch. Ich habe die Lippen zu einem unausgesprochenen Schrei

geformt und die Augen suchen den Raum nach den Figuren meines Albtraums ab. Aber innerhalb ein paar Sekunden, ist der Traum nicht mehr da und ich kann mich an keine Fratze mehr erinnern die mir begegnet ist. Erleichtert atme ich auf und entspanne mich etwas. Weniger misstrauisch lasse ich die schweren Lider etwas sinken und versuche mich daran zu erinnern weshalb ich so plötzlich aus dem Schlaf gefahren bin. Aber ich erinnere mich nur mehr an verschwommene Dunkelheit, in der sich irgendein Bild verbirgt, eine ferne, ferne Erinnerung. Ich liege in meinem Bett. Die Decken liegen wirr über mir, ich habe mich im Schlaf wohl sehr

gewunden. Ich erinnere mich daran dass sie mich wohl gestern gefunden und in mein Zimmer getragen hat. Doch dieser Gedanke erscheint mir sofort unlogisch. Wie sollte sie mich, mit ihrer kleinen, zierlichen, püppchenhaften Statur auch nur einen Meter tragen? Aber sie hat es wohl irgendwie geschafft, schließlich liege ich hier. Etwas benommen rutsche ich aus dem Bett. Der komische Kopfschmuck, den sie mir in die Haare gesteckt hat, liegt zerknittert auf dem Kopfpolster und ich nehme ihn verlegen mit als ich raus gehe. Als ich ins Esszimmer komme begrüßt mich heitere, Jazz-Musik aus dem alten Plattenspieler. Nicht wie dieses merkwürdige Lied

gestern. Es ist tatsächlich heiterer Jazz der zum tanzen einlädt und dem Raum im Neonlicht seine unbehagliche Aura nimmt. Sofort trällert mir ihre Stimme entgegen: „ Schönen guten Morgen, Schlafnase!“ sie dreht sich in ihrem Sitz zu mir um und lächelt mich an. Zögerlich zwinge ich mir ein Lächeln auf und komme hinter der Ecke hervor. Verlegen spiele ich mit dem zerknitterten Kopfschmuck in den Händen herum. „ E-Entsch-uldige bitte. Ich hab ihn…kaputt gemacht.“ Die letzten Worte verlieren sich im Raum aber sie lächelt nur: „ Schon in Ordnung, ist doch nichts dabei.“ Erleichtert lockert sich meine Haltung.

Insgeheim hatte ich damit gerechnet sie würde mir diesen kalten, fernen Blick schenken, wie an dem Abend meines Messerangriffs. Ihre dunklen Augen hatten kalt gefunkelt und ihr Gesicht hatte urplötzlich ernste Züge angenommen als sie sich geschickt aus meinem Griff gewunden hatte, mir das Messer abgeknöpft hatte und verschwunden war. So oft ich auch daran denken muss, sie scheint es nicht mehr zu kümmern. Der Tisch ist wieder reichlich gedeckt mit allerleid Köstlichkeiten. Appetitlos setze ich mich auf meinen Platz und starre auf meinen Teller. „ Keinen Hunger?“ ich zucke zusammen und blicke in ihr

Kreidebleiches, ruhiges Gesicht. Ich versuche meinen Puls zu beruhigen und schüttle den Kopf. „ Du bist gestern ganz schön viel herum gekommen, was? Meinen Vorschlag, dir das Haus an zu sehen, hast du dir wohl nicht zweimal sagen lassen wollen.“ Wechselt sie abrupt das Thema und ich spüre wie mir wieder abwechselnd warm und kalt wird. Ich warte immer vergebens auf einen unbändigen Wutausbruch, in dem sie mich kalt anfunkelt und mich mit dunkler Einsamkeit in einem kleinen, leeren Raum straft. Aber sie überrascht mich mit ihren Rektionen immer aufs Neue. Sie hat den Blick abgewandt und schiebt sich ein Stück Brot in den Mund

und versucht so gleichgültig wie möglich zu klingen. „ Ja.“ Antworte ich knapp. „ Und hast du was interessantes gefunden?“ fährt sie fort. „ Oder hast du dass gefunden wonach du suchtest?“ fügt sie mit weniger weichem Ton hinzu. Die Angst kehrt wieder zurück und ich überlege kurz was ich sagen soll doch sie fällt mir davor schon ins Wort: „ Keine Sorge. Du brauchst nicht alle Türen in meinem Haus zu öffnen um zu sehen was sich dahinter verbirgt, ich werde dir schon nacheinander alles zeigen.“ Ihre Augen suchen wieder meine und diesmal lächelt sie. Aber es ist ein kaltes, etwas höhnisches Lächeln, als stünde mir bald etwas schreckliches

bevor. Ich schlucke. „ Aber zuerst möchte ich dir erst meinen zweitgrößten Stolz zeigen.“ Sie steht auf und ist mit einer fließenden Bewegung plötzlich an meiner Seite. Etwas unbeholfen stehe ich auf und folge ihr den ersten Flur entlang. Ich gehe hinter ihr her, mit einem kleinen Sicherheitsabstand. Gerade ihr kleines, unscheinbares Aussehen einer Puppe ist es was mich so vor ihr zurück schrecken lässt. Wenn ihre dunklen, großen, schwarz umrandeten Augen meine suchen, sind es die eines Raubtieres dass ein Beutetier ins Visier nimmt. Ich mache mich auf alles gefasst als wir bald an einer großen Tür halten, die etwas

rostfreier ist als die anderen und weniger ächzt als sie sie aufstößt. Sie betätigt einen Lichtschalter und mit einem Mal wird mir der Blick eines riesigen weitläufigen Raumes gegeben. Die Decke hängt tief und der Raum geht weit nach hinten. Überall stehen lange Reihen aus Eisenstangen an denen Kleiderbügel hängen. Tausend Kleider hängen daran, manche in schützende Folien eingehüllt. Es sind die verschiedensten Kleider, die meisten schwarz und mit kurzem Rock, verziertem Saum und Ausschnitt, kleinen Schleifchen und Rüschen, manche Trägerlos, manche gleichen der Größe nach einem Hochzeitskleid in

schwarz mit roten Bändern die elegant an den langen, Ärmeln herab hängen. Jedes Kleid ist ein Kunstwerk für sich und ich spüre wie sie erwartungsvoll mein Gesicht mustert. Mir bleibt der Mund offen stehen, als ich versuche möglichst viele Kleider in meinen Kopf auf zu nehmen und zu speichern. Kichernd nimmt sie meine Hand und zieht mich hinein: „ Jetzt komm schon, ich habe schon einige für dich bereit gelegt.“ Sie tanzt mit mir durch die Reihen bis zum gegenüber liegenden Ende des Raumes, wo der Bode zu Stufen ansteigt und zu einer Art Laufsteg wird. Weiter dahinter sehe ich den Weg zu einer Umkleidekabine, alles

hat tatsächlich Ähnlichkeiten zu einer kleinen Modenshowhalle. Ich habe gar nicht bemerkt wie sie sich von mir entfernt hat als sie plötzlich neben mir steht und mir einen kleinen Stapel Kleider in die Arme drückt. „Zieh eines nach einander an. Sie sind nicht so kompliziert, das schaffst du schon.“ Redet sie mir lächelnd zu, als habe sie meine Gedanken gelesen. Ich gehorche und stolpere die Treppen rauf, laufe über den Laufsteg in die Kabine. Die Kabine ist ein heller ausgeleuchteter Raum, mit einer Reihe großer Spiegel an der Wand und Tisch auf dem man die Kleider ablegen kann. Hier sieht alles nicht so abgenutzt, wenn nicht sogar

unbenutzt aus, wie die anderen Gänge und Räume die ich so zu Gesicht bekommen habe. Langsam schlüpfe ich aus meinem alten Kleid bis ich nackt vor dem großen Spiegel stehe und nehme das oberste Kleid vom Stapel und betrachte es kurz. Es ist ein schwarzes Kleid dass einen schlichten, etwas alten Stil hat, mit ein paar Nähten, Mustern und Stoffen der neueren Stile. Der obere Teil ist sehr eng und mit weißen Knöpfen zugeknöpft. Die Ärmel sind lang und eng anliegend, das Bündchen geht offen auf und hängt als großer Stofffetzen herab. Der Rock ist in zwei Teile geteilt. Der obere fällt wellig über den anderen. Am Saum des Unteren hängen

weiße Spitzen hinunter. Der Mix aus altem und neuem Stil, schwarz und weiß, gefällt mir sogar und ich ziehe es rasch über. An der Taille liegt es recht eng und schmeichelt der Figur ungemein. Es stört mich nur etwas dass das Kleid bis nach oben reicht und mir die Kehle etwas zuschnürt. Ich versuche den Griff des Stoffes etwas zu lockern und gehe auf den Laufsteg. Sie hat es sich auf einer Bank, gegenüber des Laufstegs bequem gemacht, die Beine übereinander geschlagen und mit verschränkten Armen mustert sie mich, während ich auf sie zu gehe. Ein schiefes Lächeln sitzt ihr im Gesicht und sie nickt bedächtig. „ Ich wusste

dass es dir stehen würde, du siehst wunderbar aus!“ jubelt sie zurück gehalten und befielt mir mit einem Wink des Zeigefingers mich zu drehen. Ich drehe mich und fühle den weichen Stoff meine Beine streifen. Sie nickt selbstzufrieden. „ Und nun das nächste.“ Ich drehe mich um und gehe wortlos wieder zurück in die Kabine. Rasch schlüpfe ich aus dem Kleid und ziehe das nächste an. Es ist moderner und etwas frecher als das andere. Es hat ebenfalls lange Ärmel mit leicht offen gehendem Bündel. Das ganze Oberteil ist weiß und auf der Brust hängt eine große dunkle Schleife. Die Naht unterhalb der Brust ist sehr eng, dass es

den Busen sehr betont, dann geht es schlank den Körper hinab. Der Rock ist dunkelgrau, fast schwarz und aus dünnem, leicht durchsichtigem Stoff, der aus einem Wall aus Tüll bis knapp über meine Knie geht und freche gekräuselte Fransen hat. Dazu gibt es ein paar Strümpfe aus dünnem Netzstoff. Ich komme mir etwas falsch darin vor, als ob ich jemanden verführen wollte und ich sehe wie meine Wangen bei der Erkenntnis rot werden. Zögerlich gehe ich wieder auf den Laufsteg und sehe wie sich ihre Miene aufhellt. Ein schiefes Lächeln breitet sich aus und ihr Gesicht strahlt vor Bewunderung und leichtem Staunen. Begeistert klatscht sie

in die Hände: „ Wunderbar! Du siehst so hübsch aus! Ich wusste doch, dass es wie für dich geschaffen ist!“ Anscheinend weiß sie immer was mir gut steht. Ich spüre wie sich ein peinlich berührtes Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet und ärgere mich über mich selbst. Ich komme mir vor wie ein kleines Kind dem das Lob einer Freundin zu peinlich ist! Nachdem sie mich noch mal hat drehen lassen, winkt sie mich wieder zurück in die Garderobe. Das nächste Kleid ist wieder das Gegenteil von Freizügig. Es ist aus sehr dickem, tiefschwarzem Stoff. Der Rock hat weiße Ränder und geht mir bis unter die Knie. Es bedeckt einen Großteil

meiner Haut und auf der Brust prangt ein Zieredelstein. Der Ausschnitt ist mit kleinen Mustern und Verzierungen versehen und den Körper hinab sieht man noch dunklere zwei Linien die meinen schlanken Körper noch mehr betonen. Jedes Kleid scheint nicht nur schwarz zu sein sondern auch immer etwas Bestimmtes zu betonen oder zu umschmeicheln, fällt mir auf. Dazu gibt es graue Strümpfe und ein Paar schwarze Ballarinas. Ich gehe wieder zurück und ihre Miene erhellt sich ein zweites Mal. Diesmal kommt sie zu mir rauf und betrachtet mich von oben bis unten, wie ein Kunstwerk in einem Museum. Vorsichtig umschließen ihre

zarten Finger, den Saum meines Rockes und heben ihn etwas an. Sie spielt mit dem weichen Stoff und lässt den Blick kurz auf meinen Beinen ruhen, die sie dadurch etwas freigelegt hat. Stumm bleibe ich stehen. Ihre zweite Hand streicht meinen Arm entlang und kommt oben auf meiner Schulter zum ruhen. Ihr Blick ist auf einmal sehr gedankenverloren. Irgendwann murmelt sie: „ Das ist es. Es ist perfekt! Behalte es an, die anderen kannst du ein Andermal anprobieren.“ Und auf einmal wäscht etwas meine Beklommenheit weg, als währe sie nie da gewesen. Meine Beine zittern nicht mehr und eine Ruhe legt sich über meinen Körper. Eine

angenehme Ruhe und ich finde endlich meine Sprache wieder: „ Woher hast du all diese Kleider?“ Ein Lächeln huscht kurz über ihr bleiches Gesicht: „ Ich habe jede Naht selbst gesetzt.“ Überrascht hebe ich das Kinn, was sie zu amüsieren scheint. „ Ja, ich habe jedes einzelne Kleid selbst genäht.“ „ Sie sind sehr hübsch.“ Bringe ich hervor. „ Danke.“ Schmunzelt sie, ihr Gesicht sieht plötzlich noch jünger aus, wie das eines Kindes das sich freut. „ Du sagtest das alles sei dein zweitgrößter Schatz, was ist dein Größter?“ jetzt wo ich meine Sprache nach langer Zeit des Schweigens wieder habe, will ich das auch nutzen. Sie hebt

tadelnd einen Finger und sieht mir direkt in die Augen. „ Nana, dass wirst du bald genug heraus finden, meine Liebe. Aber noch nicht heute.“ Sie lässt die Hand wieder sinken, die andere sinkt langsam hinunter, bis sie auf meinem Rücken liegt und mich kaum merklich enger an sich drückt. Wieder füllt sich der kleine Zwischenraum, zwischen ihrem und meinem Gesicht, mit ihrem süßen, würzigen Duft und mein Herz beginnt wieder wild zu klopfen. Ich mag es nicht wenn mir fremde Leute so nah sind. Nach einer Schweigepause, die mir ewig vorkommt, lässt sie mich los und macht Anstalten zu gehen. Sie dreht mir den Rücken zu und sagt: „ Morgen kannst

du die anderen anprobieren, aber heute, lass bitte dass an.“ Der Raum hat etwas heimliches. Nur einen kleinen Hauch. Und doch ist er mir etwas unheimlich, da er auch einige Tendenzen zum Altmodischen hat. Er liegt nicht sehr weit vom Ankleideraum und ist etwas kleiner als das Esszimmer. In der Mitte steht ein antikes Sofa. Die Pölster sind fest und senkrecht gestreift. Davor steht ein schmaler Glastisch. Sie geht zielstrebig auf das Sofa zu und lässt sich in die Pölster fallen. Ich setze mich neben sie während sie nach einer Flasche greift, die auf dem Glastisch steht. Seufzend öffnet sie sie und schenkt

etwas von der Flüssigkeit in zwei Gläser. Der Saft riecht scharf und süß, die Bläschen spritzen mir ins Gesicht als ich das Glas an die Lippen führe. Da ich heute noch nichts gegessen und getrunken habe, habe ich eine ganz trockene Kehle und nehme einen großen Schluck. Es scheint wohl eine Art Wein zu sein, die mir nichtbekannt ist. Sie nimmt auch einen Schluck und lässt es dann gedankenverloren hin und her schwenken. Ich lehne mich etwas zurück als sie mich plötzlich wieder etwas fragt: „ Bitte, ich weiß eigentlich kaum etwas von dir. Kannst du mir etwas von dir erzählen?“ Sie weiß kaum etwas, schießt es mir durch den Kopf. Kaum.

Also weiß sie etwas! Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen: „ Was genau zum Beispiel.“ Sie scheint meine Gelassenheit zu durchschauen. „ Über deine Familie. Freunde….“ Ich spüre bei den Worten einen Stich in der Brust und unwillkürlich taucht Peters Gesicht vor ihrem auf. „ Äh, also nun ja.“ Stottere ich „ Mein Vater ist schon lange tot. Krebs. Ich habe zwei Schwestern, Christine und meine Halbschwester Sara, väterlicherseits.“ Füge ich rasch hinzu. Es ist nicht so dass ich Dad dafür verurteile dass er unsere Mutter hintergangen hat, immerhin liebe ich Sara wie meine leibliche Schwester doch hin und wieder bin ich immer noch etwas

sauer auf ihn, obwohl ich in dieser Situation anderes im Kopf haben sollte. „ Meine Schwester Christine ist verheiratet. Walter. Netter Kerl. Und sie“ ich schlucke und weiche ihrem Blick aus. „ Haben einen Sohn.“ Mehr bringe ich nicht heraus. Peters Gesicht sehe ich bereits zu deutlich in ihrem Gesicht. Als ich wieder aufsehe, hat sie das Kinn an ihrer Hand abgestützt und schaut mich von der Seite fasziniert an. „ Und du?“ fragt sie. „ Hast du einen Mann an deiner Seite oder wünschst du dir das Glück als Mutter?“ Mein Kopf beginnt zu schwirren und ich kämpfe gegen einen Klos der Nervosität im Hals: „ Äh…also nein, gibt es nicht.

Mutter zu sein währe für mich nicht schlimm aber ich wünsche es mir nicht so wie manche Andere vielleicht.“ Sie nickt verständnisvoll. Mir brennen die selben Fragen an sie im Hals, doch ihr Blick, der so viel mehr zu wissen scheint als ich, lässt die Worte nicht über meine Lippen kommen. In den nächsten Minuten oder Stunden, bringen wir damit zu, dass ich etwas mehr über meine Familie und Freunde zu erzählen beginne, während sie nur verständnisvoll nickt und zuhört. Ich erzähle ihr etwas aus meiner Schulzeit und es kommt mir immer unwirklicher vor, wie wir auf dem Sofa sitzen, den Geruch des Weines in der Nase, den sie

immerzu nachschenkt und ihr Blick auf meinem Gesicht. Irgendwann bin ich schon ziemlich angeheitert, dass ich den Wein dankend ablehne. Als sie merkt dass ich etwas rot im Gesicht werde kichert sie amüsiert, der Wein scheint sie nicht zu berühren. „ Komm, ich denke du solltest schlafen gehen, es ist spät.“ Ich frage mich woher sie das wissen will aber ich folge ihrer Geste sich zu erheben und stolpere hinter ihr her zurück in mein Zimmer. Ich torkle zum Bett und lege mich stöhnend auf die weichen Decken. Ich schließe erschöpft die Augen und spüre wie mein Kopf sich selbst im Dunkeln etwas dreht. Plötzlich spüre ich etwas über mir und mache die

Augen auf. Sie hat sie über mich gebeugt und stützt die Hände seitlich ab. Ihr zartes Lächeln ist knapp über mir und alles scheint sich etwas heftiger zu drehen. Ich kann den Duft des Weines und ihren nicht mehr voneinander unterscheiden. Sie lächelt unbekümmert während ihr offenes Haar meinen Hals kitzelt. Auf einmal fällt mir eine Frage ein, die ich schon immer aussprechen wollte. Keine von Belangen, doch sie quälte mich schon lange. „ Sag mal, wie heißt du eigentlich? Jetzt bin ich jeden Tag mit dir zusammen und weiß immer noch nicht wie du heißt.“ Ihr Lächeln wird ehrlicher und sie antwortet mit samtweicher Stimme: „ Nenne mir erst

deinen.“ Ich antworte, obwohl ich sehr sicher bin dass sie ihn kennt: „ Jasmin.“ „ Sherrie.“ Sagt sie, dass mir der Weinduft aus ihrem Mund entgegen kommt. Ich lasse den Namen eine Weile auf mich wirken. Er scheint so passend als hätte man gewusst was für eine Schönheit sie werden würde. Ihre großen dunklen Augen, deren Farbe ich endlich einem Mix aus Grau und Braun zuordnen kann, ruhen auf meinen und mein Herz beginnt plötzlich wieder wild zu pochen, dass meine Ohren ganz heiß werden. Auf einmal spüre ich einen Luftzug, dann sehe ich dass sie am Rand vom Bett steht. Ihre Bewegung war so fließend

gewesen, dass ich sie kaum wahrgenommen habe. Sie tanzt zur Tür und verschwindet dahinter. Ihre kirschroten Lippen formen sich und sprechen ein leises: „ Schlaf gut.“ Dann schließt sich die Tür und ich bin wieder allein in der Dunkelheit. In dieser Nacht habe ich ausnahmsweise nicht nur Albträume. Der Duft des Weines, der aus ihrem Mund geströmt war, hat mich irgendwie betäubt und weniger schockierende, wenn nicht angenehme Träume mischen sich in meinen Schlaf. Doch trotzdem, fahre ich plötzlich mitten in der Nacht hoch, wer weiß wie spät es ist? Ein einziger Gedanke hat mich geweckt. Eine Erinnerung, die mich

aus dem Schlaf gerissen hat und mein Herz bis zum Hals schlagen lässt. Ich erinnere mich an den Tag zurück an dem ich nach einem Fluchtweg suchte und alle Türen aufriss die ich sah. Darunter waren auch zwei Lagerräume gewesen, der eine voll mit Aktenschränken. Die Schränke hatten lange Schatten geworfen als das fahle Licht durch die offene Tür gefallen war, dass ich den Staub und die Spinnweben sehen konnte. Aber dass war es nicht an was ich mich erinnere. Es war ein Etikett, auf einer der Schubladen, die mir plötzlich wieder durch den Kopf geschossen war. Es waren zwei Worte gewesen, in einer ungewöhnlich, verschnörkelten Schrift

geschrieben: Hannah Mallison Ich bin nicht die Erste hier.

untersuchung

Wach liege ich im Bett. Die Nacht rauscht schweigend an mir vorbei während ich still leidend in meinem Bett liege. Der Schweiß und die Hitze drücken von allen Seiten an mich. Die Worte wollen nicht aus meinem Kopf verschwinden, die Erkenntnis ist zu schockierend. Ich bin nicht die Erste hier! Verzweifelt versuche ich gegen den Drang an zu kommen sofort auf zu springen und in der Dunkelheit des Labyrinths jene Tür wieder zu finden. Immer wieder flimmert das Bild vor meinen Augen auf, das Bild des

schummrigen Raumes, der bis zur Decke voll mit schmalen Aktenschränken ist, die Spinnweben wiegen sich im Wind und auf jeder Etikette steht in ihrer verschnörkelten, wundersamen Schrift ein Name. Ich frage mich wie viele es sind! Ich frage mich wer Hannah Mallison war! War. Dieses Wort jagt mir einen Schauer der Angst durch den Körper. Was Sherrie wohl mit ihr angestellt hat oder wohlmöglich ist sie in dieser Minute in einer anderen Zelle eingesperrt. Verhungert oder sie hat es geschafft sich zu befreien oder hat sich gar umgebracht! Je weiter mein Verstand ausholt, umso schneller schlägt mein Herz und umso lebendiger werden die

Kreaturen der Dunkelheit um mich, die aus meinem 6-jährigen Verstand gekrabbelt sind und mit ihren Klauen nach meinen Beinen greifen. Jeder Schatten, jedes Möbelstück in der Finsternis scheint sich wieder in ein Monster verwandelt zu haben und die Angst die mich erfüllt, versetzt mich zurück in mein Kinderzimmer. Ich fühle mich wieder wie 6. Verängstigt und leise wimmernd unter der Bettdecke verkrochen, still leidend. Nicht ein Finger zuckt, denn jede Bewegung könnte sie aggressiv machen und kurz darauf währe ich nicht mehr in der Lage die Augen je wieder zu öffnen! Ich kämpfe mit mir selbst doch ich finde

nicht mehr den Mut meine Angst zu bekämpfen. Es scheinen Jahre zu vergehen bis Sherrie plötzlich die Tür leise aufmacht und ein violetter Lichtschein ins Zimmer fällt und all die Schatten verlöschen und wieder ihre leblose Gestalt als Möbelstück annehmen. Ein Schrei flüchtet aus meiner Kehle, bricht aber und endet als heiseres Krächzen. Als sie merkt dass ich sie mit aufgerissenen, blutunterlaufenen Augen anstarre, wird sie auf einmal nervös. „ Jasmin, alles in Ordnung? Hast du nicht gut geschlafen?“ Ihre Frage ist ernst gemeint doch ich bilde mir ein, einen sarkastischen Ton heraus zu hören, als

wüsste sie genau was ich gesehen habe. Ich versuche mich einigermaßen in den Griff zu kriegen und raffe mich auf. „ Äh, nein, nein, alles ok…“ stottere ich und hoffe sie hat nichts von meiner Panik gemerkt. Sherrie lächelt wieder und dreht das Licht im Raum auf, unter ihren Arm geklemmt, sehe ich ein neues Kleid. Grinsend hebt sie es hoch, dass ich es genauer sehen kann: „ Entschuldige, ich konnte nicht widerstehen zu warten, bis du es später anprobieren würdest.“ Verlegen schlüpfe ich aus der heißen Decke und stehe auf. Ich versuche ungeschickt den Reißverschluss am Rücken auf zu machen, aber ich komme mit den Armen

nicht richtig ran. „ Lass mich dir helfen.“ Sagt sie und ehe ich antworten kann, haben ihre kühlen Finger den Reißverschluss und ziehen ihn behutsam nach unten, dass er mir nicht die Haut ein zwickt. „ Äh, danke.“ Etwas verlegen schlüpfe ich aus dem Kleid und beginne in das Frische zu schlüpfen als Sherrie mich unterbricht: „ Du bist ja total verschwitzt! Nimm doch vorher ein Bad. Sind die zwei Decken zu viel?“ Ich mache eine abwehrende Handbewegung: „ Oh, nein, nein, ich habe gestern nur etwas zu tief ins Glas geschaut, da war mir im Nachhinein ganz heiß und übel.“ Sie kichert und zieht mich an der Hand nach draußen. „ Na dann sollte ich darauf

Acht geben, dass das nicht so schnell wieder passiert.“ Als ich ihr aus dem Zimmer folge, wirft mich die Kälte die meinen nackten Körper berührt, fast um und ich bin froh als wir im Bad sind und ich das Wasser einlasse. Sie lässt mir ein frisches Handtuch, eine Zahnbürste und das Kleid da, dann lässt sie mich allein. Als habe sie damit einen Zauber aufgehoben unter dem ich stand, reißen mich meine Gedanken zurück in die Wirklichkeit. Ich muss um jeden Preis wissen was mit Hannah Mallison passiert ist! Ob sie es mir freiwillig erzählt oder nicht. Im Notfall musste ich eben den Raum wieder finden und mir ihre Schublade ansehen, auf der ihr

Etikett klebt. Ach was, dass musste ich wohl tun! Freiwillig würde Sherrie mir das ganz bestimmt nicht verraten! Ich steige langsam in das warme Wasser und seufze. Meine langen Haare hängen ins Wasser und ich spiele gedankenverloren mit einer Strähne. Nicht nur die Frage, wer diese Hannah war und was mit ihr passiert ist, quält mich. Nun plagt mich auch wieder die Frage, was Sherrie jetzt wohl mit mir vorhat! Weshalb sie ausgerechnet mich verschleppt hat und mich hier festhält ohne je einen richtigen Nutzen für mich bereit gestellt zu haben, außer ihr Spielzeug zu sein. Meine Fantasie geht wieder mit mir durch als sich mir die Frage aufdrängt,

was mit all den anderen passiert ist, deren Namen auf den Aktenschränken vermerkt sind. Was hat sie mit ihnen angestellt? Mir droht Übles und ich bebe am ganzen Körper. All diese Fragen schreien nach ihren Antworten und die muss ich unbedingt heute bekommen! Sonst zerfrisst mich die Angst noch bis ich nur mehr leer und tot bin. Tot. Wieder zucke ich zusammen und sehe dem Wasser zu, wie es sich um meinen zitternden Körper kräuselt. Ich muss mich aber noch zusammen reißen, schließlich darf sie nicht merken dass ich ihrem Vorhaben immer weiter auf die Schliche komme. Das Wasser wird langsam kalt und ich steige aus der

Wanne, trockne mich rasch ab und ziehe das Kleid an, dass sie für mich ausgesucht hat. Es ist wieder ein etwas Schlichtes. Mit langen Ärmeln, roten Verzierungen und Mustern von kleinen Ranken und Blumen die sich um meine Hüften schlingen, einem knappen, welligen Rock und hier und da einem Schleifchen. Als ich in den Spiegel blicke, gähnt mir ein fahles, lebloses Gesicht entgegen. Unter meinen olivgrünen Augen zeichnen sich Augenringe ab und ich sehe irgendwie abgehungert aus, kein Wunder. Ich habe schon lange nicht mehrordentlich gegessen. Mein Haar hat an Farbe verloren und hängt mir matt ins Gesicht.

Verzweifelt versuche ich die wirren Strähnen in eine gewisse Ordnung zu rücken und wasche mir noch mal rasch das Gesicht, damit Sherrie mir nicht ansieht, dass ich nur wenige Stunden geschlafen habe. Aber auch so sieht man mir an dass mich Nacht für Nacht Albträume und Ängste heim suchen. Es bringt nichts, also gehe ich endlich zu ihr ins Esszimmer, wo wie immer das übliche Frühstück bereit steht. Ich lange zum ersten Mal seid langem richtig zu und esse mich satt. Sherrie, die vorher kein einziges Wort verloren hat, berührt mich plötzlich am Arm und sagt mit leidendem Ton: „ Tut mir leid, dass ich dich hier hungern lasse. Ab heute gibt es

immer ein schönes Abendessen, okay?“ sie grinst mich entschuldigend an. Ich nicke nur. Ob sie bemerkt hat wie dünn ich geworden bin? Unter den eng geschnittenen Kleidern, in die sich mich immer steckt, lässt sich nur schwer sagen ob diese mich so schlank machen oder ob ich abgenommen habe. Ich belasse es bei dem Gedanken, dass mich die Kleider so dünn aussehen lassen und erhebe mich. „ Wenn du nichts dagegen hast, würd ich mich gern noch etwas umsehen. Es gibt hier so viele Gänge und Räume, irgendwann verlaufe ich mich noch!“ versuche ich zu scherzen aber das Lächeln will mir einfach nicht gelingen. Doch Sherrie scheint es zu

schlucken: „ Sicher doch. Lass dir Zeit, ich hab so wieso etwas zu erledigen.“ Was sie hier wohl zu erledigen hat? Ich verschwinde schnell durch den ersten Flur und hoffe sie hat nicht bemerkt wie eilig ich es habe. Ich folge dem Flur immer weiter und versuche Anzeichen zu finden, an denen ich mich orientieren könnte. Doch es sieht hier alles gleich aus. Hier und da eine Tür, in regelmäßigen Abständen die schwachen Neonlampen an der Wand und das Geräusch meiner Schritte auf dem Metallboden. Ich öffne wie zuvor jede Tür uns versuche mir im Kopf einen Plan von allem zu machen und ein zu prägen. Ich komme am ersten

Kontrollraum vorbei, der mit den Kabeln und Monitoren. Bald müsste ich doch auf den zweiten stoßen. Hanna Mallison, bald weiß ich mehr über dich! Das Herz schlägt mir wieder bis zum Hals, wie vorgestern. Als würde ich etwas Verbotenes tun. Und tatsächlich, als ich endlich die verrostete Tür finde und mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, dass es jene ist, kommt es mir so vor als hätte ich kein Recht sie zu öffnen. Als währe es das Beste für mich, wenn ich sie einfach geschlossen ließe und zurück zu Sherrie gehe, um mir tagtäglich den Kopf über mich und sie zu zerbrechen und Hannah Mallison nur als Namen, ohne Person und Charakter,

in meinem Gedächtnis ab zu stempeln und die Erinnerung an ihre bloße Existenz vergessen würde. Doch etwas in mir schreit; du bist jetzt hier, im selben Boot mit Hannah Mallison, also hast du auch das Recht zu erfahren wer sie ist oder war und was sie mit Sherrie zu tun hat. Ich atme tief ein und drücke die rostige Türklinke nach unten. Die Tür öffnet sich in einen kleinen dunklen Raum hin und das schwache Licht von Draußen fällt auf einen Haufen Aktenschränke, die kreuz und quer stehen. Er ist genauso wie ich ihn trüb in Erinnerung habe und wie er mir in den Träumen erschienen ist. Jetzt stehe ich endlich hier und weiß, dass ich nicht

mehr umkehren kann, wo ich diese Tür geöffnet habe. Zögerlich trete ich ein. Im hinteren Teil des Raumes reicht das Licht nicht hin und verhüllt wahrscheinlich eine weitere Anhäufung Aktenschränke. Jeder Schrank ist aus bläulich schimmerndem Metall und von einer dicken Staubschicht überzogen. Jede Schublade ist mit einem Etikett versehen auf den Sherrie mit ihrer wundervollen, geschwungenen Schrift einen Namen vermerkt hatte. Ich könnte genauso gut eine x-beliebige Schublade öffnen und den Menschen kennen lernen, dessen Informationen darin liegen, doch nichts will mich mehr davon abbringen, mehr über Hannah Mallison in Erfahrung

zu bringen. Ich habe ihre Schublade erstaunlich schnell gefunden, das Licht fällt besonders stark auf ihren Aktenschrank und die Schrift lässt sich auch von weitem gut lesen. Meine verschwitzten Finger klammern sich um den eisigen Griff und ziehen. Mit einem leisen Rattern rutscht die Schublade heraus und enthüllt mir ihren Inhalt. Es liegen ein kleines Notizbuch darin und eine dünne Akte. Etwas Staub wirbelt auf, als ich beides in die Hand nehme und mich auf den kalten Boden setze. Ich spüre die Kälte aber kaum, die mich sonst wie immer umgehauen hätte. Ich bin viel zu aufgeregt um so etwas zu empfinden und ich betrachte das

Notizbuch eingehend, bevor ich es öffne. Es ist klein und praktisch, in dunkles Leder gebunden und an den Kanten schon etwas eingerissen. Die Seiten sind unbeschädigt und ich beginne die erste Seite zu lesen. Es ist Sherries unverwechselbar, eigentümliche Schrift die sagt: Hannah Mallison, Emlex-Street, 24 Jahre alt (so alt, wie ich jetzt bin, schießt es mir durch den Kopf) Mutter: Amanda Mallison, leiblicher Vater/verstorben: Oxfort Mallison, Amandas Ehemann: Finn Wacon, Schwester: Miranda Mallison. Ich sehe kurz auf. Diese knappen Informationen klingen, wie aus einem

Formular vorgelesen. Es kommt mir seltsam vor. So etwas passt gar nicht zu Sherrie. Ich habe nicht das Gefühl dass sie ein Mensch ist der von Fakten besessen ist, wie es mein Cousin William war. Ich lese weiter. Ich beobachte Hannah seid 3 Tagen, sie scheint mir geeignet. Es widerstrebt mir, meine Entscheidung bereits nach 3 Tagen fest zu legen, aber sie ist wie geschaffen für mich. Ich lasse die Worte kurz auf mich wirken. Sherrie hat Hannah also beobachtet, bevor sie sie offensichtlich entführt hat, wie mich. Ob sie mich auch beobachtet hat? Bei der Vorstellung fährt es mir plötzlich eiskalt durch den

Körper und ich reiße instinktiv den Kopf herum. Doch im Türrahmen ist niemand, nur das lustlose Licht der matten Neonlampen fällt mir ins Gesicht. Erleichtert, aber immer noch angespannt wende ich mich wieder dem Buch zu. All meine Sinne sind auf Angriff gestellt, als lauer sei nur darauf mich zu ertappen, wie ich ihr auf die Schliche komme. Donnerstag, 20. 3. 21:27 Sie ist auf dem Weg nachhause, sie war noch bei einer Freundin zum Essen eingeladen, Lola Qarri. Sie schließt die Tür auf. Es ist ein Leichtes, sie in der Küche zu überraschen und zu betäuben, den Rest erledigt die Nacht und ihr Waagen für

mich. Wie angeschossen, sitze ich still da und wage es nicht zu atmen. Sie hat ihr in der Küche aufgelauert! Ich versuche mir nicht vor zu stellen, wie Sherries Püppchengestalt in meinem trauten Heim sitzt und nur darauf wartet, dass ich herein komme. Ich kann mich schließlich immer noch nicht daran erinnern, wie , wo und wann sie mich gefangen hatte, aber sie hat es bestimmt nicht anders gemacht wie bei Hannah. Mich irritiert nur, dass Sherrie in der Gegenwart geschrieben hat, als hätte sie Hannah betäubt und gefangen und gleichzeitig Tagebuch geführt. Hannahs Zustand ist in den ersten Tagen

bemerkenswert einfältig. Sie ist in Panik, hat Angst, fleht und bettelt um ihre Freilassung, es ist wirklich sonderbar wie gleich sich die Menschen doch in solchen Situationen verhalten. Tag 2, Hannah scheint zu akzeptiert haben dass sie hier nicht raus kommt, jedenfalls hat sie jegliche Form der Wehr fallen lassen. Sie redet gelegentlich mit sich selbst, aber nicht so oft wie manche andere. Ich schätze sie hat schon einige Pfund verloren. Es wird aber noch ein bisschen dauern bis sie soweit ist. Tag 3, keine Veränderungen in Hannahs Verhalten. Sie hat sich vollkommen in ihrem Raum zurück gezogen, verkriecht

sich in der Ecke oder unter der Bettdecke. Hin und wieder versucht sie mit mir zu sprechen, erzählt von sich, als ob ich nichts wüsste. Selbsterhaltungstrieb zeigt sich also bereits, sie kämpft darum ihren Verstand zu behalten. Tag 4, Hannah hat es aufgegeben mit mir zu reden und schläft jetzt hauptsächlich. Sie ist dünner geworden, sie isst ja auch nicht viel. Sie sieht sehr gequält aus wenn sie schläft, wie das wohl ist Albträume zu haben. Tag 5, 6, keine Veränderungen. Hannah bleibt schweigsam, doch sie scheint die Wände immer eingehender an zu sehen, als suche sie die Tür, die genau vor ihr

liegt. Mal sehen, wann sie so weit ist. Tag 7, Hannah schläft nicht mehr so oft wie sonst, sie scheint ihre Umgebung zum ersten Mal richtig wahr zu nehmen. Nicht sehr überraschend. Doch sonst gibt es keine Veränderungen in ihrem Verhalten. Tag 8, Hannah schläft, sie ist letzte Nacht auch sehr lang auf geblieben, schon lustig wie unterschiedlich die Schlafenszeiten der Menschen sind, wenn sie nicht wissen wann Tag und wann Nacht ist. Ich öffne jetzt die Tür, ich hoffe sie findet zu mir, wenn nicht, werde ich eine Platte auflegen. Die Musik ist nicht zu überhören. Tag 9, Hannah irrt immer noch ängstlich

durch die Flure. Sie hat wohl beschlossen sesshaft zu werden, sie hat sich in F-21 nieder gelassen und geht nicht mehr weiter. Ob ich sie holen soll. Nein, sie soll zu mir finden. Tag 9, Abend, allein zu Abend essen ist langweilig, zum Glück trifft Hannah endlich ein. Sie nimmt Platz und isst etwas, schaut mich so misstrauisch an wie die Maus den Löwen. Ob sie wohl wie erwartet auf ihr Zimmer reagieren wird? Tag 10, Morgen, Hannah hat zum ersten Mal in ihrem neuen Bett geschlafen. Ich hoffe es gefällt ihr, später kann sie ein Bad nehmen. Ob sie sich ertränkt, wie Nr-19? Ich hoffe nicht, dann war das

Warten und die Arbeit wieder umsonst. Ich blättere etwas vor, ich will nichts von Hannahs Gefühlen und Reaktionen in den ersten Tagen wissen, die für mich so grauenvoll waren. Ich lasse die Seiten springen, bis ich bei Tag 50 stehen bleibe. Tag 50, Hannah hat heute den Tisch abgeräumt. Es hat lange gedauert aber sie findet sich schon sehr gut zurecht und das Kleid, das ich ihr genäht habe, steht ihr ausgezeichnet. Sie sieht so schön aus aber auch ohne das Kleid währe sie so schön wie eine Göttin. Was habe ich doch für eine gute Wahl mit ihr getroffen. Heute Abend haben wir wieder getanzt, ich beneide ihre

geschmeidigen Bewegungen. Sie hat Tänzerblut in sich! Und heute Abend durfte ich ihr das Kleid aufschnüren, es war so eine hinreißende Nacht, ich wollte ihr das Kleid schon seid Tagen vom Laib reißen! Schnaufend klappe ich das Buch zu, mit dem Finger zwischen den Seiten. Ich weiß nicht was mich mehr schockiert. Die Tatsache dass Hannah ganze 50 Tage bei Sherrie war oder die, dass sie miteinander geschlafen hatten. Aber nebenbei kam es mir auch so vor als habe sich Sherries Schrift geändert. Ich kann nicht sagen ob es ihr Schriftstil oder ihre Art sich aus zu drücken ist, was sich geändert hat, ich habe es kaum

gemerkt. Nach einer kurzen Pause schlage ich das Buch wieder auf und lese weiter. Tag 51, heute habe ich Hannah extra ihren Lieblingstee gekocht und die Marillenmarmelade aus der Speisekammer gekramt. Seid langem habe ich kein freudiges Lächeln mehr auf ihrem Gesicht gesehen. Sie scheint seid letzter Nacht sehr glücklich zu sein und ich bin es auch. Mir kommt es vor als habe ich endlich die Mauer zwischen uns durchbrochen. Heute soll sie mir beim Nähen helfen, es soll ein eleganter Schal mit einem dichten, geschwungenen Muster aus Blumen und Schmetterlingen werden. Er

wird ihre Augen gut betonen. Für sie nähe und koche ich nur das Beste, an nichts soll es ihr fehlen, dass ist schließlich ihr Zuhaue. Ich will nicht, dass sie sich hier unwohl fühlt. Tag 52, wir haben den ganzen Tag damit zugebracht, den Schal zu nähen und er ist schon fertig. Er schmeichelt Hannah sehr und passt ideal zu ihrem Kleid. Sie ist meine Prinzessin, meine Sonne, ich bin so froh, sie hier zu haben. Ich liebe sie sosehr. Aus unerklärlichem Grund schnürt sich mir die Brust zu, als ich die letzten Worte lese. Es kommt mir vor, wie eine verunglückte Liebesgeschichte, die falsch begonnen hat und wahrscheinlich

falsch enden würde. Zuerst war Hannah in Sherries Augen nur eine hübsche Frau gewesen, über die sie bereits einiges wusste. Sie war für sie immer noch fremd, als sie sie in ihr Haus brachte, wo sie sie verängstigt in einem fensterlosen Raum hungern ließ. Bis sie sie da raus holte und in ihre eigene Welt schloss, die aus süßen Kleidern im Gothicstil bestand, aus ruhiger Jazz-Musik, violettem Neonlicht und weichen Betten in denen sie sie und Albträume heimsuchten. Ich fühle mich mit Hannah auf seltsame Weise verbunden, obwohl mir doch scheint, sie währe ein ganz anderer Mensch als ich gewesen. Also ist es wohl die Tatsache

von Sherrie fest gehalten zu werden, die mich mit ihr verbindet. Plötzlich bekomme ich ein ganz mulmiges Gefühl und klappe das Buch zu. Ich habe genug gelesen. Ich werfe das Buch und die Akte zurück in die Schublade und drehe mich um und schreite aus der Tür. Nichts will ich jetzt mehr, als diese Tür hinter mir zu schließen und einfach zurück zu gehen. Zurück zu ihr, die eine Frau entführt hat, sich in sie verliebt hat und alles nieder geschrieben hat. Zu ihr, die nun eine andere Frau festhält und deren Ende noch ungewiss ist.

0

Hörbuch

Über den Autor

Schattenpuppe
Hallo, ich heiße Joshua und ich schreibe seltsame, melancholische Texte und zeichne gerne!
Ich bin 19 Jahre alt, komme aus Österreich und bin schon länger bei mystorys.de dabei, als ich zugeben will. Ich bin angehender Schriftsteller und Künstler und steuere mit letzterem ein bisschen was zu meiner Miete bei. Ein paar meiner Bilder könnt ihr unten in meiner Galerie sehen. Derzeit schreibe ich an meinem New Adult Roman "Less Like Shit".

Leser-Statistik
9

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

111204
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung