Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand eines Bürgerkriegs
steht.
Bildquelle : Jochen Pippir / pixelio.de
Die Dörfer der Gejarn waren meist nicht groß und viele Clans ließen sich erst gar nicht dauerhaft irgendwo nieder, sondern bauten ihre Hütten oder Zelte je nach Jahreszeit an anderen Orten neu auf. So auch in diesem Fall. Strohgedeckte Hütten standen neben einfachen Zelten aus Tierfellen und einigen waghalsigen Konstruktionen, die sich in die Wipfel der Bäume einfügten auf einer Lichtung. Kleinere Felder und Gehege nahem das Zentrum der Siedlung ein, die in wenigen Wochen, spätestens nach der Erntezeit, schon wieder ganz wo anders sein
könnte. Hühner und andere Nutztiere liefen zwischen den einzelnen Gebäuden herum und wurden nur ab und an durch eine Handvoll spielender Kinder oder entnervter Erwachsener aufgescheucht. Auch wenn die meisten auf irgendeine Art mit alltäglichen Arbeiten beschäftigt waren, war die Anspannung, die in der Luft lag fast mit Händen greifbar. Was nicht zuletzt an einem unerwarteten Neuankömmling lag. Zwei mit Gewehren bewaffnete Gejarn hielten vor dem Eingang eines Zelts wache. Von drinnen waren sie nicht mehr als zwei Schatten, die sich auf den Stoffbahnen
abzeichneten. Einzelne verirrte Lichtstrahlen und Schatten malten sich ständig wandelnde Muster darauf. Das halbe dutzend Gejarn, das ihr auf Kissen gegenübersaß hüllte sich in Schweigen. Sie hatten ihr genau so schweigend zugehört und nur ab und an hatte einer der versammelten Männer und Frauen genickte oder verständnislos den Kopf geschüttelt. Ein heruntergebranntes Feuer in der Zeltmitte strömte eine unangenehme Wärme aus. Obwohl es früh war und er Herbst langsam näher kam, es herrschte nach wie vor Hochsommer und die Hitze des Feuers bestenfalls unangenehm.
Zumindest für Jiy. Sie hatte längst nicht alles erzählt. Nur das, was sie wissen mussten. Ihre Gefühle lies sie dabei vollkommen aus. Die gab es ohnehin nicht mehr, sagte sie sich. Der Weg von Vara zurück in die Herzlande war ein einsamer gewesen. Allein hatte Jiy nur vier Tage gebraucht, aber das hatte kaum gereicht, das Chaos in ihrem Kopf wieder zur Ordnung zu bringen. Noch immer weigerte sie sich, darüber nachzudenken, was passiert war. Es tat einfach nur weh… Am liebsten hätte sie irgendjemanden angeschrien. Aber die einzige Person,
der sie die Schuld geben könnte, war jetzt sonst wo. Und gleichzeitig wünschte sie sich genau dort zu sein. Ohne zu wissen, was sie dann tun würde. Kellvian einen Dolch in die Rippen rammen oder… Was wollte sie eigentlich? Jiy musterte die versammelten Gestalten eine nach der anderen. Einige Späher hatten sie gefunden, sobald sie die Grenze zu den Herzlanden überschritten hatte und in eines der Clandörfer gebracht. Welches wusste sie nicht genau, aber es war auch egal. Sobald sie mit den Nachrichten über Lore vor die Ältesten getreten war, hatte man ihr sehr aufmerksam zugehört. Jiy wusste nicht, ob sie das richtige tat
auf der anderen Seite… Sie wischte einige wütende Tränen weg. Auf der anderen Seite war es doch absolut egal. Wenigstens ihre Leute sollten sofort die Wahrheit wissen. Sie war nicht Kellvian. Er hatte von Anfang an gelogen. Dabei hatte es mehr als genug Hinweise gegeben. Sie hätte doch sehen müssen, wer er war, dachte sie. Warum hatte er das getan? Sie konnte es ja verstehen. Zumindest zu Beginn. Aber später… in Vara… Dieser Mann hatte sie so tief verletzt Wie hatte sie auch nur hoffen können, jemals denken können das… Und doch hättest du nicht vielleicht genau so gehandelt? Das war die leise Stimme des
Zweifels, die Stimme die sagte, sie hätte ihm zuhören müssen, wenigstens kurz, ihm die Chance geben sollen, sich zu erklären. Aber was gab es da zu erklären? Jiy brachte ihre rasenden Gedanken endlich zum Schweigen und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das wesentliche. Die im Zelt versammelten Ältesten gehörten alle zu verschiedenen Clans, die sich gegen das Kaiserreich zusammengeschlossen hatten, doch einer von ihnen hob sich etwas von den anderen ab. Lange graue Haare und Fell von der gleichen silbrigen Farbe rahmten das wölfische Gesicht ein. Zwei gelbliche, wache Augen schienen sie
genau zu Muster und nach Anzeichen einer Lüge zu suchen. Fenisin war niemand, der unbedacht handelte. Im Schneidersitz hatte die alte Graumähne mehrere Knochenwürfel in der Hand und schien nachzudenken, während sich die übrigen Anwesenden leise flüsternd unterhielten. Auch wenn die Clans Offiziell alle das gleiche Mitspracherecht hatten, es war Fenisin, der bei weitem den größten Einfluss auf die Entscheidungen der anderen hatte. Auch wenn er einer der wenigen Wolfs-Gejarn blieb, die dem Kaiser die Treue brachen. Ein Gewehr lehnte hinter ihm an der Wand, zusammen mit weiteren Waffen. Die Clans rüsteten sich schon
lange für den Moment, an dem sie sich mit dem Kaiserreich messen würden. Und nun schien dies nicht mehr all zu fern. Jiy konnte stummes Mitgefühl in den Augen der Anwesenden lesen. Aber auch Wut. Auf den Kaiser und die übrigen Clans, die sich weigerten sie zu unterstützen. Jiy Bericht über die Zerstörung Lores musste den meisten wohl die letzten Zweifel genommen haben. Hoffentlich tat sie damit das richtige. Etwas hatte sie gewarnt, einfach zu verschweigen, was sie über den Untergang der Siedlung wusste. Jetzt jedoch war es ohnehin zu spät. ,,Wir müssen sofort reagieren.“ , meinte eine Frau . Offenbar eine der Ältesten
der Füchse,,Was ist mit Riach ?“ , fragte Fenisin seinerseits. ,,Er wusste um das Risiko, als er ging.“ , erwiderte jemand anderes. ,,Und doch wäre ich bereit auf seine Rückkehr zu warten, wenn nicht… ,,Wenn der Kaiser so weit ist, das er ohne Vorwarnungen unsere Siedlungen überfallen lässt“ , unterbrach ihn die Füchsin. ,,ist das ein Kriegsakt. Und ich werde nicht warten, bis sich das wiederholt.“ Jiy konnte dem Gespräch nur halb folgen. Um wen ging es hierbei? Hatten die Clans einen Boten zum Kaiser geschickt? Fenisin seinerseits wog einen Moment
schweigend die Knochen in seiner Hand. Irgendwie erinnerten Jiy die mit Symbolen übersähen Gebeine an Melchior. Besaß der Seher nicht einen Anhänger gleicher Machart? ,,Könnt ihr uns denn vielleicht noch einen Rat geben ?“ , wollte er von Jiy wissen und klang dabei ernst genug, das sie einen Augenblick nicht wusste, was sie antworten sollte. Oder überhaupt… Aber wenn sie schwieg… dann gab es nur eine Entscheidung, die diese Versammlung treffen konnte, nicht? ,,Ich…“ Jiy zögerte. Sie hatte alles erzählt, was die Ältesten wissen mussten. Außer einem. Einer Überzeugung, von der sie dachte, sie sei längst wieder
gestorben. In Vara geblieben… ,,Ich glaube nicht, das die Menschen alle unsere Feinde sind oder sein müssen. Wenn ihr euch dazu entscheidet als erste anzugreifen… vergesst nicht, dass die wenigsten der Leute da draußen uns jemals etwas getan haben.“ ,,Das hatte ich nach dem was ihr uns erzählt habt nicht von euch erwartet.“ , meinte Fenisin, lächelte aber auf eine seltsam abwesende Art. ,,Ich denke ich spreche wohl für uns alle, das wir einen Angriff des Kaiserreichs nicht unbeantwortet lassen können.“ ,,Dann lasst uns nicht länger zögern.“ , rief jemand. ,,Wir bereiten uns seit Monaten vor. Alle Clans, die bereit sind
an unserer Seite zu stehen warten nur noch auf ein Zeichen. Wenn wir sofort alle Truppen zusammenziehen und…“ ,,Aber“ , unterbrach Fenisin seinen Vorredner. ,,Ich muss Jiy zustimmen. Sie beweist grade mehr Weisheit, als viele von euch Hitzköpfen. Wir können nicht einfach blind losschlagen, dann wären wir nicht besser, als der Kaiser.“ ,,Und wenn schon.“ , bemerkte die Älteste der Füchse. ,,Ich bin kein Freund des Kaisers und damit auch kein Freund von irgendjemanden, der ihn unterstützt, sei das Mensch oder Gejarn.“ ,,Ist das so ?“ , fragte der grauhaarige Älteste. ,,Wie wäre es dann, wenn wir unseren ersten Schlag gegen einen der
Clans führen, die sich uns nicht anschließen wollen ?“ Schweigen erfüllte das Zelt, das nur noch von einzelnen Geräuschen von draußen unterbrochen wurde. Jiy hatte das Gefühl, das es plötzlich kälter wurde, während die übrigen Ältesten weiterhin keine Antwort gaben. ,,Nein ?“ Fenisin sah sich mit einem scheinbar enttäuschten Gesichtsausdruck um, ,,Das dachte ich mir. Hört zu. Ich habe dieses Geduldsspiel genau so satt wie wir alle. Mehr als ein Jahr nun ist es her, das sich die ersten von uns offen gegen den Kaiser ausgesprochen haben. Und es wird an der Zeit, Konsequenzen folgen zu lassen. Aber wir werden nichts
gewinnen, wenn wir nun losziehen und die erstbeste menschliche Siedlung niederbrennen. Selbst wenn ich Jiy nicht zustimmen würde, alles was uns das bringen würde, das wäre der ewige Hass der Menschen und das ist das letzte was wir wollen. Ich schlage daher vor, unsere Truppen zwar zusammenzuziehen, aber abzuwarten, wie der Kaiser reagieren wird. Möglicherweise wird man unseren Forderungen nachgeben, wenn sie sehen, das wir mehr sind, als ein einfacher Haufen Rebellen. Und wenn nicht, so haben wir all unsere Ressource gebündelt und können jederzeit zuschlagen. Sind alle mit diesem Vorschlag einverstanden oder gibt es Gegenansichten
?“ ,,Ich…“ , begehrte jemand auf, schweig aber sofort wieder, als Fenisin in die Richtung desjenigen sah. ,,Dann ist das wohl entschieden.“ , meinte der Älteste zufrieden und stand auf. ,,Das beste wird sein, wir rufen sofort alle Clans zusammen. Schickt Nachrichten an alle, die uns Unterstützen wollen, von den Herzlanden bis nach Immerson und Hasparan. Wir werden jeden einzelnen Mann brauchen. Was euch angeht Jiy… Auf ein Wort.“ Damit war die Unterredung für Fenisin beendet und er trat aus dem Zelt. Jiy folgte ihm mehr als gerne und sei es nur um eine Gelegenheit zu haben aus dem
stickigen, überheizten Zelt heraus zu kommen. Kühle Morgenluft schlug ihr entgegen und einen Moment fröstelte sie tatsächlich, so groß war der Unterschied. Grüne Bäume erhoben sich um die annähernd kreisrunde Lichtung, auf der die Zelte und einfachen Hütten aufgeschlagen waren. Fenisin nickte den Wachen am Zelteingang zu, während Jiy sich in der Siedlung umsah. Die meisten Leute denen sie begegneten sahen nur kurz auf, als sie den Ältesten erkannten. Dieser jedoch nickte nur kurz jedem zu und hielt auf eine kleine Baumgruppe am Rand der Lichtung zu. Erst dort hielt er an und drehte sich wieder zu Jiy um. Was
sollte das? , fragte sie sich. Es gab doch sicher nichts, das der Mann vor den übrigen Ältesten verheimlichen musste. Oder etwa doch ? ,,Erzählt mir doch einmal die Wahrheit. Und ich meine, die ganze. Ihr seit fast zwei Wochen mit dem Erben Cantons durch die Provinzen gereist und dabei habt ihr die ganze Zeit geplant hierher zurück zu kommen um uns zu Berichten, das grade dieser Mann es war, der euren Heimatort niederbrennen ließ ?“ Jiy schwieg. Das war die Version, die sie den Ältesten erzählt hatte und bisher hatte niemand daran gezweifelt. ,,Genau das.“ ,,Sagt einmal… für wie dumm genau
haltet ihr mich ?“ , fragte er. Fenisin klag zwar nicht wütend, aber das der Älteste offenbar nicht gewillt war, ihre Geschichte einfach so zu Glauben… ,,Wenn ich etwas verschweige, dann weil euch das nicht einmal im geringsten etwas angehen würde. Alles, was ich euch über Lore erzählt habe stimmt.“ Fenisin nickte. ,,Wie ihr wünscht. Ich wollte nur sichergehen… Möglicherweise könnt ihr uns noch einen Dienst erweisen.“ Jiy seufzte und lehnte sich gegen den Baum in dessen Schatten sie standen. ,,Ich höre…“ ,,Wisst ihr, wo sich Kellvian jetzt aufhält
?“ Sie zögerte zu antworten. Er war bestimmt nicht mehr in Vara. Aber sie kannte ihn gut genug. Nur was der Älteste davon denken mochte. Zu den Verdammten mit dem Ältesten. ,,Allein kann ich ihn sicher einholen und ich bin mir sicher seiner Spur von Vara aus folgen zu können, wenn nötig.“ ,,So ?“ , war alles was Fenisin erwiderte. ,,Was heißt hier so ?“ ,,Ich möchte, das ihr ihn für uns tötet.“ ,,W… Was ?“ ,,Er traut euch, das wäre ein Schlag gegen das Kaiserreich, der Konstantin persönlich treffen wird.“ ,,Ihr seit hier derjenige der grade
versucht hat einen Angriff auf…“ ,,Und ich glaube immer noch, das wir friedliche Lösungen in Erwägung ziehen müssen. Aber denkt nach. Dieser Mann hat euer Dorf niedergebrannt. Jeder einzelne der dort starb, starb durch ihn. Glaubt ihr, die anderen werden etwas Geringeres als seinen Tod fordern? Etwas, das der Kaiser nie akzeptieren würde. Jedoch wenn er… schlicht verschwinden würde…“ Fenisin ließ den Satz unvollendet, sondern zog stattdessen ein Messer, das er Jiy mit dem griff zuerst hinhielt. Die Klinge fing das Licht ein, so das der Eindruck entstand, der Stahl wäre grade erst aus den Feuer einer Schmiede gezogen worden.
,,Kann ich mich auf euch verlassen ?“ Sie blieb die Antwort schuldig, als sie das Messer an sich nahm.
EagleWriter Danke. Ich hab endlich rausgefunden, wie ich eigene Bilder ohne Fehlermeldung hochgeladen bekomme. Schön, das du dran bleibst. Die Geschichte ist jetzt schon doppelt so lang wie ich mal Gedacht hatte... Ich hab mal geglaubt in 25 Kapiteln alles unterzubringen. Tja, so kanns gehen... |
EagleWriter Hoffe, das neue Cover gefällt |