Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand eines Bürgerkriegs
steht. Bildquelle : Jochen Pippir / pixelio.de
Syle lief auf einem seiner gewohnten Wege durch die Gänge des Palastes. Nachdem der Kaiser sie für den Tag entlassen hatte, hatte er es nicht eilig, zu den Baracken der Garde zurückzukehren. Wenn möglich wollte er die Gelegenheit nutzen, mit Walter zu sprechen. Auch wenn beide als Wachen für die Begegnung mit dem Clan-Botschafter eingeteilt worden war, ein Gespräch unter den Augen des Kaisers war natürlich unmöglich. Nachdem der Gesandte wütend den Raum verlassen hatte, schien allerdings auch
kein weiterer Bedarf für Verhandlungen zu bestehen… Der Gedanke machte Syle unruhig. Das einzig, was den Kaiser davon abgehalten hatte, längst etwas zu unternehmen, war dessen Glaube an eine friedliche Lösung. Etwas, dass ihm persönlich ebenfalls lieber wäre. Syle wusste, auf welcher Seite er stehen würde, wenn es wirklich zu offenen Konflikt mit den abtrünnigen Clans kam. Was er von vielen anderen Gejarn nicht sicher sagen konnte. Mit einem hatte der Gesandte Riach recht gehabt. Wenn der Kaiser eine militärische Lösung in Erwägung zog, lief das im schlimmsten fall auf einen Bürgerkrieg und den Aufstand mehrerer Garde-Regimenter
hinaus. Und auch von Kellvian hatte man seit Wochen nichts mehr gehört… Auch wenn das nicht unbedingt etwas zu bedeuten hatte, so war es doch alles andere als gut. Der Gejarn schob seine düsteren Gedanken beiseite, als ihm jemand auf den Gang entgegenkam. Stattdessen versuchte er möglichst förmlich und neutral zu wirken. Wer auch immer einem in diesen Hallen begegnete, verlangte Respekt. Ob derjenige diesen auch verdient hatte war dabei eine ganz andere Sache. Zu seiner Überraschung war es Riach, der Gejarn-Botschafter, der offenbar wieder ruhiger, den Flur
entlanglief. Gelbe, wache Augen blitzten aus einem mit rotem und weißem Fell bedeckten Gesicht. Mancher mochte in die spitze Schnauze und tiefliegenden Augen Hinterlist hineindeuten, Syle hingegen erkannte lediglich die Zeichen eines sichtlich verzweifelten Mannes. Schweif und Ohren des Gejarn hingen herab, als hätte ihm jemand einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet. ,,Kenne ich euch nicht ?“ , fragte der Botschafter und klang dabei besser gelaunt, als er aussah. Entweder war der Mann ein Schauspielkünstler oder ihm war die Höflichkeit eines Diplomaten mittlerweile schon zur Gewohnheit geworden. Das heißt, wenn sich nicht
grade ein übereifriger Hochgeneral im Raum befand, dachte Syle und lächelte unwillkürlich. Dagian Einher war ein guter Mann und er hatte einen tiefen Respekt ihm gegenüber, aber er war kein Diplomat. Er sagte, was er dachte, gleich was das anrichten mochte. ,,Mein Name ist Syle. Ich war im Thronsaal, wenn ihr das meint, Botschafter und wir haben uns auf den Weg dorthin kurz unterhalten.“ Riach nickte, als hätte er sich erst jetzt wieder daran erinnert. ,,Kann ich eure Meinung zu dem ganzen hören ?“ ,,Ich wüsste nicht, was meine Meinung ändern sollte… Herr. Wie ich schon sagte, ich weiß, wem meine Loyalität
gilt.“ ,,Aber vielleicht muss ich einmal hören, was jemand anderes als der Kaiser oder seine Berater denkt.“ ,,Auch glaube ich nicht, das es zu meinen Aufgaben gehört, mit einem Abtrünnigen, auch wenn er ein Diplomat ist, lange zu reden.“ , erklärte Syle. Und wichtiger, es konnte gefährlich werden, zumindest bestand die Möglichkeit, dass die Garde ihn entließ wenn Zweifel an seiner Loyalität aufkamen. Zumindest, bis sie sich vom Gegenteil überzeugt hätten. Das wollte er nicht riskieren, so freundlich sein Gegenüber auch schien. ,,Ach ja. Politik ist etwas Großartiges.“ , meinte Riach und lachte leise. Trotzdem
hallte das Geräusch unangenehm von den hohen Decken des Palastes wieder. ,,Ihr müsst nicht fürchten, ich wollte euch nur aushorchen, wenn es darum geht. Und falls ihr Angst habt, jemand würde euch Vorwürfe machen, weil ihr mit mir sprecht… nun so sei es, das nehme ich gerne auf meine Kappe. Ich habe nur jetzt schon genug von Ränkespielen und den ewigen Ausflüchten.“ ,,Ihr seit grade erst angekommen.“ , meinte Syle überrascht. ,,Für einen Diplomaten habt ihr recht wenig Geduld.“ ,,Oh im Gegenteil. Oder glaubt ihr die Clanältesten seien anders, als eure Adeligen und der Kaiser? Ich habe
Wochen gebraucht um sie nur zu überzeugen, mich gehen zu lassen, wenn nicht länger. So traurig das ist, sie sind wenig an einem Frieden interessiert. Ich habe seit das alles losging Geduld gehabt. Und auch wenn ich ihnen zustimme, das wir das Recht haben, unsere Freiheit vom Kaiser einzufordern, die Art, auf die sie das durchsetzen wollen, kann ich nicht gut heißen.“ Syle räusperte sich. ,,Wenn das so ist, warum macht ihr euch die Mühe ?“ ,,Nur weil ich wenig von unseren Führern halte, heißt das nicht, das ich zusehen werde, wie mein Volk in seinem eigenen Blut ertrinkt. Wir wissen beide, dass das der Wahrscheinlichste Ausgang
eines bewaffneten Konflikts zwischen abtrünnigen Gejarn auf der einen und den loyalen Clans und dem Kaiserreich auf der anderen Seite ist. Die einzigen, die das nicht sehen wollen sind die Ältesten.“ ,,Aber ihr habt eure Forderungen. Wenn der Kaiser darauf eingeht…“ ,,Dann nimmt er den Ältesten vielleicht die Grundlage für einen begründeten Krieg, wenn es so etwas überhaupt gibt, und das wird viele dazu bringen, zweimal nachzudenken. Auch die, die mehr erreichen wollten. Wisst ihr, das es einige gibt, die glauben eine eigenen Staat für jeden Clan aufbauen zu
wollen?“ ,,Wie viele verschiedene Clans gibt es den ? Ich bin nicht wirklich gut Informiert, was das angeht.“ ,,In den Herzlanden, knapp drei dutzend. Und im übrigen Canton etwa doppelt so viele. Davon stehen mittlerweile etwa fünfzehn gegen das Kaiserreich, während der Rest neutral oder Kaisertreu eingestellt ist. Aber ihr seht schon, die alleinige Zahl macht diese Forderung zu einem Wahnwitz. Das ist wie vom Kaiser zu verlangen, sein halbes Reich abzutreten. Man muss auch seine eigenen Grenzen kennen, aber die überschätzen die Clans im Augenblick leider gewaltig.“ Riach hielt an, als sie sich
wieder dem Thronsaal näherten. ,,Aber zurück zu euch. Ich will immer noch wissen, wie ihr die ganze Sache beurteilt.“ Syle zuckte mit den Schultern. Es gab nicht viel zu sagen. ,,Was eure Ältesten vorhaben ist, um es einfach zu formulieren Wahnsinn. Es gibt allein tausende in Canton, die nur durch die vom Kaiser gesicherten Handelsrouten ernährt werden. Die Gebiete der Clans sind genau so Teil Cantons, wie die Städte der Menschen es sind. Wir leben nach den gleichen Rechten und ich sehe diese Rechte und Gesetze als etwas Gutes an. „ ,,Deshalb unterstützt ihr den Kaiser
?“ ,,Teilweise. Die andere Seite ist das ich ihm persönlich etwas Schulde. Die Gesetze stehen noch über unseren Traditionen. Jedoch musste ich leider herausfinden, dass das nicht alle so sehen. Mein eigener Clan hat mich verstoßen, schon bevor sie sich vom Kaiserriech losgesagt haben. Die Garde hat mich aufgenommen, ohne Fragen, ohne Vorurteile. Für den Kaiser zählt nur, was wir zu tun in der Lage sind. Nicht wer wir sind oder woher wir kommen oder ob wir im Einklang mit dem Willen irgendwelcher Geister leben.“ ,,Auch wenn es mich betrübt, das ihr so
über unsere Rituale und Götter sprecht, ihr habt wohl alles recht dazu. Ich hoffe einfach, das wir einen Weg finden der das alles Unblutig zu Ende führt. Vielleicht gibt es dann auch einen Weg für jemanden wie euch. Aber wenn der Kaiser stur sein sollte… Die Nachricht von Lore wird die Clans irgendwann erreichen, ob durch mich oder jemand anders. Und dann fürchte ich, wird es zu spät für Verhandlungen sein.“ Riach sah zu den Türen, die zurück in den Thronsaal des Palastes führten. ,,Weshalb ich nicht mehr länger warten sollte. Nur eines noch… Der Zauberer… Tyrus. Er ist Vernünftig. Vielleicht der vernünftigste von uns allen, wie ich
zugeben muss. Aber… ich traue ihm nicht ganz. Vielleicht solltet ihr ein Auge auf ihn haben…“ Mit diesen Worten drehte sich Riach um und verschwand durch die Türen des Thronsaals. Syle sah dem Gejarn-Botschafter einen Augenblick nach. Was meinte er denn jetzt damit? Doch ein Versuch ihn zu beeinflussen ? Er zuckte mit den Schultern. Gleichzeitig konnte es wohl nicht Schaden, wenn er sich in Zukunft etwas Gedanken um den obersten Magier machte. Riach trat diesmal nicht respektvoll und langsam in den Saal. Der Kaiser saß
mittlerweile auf dem leicht erhöhten Podest des Bernsteinthrons. Lichtstrahlen spiegelten sich in den Honigfarbenen Steinen, aus denen der Sitz geschnitten war. Zwar wusste der Gejarn nicht, ob die Edelsteine magisch waren, aber vermutlich wäre das in einer Stadt, die nur durch rohe magische Kraft am Himmel gehalten wurde ohnehin kaum aufgefallen. Gold hielt die einzelnen Bernsteinfragmente zusammen, mit Ausnahme einer kreisrunden Öffnung in Kopfhöhe des Kaisers. Darin saß, nur durch dünne Silberdrähte gehalten, ein einziger Runder Kristall, der das Licht in der Halle fokussierte und dem Herrscher damit fast so etwas wie einen künstlichen
Heiligenschein verlieh. ,,Können wir dann fortfahren ?“ , fragte er. Der Hochgeneral und Tyrus hatten sich an den Stufen des Throns eingefunden und offenbar wartete man nur noch auf Riachs Rückkehr. Das war nicht gut, aber der diplomatische Patzer war ihm Angesichts seines Ausbruchs von vorhin wohl zu verzeihen. Zumindest hoffte er das. Diesmal musste er ruhig bleiben, egal was passierte. ,,Das können wirr, Herr.“ , sagte Riach. ,,Verzeiht, sollte ich vorhin laut geworden sein. Ich hoffe, das wird keine Auswirkungen auf den Fortlauf dieser Verhandlungen haben.“ ,,Mir ist durchaus klar, wie verwirrend
die Situation für alle von uns ist, Botschafter. Wir sollen daher…“ Kaiser Konstantin Belfare verstummte, als sich die Türen des Thronsaals erneut öffneten und eine einzige Gestalt eintrat. Der Neuankömmling trug abgewetzte Botenkleidung, wobei ihn die vergoldeten Uniformknöpfe jedoch als einen offiziellen kaiserlichen Gesandten auswiesen. ,,Mein Fürst, ich muss…“ Er verstummte, sobald er sah, dass der Kaiser nicht alleine war. ,,Ist es erwünscht, das ich später zurückkehre ?“ ,,Schon in Ordnung. Sprecht, ich glaube nicht, das es viel gibt, das ich vor dem Botschafter der Clans verheimlichen
muss.“ ,,Wie ihr wünscht. Herr, ich bin hier um zu berichten, das sich mehrere Gejarn-Clans am Rand der Herzlande sammeln. Es sieht so aus, als wollten sie direkt die Grenzen zur Provinz Belfare überschreiten. Die Späher, welche sie beobachtet haben sprechen von mindestens zehn Clans, die ihre Krieger zusammenziehen.“ Der Kaiser sackte auf seinem Thron sichtlich zusammen. ,,Dann ist es also soweit…“ , flüsterte er leise. ,,Habt ihr davon gewusst ?“ , wollte Dagian von Riach wissen. Der Hochgeneral hatte eine Hand an den Schwertgriff gelegt und die Klinge halb
gezogen.“ ,,Diese Narren…. Diese verfluchten Narren.“ Der Botschafter verfluchte sämtliche Ältesten innerlich. Sie hatten ihn hintergangen. Sie hatten ihn gehen lassen nur um jetzt doch ohne Vorwarnung einen Schlag gegen das Imperium führen zu können ? Das war… Das war selbst für die Ältesten zu dumm, zu übermütig. Was konnte sie bewogen haben, so plötzlich doch zuschlagen zu wollen? Hingegen, wenn sie irgendwie von Lore erfahren hatten… Nur wüsste er nicht wie, außer natürlich durch die Verfasserin der Nachricht, die glücklicherweise ihm in die Hände gefallen
war… ,,Beruhigt euch Hochgeneral.“ , wies Konstantin den sichtlich angespannten Dagian an. ,,Ich möchte eure Empfehlungen, Herrschaften und damit meine ich auch euch Botschafter. Was sollen wir tun?“ Der Hochgeneral trat langsam einen Schritt zurück und ließ die Waffe los. ,,Herr, ich schlage vor, nicht zu zögern, sondern diese offene Bedrohung sofort zu beantworten. Es dürfte offensichtlich sein, das die Clans kein Interesse mehr an Verhandlungen haben.“ ,,Vielleicht können wir sie noch aufhalten.“ , erwidere Tyrus seinerseits. ,,Es ist noch nicht zu spät, wenn wir nur
schnell genug sind.“ Riach war kurz nicht in der Lage etwas zu erwidern. Geister und Götter, das konnte nicht sein. Nicht so plötzlich… Nicht wo er hier war und eine Lösung finden könnte… ,,Bitte, Kaiser hört mich an. Es… Ich habe nichts davon gewusst.“ ,,Das habe ich euch auch nicht unterstellt Riach.“ Kaiser Konstantin Belfare war aufgestanden und trat langsam zu seinen zwei Beratern hinab. Ein nachdenklicher Ausdruck lag auf seinem Gesicht. ,,Meine Herren, ich werde nicht tatenlos zusehen, wie sich eine Gejarn Armee sammelt, die eine Bedrohung für den Frieden dieses Reiches darstellen könnte.
Aber ich werde auch nicht auf Verdacht einen Freibrief zum Angriff ausstellen. Vielleicht ist es an der Zeit, das ich mir selbst ein Bild mache.“ ,,Herr, das ist viel zu gefährlich. Ich muss darauf bestehen, das ihr…“ ,,Ihr besteht auf etwas Hochgeneral ?“ Konstantin drehte sich zu dem Mann um und sah ihm direkt in die Augen. ,,Vielleicht solltet ihr nicht vergessen, wer vor euch steht.“ Einen Augenblick rührten sich weder der General noch der Kaiser. Dann tat Dagian Einher etwas, das man von einem Mann wie ihm nicht erwartet hätte. Er sank auf die Knie. ,,Wie ihr befehlt. Mein
Kaiser.“ ,,Wie gesagt, ich will mir selber ein Bild machen. Macht eine Abteilung der kaiserlichen Garde bereit Tyrus. Ich und der Hochgeneral werden uns auf den Weg machen. Und ihr Botschafter, könnt uns begleiten. Ich sichere euch diplomatische Immunität zu, bis wir das Heerlager erreichen. Dann könnt ihr sicher zurückkehren, wenn es wirklich zum Kampf kommt.“ ,,Zweifelt ihr immer noch daran ?“ , wollte entnervt Dagian wissen, als er wieder aufstand. ,,Vielleicht kommen sie ja zur Vernunft, wenn sie sich dem Gegenübersehen, das sie bekämpfen
wollen.“ Riach schüttelte den Kopf. ,,Ich fürchte ihr kennt die Clans nicht, Herr….“, sagte er. Seine Gedanken kreiste nach wie vor um die eine Frage. Was hatte sie dazu getrieben, so plötzlich eine Armee zusammenzuziehen?