Kapitel 1
Als ich in diesen Club hineintrat, der „Paradies“ hieß, fühlte ich mich total überrumpelt. Ehrlich gesagt dachte ich, dass das sogenannte Paradies grün und farbenfroh sei und mit frischer Luft und Gewässern verseht wäre, doch hier war es einfach nur heiß, dunkel und die dröhnende Musik war so laut, dass deine Ohren sich taub anfühlten. Der Bass war so stark, dass der Boden bebte und alle eng aneinander tanzenden Leiber glitzerten vom Schweiß. Irgendwie ekelte ich mich hier. Doch da war er. Da stand er in der hintersten Ecke mit
seinem Team. Aiden. Er solle mein Zukünftiger werden und ich war damit einverstanden. Ich musste damit einverstanden sein, es stand schon seit unserem 3. Lebensjahr fest. Er war für mich ein Freund, für alle anderen der beliebte Basketballer und ein Mädchenschwarm, was mir nicht passte. Ich wusste wie es im seinen Innern aussah, ich kannte ihn gut und auch wieder nicht. Er hat etwas Geheimnisvolles, was ihn auch wieder unwiderstehlich macht.
Ich ging auf ihn zu und er sah mich und grinste nur: „Bist also echt hergekommen! Wo ist dein Team?“
Er gab mir einen Kuss auf die Wange und
meine Haut glühte auf, als ich seine Lippen auf ihr spürte. Er schlang sein Arm um meine Taille und betrachtete mich von Kopf bis Fuß, als wäre ich ein Objekt.
„Ich glaube du warst noch nie hübscher und sexier als heute.“, sagte er und betrachtete mich weiterhin auf seine eklige Art und Weise.
„Kannst du aufhören mich so anzugaffen? Danke für das Kompliment, aber ich bin nicht eine von deinen Cheerleadern, Aiden.“
Er gab nur ein böses Grinsen von sich und drückte mich enger an sich. „Claire, das sind Max, Brian, Sina, Ciara und Dylan.“, stellte er mir vor.
„Hey, schön euch kennenzulernen. Ich bin Claire.“
„Wo ist dein Team? Sollten wir sie nicht heute Abend kennenlernen?“, meinte Dylan schroff.
„Ja, die kommen gleich. Wurden aufgehalten.“, gab ich genauso unhöflich zurück und schaute Aiden an, wenn er mal nicht mich ansah. Seine fein geformten Lippen ließen mein Herz schneller schlagen und wenn das Licht in seine Augen fiel, konnte man in denen dieses wunderschöne waldgrün sehen. Er war so vollkommen, selbst mit dem ganzen Schweiß an sich.
„Möchtest du tanzen?“, fragte er mich
auf einmal.
„Äh, ich sollte warten bis mein Team da ist.“, sagte ich verlegen und schaute auf den Boden.
„Hey, du bist in einem Club, amüsiere dich ein wenig. Ich weiß, unsere Teams müssen sich anfreunden, aber dafür bist du nicht zuständig. Hab Spaß und vergiss mal den Stress unserer Familien.“, sagte er, nahm meine Hand und riss mich auf die Tanzfläche. Er zog mich ganz dicht an sich, so dass ich seinen Atem auf mir spürte. Der Nebel wurde dichter und es fühlte sich an, als wären wir alleine in diesem stickigen Raum. Wir bewegten uns zur Musik und ich war ihm näher, als je einem anderen
Menschen zuvor. Seine Lippen näherten sich den meinen. Er war in Versuchung mich zu küssen und mein Körper war wie gelähmt und begehrte nach ihm. Nach seiner Berührung, doch es war falsch und er wusste das. Hör auf damit. Du darfst das nicht. Drück ihn weg! Schrie mein Kopf, doch mein Blut schoss mit jeder Liebkosung von ihm erneut durch meine Adern. Mein Herz raste, mein Atem wurde schwerer und mein Körper glühte. Er legte seine Hand in meinen Nacken und seine Lippen auf die meinen. Es fühlte sich an wie ein Prickeln und ich hatte mir gewünscht, dass dieser Moment ewig andauert. Was machst du da?! Stoß ihn weg, na los! Du
musst unberührt bleiben! Eure Familie wird das erfahren! Hör sofort auf! Schrie mein Kopf immer lauter. Auf einmal öffneten sich meine Augen und ich drückte ihn weg. Ich wurde aus diesem betäubenden Zustand wach. Ich rannte aus dem Raum hinaus und saß mich vor den Club auf den Bordstein.
Aiden rannte mir hinterher und blieb stehen, als er mich sah: „Es tut mir leid, ich war wie-“
„Du warst wie betäubt, so ging es mir auch.“ fiel ich ihm ins Wort und schaute entsetzt in die Leere. „Genau. Du sagst immer wir sind nur Freunde und das ich dein Zukünftiger werde, weil ich es werden muss, aber du merkst diese
Verbindung zwischen uns selber, gib es zu. Du hattest schon immer etwas für mich übrig, so wie ich auch für dich.“ sprach er Klartext und sagte damit die Wahrheit.
Doch ich blieb stark und ließ mich nicht auf meine Gefühle für ihn ein.
„Hör mal, du spielst mit den Mädchen. Du verletzt sie. Ich werde nicht zulassen, dass du vor unserer Vereinigung dasselbe mit mir machst. Ich bin kein Spielzeug.“
Ich stand auf und stellte mich ihm gegenüber mit einer erbosten Miene, aber genauso weichen Knien. Er sah mich mit seinen intensiv grünen Augen an und schaute unschuldig aus der
Wäsche. Er wusste wie er sich präsent machte, er macht das bei jedem Mädchen.
„Du denkst so schlecht von mir. Du bist nicht so wie die Mädchen in unserer Schule, die sind alle nicht besonders. Du bist es aber. Du bedeutest mir etwas und ich habe vor dich nie zu verletzen. Schließlich bist du bald meine Frau, war es daher so falsch von mir dich zu küssen?“, erwiderte er nach kurzer Stille.
„Ja, verdammt nochmal. Es war sehr falsch von dir und von mir es zugelassen zu haben. Wie konnte ich den Kuss nur erwidern, verdammt! Wir haben Regeln zu befolgen und das weißt du! Ich muss
unberührt bleiben.“ schrie ich ihn schon fast an.
Er schien allmählich auch wütend zu werden, aber ich wollte nicht, dass er wütend wird. Ich wollte, dass er mich in den Arm nahm und mich wieder küsste. Ich wollte seine Lippen auf meiner Haut spüren und mein Herz beben fühlen.
„Hör mal, du bist doch schon fast wie eine Nonne! Du hattest noch nie zuvor was mit einem Jungen, stimmt's? Von den Menschen hältst du dich fern, deine männlichen Teammitglieder sind mindestens zu einem Viertel von dir verwandt. Du hast noch nie einen Jungen geküsst! Und da ist der 1. Kuss mit mir so falsch? Obwohl wir sowieso
zusammen sein werden bis in alle Ewigkeit?! Ich will nicht verpflichtet sein die Frau zu heiraten, die ich lieben werde. Ich will es selber wollen und das kann ich nicht, wenn ich ihr fernbleiben muss und nicht ihre Nähe spüren darf. Ich will nicht den Regeln unserer Familien folgen müssen, was dich und mich betrifft!“ schrie er mich jetzt lauter an, aber er schien nicht wütend auf mich zu sein. Er war einfach wütend, schon lange. Seine ganze Wut zeigte er nun.
Plötzlich schlägt er gegen die Wand und lehnte sich verzweifelt mit der Stirn daran an. Seine Faust blutete und von der Wand fiel Putz.
„Man, du machst echt nur Blödsinn, oder?“ sagte ich, während ich ein Taschentuch rausholte und auf ihn zuging. Ich nahm seine Hand und bandagierte sie. Als ich sie wieder loslassen wollte, hielt er sie fest und kam mir näher.
„Ich will nicht nur mit dir zusammen sein, weil unsere Familie das so bestimmt hat.“ sagte er mir leise, während er mir mein Haar aus dem Gesicht streifte. Seine Fingerkuppeln gingen leicht an meiner Haut vorbei und ich fiel schon wieder in diese Betäubung. Mein Herz bebte und die von ihm berührte Stelle fühlte sich an, als
würde sie pochen.
„Du musst nicht nur mit mir zusammen sein, weil es so vorbestimmt ist. Du darfst mich auch wollen, nur nicht zu sehr. Noch nicht. Ich kann nicht abstreiten, dass zwischen uns nicht mehr sei, aber ich will keinen Jungen, der mit sonst wie vielen Mädchen schon was hatte und dem ich nicht vertrauen kann. Erst, wenn wir verheiratet sind, fühle ich mich sicher mit dem Gedanken dich zu wollen.“ gab ich ihm als klare Antwort zum Abschied und verließ ihn.
Ich hatte seinen Blick auf mir gespürt, als ich die Straße runterlief. Es fiel mir schwer zu atmen, ich hatte einen Kloß im Hals und meine Augen stießen Tränen
hervor. Ich war mir nicht bewusst, wieso ich weinte. Ich hatte keine Angst vor ihm oder der Zukunft, nur Angst vor unseren Familien, Angst vor der Vereinigung und vor unserem 1. Mal. Wieso muss es auch diese idiotischen Regeln geben?! Ich bin stolz kein Mensch zu sein. Stolz dieser Rasse anzugehören und bei der Fortpflanzung zu helfen, aber wieso durfte ich seine Nähe nicht jetzt schon spüren und genießen ohne jegliches schlechtes Gewissen? Wie soll ich mein 1. Mal in der Hochzeitsnacht mit ihm haben, wenn ich ihm vorher nie nah stehen durfte? Wie soll ich mich in seinen Armen wohlfühlen? Aiden und ich wollten uns
lieben, waren in der Lage dazu uns zu lieben, aber wir durften es nicht. Erst wenn es uns befohlen wird. Ich kann seine Wut verstehen, ich empfinde sie auch.
Auf einmal riss mich ein lautes Geräusch aus meinen Gedanken und ich zuckte vor Schreck zusammen. An mir rannten Leute vorbei, als ob sie vor etwas davonlaufen würden. Was war los? Ich drehte mich um und sah eine riesige Kreatur. Eines der Kreaturen, welche nur unserer Rasse angehören konnte!
„Claire, lauf!“ schrie plötzlich jemand. Es war mein Bruder Clyde, der auf mich zu gerannt kam, mich hochnahm und mit
mir davon lief. „Was ist los?!“ schrie ich ihm in sein Ohr, da es so laut war, das man selbst beim Schreien niemanden verstehen konnte.
„Eines unserer Experimente scheiterte, Russel ist mutiert!“ sagte er kurz und knapp, damit er sich wieder auf den Weg konzentrieren konnte.
„Was? Das Ding ist Russel? Man wollte es doch nicht so weit kommen lassen! Und wohin laufen wir überhaupt?!“
In meinen Gedanken war jetzt nicht mehr nur Aiden, sondern auch Russel, welcher dem Tode verurteilt war. Ein guter Freund, der alles für unsere Rasse getan hatte. Ich war fertig mit den Nerven und die Tränen liefen wie ein
Wasserfall mein Gesicht hinunter und das Schluchzen wollte nicht mehr aufhören. Nach mehreren Meilen hörte mein Bruder auf zu rennen und meinte nur „Wir sind da!“ und ließ mich wieder auf den Boden. Er merkte, wie aufgewühlt ich war und nahm mich in seine starken Arme. Dadurch musste ich schon wieder anfangen zu weinen.
„Alles wird wieder gut, lass uns erst einmal reingehen. Sie warten bereits auf uns.“
„Wen meinst du mit “Sie“?“ fragte ich ihn mit einer brüchigen Stimme. Er nahm mich an die Hand und führte uns in die große schludrige Villa hinein. Zuerst kam ein langer Flur mit einem
violetten Teppich und vielen Gemälden an den Wänden. Es wirkte edel, aber auch gruselig. Der Ort kam mir bekannt vor. Ich sah meine kleine Schwester Crystal vor einer großen Tür Ende des Flurs warten „Da seid ihr ja endlich! Ihr seid die letzten, beeilt euch!“ rief sie in unsere Richtung, hielt uns die Tür offen und verschloss sie hinter uns.
Der Raum war voll von Skeltins, unserer Rasse. Sie liefen durcheinander und unruhig durch den großen, wenig erleuchteten Saal. Ich sah meine Mutter heulend in den Armen meines Vaters und rief zu ihnen, „Was ist geschehen, Vater?“, während ich auf sie zu lief.
„Zu vieles, Claire. Setz dich neben
Mutter und beruhige sie, ich suche den Rest der Familie und dein Team.“ antwortete er und war sofort losgelaufen. Ich tat, was er mir befahl und nahm meine Mutter in den Arm. Immer wenn ich jemanden anderes als mich heulen sah, der mir nahe stand, war meine Trauer wie weggeblasen. Ich konnte bloß noch daran denken dessen Schmerz und Leid zu mindern. Es gehörte schließlich zu meinen Fähigkeiten Schmerz und Leid zu lindern.
„Mein Schatz, ich bin so froh, dass du nicht verletzt bist! Russel-“ versuchte meine Mutter unter ihren Tränen zu sprechen, aber brach dann wieder bei
seinem Namen in stärkeres Heulen aus.
Ich war mit allem überfordert, was hier geschah. Am Tag lief doch alles noch so gut und sicher bei dem Experiment und auf einmal geriet alles außer Kontrolle.
Ich sah Aiden bei seiner Familie stehen. Sein Gesichtsausdruck wirkte emotionslos und er starrte in die Luft. Was war nur los mit ihm? Juckte es ihn gar nicht, dass sein bester Freund mutiert ist? Dass er… Ich konnte den Gedanken nicht beenden, ohne den Schmerz in der Brust zu spüren.
Ich hatte sofort wieder meine Gedanken verdrängt und flüsterte meiner Mutter beruhigende Worte ins Ohr.
„Setzt euch bitte alle hin! Beruhigt
euch!“ rief eine laute einflussreiche Stimme. Es war unser Herrscher, Kefrim. Er bestimmte über jegliche Dinge. Wer sterben musste, wer leiden sollte, wer glücklich sein durfte Solche Dinge lagen in seiner Macht. Er war ein furchtloser Mann, der diese Macht sogar ab und an ausnutzte. Es war eher Ehrfurcht als Respekt, welchen er von uns bekam. Doch nicht jeder dachte so. Wir jungen Skeltins würden uns am Liebsten gegen ihn stellen, denn das was er tat, war grausam. Zum Beispiel diese Experimente mit Skeltins, damit sie stärker werden. So viele starben bereits daran, wenige mutierten und mussten umgebracht werden, was noch schlimmer
war. Wir verloren bereits so viele daran und trotzdem werden diese Grausamkeiten fortgesetzt. Es gab bereits Rebellionen gegen die großen Mächte und das nicht nur von der jüngsten Generation, sondern auch einer der Ältesten. Diese Generationen wurden gefoltert und umgebracht. Jeder, der sich nur minimal gegen den höchsten Rat und gegen Kefrim stellte, egal ob mit Wort oder Tat, litt und starb. Es gab seit Ewigkeiten keine Rebellen mehr, zumindest keine, die laut wurden. Alle fürchten sich. Ich fürchte mich ebenfalls.
„Was heute geschah, war einer der seltenen Fehlschläge, die manch einer
von uns bereits miterleben musste. Aber um erfolgreich zu sein bei solch großen Experimenten, gehören auch Fehlschläge dazu! Ihr wisst wie viele bereits dieses Experiment überlebt hatten und auch nicht zu einem alles vernichtenden Monster mutierten, diese waren stark genug. All jene, die starben, waren zu schwach um ein Skeltin zu sein. Meine Worte sind ohne Mitgefühl, ich weiß. Doch diese Skeltins, die wir verloren, sind jetzt an einem besseren Ort! Da wo sie in Sicherheit lebten und keinen Krieg kommen sehen mussten. Jedoch hier, auf der Erde, sehen wir einen Krieg kommen! Und deshalb sind diese Experimente nötig! Heute wurde Russel
Queltin umgebracht, damit die Mehrzahl von uns anderen irgendwann den Krieg überleben und gewinnen kann! Mit diesem Treffen will ich Russel ehren und mein Beileid an seine Freunde, an seine Familie und an sein Team überbringen. Ruhe in Frieden, Russel Queltin. Danke, dass du dein Leben aufs Spiel gesetzt hast, damit wir anderen irgendwann besser leben können! Du darfst stolz sein dich „Skeltin“ nennen zu dürfen.“
Während Kefrim seine Rede fortsetzte und man immer mehr merkte, dass dieses Treffen eindeutig nicht Russel gewidmet wurde, sondern nur der Fortsetzung dieser Experimente und den
weiteren Ideen, um mächtiger und stärker zu werden, habe ich mich unauffällig zu Aiden gesetzt und ihn leider nur mit meiner Nähe neben ihm getröstet. Auch wenn er diesen kalten Blick von sich gab, er war zutiefst verletzt und litt. Keiner war so eng mit Russel wie er, sie waren wie Brüder. Ich hatte Angst vor dem, was Aiden nun tun würde. Manchmal hatte er unkontrollierbare Wutausbrüche und ich sah einen kommen.
„Nun dürft ihr nach Hause gehen. Bitte verlasst die Villa ruhig und geordnet und seid für eure Familien da und steht Russels Angehörigen bei. Gute Nacht!“ beendete Kefrim nun endlich seine Rede.
Ich blickte zu ihm mit einem hasserfüllten Blick hinüber, als er von seinem Podest stieg und nochmals persönlich sein Beileid an Russels Familie ausrichtete.
„Claire, ich kann das nicht mehr.“ flüsterte Aiden plötzlich neben mir. Er stand auf und verließ den Raum. Noch immer von seinen Worten gebannt, schaute ich ihm hinterher.
Eine Woche ist inzwischen seit Russels Tod vergangen und Aiden sah ich seitdem auch nicht mehr. Er kommt nicht zur Schule und lässt sich nirgends in der Stadt blicken. Sein Team meinte nur, er sei verreist. Verreist bedeutet bei ihm, dass er irgendwo aus Frust und Schmerz durch die Wälder rennt und jagt. Das macht er immer, wenn irgendwas passiert ist. Die Frage ist nur, was jagt er? Menschen oder Tiere? Ich hoffe er macht keinen Blödsinn, sonst sind wir alle gefährdet. „Kommst du endlich? Was starrst du denn so durch die Gegend?! Haaaallo?!“, rief auf
einmal jemand mitten in mein Gesicht. Es war Katie, ein Mitglied meines Teams und meine beste Freundin. „Tut mir leid, ich war in Gedanken vertieft…“ „Hast du an Aiden gedacht? Ihm geht es sicher gut. In paar Tagen ist er bestimmt wieder da und schlendert eingebildet und total cool durch die Gegend wie er es immer tut.“ Versuchte mich Katie zu beruhigen und lächelte mich tröstend mit ihren eisblauen Augen an. „Ja, vermutlich hast du Recht. Doch ich hab das Gefühl, dass es diesmal anders ist. Russel war ihm so verdammt wichtig. Ich hab Angst, dass er rebel-„ „Was macht ihr hier? Ihr kommt zu spät!“ schrie uns plötzlich Ms. Clarkson
an und stand mit schimpfenden Finger hinter uns. „Tut uns leid, wir sind ja schon weg!“ riefen wir und rannten zum Unterricht.
Am Abend lag ich im Bett und hatte versucht mich auf die Schullektüre zu konzentrieren, doch das Einzige an was ich denken konnte, war Aiden. Muss ich mir denn immer solche Sorgen um ihn machen? Plötzlich klopfte es an meinem Fenster: „Hey Claire.“, sagte Aiden sanft hinter der Glasscheibe und hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Ich bin etwas aufgeschreckt und starrte ihn überrascht an.
„Was zum Teufel machst du da?! Du
sollst deine Kräfte doch nicht so zur Schau stellen!“, meckerte ich ihn an, als ich erkannte, dass er flog und ließ ihn übers Fenster hineinklettern.
Das erinnerte mich an unsere Kindheit. Da schlich er sich so oft in mein Zimmer abends, um mit mir zu reden.
„Hab ich eine andere Möglichkeit mit dir in Kontakt zu treten?“, sagte er schroff.
„Wo warst du? Ich… Wir haben uns Sorgen gemacht.“
„Ich hab mich hier und da etwas rumgetrieben, Dampf abgelassen. Du kennst das doch.“
„Ja, ich kenne das. Und du machst das zu oft. Du kannst nicht ständig fehlen.“
„Ach man, jetzt beruhig dich. Ist ja nicht so, dass du auch Ärger bekommst.“, sagte er kalt und ließ mich damit wissen, dass ich ruhig sein soll.
„Wieso bist du hergekommen, wenn ich eh die Klappe halten soll?!“ fragte ich etwas wütend.
„Ich hab dich vermisst.“
Plötzlich umarmte er mich und kuschelte sich an mich, als ob er so seine Lasten auf mir ablegen könnte. Es tat so gut ihn zu spüren. „Hey, du bist schwer!“ sagte ich etwas lauter und drückte ihn von mir weg. „Oh tut mir leid.“, lachte er vor sich hin, als ob ich einen Witz machte und setzte sich auf mein Bett. Ich setzte
mich neben ihn und er legte seinen Kopf in meinen Schoß. Ich hasse es, wenn er diese süßen Gesten machte. Aber ich liebe es auch. Seine Nähe war so schön, ich hab mich so geborgen gefühlt. Ich ließ es zu und schloss mit meiner Telekinese die Tür, während ich ihm sanft durch sein weiches, schwarzes Haar strich. Wir redeten für Stunden über alles Mögliche. Russel, Kefrim, über uns und unsere Familien. Einfach über alles, was uns belastet hatte. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns gegenseitig die Last abnahmen. Als ob wir bereits ein Paar wären. Ich war glücklich, aber auch beunruhigt. Ich muss vorsichtig sein, sonst kommt einer
von uns noch auf dumme Gedanken. „Ich geh jetzt.“, stand er plötzlich auf und zog seine Jacke an. „Ähm, okay.“, antwortete ich und man hörte in meiner Stimme, dass ich das nicht wollte. „Du musst schlafen, wir haben ziemlich lange geredet. Erinnerte mich an damals. Ich komme jetzt wieder öfter vorbei, wenn das okay für dich ist?“, fragte er lieb und hatte gemerkt, dass ich nicht will, das er geht. „Ja, mach ruhig.“, sagte ich etwas abwesend. Er nahm mich wieder in den Arm und küsste mich zum Abschied auf die Stirn: „Schlaf gut, mein Engel.“
Heute gibt es wieder eine Sitzung der Skeltins und Kefrim soll wohl das neue Versuchskaninchen für eines der Experimente auserwählen. Jedes Mal haben alle erneut Angst auserwählt zu werden, da man dann nicht ablehnen kann. Man kann schon ablehnen, aber dann wird man zum Ausgestoßenen. Und Ausgestoßene werden von allen Skeltins dieser Welt gejagt, wenn sie ihnen begegnen. Man hat bloß 3 Tage Vorsprung und dann ist man ständig in Lebensgefahr. Man weiß nie, ob derjenige neben dir ein Skeltin ist und dich umbringen will. Wir sind nämlich nicht die einzigen Skeltins auf der Welt. Überall in jedem Land leben welche.
Also ist es genau so schlimm auserwählt zu werden, wobei du da noch eine Chance hast zu überleben. Während ich mir nochmals alle Optionen aufzählte, die ich habe, wenn ich auserwählt werde, lief Katie neben mir und hatte mir schon wieder von den Gerüchten der Experimente erzählt: „Weißt du wie krass diese Experimente sind?! Man wird mit Substanzen vollgepumpt, die aus dir sonst was machen und du wirst an Elektrogeräte angeschlossen, die dir Schmerzen versetzen! Man ist da unter solcher Folter ausgesetzt und wir wissen ja alle wie die Skeltins so drauf sind, die die Experimente überlebten. Sie sind nicht mehr dieselben und verlieren jeden
Skrupel und würden deren Gleichen töten, wenn es darauf ankommt! Wie wohl Russel gewesen wäre, wenn er überlebt hätte? Ich erinnere mich noch an unseren Besuch bei ihm während des Experiments. Er war fertig mit den Nerven und nicht mehr er selbst.“
Als Katie bemerkte wie traurig sie sich anhörte, hörte sie auf zu reden. Endlich waren wir beim Sitzungsort angetroffen und es war voll von Skeltins. Wir wurden nach Altersgruppen in die Reihen gesetzt jedes Team zusammen. Die Teams wurden nach den Fähigkeiten zusammengestellt, so dass wir als Ganzes unglaublich effizient kämpfen können, sobald der Krieg anfing. Ich
frage mich manchmal, ob der Krieg gegen die Menschen überhaupt sein muss, so lange wie sie uns nicht angreifen. Alle Erwachsenen sind darauf aus, besonders die oberen Mächte, aber ist es wirklich nötig?
„Willkommen, Skeltins. Wir haben heute wieder einen besonderen Tag, denn es wird ein neuer Skeltin auserwählt. Der Krieg naht und wir müssen effizienter mit unserem Vorhaben sein. Da wir keine Fehlschläge mehr zulassen können, wird heute zum ersten Mal ein Jugendlicher auserwählt. Bisher wurdet ihr verschont, da ihr noch nicht dieser Lebensgefahr ausgesetzt sein solltet, aber wer überleben will, muss alles
geben. Bei euch gibt es eine höhere Überlebensrate, weil euer Körper noch ausreichend von alldem hat, was er brauch und da ihr noch im Wachstum seid, ist es leichter eure Genetik zu verändern.“, fing Kefrim an mit der Sitzung. Ich war entsetzt. Wir Jugendlichen wurden bisher verschont, aber wurden trotzdem immer dieser Angst vor der Wahl ausgesetzt? Und jetzt wird einer von uns mit Sicherheit auserwählt?! Ich fürchte mich so sehr. Während ich entsetzt und verängstigt da saß, kamen Kefrims Handlanger mit dem Behälter aus Glas, worin die Zettel mit Namen von uns Jugendlichen stehen. Kefrim zog einen Zettel hinaus und fuhr
mit seiner Rede fort: „Es ist vollbracht. Ein junger Skeltin wird morgen früh in unser Labor quartiert und diesen großen Schritt für uns alle gehen. Die Auserwählte ist Katherina Kanowa. Bitte erhebe dich, Katherina.“ Wie bitte? Katie? Katie ging zum Podest und ihre Mutter brach ins Heulen aus. Katie selbst sah aus, als hätte man sie zum Tode verurteilt und würde sie jetzt erhängen wollen. Ich wusste nicht mehr wo oben und unten ist. Meine beste Freundin wurde dieser Grausamkeit ausgesetzt und ich werde sie für immer verlieren. Ich sah hinüber zu ihrer Mutter und versuchte ihren Schmerz zu lindern. Jedoch war mein eigener
Schmerz diesmal stärker, als dass ich anderen helfen konnte. Meine Fähigkeit zeigte keine Wirkung und mir selbst konnte ich auch nicht helfen. Ich saß nur regungslos da und schaute zu, wie entsetzt alle Skeltins waren.
Am nächsten Morgen hatte ich gemeinsam mit Katie ihre Sachen gepackt und bin mehrmals ins Heulen ausgebrochen. Ich versuchte sie zur Ablehnung zu überreden, aber sie wollte auch nicht als Ausgestoßener in ewiger Furcht weiterleben.
Wir fuhren gemeinsam mit ihrer Familie zum Hauptquartier der Skeltins, indem das Labor liegt. Als wir vor dem Eingang
Halt machten, sah ich überraschenderweise auch Aiden und sein Team. Viele junge Skeltins waren gekommen. Als wäre es Katies Abschied. Du kannst das nicht zulassen. Mach irgendwas! Hallte es plötzlich mehrmals in meinem Kopf.
Auf einmal packte mich Aiden an meinem Arm, als ich daran gedacht habe einer der Wachen umzubringen. Ich hasse es normalerweise, dass Aiden Gedanken lesen kann. Diesmal war ich ihm dankbar. „Hattest du das grad allen Ernstes vor?! Ich weiß, du willst das nicht. Ich will das auch nicht. Aber es muss einen anderen Weg geben, ohne sofort alle gegen dich zu hetzen. Wir
überlegen uns was. Katie wird kein Versuchskaninchen.“, flüsterte er mir zu und hielt mich noch immer am Arm fest. Ich schaute ihn verwirrt an. Was hatte er sich nur überlegt? Es gibt keinen Ausweg mehr.
„Vergiss mich nicht, okay? Wenn ich überleben sollte, komm zu mir und erinnere mich daran wie ich einmal war. Gib mich nicht auf, okay?“, sagte Katie mir zum Abschied mit Tränen in den Augen, als sie mich in ihren Arm nahm.
„Natürlich, beste Freundin. Ich werde immer für dich kämpfen.“, erwiderte ich und ließ sie los. Alle verabschiedeten sich von ihr und viele weinten. Ich ebenso.
Nach dem Abschied ging ich mit meinem und Aidens Team in den Park. Wir wurden gezwungen uns wieder alle zu treffen, da ich beim letzten Mal plötzlich abgehauen bin. Dabei waren wir alle nicht in der Lage Spaß und Freude zu haben. Wieso hatten diese hohen Mächte kein Mitgefühl für irgendwas. „Tut mir Leid wegen heute. Ich weiß wie schwer es für dich ist.“, fing Aiden mit mir ein Gespräch an. Er setzte sich neben mich auf den dicken Ast vom Baum auf den ich hochgeklettert bin. „Ja, es ist unglaublich schwer. Ich weiß nicht wie ich jetzt ohne sie weitermachen soll. Und
ich will mir gar nicht erst vorstellen was sie im Labor alles mit ihr anstellen werden.“, sagte ich mit einem Kloß im Hals und sah in die Ferne, damit er nicht in mein verweintes Gesicht sehen konnte. „Was wäre, wenn wir sie da rausholen? Bevor irgendwer ihr was antun konnte?“, sagte er mit voller Ernsthaftigkeit. „Bist du wahnsinnig? 1. Werden wir dafür dann ausgestoßen oder umgebracht und 2. Geht das sowieso nicht. Du kommst nicht ins Innere des Labors als einfacher Bürger.“
„Was wenn doch? Was wenn ich einen Weg gefunden habe hineinzukommen, damit ich Russel mehr als nur einmal besuchen
konnte?“
„Das hast du geschafft? Du meinst das ernst, oder? Aber es ist viel zu gefährlich für uns, außerdem fingen sie sicher schon an mit den Experimenten.“, sagte ich mit einer wegwerfenden Handbewegung und ließ meine Hoffnung nicht hinaufkommen.
„Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass der 1. Tag noch ein Ruhetag für die Auserwählten ist. Wir könnten sie heute Abend rausholen und dann mit unseren Teams verschwinden.“, erwiderte er hartnäckig und meinte es vollkommen ernst mit seinem Plan.
„Ich kann euch nicht dieser Gefahr aussetzen. Sie werden uns finden und uns
umbringen, weil wir rebelliert haben. Oder noch schlimmer, uns alle zu Versuchskaninchen machen, da wir Jugendliche sind.“, sagte ich abschließend und wollte hinunter klettern.
„Warte. Wie du weißt, hab ich viel nachgedacht als ich nach Russels Tod verreist war. Und einer meiner Überlegungen war wieso wir nicht gegen die hohen Mächte und Kefrim rebellieren? Wir sind stärker als so manch einer von den Ältesten. Sie sind nicht mehr das was sie einmal waren und Kefrim wurde auch schwächer. Ich glaube diesmal haben wir wirklich eine Chance, wenn wir einen guten Plan haben
und nicht sofort mit dem Kampf anfangen.“
Ich sah ihn schockiert an und fing an seine Überlegung zu mögen. Eine lang ersehnte Rebellion gegen die hohen bösen Mächte der Skeltins? Genau das ist es, was wir brauchten. „Ich bin dabei.“, sagte ich mit einem ernsten Blick in sein Gesicht.
Wir beide kehrten zu unseren Teams zurück und weihten sie über Aidens Plan ein. Sie waren schockiert und es schien zu enden, bevor es überhaupt anfing: „Was zur Hölle denkt ihr euch dabei? Natürlich ist es unglaublich scheiße von denen mit uns Jugendlichen auch zu experimentieren, aber rebellieren? Ihr
wisst wie schlimm die Rebellionen in der Vergangenheit liefen. Jeder wurde gefoltert und grausam ermordet! Vergiss es! Lieber gehen wenige von uns drauf, als alle!“, sagte Dylan wütend und entfernte sich von der Gruppe. Langsam fange ich an den Jungen zu hassen. Kann er je was in einem freundlichen oder wenigstens nicht widerlichen Ton sagen?
„Habt ihr euch das wirklich überlegt? Dylan hat nicht ganz Unrecht damit was er sagt, auch wenn es sich fies anhört.“, meinte meine kleine Schwester Crystal dazu und sah zu Dylan.
„Hört mal, Leute. Ich weiß, es hört sich verrückt und unmöglich an, aber wir jungen Skeltins sind stärker als die
Ältesten. Es ist nicht so wie damals. Die Ältesten sind inzwischen zu alt und schwach, auch Kefrim nahm an Kraft ab. Sie denken wir greifen nicht an wegen den letzten Rebellionen, aber sie wissen, dass wir sie besiegen könnten. Nur müssen wir das endlich begreifen und es versuchen! Es kann nicht mehr so weitergehen! Wir werden klüger und besser sein als die letzten rebellierenden Generationen! Es müssen nur alle fest entschlossen sein, dass wir es schaffen!“, sagte Aiden mit einer überraschend einflussreichen Stimme. Nun sind viele begeistert und wollen mitmachen. Selbst Dylan macht mit, auch wenn er etwas skeptisch ist. Ich bin
fasziniert wie gut Aiden alle dazu motivierte. „Also steht es fest ja? Wir alle weihen die anderen Jugendlichen ein und treffen uns heute Abend hier? Ich bau auf euch, Leute. Wir müssen ein Team sein, nicht zwei, okay? Wir müssen gemeinsam kämpfen, keiner geht seinen Weg allein, nachdem wir Katie befreit haben!“, redete ich zum Abschluss und alle sahen energisch aus und waren fest entschlossen.
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