Kurzgeschichte
Ungeduld

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"Ungeduld"
Veröffentlicht am 19. April 2014, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Elena Okhremenko - Fotolia.com
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Über den Autor:

Rainer Güllich, Jahrgang 1954, lebt in Marburg/Hessen. Als begeisterter Leser schon ewig von dem Wunsch getrieben selbst zu schreiben, nahm er an einem Kurzkrimiwettbewerb teil, der im Rahmen des 1. Marburger Krimifestivals stattfand. Er kam auf einen der vorderen Plätze und sein Kurzkrimi ?Hass? wurde in der regionalen Presse veröffentlicht. Dadurch motiviert belegte er seinen ersten Schreibkurs in kreativem Schreiben. Weitere schlossen sich an ...
Ungeduld

Ungeduld

Das Stimmengewirr klang wie das Summen eines Bienenschwarms, es schwoll an und ab. Der Theatervorhang war noch geschlossen. Der korpulente Mann, der mitten in der ersten Sitzreihe saß, beugte sich zu einer Frau hinüber, die rechts von ihm saß. „Müssten die nicht schon längst angefangen haben? Jedes Mal das Gleiche …“

„Nun sei doch nicht schon wieder so ungeduldig, Ernst. Die werden schon anfangen.“

Der Mann wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Sein gerötetes Gesicht verfärbte sich noch mehr. „Was heißt hier ungeduldig? Ich kann doch wohl Pünktlichkeit

verlangen. Das erwartet man von mir in meinem Geschäft auch.“

Die Frau rückte etwas von dem Mann ab. Ihr Blick richtete sich nach vorne. „Lass mich einfach in Ruhe. Es wird schon gleich losgehen.“

„Was soll das denn jetzt? Ich kann doch wohl erwarten, dass man sich hier an die angegebenen Zeiten hält. Wäre ja noch schöner …“ Seine Stimme hob sich.

Der Mann neben ihm wendete ihm den Kopf zu. „Hören Sie. Können Sie sich nicht etwas ruhiger verhalten. Das Stück wird schon beginnen.“ Er richtete sich etwas auf. Sein Sakko spannte sich unter seinen Schultern. Er fuhr sich mit einer Hand über seine dunkelblonden Haare.

Der Dicke kreischte fast. „Was ist los! Was wollen Sie denn? Was mischen Sie sich überhaupt hier ein?“

Der Mann im Sakko riss die Augen auf. „Hören Sie! Bitte nicht in diesem Ton. Was glauben Sie denn, wer Sie sind?“

„Wer ich bin? Das werden Sie gleich sehen Sie … äh … Fatzke!“

Der Sakkoträger blieb ruhig. „Ich habe wohl nicht richtig gehört. Sie sind so nett und nehmen das Gesagte sofort zurück.“

„Zurück nehmen?! Dann hätte ich es nicht sagen brauchen.“ Die Schweinsäuglein des Dicken blitzten.

Aus den hinteren Reihen kamen Rufe. „Ruhe!“, „Still da vorn!“

Zwei Saalordner in grauen Anzügen kamen von der rechten Seite auf den Dicken zu.

„Wenn Sie nicht Ruhe halten, muss ich Sie des Saales verweisen.“ Der hünenhafte Ordner stützte beide Arme in die Hüften und schaute auf den Krakeeler hinunter.

„Was willst Du?! Ich glaube, es geht los? Du kannst Dir gleich ein paar Schläge abholen!“

Das Gesicht des Dicken nahm eine violette Gesichtsfarbe an.

Ohne ein weiteres Wort packten die beiden Ordner den Mann unter beiden Armen und schleppten ihn aus dem Saal heraus. Zurück blieb nur das

Taschentuch.

Die Begleiterin des Dicken sank in ihrem Stuhl zusammen. „Oh Gott. Das war jetzt zu viel. Jetzt lasse ich mich wirklich scheiden …“

Der Mann in dem hellen Sakko reichte ihr die Hand. „Das trifft sich ja … Darf ich mich vorstellen: Senftleben, Horst Senftleben. Hier meine Karte. Ich bin Anwalt. Spezialisiert auf Scheidungen. Meine Kanzleizeiten finden sie hinten auf der Karte.“

Der Vorhang der Bühne öffnete sich.

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Hörbuch

Über den Autor

Epilog
Rainer Güllich, Jahrgang 1954, lebt in Marburg/Hessen. Als begeisterter Leser schon ewig von dem Wunsch getrieben selbst zu schreiben, nahm er an einem Kurzkrimiwettbewerb teil, der im Rahmen des 1. Marburger Krimifestivals stattfand. Er kam auf einen der vorderen Plätze und sein Kurzkrimi ?Hass? wurde in der regionalen Presse veröffentlicht. Dadurch motiviert belegte er seinen ersten Schreibkurs in kreativem Schreiben. Weitere schlossen sich an und als Folge davon erschienen in kurzer Zeit seine beiden ersten Krimianthologien. Der Kriminalroman ?Unter Druck - Ein Marburg Krimi? folgte.

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Willy Der Dicke ist ja eigentlich im Recht und das er Choleriker ist, na ja- die haben es nicht leicht und die Leute mit ihm. die Pointe passt, obwohl ich Anwälte von Ausnahmen abgesehen, für Erzhalunken halte.
Gern gelesen.
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
Epilog Hallo Sweder, mit den Anwälten hast Du nicht so unrecht und dass das so ist zeigt ja auch Herr von Senftleben deutlich.
LG
Rainer
Vor langer Zeit - Antworten
Willy Ist natürlich überspitzt von mir, aber was sich da manchmal vor Gericht abspielt geht auf keine Kuhhaut. Man soll Recht sprechen und keine Deals abschließen! Ich stelle mir gerade Herrn Kowalski als Zeuge vor Gericht vor........Gute Nacht für heute.
LG
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
Epilog Das ist ein schönes Bild: Kowalski vor Gericht ...
Vor langer Zeit - Antworten
Mystic 
Wäre der dicke nicht so ungeduldig und ungehobelt gewesen, dann würde er jetzt nicht alleine in seinem Bett schlafen müssen!

LG
Mystic
Vor langer Zeit - Antworten
Epilog Ja, das ist richtig. Der hat aber auch schon vorher falsches Verhalten gezeigt.. Danke für den Kommentar.
LG
Rainer
Vor langer Zeit - Antworten
Sylke Wenn eine Tür zuschlägt, öffnet sich irgendwo eine neue.
LG schickt Sylke
Vor langer Zeit - Antworten
Epilog Tja, so ist es wohl. Danke für Lesen und Kommentar.
Liebe Grße
Rainer
Vor langer Zeit - Antworten
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