Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand
eines Bürgerkriegs steht.
Bildquelle : Jochen Pippir / pixelio.de
,,Ich hatte mich grade entschieden ihn nicht zu töten.“ Zyle versuchte abzuschätzen, wo der Mensch stand. Die Degenklinge an seinem Hals machte sich unangenehm bemerkbar, trotzdem blieb er ganz ruhig. Er hatte eine Chance. Kellvian war kein geübter Kämpfer. Der Gejarn sah rasch zu dem Patrizier herüber, der nicht den Anschein machte, als wollte er einschreiten. Verdammt, worauf wartete der Mann? Ein Wort und er könnte das ganze als Missverständnis aufklären… ,,Natürlich. Und das soll ich euch
einfach glauben?“ ,,Ihr solltet vor allem kein Schwert in die Hand nehmen, wenn ihr nicht richtig damit umgehen könnt.“ Zyle war schnell. Mit einer Bewegung tauchte er unter der Klinge des Menschen weg und Kellvian reagierte zu langsam um ihn daran zu hindern. Der Degen sauste ihm harmlos durch die Haare. Zyle brachte mit einem Hechtsprung vorwärts so viel Raum wie möglich zwischen sich und Kell, musste aber feststellen, das er den Menschen unterschätzt hatte. Kellvian holte sofort zu einem Stoß auf seine Brust aus. Rasch riss der Gejarn das Schwert hoch und blockte den Hieb grade noch rechtzeitig. Mit hellem Klang trafen die Klingen
aufeinander, aber Kellvian ließ sich nicht auf ein Kraftmessen mit Zyle ein. Er wusste, das er dem Gejarn was rohe Körperkraft anging weit unterlegen wäre. Stattdessen sprang er selber zurück und ging mit einer ungestümen Folge von Schlägen auf Zyle los. Auch wenn es dem Schwertmeister leicht fiel, jeden einzelnen Angriff zu parieren, für jemanden aus Canton, wo man sich mehr auf die tödliche Effizienz von Musketen verließ, schlug er sich ganz passabel. Und es gelang dem Gejarn anfangs nicht, eine Lücke in der Verteidigung seines ungewollten Gegners zu finden. Zyle zögerte noch zurückzuschlagen, sondern wehrte lediglich weiter Kellvians Hiebe
ab. Langsam durchschaute er ihn. Jedes malt, wenn der Mensch ausholte ließ er dabei seine linke Seite ungeschützt. Ein kleiner Fehler nur, aber er würde Zyle reichen. Der Gejarn ließ den nächsten Hieb Kellvians ins leere laufen und schlug dann mit der flachen Seite seines Schwerts zu, so fest er konnte. Die stumpfe Schwertseite traf Kellvian in die Nieren. Der Mann klappte halb zusammen und ließ den Degen fallen. Zyle wollte sofort nachsetzen. Ihm lag nichts daran, Kell zu töten, deshalb benutzte er erneut die flache Schwertseite und wollte seinen Gegner nun endgültig ausschalten. Ein Hieb gegen de Kopf sollte reichen, dann
könnte er erklären… Zyles klinge traf ins nichts. Kellvian hatte sich schneller von dem Hieb erholt, als der Schwertmeister erwartet hatte und war beiseite gesprungen. Statt des Degens hielt er nun eine Steinschlosspistole in der Hand, die er auf den Kopf des Gejarn richtete. Es wurde still in dem kleinen Hain. Kellvians Hand zitterte leicht, aber der Finger des Menschen lag direkt am Abzug. Zyle hatte keine Chance mehr. Einer Kugel ausweichen konnte er auf die kurze Entfernung ganz sicher nicht. Das könnte niemand. Und der Schild befand sich, wieder einmal, auf seinem Rücken wo er ihm nichts nützte. Laos, er sollte
sich angewöhnen, das runde Stück Metall nicht mehr aus der Hand zu legen. ,,Ihr kämpft wie ein Feigling“ , sagte er. ,,Die ist nicht mal geladen. Ihr hattet gar keine Zeit dafür.“ Er hoffte inständig, damit recht zu behalten. ,,Sicher das ihr das herausfinden wollt ?“ , erwiderte Kellvian angespannt. ,,Waffe fallenlassen.“ ,,Wenn ihr die Güte hättet vorher euren Patrizier zu fragen ob ich ihn wirklich töten wollte…“ ,,Markus ?“ Kellvian drehte den Kopf in Richtung des Herrn von Vara. Dieser stand nach wie vor in der nähe der Marmorplatte, war während des kurzen Kampfes aber ein paar Schritte zurück
gewichen. Bevor der Patrizier etwas sagen konnte, unterbrach die Stimme einer vierten Person sie. ,,Seit ihr den allesamt Wahnsinnig geworden ?“ Wie auch immer Melchior sie gefunden hatte, Zyle war das erste mal erleichtert, den Mann zu sehen. Der Seher schien einfach aus der Dunkelheit aufzutauchen, in der sein blau-schwarzer Mantel ihn zuvor noch Verborgen hatte. Er sah sichtlich ungehalten zwischen den Anwesenden hin und her. Kellvian drehte den Kopf in Richtung des Neuankömmlings. ,,Er hat versucht Markus zu töten.“ ,,Das hat er nicht. Oder zumindest glaube ich das nicht.“ , mischte sich der
Patrizier ein. ,,Kellvian…“ Ihm schien jetzt erst aufzufallen, in welchem Zustand Kell war. Blut sickerte langsam aber beständig aus mehreren Schnittwunden auf seiner Wange und seine Augen… Er schien gar nicht richtig da zu sein, dachte Zyle. Der ganze Mann hatte etwas Unberechenbares an sich. Der Gejarn seufzte,,Hey, kümmert euch nicht um mich. Er kann mich nur jeden Moment erschießen, aber schön, diskutiert das aus…“ Kellvian zögerte einen Augenblick, dann nahm er die Waffe runter. ,,Also schön. Aber ich glaube ihr schuldet uns allen eine Erklärung.“ Zyle richtete sich schwerfällig auf. ,,Die
bekommt ihr.“ , sagte er. Er müsste sich nur erst überlegen, wie er so glimpflich wie möglich aus de Geschichte raus kam. Aber auf eine Art fühlte er sich, als wäre ihm bereits jetzt eine schwere Last von den Schultern genommen worden. Er hatte getan, was ihm richtig erschien. Auch wenn das bedeutete, das er sich in Helike besser nicht mehr so schnell sehen ließ. Irgendwie würden die Archonten nachprüfen können, ob der Patrizier noch lebte, da war er sich sicher. Melchior sah sich nach wie vor in der Runde um, als suche er etwas. ,,Wo ist Jiy ?“ ,,Nicht mehr hier…“ Kellvians Blick
bekam etwas Trauriges. Zyle war bisher gar nicht aufgefallen, das die Gejarn fehlte. Was natürlich auch daran liegen konnte, das seine ganze Aufmerksamkeit der Waffe an seiner Schläfe gegolten hatte. ,,Was soll das heißen, nicht mehr hier ?“ , wollte er wissen. ,,Das ich der größte Narr aller Zeiten bin. Ich habe ihr die Wahrheit gesagt.“ Zyle sah ihn ungläubig an. ,, Ihr seit also wirklich der Sohn des Kaisers ?“ ,, Habt ihr ihm das verraten Markus ?“ ,,Es ist nicht so, das ihr euch zu viel Mühe gegeben hättet, eure Identität zu verbergen.“ , erwiderte der Patrizier und zuckte mit den
Achseln. ,, Verdammt Kell.“ Melchior schien aufgebracht. ,, Ich habe euch gewarnt, aber auf mich hört ja niemand. Vielleicht versteht ihr das, die Zukunft ist nicht festgeschrieben, aber die Chancen stehen grade sehr gut, das ihr sterben werden, solltet ihr Jiy noch einmal begegnen. Und das werdet ihr.“ ,,Danke, das ist genau das was ich jetzt hören wollte.“ , erwiderte Kellvian bitter. Zyle mischte sich ein und zu seiner eigenen Verwunderung verteidigte er den Menschen sogar. ,, Wenn ihr das so genau wusstet… Seher, Wieso bitte habt ihr es dann nicht verhindert?“
Vielleicht machte ihm auch nur der Gedanke zu schaffen, dass der Mann, den er für sich selbst als lediglich irre abgestempelt hatte, wirklich die Zukunft kennen konnte. Was auch immer das für ihn selbst bedeuten würde… Melchior antwortete nicht, doch über die langsam einsetzende Stille schob sich ein neues Geräusch. Aufgeregte Rufe, laut genug, dass der schwache Abendwind sie bis in die Gären um die Universität trug. Was ging hier vor sich… Zyle spähte zwischen den Bäumen und Hecken hinauf zu den hell erleuchteten Bauten, welche Varas Universität darstellten. Vermutlich war das Fest dort
noch in vollem Gange, aber… die Schreie schienen tatsächlich von dort zu kommen. Ohne Vorwarnung konnte Zyle spüren, wie seine Füße zu kribbeln begannen. Gleichzeitig machte sich der plötzliche, schon beinahe vertraute, Abfall es Luftdrucks bemerkbar, der jede Zauber zu begleiten schien. Im nächsten Moment implodierte eines der großen Fenster der Universitätshallen. Eine Feuerwolke brach sich bahn ins freie und hüllte einen der Bäume ein, die um die Gebäude herum standen. Glut und Funken stoben auf, als die Blätter in einem einzigen Augenblick zu Asche wurden. Markus sah nicht lange hin, sondern
rannte erstaunlich schnell los, so das ihnen nur die Wahl blieb ihm zu Folgen oder den Patrizier allein mit dem zu lassen, was vor sich ging. Zyle seufzte. Das war nicht sein Kampf. Aber gleichzeitig schien er es geworden zu sein. Er hatte den Herrn von Vara verschont, da würde er jetzt nicht zulassen, dass ihn irgendjemand anders erledigte. Auch Kellvian schien sich aus seiner Erstarrung befreit zu haben, wenngleich sein Blick immer noch ins nichts zu gehen schien. ,, Schnell, sehen wir nach was los ist.“ Die Schreie wurden noch einmal lauter, als sie sich dem Gebäude näherten. Und
nun mischte sich auch der vereitelte Klang von Gewehrfeuer darunter. Zyle hielt sich knapp hinter dem Patrizier, als sie auf den Platz vor den Universitätstüren ankamen. Markus hatte derweil seinen Stab weggeworfen und aus dem Griff eine etwa Armlange Klinge zutage gefördert. An den Toren standen weder Adelige noch die Wachen des Patriziers. Stattdessen warteten fünf in dunkle, gleichförmige Kleidung gewandete Männer auf sie. Zyle erkannte die Kleidung wieder. Sie war fast identisch mit der der Männer, die sie an der alten Festung attackiert hatten. Drei der Fremden trugen schlanke Schwerter und zwei, die sich hinter den
anderen Versteckten, schwere Luntengewehre, die sie auf die offenbar unerwarteten Neuankömmlinge richteten. ,, Wer da ?“ ,, Mich würde mehr interessieren, wer ihr seit.“ , knurrte Markus .,, Soweit ich weiß steht ihr Kerle nicht auf meiner Gästeliste. Und wenn ich eines Hasse, dann sind es ungebetene Gäste mit schlechten Manieren. “ Einer der Männer zögerte nicht lange, sondern ging mit dem Rapier auf den Herrn von Vara los. Dieser sprang jedoch geschickt zurück und stieß dem Angreifer die Klinge in die Brust. Der dunkelgewandete Mann zuckte zusammen, als ihn das Schwert
durchbohrte und Markus gab der Gestalt einen tritt, die sie zurück in die Reihen ihrer Gefährten schleuderte, wo der Fremde Kämpfer zusammenbrach. Jetzt ging auch der Rest auf sie los. Kellvians Kopf war mittlerweile das reinste Chaos. Er spürte, wie eine Kugel knapp an seinem Gesicht vorbeizischte, während die anderen sich den schwarzgewandeten Fremden entgegenstellten. Er selber fand sich kaum in der Lage, die Hiebe seines Gegners abzuwehren. Während des kurzen Kampfes gegen Zyle hatte ihn die Wut getrieben, aber jetzt… jetzt hatte er
nur noch den Wunsch, das das alles endlich vorbei war. Zu seiner rechten machte einer ihrer Gegner den Fehler, Melchior anzugreifen, der lediglich ruhig dastand. Die Klinge des Mannes hing einen Moment einfach in der Luft, dann wurde er von einer unsichtbaren Macht zurückgeschleudert. Zyle hatte bei seinem ungewollten Aufeinandertreffen mit Melchiors Schildartefakt wohl großes Glück gehabt, wie Kellvian jetzt sehen konnte. Die magische Energie riss den Angreifer nicht nur von den Füßen, sondern schleuderte ihn auch hoch in die Luft, bis er mit knochenbrechender Gewalt auf dem Brunnenplatz aufschlug. Der reglose
Körper schlitterte noch ein paar Schritte weit, bis er endlich liegen blieb. Zyle seinerseits verteidigte sich gegen zwei Gegner gleichzeitig, denen es langsam gelang, ihn zurückzudrängen. Und hinter ihm legte der zweite der Schützen grade auf den Gejarn an. ,, Kopf runter.“ Kellvian fürchtete schon, das seine Warnung zu spät kommen könnte, als Zyle sich blitzschnell herumwarf und einen seiner Gegner damit genau in die Schussbahn manövrierte. Zu schnell, als das der Schütze seinen Fehler noch bemerkte. Ein laute Knall und er stechende Geruch von verbranntem Schwarzpulver füllten einen Moment die Luft, dann klappte
einer von Zyles Gegner mit einem sich ausbreitenden roten Fleck auf der Brust zusammen. ,, Vorsicht.“ , rief der Gejarn nun seinerseits und Kellvian konnte grade noch einem Angriff seines eigenen Gegners auswichen. Doch das gab ihm auch genau die Chance die er brauchte. Mit einem Hieb aufwärts unterlief er die Verteidigung seines Gegners und rammte ihm die Klinge in die Schulter. Der Fremde schrie auf. Im nächsten Moment riss Kellvian die Klinge auch schon zurück und beendete sein Leben. Es machte keinen Unterschied mehr. Alles machte keinen unterschied mehr, wie es aussah.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass Markus ebenfalls einen der Männer in Schwarz niedergerungen hatte. Es war der Schütze von eben. Damit waren vier ihrer Gegner gefallen. Der letzte Angreifer jedoch , der sich immer noch in einem erbitterten Schlagabtausch mit Zyle befand, hob nun die Hand. Ein goldener Ring mit einem Rubin glänzte daran. Der Gejarn ahnte, was kommen musste und riss den Schild hoch um sich zu schützen. Der Edelstein an der Hand des Fremden glühte auf und offenbarte damit seine wahre Natur. Einen unendlich langen Augenblick baute sich die Energie des Artefakts auf, dann schoss eine
Flammensäule aus dem Juwel und hüllte Zyle ein. Der Gejarn aus Laos stolperte zurück, während sich das Metall des Schilds glühend rot verfärbte. Kellvian konnte die Hitze des magischen Feuers selbst auf die Entfernung noch deutlich spüren. Im nächsten Moment riss der Zauber ab, als Melchior hinter dem Angreifer auftauchte und ihm mit dem Stab einen Schlag gegen de Schläfen versetzte. Stark genug, das sie alle das Geräusch aufeinander reibender Knochen hören konnten. Zyle ließ den Schild fallen, der auf dem Boden zerfloss, wie Wasser. Die Haare im Gesicht und an den Armen des Gejarn waren dunkel versengt, trotzdem lachte
er plötzlich. ,, Das… war endlich einmal eine Herausforderung. Aber ich bin froh, wenn es die einzige bleibt.“ Einige Schritte entfernt zog Markus seine Klinge aus dem Körper eines der Gefallenen. ,,Ich glaube das waren alle hier.“ , erklärte er. Kellvian ließ scher atmend die Waffe sinken. ,, Ich hoffe es. Sehen wir nach, was los ist.“ ,, Kell, wartet. Wir kennen diese Kerle.“ Er nickte. ,, Ich weiß Ich erkenne die Kleidung auch wieder. Los. Es wird nicht besser, wenn wir hier herumstehen.“