Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand eines Bürgerkriegs
steht.
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Zyle fühlte sich unwohl zwischen all den Menschen. Es war jedoch weniger ihre Masse, die ihm zu schaffen machte, als ihre seltsame Art. Das sollte eine Feier sein? Er sah sich nach allen Seiten um und fand jede Menge misstrauische oder verschlossene Gesichter. Manche musterten ihn sogar mit offener Abneigung, die wenigsten mit Neugier. Die Rede, welche der Patrizier vor einigen Minuten gehalten hatte, schien die Stimmung zwar etwas gebessert zu haben, aber
trotzdem.. Laos, auf ihren Totenfeiern wurde mehr gelacht als in diese Hallen. Der Gejarn hielt sich am Rand der Versammlung und beobachtete das Treiben. Die anderen hatte er schon vor einer Weile aus den Augen verloren und nach ihnen suche er die enge auch nicht ab. Seine Hand ruhte am Schwertgriff. Heute oder nie. Er konnte nur eine Handvoll bewaffnete in der Halle erkennen. Ein paar uniformierte und mit Musketen bewaffnete Wächter am Eingang und an den Fenstern, das war alles. Die Leute fühlten sich heute Abend sicher. Der Patrizier würde sich sicher fühlen- Jetzt musste er nur noch überlegen, wie er es
anstellen sollte. Einfach hingehen und den Mann zu töten, das wäre mehr als dumm, wenn er lebend hier raus wollte. Zyle wollte es hinter sich haben. Dann könnte er sich auf den Rückweg machen und wäre schon weit weg, bevor irgendjemand merkte, dass er fehlte. Heim. Aber war der Preis nicht zu hoch? Es war nach wie vor nicht seine Aufgabe, sich darüber Gedanken zu machen. Und doch tat er es. Dieses Land war anders, als er erwartet hatte, soviel musste er zugeben. Und auch der Patrizier…. Er hatte bisher vielleicht zwei Worte mit dem Mann gewechselt und ihm einmal gesehen, aber das allein hatte gereicht Zweifel in ihm
zu Wecken. Das war einfach niemand, der den Tod zu verdienen schien… Was hatte Markus Cynric getan um sich den Zorn der Archonten zuzuziehen? Es spielte keine Rolle, sagte er sich wieder. Und es half nichts, hier herumzustehen. ,,Wie war noch euer Name ?“ Zyle drehte sich zu der Stimme um. Gab es so etwas wie Zufälle? Einen Augenblick war er versucht daran zu Zweifeln. Der Patrizier winkte einer Gruppe finster dreinblickender Männer und Frauen zu, mit denen er sich offenbar eben noch unterhalten hatte. ,,Zyle Carmine.“ , antwortete er. Ihm war grade am allerwenigsten danach, sich mit dem Mann unterhalten zu müssen, den
heute noch eine Klinge finden würde, wenn es… nach dem Willen der Archonten ging. ,,Und ich bin Markus, für die meisten zumindest.“ Der Patrizier war gezwungen ein gutes Stück zu dem Gejarn aufsehen, ,,Ihr macht gelinde gesagt nicht den Eindruck, als würde euch dieser Ort gefallen?“ ,,Der Ort ist in Ordnung.“ , erwiderte Zyle. ,,Die Anwesenden… weniger.“ Der Patrizier lachte schallend, so das sich sogar einige Köpfe in ihre Richtung drehten. ,,Ihr habt es offenbar erfasst. Aber manchmal muss man Kompromisse eingehen und sich mit Leuten an einen Tisch setzen, die einem persönlich nicht
zusagen. Für das Wohl von allen. Wo wären wir schließlich, würden wir uns alle wegen unserer Differenzen nur bekämpfen und nicht auch ab und an… genau deshalb schätzen?“ ,,Wollt ihr mir sagen, diese Leute wissen euch zu schätzen ?“ , fragte er und machte eine ausladende Bewegung mit dem Arm. ,,Die wenigsten.“ Der Patrizier setzte sich in Bewegung und zu seiner eigenen Überraschung folgte Zyle ihm durch die Halle. ,,Gleichzeitig würden aber auch die wenigsten meine Position haben wollen.“ , fügte Markus hinzu. ,,Wieso nicht ?“ Was tat er hier verflucht? Er sollte sich nicht mit dem
Kerl unterhalten, sollte ihn Erledigen und loslaufen. Aber nicht hier. ,,Das würde ja Arbeit bedeuten.“ Er zwinkerte und meinte die Bemerkung offenbar nicht ernst.,,Und um es in einfachsten Worten zu sagen… das bisschen mehr Macht, das mir mein Titel innerhalb den Mauern Varas verleiht, ist den Aufwand schlicht nicht wert. Nicht wenn man sich dieser Stadt nicht verschreibt.“ ,,Und bereut ihr das nicht ?“ ,,Der Tag an dem ich es bereue mich um diese Stadt zu Sorgen ist der, an dem ich freiwillig zurücktrete. Um eure Frage also zu beantworten: Nein. Ich bitte euch also einfach, seht auch ihr euch heute
einfach einmal als ein Gast. Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet… Ich muss noch mit so vielen Leuten sprechen und mir bleibt dafür so wenig Zeit…“ Markus Cynric verbeugte sich kurz, was bei seiner Statur fast schon lächerlich wirkte und verschwand in der Menge der Anwesenden. Zyle wollte sich dazu bringen, ihm zu folgen und auf eine Gelegenheit zu warten. Er musste nur geduldig sein und dan einen günstigen Moment zum Angriff nutzen. Aber… wollte er das denn überhaupt noch? Verdammt es gab hier kein Wollen. Befehl war
Befehl. ,,Entschuldigt… seit ihr Kellvian Belfare ? Ein dunkelhaariger Mann kam Kell entgegen, als er über die Treppe wieder in den großen Hauptsaal hinabging. Er erkannte in der schwarz gekleideten Gestalt den Klavierspieler, der ihm schon früher aufgefallen war. Nun jedoch schien es, war der Mann durch jemand anderen ersetzt worden. Es hatte keinen großen Sinn zu leugnen. ,,Der bin ich.“ ,,Quinn der Name, erfreut.“ Ein türkisfarbener Mantel fiel dem Mann über die Schulter. Seien Bewegungen
waren fahrig, so als wäre er wegen irgendetwas schrecklich nervös. Noch mal Glück gehabt, dachte Kellvian. Zumindest war er nicht an irgendeinen Adeligen geraten. Trotzdem wollte er zu Jiy zurück. ,,Was gibt es denn ?“ , fragte Kellvian, sein sichtlich angespanntes Gegenüber. ,,Und keine Sorge, bisher zumindest ist noch jeder Lebed aus einem Gespräch mit mir rausgekommen.“ Aus der Nähe fiel ihm auf, dass die dunklen Haare seines Gegenübers seltsam unecht wirkten. Und einige graue Strähnen schimmerten darunter hervor. Wirklich seltsam… Er wirkte eigentlich noch ziemlich jung. Das goldene Symbol,
das er zuvor nur aus den Augenwinkeln gesehen und nicht richtig erkannt hatte kam ihm in den Sinn. ,,Ihr seid ein Magier oder ?“ ,,Heute Abend bin ich mehr für die musikalische Untermalung zuständig.“ , erwiderte er. ,,Auch wenn man das von einem Sanguis-Zauberer nicht erwartet. Mich hat lediglich interessiert, ob ihr wirklich hier seid. Es kommt ja nicht alle Tage vor.“ ,,Wieso denn nicht ? ich entscheide schließlich, wo ich auftauche oder?“ ,,Sicher. Jedoch das letzte, was man von euch gehört hat war, das ihr vor einem halben Monat aus der fliegenden Stadt verschwunden seid Ohne eine
Spur. ,,Dann wurdet ihr offenbar falsch informiert.“ , gab Kellvian ruhig zurück. Der Mann war nicht unfreundlich, aber irgendetwas sorgte dafür, dass er eine Gänsehaut bekam. Er wollte nur so schnell wie möglich hier weg. ,,Natürlich und ich will euch auch gar nicht weiteraufhalten.“ Der Mann trat beiseite und ließ ihn passieren. ,,Guten Abend Herr. Und passt auf euch auf.“ ,,Hier droht keine Gefahr. Wobei ich es darauf Anlege in wenigen Augenblicken die Ohrfeige meines Lebens zu kassieren.“ Und er fürchtete noch mehr, weil er so lange mit der Wahrheit gezögert hatte. Kellvian fühlte sich kurz
unsicher und blieb stehen. Er hatte gedacht, darauf gefasst zu sein, aber nach wie vor war da nur Chaos, wenn er nach Worten suchte, die er sonst leicht fand. Wäre er von der Existenz von Göttern doch etwas überzeugter, dann könnte er jetzt wenigstens stumm beten. Es half nichts. Für Jiy konnte er die Wahrheit riskieren, sagte er sich, egal wie es ausging. Die Gejarn wartete ein Stück von der Treppe entfernt auf ihn. Gedankenverloren musterte Jiy das bunte, aber auf seine Art schrecklich eintönige Treiben. Obwohl er Raum von
Musik erfüllt war, tanzten die wenigsten. Und auch die Worte des Patriziers schienen daran nur wenig verändert zu haben. Sie war sich nach wie vor nicht sicher, ob sie sich nicht verhört hatte. Der Sohn des Kaiser sollte hier sein? Nun in dem ganzen prunk ging wohl selbst so jemand einfach unter. Und vermutlich war es auch besser so. Es war das Banner des Kaisers selbst gewesen, das über Lore geweht hatte, als der ganze Ort ein Opfer der Flammen geworden war. Nicht das irgendeines Fürsten oder Heerführers. Sie wüsste nicht, was sie tun würde, würde sie einem der Verantwortlichen je gegenüberstehen. Sie hatte dem sterbenden Gejarn schwören
müssen, nie leichtfertig zu töten und allein der Gedanke war ihr zu wieder, aber… Würde sie das denn je ganz hinter sich lassen? Vermutlich nicht und das beunruhigte sie mehr, als sie sich selbst gegenüber zugeben wollte. Jiy sah auf und entdeckte Kellvian. Er lächelte, wirkte aber ungewöhnlich blass. Eine willkommene Ablenkung von ihren finstereren Gedanken, die seine Anwesenheit allein bereits etwas zu vertreiben schien. Es war schon seltsam, was sie mit diesem Mann verband. Eine seltsame Mischung aus Gefühlen… Sie zögerte dem ganzen einen Namen zu
geben. ,,Hey.“ Er streckte eine Hand aus und fasste die ihre. ,,Entschuldigung. Ich… hätte dich nicht so stehen lassen dürfen.“ ,,Das glaub ich auch.“ , gab sie gespielt streng zurück nur um mit einem Blick in die Runde hinzuzufügen: ,,Das ist nicht zum Aushalten. Als hätte jemand diese Leute alle mit vorgehaltener Waffe her gezwungen.“ Kellvian grinste. ,,Ich hab dich gewarnt.“ , sagte er.,,Die meisten sind nur hier um sich später nicht nachsagen zu lassen, einer Einladung des Patriziers nicht nachgekommen zu sein.“ Sie sah auf ein seltsames Funkeln in den Augen ,,Ändern wir
das?“ Er folgte ihrem Blick und schüttelte den Kopf. , Darf ich bitten? Ich kann mich zwar bestenfalls als durchschnittlichen Tänzer bezeichnen aber…“ Jiy wartete nicht einmal, bis Kellvian den Satz beenden konnte, sondern zog den verdutzten Menschen mit sich weg von der Treppe in den Saal, wo sich die wenigen Tänzer befanden. Kellvian war kein guter Tänzer und damit lobte er sich vermutlich noch selbst, dachte er. Zwar hatte mehr als ein Lehrer in der fliegenden Stadt vergeblich versucht es ihm beizubringen, aber das wenige, das er sich gemerkt hatte, reichte grade um niemanden, vor allem
nicht Jiy, auf die Füße zu treten. Die Gejarn ihrerseits bewegte sich mit traumwandlerischer Sicherheit, was dem ungewöhnlichen Paar schnell die Blicke der Leute einbrachte. Kell war das im Augenblick egal. Seine Gedanken kreisten nach wie vor nur darum Jiy die Wahrheit beizubringen. Irgendwie…. Götter, was würde er darum geben, wenn die Dinge weniger kompliziert liegen würden, dachte er nicht zum ersten Mal. Wie einfach wäre es sich im Tanz und den edelsteingrünen Augen zu verlieren. Aber das waren dumme Träume… und Träume starben spätestens im Sonnenlicht. Wenn es keine Schatten mehr gab, in denen man sich verstecken
konnte. Besser er trat freiwillig ins Licht. ,,Kann ich dir etwas anvertrauen?“ , fragte er. Jiy kam kurz aus dem Gleichgewicht. ,,Kellvian… ?“ Sie musste wohl an seiner Stimme gehört haben, dass etwas nicht stimmte. Und doch lag kein Misstrauen in ihren Augen, sondern Sorge. ,,Was ist los ?“ Er seufzte schwer. ,,Bitte nicht hier.“ Sie traten aus der kleinen Gruppe der Tänzer heraus. Jemand klopfte Kell tatsächlich auf die Schulter. Er drehte kurz den Kopf und erkannte den Klavierspieler wieder. Quinn, wenn er sich nicht irrte. Doch so schnell wie der Mann aufgetaucht war,
verschwand er auch wieder in der Menge. Rasch trat Kellvian zwischen einer Gruppe Adeliger hindurch, die sich leise Unterhielten. Jiy folgte ihm unsicher, während er sich einen Weg aus dem Saal und zurück in den mittlerweile fast verlassenen Eingangsbereich suchte. Nur eine Gruppe in blaue Roben gekleideter Scholaren stand herum. Offenbar hielten sich die meisten Mitglieder der Universität von den großen Feierlichkeiten fern. Das war weit genug. Kellvian blieb stehen. ,,Kell… irgendetwas stimmt doch nicht. Oder ?“ Er nickte. ,,Ich fürchte… ich kann einige Dinge nicht für mich behalten. Nicht
wenn…“ Kellvian hielt inne. Das war schon falsch. ,,Wirst du mich einfach anhören ?“ ,,Warum sollte ich das nicht tun ? Kellvian, warum sollte ich das nicht?“ ,,Kannst du mir bitte einfach Antworten ? Wirst du mir erst zuhören, bevor… Götter ich könnte es verstehen.“ Eine Kälte schien von ihm Besitz ergriffen zu haben und nicht nur seine Worte sondern auch seine Bewegungen zu verlangsamen. Er ließ Jiys Hand los. Das war Angst. Sie nickte.,,Hör einfach auf mir Angst zu machen. Das tust du nämlich grade.“ ,,Jiy. Mein voller Name lautet…“ ,,Kellvian Belfare ?“ Kellvian erstarrte
beim Klang der dritten Stimme. Danja. Die Götter mögen diese Frau verdammen…. Der Gedanke tat ihm sofort leid. Aber jetzt… ,,Wusste ich doch, das ich euch eben gesehen habe. Und ich frage mich noch, was Markus jetzt noch mit euch zu besprechen hatte.“ Die Magisterin plapperte fröhlich weiter, während sie auf sie zukam. Offenbar hatte sie bisher bei den übrigen Scholaren in der Halle gestanden. Wenn er sie doch gesehen hätte… ,,Es sollte ihm ja eigentlich reichen das er mit euch den Sohn des Kaisers… Oh…“ Danja erstarrte, als sie näherkam. Jiys Gesicht war eine unleserliche Maske geworden. All die kleinen Puzzleteile
fielen an ihren Platz. Die Ungereimtheiten und Fragen ergaben plötzlich Sinn. Er schien ihre Gedanken fast spüren können. ,,Warum ?“ Die Gejarn trat ein paar Schritte zurück. ,, Wie hätte ich es dir sagen können. Ich…“ Sie ignorierte seine fast geflüsterten Worte. ,,Warum jetzt ? Warum hier ? Ich…“ Sie stockte. ,,Verdammt nochmal !“ Die Gejarn holte mit der Hand aus. Er machte keinen Versuch sie aufzuhalten. Der brennende Schmerz kam trotzdem unerwartet, als ihn ihre Handfläche ins Gesicht traf. Die Krallen hinterließen
blutige Spuren in seiner Haut. ,,Hast du auch nur die geringste Ahnung, was du… was du mir antust ? Hast du eine Minute darüber nachgedacht? Oder hattest du nur um dich selbst Angst?“ Kellvian fand sich unfähig zu antworten. Ein Kloß schien in seinem Hals zu sitzen und ihm am Sprechen zu hindern. ,,Großartig…. Einfach Großartig.“ Sie ging langsam rückwärts. ,,War ich so Blind ?“ ,,Warte…“ Er machte einen Schritt auf sie zu. ,,Bleib verflucht noch einmal wo du bist Kellvian. Ich weiß nicht was ich tun werde, wenn du mir folgst.“ Sie drehte sich in einer eleganten Bewegung um und
rannte los. ,,Jiy, lass es mich wenigstens erklären.“ Kellvian zögerte nicht lange, sondern folgte ihr. Danja sah ihnen verwirrt hinterher, als die beiden Gestalten in der Nacht verschwanden. ,,Was hab ich gemacht ?“