Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand eines Bürgerkriegs
steht.
Bildquelle : Jochen Pippir / pixelio.de
Die Gefahren der Magie werden gerne selbst von jenen unterschätzt, in denen das Blut des alten Volkes fließt unterschätzt. Die Macht, Elemente, Tod und Leben mit einem Gedanken und dem Funken des eigenen Willens zu beherrschen hat neben vielen unserer größten Helden auch immer wieder jene angezogen, welche sie nur zu eigenen Zwecken einzusetzen wünschten.
Doch nur wenige wissen um den wahren Preis der Magie. Die Gefahr der Zauberei ist niemand sonst so bewusst, wie ihren Selbsternannten Wächtern. Übermäßiger
Magieeinsatz führt zu Schwäche und Verfall des Anwenders, wie jeder weiß, der schon einmal einem der großen Hochmagier begegnet ist. So mächtig diese Gestalten auch sein mögen, teilweise werden sie nur noch durch blanke Willenskraft und magische Artefakte am Leben erhalten, denn ihre eigene Macht verursacht irreversible Schäden an ihrem Körper, wie auch an ihrem Geist. Und es heißt, manche der mächtigsten Zauberer würden von Zeit zu Zeit von Episoden des Wahnsinns geplagt. Vielleicht sind es ja die Geister des alten Volkes die nach wie vor keine Ruhe finden.
Nur eines scheint klar: Nichts vermag diesen bemitleidenswerten, wenn auch schrecklichen Gestalten wirklich zu helfen und noch hat niemand herausgefunden, was ihnen fehlt, denn die Magier selbst schweigen sich darüber aus. Wobei der Neugegründete Sanguis-Orden sogar jagt auf diese Armen Seelen zu machen scheint. Der Preis der Magie - Verfasst vom ersten Hofzauberer von Canton Jahr 153 der Herrschaft der Ordeal-Dynastie. Melchior sah hinunter auf die langsam
einschlafende Stadt. Vereinzelte Lichtpunkte stachen aus dem Häusermeer hervor und erweckten den Eindruck, als hätten sich auf der Ebene unter ihm dutzende gewaltige Glühwürmchen eingefunden. Die Gestalt des Sehers war, an einen der Runensteine gelehnt, welche Vara umgaben, kaum zu erkennen. Doch das Wesen, das sich it ihm hier einfand, musste ihn auch nicht sehen. Er wusste, dass er in der Nähe war. Der dunkle Schatten des Meisters stand auf der anderen Seite des Steins und schien die unverständlichen Symbole zu mustern, die vor Jahrhunderten wenn nicht Jahrtausenden jemand in den Fels geschnitten
hatte. ,,Geht es euch wirklich nur um den Thron ?“ , wollte Melchior wissen. Obwohl das Wesen in der dunklen Robe sehr viel älter war als er begegneten sie sich wie so oft als Ebenbürtige. Weder könnte er etwas gegen den Meister ausrichten noch dieser ihn vernichten. Seine Zukunft erlaubte es nicht. Der Schatten ließ sich mit der Antwort Zeit. ,,Es wäre egal, um was es mir geht. Ihr würdet dagegen sein.“ ,,Und ob.“ , erwiderte Melchior. ,,Was mich interessiert ist…. Wieso dieses Spiel ?“ ,,Vielleicht, weil es mir so gefällt. In
den Schatten zu arbeiten ist eine Option, die man nie unterschätzen sollte. Würde irgendjemand wissen, dass ich auch nur existiere… Was glaubt ihr wären die Folgen?“ ,,Ich weiß nicht einmal, was ihr seid.“ ,,Nur ein alter Schatten.“ Die Gestalt musterte die Stadt unter sich. ,,Ist es nicht Ironie ? So viele Leben in diesen Mauern und doch gibt es nur ein einziges, das mich interessiert Der Rest… nun was liegt am Rest. Schachfiguren, und selbst dann Bauern bestenfalls.“ ,,Ihr sprecht von lebenden Menschen.“ , erwiderte der Seher scharf, obwohl e wusste, dass es sinnlos
war. ,,Ihr belehrt mich über Moral ,Seher ? Benutzt ihr die Menschen nicht genau so? Wer war es denn, der Kellvian ausgerechnet auf diesen Weg geschickt hat? Hättet ihr nicht eingegriffen, wir hätten ihn alleine aufgegriffen. Allein und ohne Schutz und alles wäre längst vorbei. So aber wird bald mein Messer sein Ziel finden. Ohne jemals zu wissen, dass es mir dadurch gedient hat. Und selbst wenn Kellvian mir wieder entkommt, Seher, wenn ihr immer noch glaubt, der Junge könnte irgendetwas ändern… Er wird seine wahre Natur noch früh genug Zeigen.“ ,,Ja ich glaube, dass er etwas verändern
kann.“ ,,Warum ?“ Die Gestalt drehte sich zu ihm um und zwei Augen blitzten beinahe wütend aus den Schatten hervor, welche den kompletten Mann zu umgeben schienen. Wenn es den ein Mann war. ,,Er ist Feige, unentschlossen, geradezu kindisch und selbstsüchtig in seinen Entscheidungen… was erwartet ihr euch daraus ?“ ,,Ich setzte mein Vertrauen nicht nur in Kell. Und vielleicht fürchtet ihr das ja?“ ,,Was ?“ ,, Spontanität.“ Der Meister schien ihn einen Augenblick zu mustern. Dann begann er laut zu lachen. ,, Ihr müsst noch viel Lernen
fürchte ich. Lernt Morgen, wenn euer kleines Kartenhaus zusammenbricht. Dann erkennt eure eigene Dummheit. Bevor das alles vorbei ist, werde ich euch nicht mehr aufsuchen. “ Mit diesen Worten löste sich die Gestalt vor ihm in einen Schauer aus leuchtenden Partikeln auf und verschwand. ,, Vielleicht.“ , flüsterte Melchior in die kühle Nachtluft. ,, Und vielleicht werdet es am Ende ihr sein, der etwas gelernt hat.“ Er musste sich auf einmal abstützen. Einen Moment kam er sich älter vor, als er war. Sehr viel älter. Und all das hatte mit einer einzigen düsteren Prophezeiung angefangen. Vor nun fast zwanzig Jahren. Trotzdem stand ihm der
schwere Teil jetzt erst bevor. ,,Du musst das nicht, das weist du aber ?“ Jiy musterte Kellvian der, von einem Fuß auf den anderen tretend, in der Tür zu den Bädern stand. Einzelne Türen führten zu mehreren Räumen mit jeweils einzelnen Becken. Wenn es außer ihnen noch Gäste in der Taverne gab, so zeigten diese sich nicht. Es war früh am Morgen und die Straßen draußen lagen im Nebel. Melchior musste irgendwann in der Nacht zurückgekommen sein, denn als Kellvian heute Morgen sein Zimmer verlassen hatte, hatte der Seher bereits mit einem ausgesprochen düsteren
Gesichtsausdruck im Schankraum gesessen und sich über etwas hergemacht, das wohl sein Frühstück darstellen sollte. Auf seine Frage, wo er gewesen sei hatte Melchor nur knapp und einsilbig geantwortet. ,, Nein, ich hab zugesagt, dann… mach ich das auch.“ , antwortete er der Gejarn. Diese schmunzelte über die Nervosität des Menschen ein wenig. ,, Kell, ich frag dich nur. Ich will mich nach zwei Wochen in Wäldern mal wieder richtig sauber fühlen, das ist alles.“ Wobei das nicht stimmte. Auf eine Weise war der Gedanke mit Kellvian allein im Wasser zu sein… Sie verbannte den Gedanken so schnell wie er
auftauchte, konnte es aber trotzdem nicht vermeiden, einen Moment wegzusehen. ,, Ja klar. Nur ich… du…“ Bevor er noch etwas sagen konnte, warf sie ihm ein Handtuch und eine Haarbürste zu. ,, Mach dir bloß keine Hoffnungen. Du hast uns alle für heut Abend zu einem öffentlichem Empfang verpflichtet, also hilfst du mir damit ich nicht aussehe wie eine Wilde.“ Mit diesen Worten verschwand sie in einem der Bäder und ließ Kellvian nur die Wahl, stehenzubleiben oder ihr zu Folgen. Sie sah sich in dem Raum um, den sie betrat. Es gab nicht viel Einrichtung. Ein großes Becken mit Wasser aus dem
komplizierten Leitungssystem Varas nahm einen Großteil des Bodens ein. Graue Fließen bedeckten Boden und Wände. Offenbar hatte Kellvian es doch vorgezogen draußen zu bleiben. Ihr sollte es recht sein. Jiy seufzte, als sie sich an den Beckenrand setzte und die Füße einen Augenblick ins Wasser baumeln ließ. Langsam schnürte sie ihre Weste auf. Noch immer prangte ein neuer Blutfleck am Handgelenk wie eine stumme Anklage. Es war eine Gnade gewesen, das einzig richtige, sagte sie sich wieder. Der Mann hatte für sich selbst entschieden. Die vereinzelten Blutflecke von ihren alten Verletzungen hatten sich ebenfalls
in das Gewebe eingebrannt, auch wenn sie längst nicht mehr so deutlich waren. Aber nicht nur dort. Die kahlen Hautstellen in ihrem Pelz fielen kaum auf, doch jede markierte eine Narbe. Ihr Gesicht, das sich im Wasser spiegelte war kaum besser. Verfilzte und verknotete dunkle Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht. Grüne Augen blitzten ihr entgegen, die nach wie vor wirkten, als hätten sie zu viel gesehen… Nein sie hatte schon mal besser ausgesehen, gestand die Gejarn sich ein .Eigentlich sollte sie das nicht stören, aber das tat es. Seit wann kümmerte sie bitte ihr Aussehen derart? , fragte Jiy sich, kannte die Antwort aber
bereits. Mochte sie den Menschen, weil er sie gerettet hatte? Nein. Das hatte sie davon abgehalten ihn in seinen Tod laufen zu lassen, aber… Hatten ihre Gefühle ihr hier überhaupt ein Mitspracherecht eingeräumt? Götter, sie sollte aufhören, so viel nachzudenken. Rasch entledigte Jiy sich ihrer restlichen Kleidung und stieg in das warme Wasser. Überrascht zuckte sie kurz zusammen. Das hatte sie nicht erwartet. Zwar hatte Kellvian erzählt, das die Wasserrohre teilweise magisch beheizt wurden, eine Überraschung warmes Wasser ohne ein Feuer zu bekommen war es trotzdem. Sie lehnte sich zurück und trieb eine
Weile einfach in der wohltuenden Wärme und spürte sogar, wie ihre Lieder schwer wurden. Ihre Gedanken schweiften ab und die Anspannung, die sie seit gestern im Griff zu haben schien löste sich etwas. Jiy war mit sich und der Welt wieder etwas im reinen und konnte sich entspannen. Wann hatte sie das letzte Mal wirklich dazu Gelegenheit gehabt? Es musste eine Weile her sein. Mit einem zufriedenen Lächeln trieb sie im Dämmerzustand zurück an den Beckenrand. Wenn es immer so einfach sein könnte. Die Gedanken ein wenig loslassen und… Sie hörte wie sich die Tür zum Bad öffnete und drehte den Kopf
herum. ,, Feigling.“ , sagte sie grinsend und spritzte eine Hand voll Wasser in seine Richtung. Kellvian machte einen unbeholfenen Versuch auszuweichen, was ihm aber nur einbrachte, das er fast auf den Fließen ausgerutscht wäre. Er setzte sich ohne ein Wort an den Beckenrand. Angenehmes Schweigen füllte den Raum und Jiy war wenig daran gelegen, die Stille zu durchbrechen. Mit dem Rücken zu ihm fragte sie trotzdem spöttisch: ,, Wenn du doch hier bist… würde es dir etwas ausmachen mir ein wenig zu helfen?“ Der Mensch schien in eigenen Gedanken
zu sein, erwiderte aber nur: ,, Sicher…“ Kellvian verschwand kurz vom Beckenrand und kehrte wenige Augenblicke später mit einem Kamm und einer Bürste zurück. Jiy wartete, umgeben von der angenehmen Wärme und dem Nebel, der vom Wasser aufstieg. Erst als sie eine Berührung an der Schulter spürte, merkte sie, dass der Mensch zurück war. Kellvian ging vorsichtig, beinahe zögerlich vor, während er Schmutz und Knoten aus ihren Haaren kämmte. Sie lehnte sich ein wenig zurück und genoss die simple Berührung. Ihm mussten die kahlen Narben doch sicher auch auffallen, die sich überall auf ihrem
Körper fanden, dachte sie. ,, Was erwartet uns heut Abend genau ?“ , fragte sie, mehr um überhaupt etwas zu sagen, denn aus echter Neugier. ,,Ein Haufen Leute in teurer Kleidung, die noch nie in ihrem Leben einen Finger rühren mussten und nicht nur stolz darauf sind, sondern sogar damit angeben. Und wenn es nach Markus Willen geht…“ Er hielt inne. ,, Dann sitz ich in erster Reiche wenn es darum geht diesen Menschen zu sagen, dass sie damit recht haben.“ ,,Klingt politisch.“ ,,Das wird es auch werden Jiy. Ein Abend voll langweiliger Politik und
Leute, die ihre Kleinkriege untereinander ausfechten und denken die ganze Welt drehe sich darum. Wenigstens muss man nicht damit rechnen, ein Messer in den Rücken zu bekommen, solange man sich da raushält.“ ,, Irgendwie hörst du dich an, als hättest du damit Erfahrung.“ ,, Einer der Gründe, aus denen ich mitten in der Wildnis war. Da kommt niemand auf die Idee, über Truppenbewegungen oder den neuesten Plot irgendeines hohen Herrn sich noch ein paar Schafsherden mehr unter den Nagel zu reißen zu debattieren. Ich werde mich so bedeckt wie möglich halten.“ ,, Das hört sich fast nach einem Plan an.
Aber das ist doch sicher nicht alles oder Kell? Ich kenne dich kaum so… gewählt würde ich sagen.“ Er lächelte schwach. ,, Ich bin kein Idiot Jiy. Nur wenn du in der Nähe bist. Dann weiß ich manchmal nicht… was ich denken soll.“ ,,Wie… meinst du das ?“ ,, Ich weiß es nicht.“ ,, Du weißt es nicht ?“ , sie drehte sich zu ihm um und klang zu ihrer eigenen Überraschung ein wenig enttäuscht. Kellvian nickte und versuchte offenbar dabei, den Blick grade zu halten. Ein komischer Anblick, würde sie nicht nach wie vor auf eine Antwort von ihm
warten. ,, Mir fehlen die Worte zu sagen… was ich muss.“ Er klang plötzlich ernster. ,, Und ich weiß nicht, ob ich sie finde.“ ,, Kell… wenn…. Du kannst es versuchen, ich… denke nicht, das…“ Er stand langsam auf und unterbrach sie . ,, Heute Abend.“ , sagte Kellvian entschieden. ,, Glaubst du so viel Zeit kannst du mir geben ?“ Jiy fand sich unfähig, etwas anderes zu tun, als kurz zu nicken nd dem Mann nachzusehen, als er aus der Tür trat. Sie blieb alleine zurück. Einige Minuten ließ sie sich noch im kälter werdenden Wasser treiben Das Bad schien seinen Reiz plötzlich
verloren zu haben. Was hatte er sagen wollen? Und wenn es war, was sie fürchtete…hoffte… Sie spürte ihren Herzschlag kurz schneller. Das war doch kompletter Wahnsinn. Ihre gespannte Vorfreude auf den Abend schien ebenfalls verflogen, als sie aus dem Wasser stieg. Stattdessen hatte eine ungute Vorahnung sie ergriffen. Irgendetwas würde schrecklich schief gehen… Kellvian trat auf der einen Seite erleichtert, auf den Flur hinaus. Auf der anderen nannte er sich selbst erneut
einen Feigling. Warum die Wahrheit aufschieben. Weil ihm tatsächlich die Worte fehlten. Weil er nicht die Wahrheit und seine Gefühle gleichzeitig unterbringen konnte. Und es schien so oder so Wahnsinn. Selbst wenn er nichts weiter wäre als ein einfacher Wanderer mit einer kaum ausgeprägten magischen Begabung… Er war ein Mensch. Sie nicht. Götter, was sollte er tun, fragte Kell sich selbst, als er aus den Bädern zurück in den Schankraum der Taverne trat. Es war Zyle, der ihn dort aus seinen Gedanken riss. Der Gejarn stand mit Melchior an einem Tisch und unterhielt sich offenbar mit jemand, bis er Kellvian
bemerkte und sich zu ihm umdrehte. ,,Hey, habt ihr den Schneider bestellt ?