Fantasy & Horror
Fluch der Vergangenheit

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"Fluch der Vergangenheit"
Veröffentlicht am 04. April 2014, 54 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: Christas Vengel - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich liebe es Geschichten zu schreiben!! Offensichtlich ;) Ich habe eigentlich immer nur für mich selber geschrieben, aber mich jetzt doch getraut auch was zu veröffentlichen. Damit ich mich weiter verbessern kann hoffe natürlich auf ganz viel Feedback und Kritik :)
Fluch der Vergangenheit

Fluch der Vergangenheit

Unsicherheit

Die Kapuze tief in ihr Gesicht gezogen eilte sie den dunklen Weg entlang. Allmählich begann es zu regnen und sie spürte die ersten Tropfen auf ihrer Hand. Schnell steckte sie ihre Hände in den viel zu großen Mantel. Sie hatte noch Glück einen Mantel gefunden zu haben, der nicht ganz bis auf den Boden reichte, sodass sie nicht darauf achten musste nicht über ihren eigenen Mantel zu stolpern. Die Ärmel musste sie jedoch mehrmals umschlagen, damit ihre Hände rausgucken konnten. Wenn man nicht genau hinsah konnte man sie auch für einen Mann halten. Und genau das war

ihr Ziel. Als Frau allein im Dunkeln noch unterwegs zu sein war viel zu gefährlich. Doch ihr blieb nichts anderes übrig, sie musste schließlich Geld für ihre Familie beschaffen. Und die Wäscherei in der sie arbeitete lag leider außerhalb des Dorfes. Ihre Familie war sehr arm und seit ihr Vater vor drei Jahren auf unerklärliche Weise gestorben war, reichte das Geld nicht mehr. Ihre Mutter war damals in eine Art Starre gefallen. Ihre Emotionalität hätte beinahe sie selbst und ihre Kinder umgebracht.

Noria hatte ihr das bis heute nicht verziehen. Sie selbst hatte damals verzweifelt nach einem Job gesucht, um ihre Familie ernähren zu können. Auch ihr etwas älterer Bruder – der einzige Sohn – hatte sich um eine Stelle bemüht. Noria verstand bis heute nicht, wie er das geschafft hatte, doch war er nun in Burg Ravenstedt als Koch angestellt. Einen Großteil des Geldes, das er verdiente, brachte er seiner Familie alle paar Wochen oder Monate vorbei. Er opferte immer seine freien Tage um zu ihnen zu reisen. Leider war ihre Mutter nicht so dankbar, wie sie es eigentlich sein sollte. Vielmehr sah sie es

als selbstverständlich an. Es war jedoch immerhin ein knapper Tagesritt von hier bis zur Burg. Sie trat mit Schwung in eine Pfütze und fluchte laut, als sie einige Spritzer ins Gesicht bekam. Nicht, dass es sie sonderlich stören würde noch dreckiger zu werden, doch sie wusste, dass ihre Mutter sie so niemals am Tisch akzeptieren würde. Dabei war das Letzte was Noria nach so einem langen Tag wollte, sich auch noch zu waschen bevor es das lang ersehnte Essen gab. Ihr Magen knurrte bereits seit Stunden böse. War da vorne Jemand? Schnell nahm

sie eine aufrechte Haltung ein und hob ihr Kinn. Sie machte größere und breitere Schritte, so wie ihr Bruder es ihr beigebracht hatte. Noria achtete jedoch sorgfältig darauf ihr Gesicht von der Kapuze bedeckt zu halten. Denn ihr Gesicht war leider alles andere als männlich. Und ihr Gesicht war auch der Grund dafür, dass sie sich nur in Männer-Kleidung einigermaßen sicher fühlte. Sie hasste ihr Gesicht. Diese feinen Züge und die großen hellen eisblauen Augen mit den langen dunklen Wimpern. Ihre vollen roten Lippen und die weißen Zähne. Das alles hasste sie. Ebenso ihre langen blonden Haare.

Die Edel-Damen auf der Burg beneideten sie alle um ihr Aussehen. Pah! Beinahe hätte Noria bei dem Gedanken bitter aufgelacht. Sie alle würden am liebsten das Aussehen mit ihr tauschen und hatten dabei keine Ahnung wie es war hier draußen alleine zu sein. Noria war diejenige die gerne tauschen würde. Sie hatte schon oft mit dem Messer dagestanden und mit dem Gedanken gespielt ihrem Gesicht ein paar Narben zuzufügen und ihre Haare abzuschneiden. Ihre Mutter hatte sie jedoch ein Mal dabei erwischt, wie sie gerade das Messer an der Wange angesetzt hatte. Sie hatte lauthals losgebrüllt und ihrer

Tochter alle möglichen Beleidigungen an den Kopf geworfen. Sie war so außer sich gewesen, dass sie weinend auf dem Boden zusammengebrochen war. „Tu deiner armen Mutter so etwas nicht an.“, hatte sie immer und immer wieder vor sich hin gestammelt. Denn schließlich hatte ihre Mutter immer noch die Hoffnung, dass Norias Aussehen ihnen durch eine Hochzeit vielleicht ein Mal mehr Geld einbringen könnte. Danach hatte Noria jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn sie wiedermal darüber nachdachte sich selbst zu verunstalten.

Es gab allerdings leider zu viele Männer, die bloß noch mit ihrem Intim-Bereich dachten, wenn sie eine schöne Frau sahen. Dann vergaßen sie schnell mal, dass sie Frau und Kinder zuhause hatten. Ihr Vater hatte zum Glück schon früh erkannt, dass seine älteste Tochter womöglich Probleme mit ihrem Aussehen bekommen könnte. Und so hatte er Noria zu ihrem 12. Geburtstag einen Dolch geschenkt und ihr beigebracht, wie man diese kleine Waffe gebrauchte. Das war knapp ein Jahr vor seinem Tod gewesen. Ein Husten riss sie aus ihren Gedanken. Der Mann, der da auf sie zukam verlangsamte seine Schritte. Oh

bitte nicht! Noria schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. Der Mann schien sie tatsächlich zu beobachten. Doch er war noch nicht nah genug, um bei dieser Dunkelheit erkennen zu können, dass sie eine Frau war. Ahnte er etwas? Hatte er vor sie in die Bäume, in den Wald zu ziehen? Panik stieg in ihr auf. Hatte sie etwas falsch gemacht? War ihr Gang doch nicht männlich genug gewesen? Oder konnte man ihr Gesicht trotz der Kapuze erkennen? Nun war sie fast auf einer Höhe mit ihm als er stehenblieb und sich ihr in den Weg stellte. Nein! Noch mehr Panik. Sie

begann unter ihrem langen Mantel zu schwitzen. Dann blickte sie kurz hoch, um zu sehen, wer sich ihr da in den Weg gestellt hatte und sofort stockte ihr der Atem.

Verhängnisvolle Begegnung

Sie sah in das strahlende Gesicht ihres älteren Bruders. Ihr Bruder war hier! Er war tatsächlich hier. Sie hatte nicht gewusst, dass er vorhatte sie wieder zu besuchen. Umso glücklicher war sie nun ihn vor sich zu sehen. Doch er wusste von ihrer Angst im Dunkeln, wieso hatte er nicht offenbart, dass er es war? Wütend schlug sie ihm auf die muskulöse Brust. „Wieso tust du mir das an?“ Doch sie konnte ihm nicht lange böse sein und verfiel in eine Mischung

aus Lachen und Weinen als er sie in seine Arme schloss. Ihrem Lachen schloss er sich an als er sanft über ihre weichen Haare strich. „Ich wollte dir entgegenkommen, aber ich wusste nicht ob du es bist. Dein Männer-Gang ist sehr überzeugend.“ Sie drückte ihn so fest, dass es ihm wehtun musste. Doch er ließ sie. „Ich habe dich vermisst.“, nuschelte sie in seinen Mantel. Er gab ihr einen Kuss auf den Kopf. „Ich dich auch.“ Normalerweise kam Arim alle paar Wochen vorbei um seiner Familie sein

Geld zu bringen. Doch diesmal waren bereits mehrere Monate vergangen. Noria und Arim hatten schon immer eine sehr enge Bindung zueinander gehabt. Dass sie sich nun seit fast drei Jahren so selten sahen war für beide sehr schwer. Auch wenn sie es niemals jemand anderem gegenüber zugeben würden. Denn jemanden zu vermissen setzte Gefühle und Emotionen voraus und das wiederum bedeutete Schwäche. Weder Noria noch Arim gehörten zu den Menschen, die gerne Schwäche zeigten. Ein paar Minuten blieben sie so stehen, ohne ein Wort zu sagen. Doch irgendwann ließ Norias Kraft nach, was

Arim zum Anlass nahm sich aus ihrer Umarmung zu befreien. Gemeinsam machten sie sich nun auf dem Heimweg. „Wie geht es dir?“ Sie sah ihn an und suchte in seinem Gesicht bereits nach einer Antwort bevor er es aussprach. Doch er strahlte geradezu. „Mir geht es gut, Kleine. Aber wie ergeht es dir hier? Du siehst nicht glücklich aus.“ Sie war auch nicht glücklich. Es gab keinen Anlass glücklich zu sein. Sie wollte nicht, dass Arim wusste, dass es ihr nicht gut ging, doch er würde wissen wenn sie ihn anlog. Dafür kannte er sie zu gut.

„Vaters Todestag ist in ein paar Tagen und Mutter weint wieder nur von morgens bis abends und schreit bloß rum wie unglücklich sie ist.“ Noria schüttelte traurig den Kopf. „Ich versuche sie zu ignorieren, aber das ist manchmal gar nicht so einfach.“ „Ich weiß.“ Noria hörte das Mitleid in seiner Stimmer. Sie schluckte schwer. Sie wollte kein Mitleid. Also wechselte sie schnell das Thema: „Kochst du uns morgen noch etwas bevor du wieder gehst?“ Wenn Arim ihnen etwas kochte war die ganze Familie wieder glücklich. Alle

schienen für ein paar Stunden ihre Probleme zu vergessen. Und Noria konnte es gut gebrauchen die letzten Wochen zu vergessen. Denn ihre Mutter war nicht der einzige Umstand, der ihr das Leben schwer machte. Vor ein paar Wochen hatte sie einen Mann getötet. Er hatte sie abends nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause abgefangen. Aufgrund der extremen Hitze, die vor ein paar Wochen nochmal im Spätsommer aufgekommen war, hatte sie ausnahmsweise ihren Mantel zuhause gelassen. Ein fataler Fehler, wie sich herausstellte.

Als der Mann sie damals erblickte, hatte sie sofort in seinen Augen erkannt was er vorhatte. Dieses dreckige, widerwärtige Grinsen in seinem Gesicht suchte sie heute noch immer in ihren Träumen heim. Er war schnurstracks auf sie zugegangen. „Guten Abend, du Schöne.“, hatte er ihr mit seiner rauen Stimmer zugerufen. Noria hatte versucht ihn zu ignorieren und um ihn herumzugehen. Doch da hatte er bereits mit festem Griff ihren Arm in seiner großen Hand und zog sie zu sich heran. Sie stand nun bloß noch einen Finger breit von ihm entfernt. Sein Griff war viel zu feste gewesen, sodass ihr Arm geschmerzt hatte. „Ich habe dir einen

guten Abend gewünscht!“, tadelte er sie. Und wieder war da dieses ekelhafte Grinsen in seinem Gesicht. Noria hatte ihm bloß wütend in sein Gesicht geblickt und noch immer nichts gesagt. Was hätte sie auch sagen sollen? Kein Wort hätte ihn von seinem Vorhaben abgebracht. Also konnte sie sich die Mühe auch genauso gut sparen. Die Tatsache, dass sie ihn weder ebenfalls begrüßte, noch ihn anbettelte sie gehen zu lassen hatte ihn offenbar wütend gemacht. Und so schlug er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Als ihr Kopf zur Seite flog griff er nach ihrem anderen Arm. Dass sie das Gefühlt hatte,

ihre Wange hätte Feuer gefangen wollte sie ihm nicht zeigen. Die Wucht seines Schlages hatte sie jedoch in der Tat sehr erschrocken. Und doch blickte sie ihm wieder nur trotzig in die braunen Augen und tat so, als hätte es nicht wehgetan. Dass ihr beinahe die Tränen kamen vor Schmerzen konnte er nicht sehen. Dann drehte er sie wütend und ruckartig um, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand. Er hatte sich von hinten an sie heran gepresst und seinen Kopf in ihren Nacken gelegt um ihren Duft einzuatmen. Noria hatte panisch versucht sich loszureißen, doch sein Griff war zu stark und nach ihrem Versuch sich zu

befreien packte er bloß noch fester zu. Dann hatte er seinen Griff geändert und ihre Handgelenke mit bloß noch einer Hand festgehalten. Doch seine Hände waren so groß, dass sie locker um ihre beiden dünnen Handgelenke passten. Mit der freien Hand hatte er ihr grob zwischen die Beine gegriffen. Wieder hatte Noria versucht sich zu befreien und hatte sich gewunden und mit ihrem vollen Gewicht gegen seine Hand gelehnt. Doch er war einfach viel zu stark und hielt sie fest, als würde sie nichts wiegen. Dann hatte er laut gelacht. „Eine ganz Mutige, hm? Na den Mut werde ich dir

schon noch rausvögeln.“ Mit diesen Worten hatte er sie vor sich her tief in den Wald gestoßen. Sie kam kaum noch mit den Füßen auf den Boden und konnte sich auch nicht mit den Füßen rückwärts gegen ihn stemmen. Sie konnte noch nicht einmal mit dem Mund seine Hände erreichen, um ihn zu beißen, in der Hoffnung, dass er sie dann loslassen würde. Immer wieder dachte sie an den Dolch, der in ihrem Stiefel steckte. Doch da kam sie nicht dran. Als sie recht tief im Wald waren drehte er sie genauso ruckartig wieder zurück. Noria erinnerte sich noch gut an den ekelhaften Atem, den er ihr entgegen

blies als er ihr in das Gesicht gestarrt hatte. „Du hast ja wirklich ein unverschämt schönes Gesicht.“ Wieder hielt er sie nur mit einer Hand fest. Mit der freien Hand hatte er begonnen ihr durch die Haare zu fahren und ihre Wange zu berühren. Noria hatte wütend den Kopf weggerissen, doch er hatte sie feste an den Haaren gepackt und ihren Kopf wieder zurück gezogen. Offenbar hatte ihn das angespornt. Denn er hatte sich daraufhin grinsend nach vorne gebeugt und sie mit seinen dicken, rauen Lippen auf den Mund geküsst. Erschrocken und angewidert hatte sie bloß ihre Lippen fest aufeinander gepresst. Lachend hatte er von ihr

abgelassen. „Das kannst du mit deinen wunderschönen Lippen doch sicher besser.“ Und wieder hatte er sich nach vorne gebeugt um sie zu küssen. Da er seine Hand immer noch in ihren Haaren hatte, konnte sie nicht einmal ihren Kopf wegdrehen. Ihre Panik drohte sie zu übermannen. Was wenn sie es tatsächlich nicht mehr schaffte sich zu befreien? Was wenn er bekam was er wollte? Er hörte endlich wieder auf mit seinem Versuch sie zu küssen. Doch sie hatte keine Zeit erleichtert zu sein, denn im nächsten Moment hatte er sie so brutal gegen einen nahestehenden Baum geschubst,

dass ihr die Luft wegblieb. Verzweifelt hatte sie nach Luft geschnappt, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Als der Mann sie geschubst hatte, hatte er sie dabei losgelassen, allerdings kam Noria erst wieder zu Luft, als er schon wieder bei ihr war und sie gegen den Baum gedrückt hielt. Er hatte begonnen seine Hüften gegen die ihren zu drücken und schon bald hatte sie seine Erektion gespürt. In dem Moment hatte sie die Fassung verloren. Die Vernunft hatte der Angst Platz gemacht. Sie wollte sich sofort befreien, wollte nicht, dass der Mann ihr das antat, was er mit ihr vorhatte. „Hör

auf!“, schrie sie ihn verzweifelt und hysterisch an und versuchte vergebens ihn von sich wegzustoßen. Sie versuchte sich auf den Boden fallen zu lassen, doch er hatte bereits damit gerechnet und sie festgehalten. „So wild gefällst du mir ja sogar noch besser.“, teilte er ihr lachend mit. Ihre Verzweiflung hatte ihn nur noch mehr erregt. Immer fester drückte er sie mit seinem Körper gegen den Baum. Sie konnte kaum noch atmen und ihr ganzer Körper schmerzte. Da sie sich nicht mehr bewegen konnte, spuckte sie ihm mitten ins Gesicht. Irgendwie wollte sie sich schließlich noch wehren. Reflexartig

hatte er jedoch sofort ausgeholt und zugeschlagen. „Verfluchtes Weibsbild!“, schrie er sie an und schlug ihr mit der geballten Faust ins Gesicht und in den Magen. Er schlug und schlug und schlug. Solange bis Noria keuchend unter ihm zusammengesackt war. Sie hatte sich ungeheuer anstrengen müssen nicht ihr Bewusstsein zu verlieren, denn das hätte wahrscheinlich ihren Tod bedeutet. Mindestens aber hätte er sich genommen was er wollte – ihren Körper. Als sie auf dem Boden kauerte und Blut spuckte hatte er sie grob mit dem Knie umgestoßen, sodass sie rücklings auf dem Boden gelegen hatte. Sie hatte

sich vor Schmerzen kaum bewegen können. Doch als sie gesehen hatte, wie er sie wieder angrinste und dabei schnell seine Hose öffnete, da hatte sie die Zähne zusammengebissen und sich nach vorne zu ihrem Stiefel gebeugt. Dann war alles sehr schnell gegangen. Sie hatte den Dolch aus ihrem Stiefel gezogen und zeitgleich hatte der Mann sich auf sie fallen lassen. In seiner Erregung hatte er nicht bemerkt, dass Noria einen Dolch in der Hand hatte. Gerade als er mit seinem vollen Gewicht auf ihr lag, mit der einen Hand wieder zwischen ihre Beine griff und mit der anderen ihren Kopf festhielt, hatte sie

ihm den Dolch in den Hals gerammt. Verblüffung und Schmerz standen ihm ins Gesicht geschrieben. Noria hatte ihn sofort von sich weggestoßen und war zum nächsten Baum gekrochen. Ein stummer Schrei hatte sich auf seinen Lippen gebildet während er sie hasserfüllt ansah. Die widerlichen Gurgel-Geräusche, die er von sich gegeben hatte, ließen Noria erschauern. Doch sie war wie gelähmt und so sah sie dem Mann beim Sterben in die Augen und wartete so lange, bis er sein restliches Leben ausgehaucht hatte. Dann war sie aufgestanden, hatte ihren Dolch aus seinem Hals gezogen und war nach Hause gegangen. Auf dem Heimweg

waren ihr stumme Tränen über die Wangen gelaufen. „Ja natürlich.“ Noria zuckte heftig zusammen. Arim hatte sie aus ihren Gedanken gerissen. „Was?“ Er sah erst belustigt zu seiner Schwester, doch als er ihren Gesichtsausdruck sah, machte die Belustigung der Sorge Platz „Natürlich werde ich morgen kochen.“ Noria bemühte sich ihn anzulächeln. Die Vorstellung daran hob tatsächlich etwas ihre Laune. Niemand wusste, dass sie den Mann

getötet hatte und es hatte sie auch niemand beschuldigt. Sie war sich nicht mal sicher, ob überhaupt jemand wusste, dass dieser Mann tot war. Das sollte auch so bleiben. Sie wusste, dass ihr Bruder sie nicht verraten würde, doch es würde ihm Schmerz bereiten zu wissen, dass seiner kleinen Schwester so etwas Grausames widerfahren war. Und das wollte Noria nicht. „Ich freue mich darauf.“ Arim sah sie traurig an. Er spürte, dass sie etwas auf dem Herzen hatte, doch er sprach sie nicht darauf an. Und dafür war Noria unendlich dankbar.

„Ich bleibe diesmal übrigens länger hier.“, verkündete Arim lächelnd. Überrascht sah Noria ihren Bruder an. „Wie lange denn?“ Seine Augen leuchteten als er ihre Frage beantwortete. „Vielleicht zehn Tage.“ Noria sprang ihrem Bruder sofort glücklich in die Arme.

Unangenehme Überraschung

Arim war nun bereits drei Tage hier und die allgemeine Stimmung hatte sich tatsächlich erheblich gebessert. Noria war sich nicht sicher ob ihre Mutter sich bloß über das Geld freute, oder ob ihre etwas bessere Laune tatsächlich was mit der Anwesenheit ihres Bruders zu tun hatte. Im Endeffekt war es ihr auch egal. Sie selbst war überglücklich und das das erste Mal seit Monaten. Noria konnte kaum in Worte fassen wie schmerzlich sie ihren Bruder vermisste wenn er nicht da war. Doch darüber musste sie momentan nicht nachdenken. Und das schmerzliche Vermissen war nicht das

einzige negative Gefühl das Arim ihr nahm. Er nahm ihr ebenfalls die Angst. Jeden Tag brachte er sie morgens zu ihrer Arbeit und holte sie abends wieder ab. Sie hätte ihn niemals von sich aus darum gebeten, doch er hatte es ihr angeboten oder besser gesagt sogar darauf bestanden. „Wenn ich dich schon immer alleine lassen muss und nicht beschützen kann, dann möchte ich dich wenigstens beschützen wenn ich hier bin.“ Und damit war die Diskussion beendet gewesen. Noria hätte es niemals zugegeben, auch nicht ihrem Bruder gegenüber, doch sie war mehr als dankbar für seine Begleitung. Wenigstens

konnte sie ein paar Tage lang ihren Arbeitsweg ohne diese nagende Angst zurücklegen. Gerade waren sie wieder gemeinsam auf dem Heimweg als er wiederholt ein kritisches Thema ansprach: „Komm doch mit mir mit wenn ich wieder zur Burg zurückkehre.“ Noria seufzte. Arim hatte sie schon so oft gebeten sie zu begleiten. Und sie wünschte sich auch nichts sehnlicher, als bei ihrem Bruder zu sein, doch sie konnte ihre Mutter und Melis nicht alleine lassen. Ihre kleine Schwester brauchte schließlich ein Vorbild und auch jemanden, der ihr alles über das Frau sein erzählte, wenn es so weit war.

Ihre Mutter würde diese Aufgabe sicher nicht übernehmen. So wie sie eigentlich überhauptkeine Mutter-Aufgabe mehr übernahm. Und trotzdem konnte Noria es auch nicht übers Herz bringen ihre Mutter alleine zu lassen. Sie versuchte zu verstehen wie schmerzlich sie ihren verstorbenen Ehemann, Norias geliebten Vater, vermisste. Es fiel ihr dennoch schwer ihrer Mutter zu verzeihen wie sie sich nun verhielt. Melis und Noria hätten ein ganz anderes Leben führen können, wenn ihre Mutter sich zusammenreißen würde. Doch das tat sie nicht. Und deshalb war Noria sich sicher, dass Melis und ihre Mutter nicht ohne sie zurechtkommen würden.

„Arim…“, setzte sie zögernd und mit einer tiefen Traurigkeit in der Stimme an. „Ich würde ihnen ja weiter das Geld bringen.“, unterbrach Arim seine Schwester. Er wusste ja sowieso was sie sagen wollte. Dafür hatten sie diese Diskussion einfach zu oft geführt. Noria blieb stehen und blickte ihrem Bruder in die strahlend grünen Augen. „Das reicht nicht und das weißt du. Mutter geht nicht arbeiten, sie macht überhaupt nichts. Ein Wunder, dass sie überhaupt zum Markt geht und für Melis und mich kocht. Was ist, wenn sie selbst damit irgendwann aufhört? Melis hat so ein Leben nicht verdient.“

„Du aber auch nicht, Noria. Mit deinem Aussehen solltest du nicht jeden Tag so einen langen und gefährlichen Weg gehen müssen. Allein heute sind uns bereits unzählige Männer entgegen gekommen, die den Blick kaum von dir abwenden konnten. Und das obwohl ich bei dir bin.“ Wie zur Bestätigung seiner Worte bog gerade ein Mann um die Ecke, der Noria sehr genau musterte. Zuerst sah Noria nicht genauer hin, weil sie eigentlich ihrem Bruder antworten wollte, doch aus dem Augenwinkel sah sie diesen gierigen Blick des Mannes. Und dieser Blick brachte sie zum Stocken. Sie drehte sich um und sah den Mann den sie erst vor

ein paar Wochen getötet hatte an ihnen vorbeilaufen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und sie schluckte schwer. Nein er konnte es nicht sein. Sie hatte ihn doch sterben sehen. Das war definitiv eine tödliche Wunde gewesen. Die Erinnerung an diesen Vorfall flammte erneut in ihr hoch. Der Mann der gerade an ihnen vorbeilief hatte die gleichen dunklen Augen, die struppigen braunen Haare und genauso dicke Lippen. Auch sein widerliches Grinsen glich dem des Mannes, den sie vor kurzem getötet hatte. Ihr wurde bewusst, dass Arim ihre Gefühlswendung wahrnahm. Denn er blickte von Noria zu dem Mann und

wieder zurück während Noria ihren Blick von diesem fürchterlichen Mann nicht abwenden konnte. „Noria.“ Sie zuckte heftig zusammen und riss ihren Blick endlich von dem Mann los. Als sie ihrem Bruder nun in die traurigen Augen sah bekam sie plötzlich Panik. Sie hatte ihm gerade einen viel zu großen Einblick in ihre Gefühle gewährt. Bei dem Anblick des Mannes hatte sie schlichtweg ihre Kontrolle verloren und vergessen, dass sie ihrem Bruder vormachen musste, dass es ihr gut ging. „Hat dir jemals ein Mann etwas angetan?“ Seine Augen blickten tief in ihre. So tief als könne er in ihre Seele

sehen. Arim blinzelte noch nicht einmal so sehr bemühte er sich ihren Blick einzufangen. Die Frage war zu direkt! Und seine bohrenden Augen, die auf Ihren ruhten, machten die Sache nur schlimmer. So konnte sie ihn nicht anlügen. Langsam verlor sie die Beherrschung. Er durfte auf keinen Fall erfahren was ihr zugestoßen war. Und was sie im Gegenzug diesem Mann angetan hatte. „Nicht wie du denkst.“ Das war das Beste was ihr auf die Schnelle einfiel. Doch es war nicht genug. Natürlich nicht. „Wie denn dann?“ „Da gibt es nichts zu erzählen.“, wich

sie ihm aus, „Ich bin nicht geschändet worden falls du das meinst.“ Und damit wandte sie den Blick ab und stapfte los. Arim lief ihr hinterher. Er schien nicht zufrieden gestellt, doch wirkte er immerhin etwas erleichtert. „Hey ihr zwei!“ Noria gefror das Blut in den Adern. Es lief ihr eiskalt den Rücken runter. Sie kannte diese raue Stimme. Sie begann augenblicklich zu zittern und ihr Herz klopfte so schnell und laut gegen ihre Brust, dass sie meinte ihr Bruder müsse es hören. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt während sie versuchte die aufkommende Panik zu unterdrücken. Ihr Bruder hatte sich bereits

umgedreht. „Was willst du?“, rief er der rauen Stimme entgegen. Nun drehte auch Noria sich langsam um. Da war wieder der Mann, der dem, den sie getötet hatte so ähnlich sah. Er war zurück gekommen. Wieso? Wollte er sie heimsuchen? War er ihretwegen zurück gekommen? Ihre Gedanken überschlugen sich. Wie konnte das möglich sein? Sein Blick huschte jedoch nur kurz über Noria – nicht ohne einen Anflug von offensichtlicher Lust – und ruhte dann auf ihrem Bruder. Schließlich hatte er dem Mann auch geantwortet. Noria

verfluchte sich nun dafür, dass sie sich mit ihrem Bruder so sicher gefühlt hatte, dass sie glatt ihren Mantel an diesem herrlich milden Herbsttag zuhause gelassen hatte. „Ich suche meinen Bruder.“, verkündetet der Mann und seine Augen fokussierten Arim. Norias Herzschlag setzte aus. Sie wollte das nicht glauben. Nichts von alledem was in letzter Zeit passierte. Dass ein Mann ihr hatte Gewalt antun wollen, dass sie diesen Mann getötet hatte und dass nun offensichtlich sein Bruder vor ihr stand. Als weder Noria noch Arim reagierten fuhr der Mann fort. „Vor ein paar Wochen wollte er in euer Dorf um dort

ein paar Erledigungen zu machen. Allerdings wollte er nach einer Woche wiederkommen.“ Noria schluckte. Er war also aus einem fremden Dorf. Das erklärte auch warum der brutale Mord nicht aufgefallen war. „Hast du ihn schon im Dorf gesucht?“, fragte Arim. Noria war nicht in der Lage auch nur einen winzigen Ton herauszubringen. Ein dunkles Lachen erklang. Noria wurde schlecht. Das war das gleiche widerliche Lachen, dass sie an seinem Bruder schon so verabscheut hatte. „Natürlich. Aber er ist unauffindbar und auch kein Dorfbewohner scheint ihn

überhaupt jemals gesehen zu haben. Da er mein Zwillingsbruder ist, hätte mir das also auf jeden Fall jemand mitteilen können.“ Zwillingsbruder. Das erklärte einiges. Warum musste er ausgerechnet einen Zwillingsbruder haben der sie nun so hart aus der Gegenwart riss und sie die schlimmsten Minuten ihres Lebens nochmal durchleben ließ. Noria fiel es schwer ihre Gedanken zu kontrollieren und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. „Das tut mir leid.“ Da war tatsächlich Mitleid in Arims Stimme! Noria wurde wütend. Am liebsten hätte sie ihren Bruder angeschrien und ihm gesagt, dass

so jemand kein Mitleid verdiente. Weder er noch sein toter Bruder. Doch dann wurde ihr bewusst, dass sie nicht wütend auf Arim sein konnte, weil er Mitleid mit einem fremden Mann hatte, der seinen Bruder suchte. Er wusste schließlich nichts über die grausamen Geschehnisse. Sie hielt sich an diesem Gedanken fest und so langsam flaute die rasende Wut wieder ab. „Ihr habt ihn nicht gesehen?“, fragte er ein wenig hoffnungsvoll. Arim schüttelte den Kopf, sodass ihm seine blonden wirren Haare ins Gesicht fielen. „Ich bin erst seit ein paar Tagen wieder hier.“ Und dann sah der Mann Noria an,

blickte tief in ihre eisblauen Augen. „Du hast ihn auch nicht gesehen?“ Alles in Noria zog sich zusammen. Bilder von einem fremden Mann, der versucht hatte sie sich gewaltsam gefügig zu machen blitzten in ihrem Kopf auf. Bilder von einem Mann, der sterbend auf dem weichen Waldboden lag und sie mit schreckgeweiteten und hasserfüllten Augen anstarrte. Sie regte sich kein Stück, war wie erstarrt und vergaß völlig, dass er ihr eine Frage gestellt hatte und nun auf eine Antwort wartete. Arim berührte sie am Arm. Es war eine sanfte unauffällige Berührung, doch Noria zuckte heftig zusammen, als er sie damit aus ihren

Gedanken riss. Schon wieder hatte sie sich erschrocken. Mit großen Augen sah sie ihren Bruder an bis ihr wieder einfiel, dass sie immer noch antworten musste. Doch sie würde kein einziges Wort rauskriegen. Also schüttelte sie bloß den Kopf und wich dem bohrenden Blick des Mannes aus. Als Noria wieder zu ihm sah, konnte sie erkennen, dass er ihr nicht glaubte. Natürlich nicht. Sie hatte sich viel zu auffällig verhalten. Der Mann sah sie abschätzig an und sein Blick haftete länger auf ihr als nötig. Als versuchte er sich jedes kleinste Detail ihres Gesichts zu merken. Doch anstatt ihr ins Gesicht zu sagen, dass er ihr nicht glaubte

lächelte er einfach nur. Was hatten diese Männer nur, dass sie ständig grinsten und lachten? Nahmen sie das ganze Leben bloß als albernen Witz wahr? „Nun ja, er heißt übrigens Jarek. Falls ihr ihn doch noch seht, dann sagt ihm sein Bruder Angrond sucht ihn.“ Er zwinkerte Noria zu. „Natürlich, wenn wir ihn sehen sollten, sagen wir ihm, dass du ihn suchst.“ Zum Glück war Arim nicht vertrauensselig genug ihm im Gegenzug auch ihre Namen zu verraten. Angrond nickte beiden nochmal zu – auf Noria ruhte sein Blick etwas länger – und dann drehte er sich um und ging davon. Als Angrond außer Hörweite war

drehte sich Arim zu seiner Schwester um. „Was war mit dir los? Kanntest du diesen Mann?“ So langsam gewann Noria wieder die Kontrolle über sich. Auch das extreme Zittern verschwand allmählich. „Nein, ich kenne diesen Mann nicht, wirklich.“ Arim setzte an noch etwas zu sagen doch Noria schnitt ihm das Wort ab. „Da gibt es nichts weiter zu erzählen. Mir ist einfach kalt ohne meinen Mantel. Können wir nun bitte heim gehen?“ Sie sah Arim an, dass das Thema für ihn noch nicht beendet war, doch fürs erste ließ er es bleiben und sie gingen schweigend nach Hause.

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summerrain57
Ich liebe es Geschichten zu schreiben!! Offensichtlich ;) Ich habe eigentlich immer nur für mich selber geschrieben, aber mich jetzt doch getraut auch was zu veröffentlichen. Damit ich mich weiter verbessern kann hoffe natürlich auf ganz viel Feedback und Kritik :)

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Cookie4673 Ist bis jetzt ganz interessant. Mal schaun wie es weiter geht :)

LG
Lia
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GladdyCorrado gefällt mir gut :) warte schon gespannt darauf, ob es bald weiter geht :)
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summerrain57 danke, das freut mich total :) ich denke, dass ich morgen dazu komme weiterzumachen:)
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Bella0906 Schön, hoffe es geht bald weiter :-)
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summerrain57 jaaa natürlich :) ist schon in Arbeit :)
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