Kurzgeschichte
Springen - oder doch nicht?

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"Springen - oder doch nicht?"
Veröffentlicht am 31. März 2014, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Springen - oder doch nicht?

Springen - oder doch nicht?

»Spring schon!«, forderte das Teufelchen auf seiner linken Schulter ihn auf. »Dein Leben ist eh am Arsch.« Kevin stand auf dem Gerüst der Brücke. Unter ihm die Autobahn. Nur ein Schritt, und sein Leid währe vorüber. Nur ein Schritt, und die Probleme lägen hinter ihm. »Tu es nicht«, bat das Engelchen auf seiner rechten Schulter. »Du würdest ansonsten den Menschen ins Unglück stürzten.« Kevin dachte an Lisa, wegen der er den Coup erst durchzogen hatte. Mit ihr hatte er glückliche Momente verbracht. Momente, die er nie vergessen würde, wenn er diesen Schritt nicht machen

würde. »Was soll ich bloss tun?«, flüsterte Kevin schmerzlichst vor sich hin. »Na was schon? Springen sollst du, verdammt noch mal. Die Schlampe ist es nicht wert am Leben zu bleiben. Du weißt doch genau so gut wie ich, das sie für jeden die Beine breit macht, wenn du mal auf der Arbeit bist.« »Du solltest nicht springen. Wenn du deine Freundin so sehr liebst, dann solltest du ihr Herz erobern, in dem du sie zum Essen ausführst oder ihr was schickes kaufst.« Hatte er nicht deshalb den Coup durchzogen? Damit er sie zu Essen ausführen und ihr was schickes kaufen

konnte? Eine warme Träne kullerte ihm die Wange herunter, bei dem Gedanken, dass er nicht das nötige Geld dafür hatte. War das der Grund dafür, dass sie ihm ständig fremd ging? Wenn sein Boss, dieser elender Halsabschneider, ihm doch nur die Gehaltserhöhung genehmigen würde, um die er schon so oft bat, dann wäre er jetzt bestimmt nicht in dieser beschissener Situation. Über ihm wurden die Rotorengeräusche lauter. Ein Blick nach oben genügte ihm, um zu kapieren, dass es sich um einen der Helikopter von der Deadline News ist. »Woohoo«, stieß das Teufelchen voller

Freude von sich. »Dein Sprung wird Landesweit übertragen. Das wird ein Spaß sein. Du kannst stolz auf dich sein, dass du mit deinen letzten Atemzügen ein Star sein wirst. Sieh dir das an da kommt ein Laster. Bring es endlich zu Ende. Und jetzt mit einem Knall.« »Das ist nichts, worauf man stolz sein sollte, Kevin«, erwiderte das Engelchen. »Du solltest im klaren sein, was dir wichtig ist. Die Menschen, die dich lieben, oder die Menschen die dich begaffen.« Hin und her gerissen von den beiden Gestallten auf seinen Schultern, die nur in seinem Verstand existieren konnten, wusste Kevin nicht, was er machen

sollte. Einerseits wollte er Lisa nicht verlieren und ihr diese quellenden Schmerz ersparen. Aber andererseits war er den Kampf um sie allmählich müde. Und im Job lief es auch schon lange nicht mehr rund. Er hätte schon längst befördert werden sollen. Wenn sein dämlicher Boss endlich erkennen würde, dass er mehr als nur die geforderte Leistung erbrachte. Und zwar sorgfältig und übergründlich. Als er auf das Gelände stieg, wusste er, dass er früher oder später gezwungen wäre zu springen. Doch zu viele Gedanken hinderten ihn daran. Die Hoffnung hatte er nie aufgegeben, dass sich alles zum guten wenden würde. Bis

jetzt. »Sei ein Star. Lass alles hinter dich. Und genieße den Augenblick der Freiheit«, heizte das Teufelchen ihn an. »Diese Freiheit, wie das Teufelchen es so schön ausdrückt, wirst du nur so lange genießen, biss du den Asphalt küsst, bevor einige Reifen über dich rollen. Ist das, was du fühlen willst? Oder willst du fühlen, wie du geliebt wirst?« »Kevin, hör nicht auf diesen verweichlichten Typen im Kleidchen. Sei endlich ein ganzer Kerl und spring endlich.« »Es gehört mehr zu einem ganzen Kerl, als zu beweisen wie hart man

ist.« »Zum Beispiel zum Boss gehen und die längst überfällige Beförderung einfordern«, nannte das Teufelchen ein Beispiel. »Ja. Nein. Ich meine das natürlich auch. Aber ich meinte natürlich das Herz der geliebten Dame zu erobern.« »Und zwar mit dem geklauten Geld«, lachte das Teufelchen voller Schadenfreude. »Man, war das eine Aktion. Der Kassierer hat doch wirklich blöd aus der Wäsche geschaut, als du ihm die Knarre vors Gesicht gehalten hast. Für so einen Waschlappen hast du ja ein ordentliches Tempo drauf. Das muss man dir

lassen.« Kevin fragte sich, ob dass alles überhaupt einen Wert gehabt hatte. Entweder würde er springen, und somit sein Leben beenden. Oder er würde sich freiwillig der Polizei stellen. Egal wie man wendet und dreht, das Geld ist futsch und Lisa fort. Wofür hatte er es denn getan? Was wollte er sich damit eigentlich beweisen? Dass er es konnte? »Andere zu beklauen und sie um ihr Leben bangen lassen gehört sich nicht. Das war nicht sehr human.« »Ja und? Unser lieber Kevin hat sein Leben lang das gemacht, was von ihm verlangt wurde. Nie hat er was dafür bekommen. Und was war der Dank? Eine

Freundin, die ihm fast jeden Tag fremdgeht und einen Job, wo er immer erniedrigt wird? Weshalb bleibt Lisa eigentlich noch bei dir? Das war der einzige Spaß, denn er sich in seinem versauten Leben noch leisten konnte, Engelchen. Und du, Kevin, spring endlich, ich will was sehen. Das ewige Gelaber geht mir langsam auf die Nerven.« »Kevin kann sich auch eine neue Partnerin suchen. Und was den Job angeht, hätte er schon längst eine andere Stelle suchen können.« Engelchen hatte recht. Wenn er sich der Polizei stellt, würde das im Verfahren gegen ihn sicherlich Pluspunkte

einbringen. Vielleicht würde die Haftstrafe nicht mehr so hoch ausfallen. Lisa konnte er jetzt vollkommen vergessen, egal was jetzt noch kommen sollte. Und seinen jetzigen Arbeitsplatz wollte er sowieso nicht behalten. Zu wenig hatte er für seine Aufopferung bekommen. Nichts hatte er bekommen, wenn er es sich überlegte. Mit einem Lächeln im Gesicht fasste er seinen Mut zusammen und stieg vom Gelände. Dabei fiel ihm auf, dass er nach wie vor die Waffe in der einen Hand und die Sporttasche mit den Scheinen in der anderen hielt. Als er sich umdrehte, sah er in einige Mündungen der Polizeiwaffen. Die hatte

er auch schon vergessen. »Verflucht«, stieß er noch heraus, als sein Herz stehen blieb, nach dem eine der Waffen einen lauten Knall von sich gab.

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Django

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Silvi Sehr krass und sehr authentisch. Ich hätte gerne noch weitergelesen, aber leider kam da der Schluss. Liebe Grüße Silvi
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Hoffnungsvoller Verlauf ... und dann so ein Ende ... gefällt mir trotzdem!
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
IK6688 So gesehen, hätte er ja auch springen können. Nur um dem Polizisten den M-Finger zu zeigen. Der hätte ihn dann wenigstens von der Straße kratzen müssen. Das Ende war unerwartet... und das Teufelchen hat im Prinzip seinen Willen bekommen. Einer mehr in der Hölle.
Tschau, tschau Isa
Vor langer Zeit - Antworten
Django Danke für deinen Kommentar. :-)
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