Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand eines Bürgerkriegs
steht.
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,, Sie fürchten euch und den alten Mann.“ Cyrus musste sich nicht umdrehen. Die helle Stimme sagte ihm bereits, wer zu ihm an die Schiffsreling getreten war. Die Sonne spiegelte sich auf der vollkommen glatten Wasseroberfläche und nur vereinzelte Möwen zogen am Himmel ihre Kreise. Zwei Tage saßen sie jetzt vor der Küste fest und ließen sich von der Strömung treiben. Flemming war ihm in der ganzen Zeit vielleicht zweimal über den Weg
gelaufen und hatte jeden angeschnauzt, der nach Edens Zustand gefragt hatte. Die meiste Zeit schien der Arzt immer noch mit der Behandlung ihrer Verletzungen zu verbringen, aber wann immer er sich an Deck sehen ließ, konnte man sicher sein, das er auch nach den übrigen Verwundeten sah. Es war ein kleines Wunder, was Erik hier zu vollbringen schien. Er fragte sich unwillkürlich, ob der Mann in letzter Zeit überhaupt geschlafen hatte. Vermutlich lautete die Antwort nein. Ihm hingegen bleib nichts zu tun. Der Rumpfs der Windrufer war notdürftig mit Planken und Brettern repariert worden, aber es schien klar, dass sie in
nächster Zeit einen Hafen anlaufen müssten. Was ihn mehr wunderte war, dass keiner der Piraten versuchte, das Kommando zu übernehmen. Alle schienen wie er darauf zu warten, wie alles ausging. Entweder waren diese Leute Eden gegenüber wirklich loyal oder sie fürchteten die Kapitänin. ,, Und ihr habt keine Angst vor mir Kleiner ?“ , wollte Cyrus wissen, als er doch zu der dunkelhaarigen Gestalt herübersah. Wie alt mochte der Junge sein? Sicher nicht älter als fünfzehn Sommer. Aber die Macht über die dieses… Kind Gebot hatte selbst einem Großmagier das
Fürchten gelehrt. Aurelius Leichnam ruhte jetzt irgendwo auf dem Meeresgrund. Cyrus musterte den blauen Edelstein, den Zachary um den Hals trug. Wen er es nicht selbst gesehen hätte, er würde nicht glauben, das der Junge auch nur einer Fliege ein Haar krümmen würde. ,, Nein. Viele haben euch gesehen.“ ,, Und ich würde sagen, noch sehr viel mehr haben gesehen wie du einem Sanguis-Magier beigebracht hast, was Bescheidenheit bedeutet. Das war… beeindruckend.“ ,, Er… hat Eden verletzt. Und so viele andere…“ Zacs Stimme war eine Mischung aus Trauer und einer kaum
versteckten Wut. Verbitterung. Vermutlich, überlegte Cyrus, würde er ähnlich reagieren, wenn es um seine Leute ginge. Ob die schwarze Garde den Untergang Kalenchors überstanden hatte… Irgendwie war er sich da sicher. Sie achteten aufeinander. ,, Wir achten immer aufeinander.“ , sagte der Junge, als hätte er seien Gedanken gelesen. Cyrus konnte sich nicht helfen. Er mochte den Kleinen jetzt schon. ,, Aber wie kommt ein junger Magier an Bord eines Piratenschiffs ?“ Zachary kratzte sich am Kopf. ,, Das ist eine lange Geschichte. Die meisten hier hat Eden…
befreit.“ ,, Befreit ?“ Cyrus sah sich langsam auf dem Deck um. Nur eine Handvoll Leute waren zu sehen, die grade damit beschäftigt waren, eines der zerstörten Segel auszutauschen. ,, Du meinst es waren Sklaven ?“ ,, Sklaven, Ausgestoßene, Clanlose, Vogelfreie… ich glaub Eden ist selber überrascht gewesen, dass es so viele sind… Alle, die nirgendwo mehr hinkönnen.“ ,, Und du ?“ ,, Ich bin vielleicht die einzige Ausnahme. Ich habe einen Ort, zu dem ich könnte aber… Genau dort möchte ich nicht hin. Eden hat mich gefragt obwohl
ihr doch klar ist, was das für sie bedeuten würde… Wir… Euer Freund, der Doktor, kann ihr doch helfen oder?“ Cyrus wusste nicht, was er antworten sollte. Götter, was könnte er einem halben Kind sagen? Jeder Soldat kannte die Wahrheit von Leben und Tod aus erster Erfahrung. Entweder man überlebte oder traf seine Ahnen wieder, wenn die Lehren der imperialen Priesterschaft stimmten. Oder man schloss sich wieder dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburt an, wenn die alten Schamanen der Gejarn Recht hatten. Cyrus selbst hatte zu viel Zerstörung gesehen um wirklich etwas davon zu glauben. Und einem
Wiedergeborenen war er nie begegnet, selbst wenn die Ältesten ab und an die Seelen alter Helden in manchen erkennen mochten. Er hatte aus erster Hand erfahren, was das Urteil eines Clanoberen Wert war. Das Blut seiner ganzen Familie. Aber er wusste, wozu gute und fähige Menschen im Stande waren. Und Flemming war genau das. ,, Ich glaube es.“ , sagte er schließlich. ,, Vielleicht kann Erik helfen. Vielleicht kann er es nicht. Aber du kannst sicher sein, das er sein bestes tut. So gut kenne ich ihn mittlerweile.“ ,, Er ist ein bisschen verrückt oder ?“ Jetzt klang Zachary wenigstens wieder
mehr wie ein Kind. Nicht verbittert über Dinge, die keiner wirklich beeinflussen konnte. ,, Verrückt, aber auch ziemlich in Ordnung.“ , erwiderte Cyrus lachend. ,, Sieh mal einer an. Der große schwarze Wolf hat ein Herz.“ Eden stand, auf eine simple Krücke gestützt, auf dem Deck. Den roten Mantel hatte sie sich lose über die Schultern geworfen. Die Gejarn grinste spöttisch, während hinter ihr fluchend Flemming aus der Kajüte trat. ,, Ihr könntet mich wenigstens warnen.“ , rief er offenbar wütend. ,, Wenn ihr hier herumläuft ist das eure Sache. Die Wunde ist genäht und vorerst versorgt,
aber wenn ihr euch eine Infektion einfangt, kommt nicht zu mir gekrochen. Und eine riesige Narbe gibt ‘s auf alle Fälle.“ ,, Es geht mir gut.“ , erwiderte Eden lediglich, zuckte aber merklich zusammen, als sie versuchte einen Schritt nach vorne zu machen. ,, Ich korrigiere mich. Es geht mir besser. Keine Sorge Zac. Das wird wieder.“ Cyrus nahm Flemming beiseite. ,, Ihr schuldet mir noch eine Erklärung.“ , sagte er .,, Wie kann es sein, das ihr noch lebt ? Ich habe gesehen, wie euch Aurelius getroffen hat. Wieso seit ihr kein Haufen Asche?“ Erik Flemming schien einen Augenblick
nachzudenken. ,, Nun, eigentlich ist das kein Geheimnis. Ihr erinnert euch, das ich in Vara versucht habe, Medizin und Magie zu kombinieren?“ ,,So was wie diese Phiole, mit der ihr Eden gerettet habt ?“ ,, Genau so etwas. Um genau zu sein, eine Prise zerriebene Kristalle direkt in meine Blutbahn.“ Der Arzt grinste. ,, Zugegeben, das war nicht die beste Idee, aber wer hätte sich für so etwas schon freiwillig gemeldet?“ ,, Offenbar ihr.“ ,, Seit dem bin ich recht unempfindlich was Magie angeht. Und das hat allen Zauberern, die bisher dumm genug waren, sich mit mir anzulegen Respekt
eingeflößt.“ ,, Moment… habt ihr in Kalenchor auch deshalb überlebt , oder ?“ Erik nickte. ,, Echtes Feuer oder eine echte Flutwelle hätten mich getötet, aber solange Magie im Spiel ist kann mir nichts wirklich schaden. Im Gegenteil, das kitzelt allerhöchstens kurz. Und wenn ihr mich jetzt entschuldigt…“ Mit diesen Worten trat der Arzt an ihm vorbei und auf die Schiffsreling zu, wo nach wie vor Zachary stand. Cyrus drehte sich unterdessen zu Eden um. Er und Flemming hatten sich eigentlich ein Stück das Schiffsdeck hinauf entfernt. War sie ihnen etwa leise
gefolgt? ,, Wolltet ihr etwas?“ Er fürchtete kurz, die Kapitänin der Windrufer hätte ihr Gespräch belauscht. Aber auf der anderen Seite… was gab es zu belausche, das wirklich wichtig gewesen wäre. ,, Ich wollte mich wohl schlicht… bedanken.“ , sagte sie. ,, Ich weiß schon, das ihr es wart, der die zweite Galeone zerstört hat. Auch wenn ich nicht verstehe warum.“ Cyrus seufzte. Er hatte keine Lust, sich lange zu erklären. ,, Der Junge ist wichtig für euch oder ?“ , fragte er stattdessen. ,, Sehr. Auf der einen Seite bin ich
durch ein Versprechen einem Toten gegenüber an ihn gebunden. Auf der anderen… ich mag mit einem Haufen Freibeuter unterwegs sein und genug Blut an den Händen haben, aber nur das von all jenen, die mich zuerst angegriffen haben.“ ,, Ich fürchte, das kann ich nicht von mir behaupten.“ , antwortete Cyrus und ging gefolgt von Eden zu Zachary und Erik herüber. ,, Hinter was war der Großmagier eigentlich genau her ?“ , wollte er wissen. Eden, die auf der Krücke nur langsam voran kam hielt einen Moment inne. Es schien ihm so, als würde sie darüber nachdenken, ob die Frage keine Falle
war. Ob sie nicht Zufällig an Bord waren sondern geplant… Der kurze Augenblick des Misstrauens hielt jedoch nicht lange. Ihr Blick wanderte zu Zachary. ,, Zachary.“ , begann Flemming. ,, Darf ich die Kette mal sehen?“ Der Junge nahm das Amulett ohne zu zögern ab, fast, als wäre er froh den Anhänger los zu sein. Cyrus konnte den Stein jetzt zum ersten Mal in Ruhe betrachten. Der tiefblaue Saphir ruhte in einer silbernen Fassung, durch die eine feingliedrige Kette verlief. Sah man von dem Eigenwert der verwendeten Materialien ab war der Talisman beinahe schon schlicht zu
nennen. Flemming hielt den Kristall einen Moment ins Licht, so als wollte er sicherstellen, dass er echt sei. Dann drehte er das Artefakt herum. Auf der Rückseite der Fassung war ein einzelnes Zeichen eingekerbt. Für Cyrus wirkte es, wie ein Kreuz, das dann von einer zusätzlichen, quer dazu verlaufenden Linie zerschnitten wurde. ,, Bei meinen Ahnen… Das ist eine von Falamirs Tränen.“ Flemming besah sich das Amulett, beinahe ungläubig. ,, Wer ist Falamir ?“ , fragte Eden. ,, Ich weiß nur, das es ein mächtiger Speicherkristall ist.“ Der Arzt schüttelte den Kopf. ,, Es ist
sehr viel mehr als das.“ Zögerlich gab er Zac den Talisman zurück. ,, Es ranken sich viele Geschichten um diese Steine und keine davon endet gut. Es gibt wohl insgesamt neun davon, zumindest weiß ich nur von so vielen. Manche davon in Amuletten verarbeitet, wie dieser hier, aber ich habe auch gehört, dass zwei in magischen Handschuhen Verwendung fanden. Waffen, die Burgmauern durch bloße Berührungen zerschmettern konnten. Es heißt, die Ordealkaiser besaßen einst alle neun Stück zur gleichen Zeit. Aber die meisten sind wohl im Bürgerkrieg und der Zeit der Marionettenherrscher verlorengegangen. Eigentlich dachte ich sogar, sie seien für
immer verschollen. Woher habt ihr das?“ ,, Von den Archonten aus Helike. Als Bezahlung dafür, dass wir jemanden… übergesetzt haben.“ ,, Sie haben sicher nicht gewusst, was sie euch da gaben. Die Laos konnten nie viel mit Artefakten anfangen. Aber es wäre interessant zu erfahren wie das seinen Weg von Canton bis nach Laos gefunden hat.“ ,, Und wer ist Falamir jetzt ?“ , wollte Cyrus wissen. ,, Der angebliche Schöpfer der Steine. Oder zumindest so etwas in der Art. Es ist eine Legende des alten Volkes. Und wenn diese schon seine Geschichte erzählten… Diese Kristalle sind alt
Cyrus. Eden. Ich glaube ihr wisst nicht, womit ihr da hantiert. Aber ich kann die Geschichte erzählen, soweit ich sie noch im Gedächtnis habe. Falamir war ein Ritter. Oder zumindest das, was beim alten Volk diesem Stand entsprochen hätte, ein Schwertmagier. Er herrschte über einen Teil der Welt, der in den Aufzeichnungen verloren gegangen ist, aber nach allem was wir wissen, war er ein netter Kerl. Doch geschah es eines Tages, dass ein schwerer Winter sein Land heimsuchte. Eis, das selbst im Frühjahr nicht mehr taute drohte, sein Volk zu vernichten. So bat er einen großen Magier des alten Volkes um Hilfe. Er sollte das Eis brechen, den Falamirs
Macht reichte dafür nicht aus. Der Zauberer aber, wollte ihm nicht helfen. Verbittert verwerte er dem Ritter jede Hilfe. Falamir jedoch ließ nicht Locker und schließlich knüpfte der Magier seine Hilfe an eine einzige Bedingung. Falamir sollte ihm das eine bringen, das er nicht bekommen konnte.“ ,, Und was war das ?“ , fragte nun Zachary. ,, Seine erste Liebe. Wenn der Zauberer sein Volk retten sollte, so sollte Falamir zuerst die Selle der einzigen Liebe des Zauberers befreien. Eine Kreatur, wie wir sie heute nicht mehr kennen, hatte diese einst zu Stein gebannt und mit ihr ihre
Seele, der so die Möglichkeit verwehrt blieb, sich einen neue Hülle zu suchen. Die Kreatur musste sterben um den Bann zu brechen. Der Zauberer war mächtig, doch kein Krieger. Falamir akzeptierte also und zusammen mit einigen Getreuen Begab er sich auf die Suche nach der Kreatur, sicher, dem Monster beizukommen. Doch als der Ritter und seine Gefährten das Wesen schließlich fanden, mussten sie erkennen, wie sehr sie der Zauberer betrogen hatte. Seine Gefährten waren dem Ungeheuer nicht gewachsen und jeden, den es berührte, verwandelte es in Stein. Um das Leben seiner verbliebenen neun Gefährten zu
retten, stellte Falamir sich dem Monster schließlich alleine in den Weg. Und in dem Moment geschah es, das auch der Ritter zu Stein wurde, nicht jedoch ohne dem Monster zuvor nahe genug zu kommen um es zu berühren. Am Ende erstarrten so beide, Ritter und Bestie, gleichzeitig zu Stein. Doch weder lebten, noch starben sie. Mit entsetzten erkannte der Ritter, das er seine Aufgabe nicht erfüllen konnte und selbst sein Opfer nutzlos war. Sein Land würde erfrieren. Und als er das begriff, begann er zu Weinen. Was aber aus seinen Augen fiel, das waren keine Tränen, sondern neun wunderschöne Kristalle, so blau wie der
Ozean. Seine überlebenden Gefährten kehrten mit den Steinen zum Zauberer zurück. Die Schönheit der Juwelen, heißt es, rührte das Herz des Magiers trotz seiner dunklen Art an. Mit dem Versprechen der Hilfe kehrten die Neun in ihr Land zurück und der Zauberer hielt sein Versprechen. Falamirs Land war vom Winter gerettet. Doch er selber blieb für alle Zeit gefangen, ohne Hoffnung jemals erlöst zu werden. Wie gesagt … die wenigsten Geschichten um diese Steine enden wirklich gut.“ , endete Erik.
Kapitel 29 Falamirs Träne
EagleWriter Danke. Mal sehen, das nächste Kapitel wird wahrscheinlich erst übermorgen fertig. Und es werden wohl noch einige Kapitel folgen. Ich hab jetzt das ungefähre ,, Skript" für die einzelnen Kapitel und Szenen fertig und... das wird der längste Text den ich bisher geschrieben habe fürchte ich ^^ lg E:W |