Mit Herzflattern stehe ich vor dem glĂ€sernen BĂŒrogebĂ€ude und trete unruhig auf der Stelle. Eisiger Wind weht mir um meine Ohren und da ich mir keinen Schal umlegen wollte, muss ich meinen Blazer am Kragen zusammenhalten. Der taillierte Mantel sieht zwar wunderschön aus und war jede Zusatzschicht in dem kleinen CafĂ© wert, aber er ist eindeutig nicht fĂŒr kalte Herbsttage geeignet. Wer schön sein will⊠kommt es mir in den Sinn. Aber schön reicht mir an diesem Tag nicht, denn ER arbeitet hier. Daher muss ich atemberaubend sein. Heute ist mein
erster Tag im Hauptsitzt der Silver Holding Group und ich bin unglaublich nervös. âKopf hoch Maria, du arbeitest seit 10 Jahren fĂŒr diese Firma. Dir kann also keiner was vormachen, wĂ€re doch gelacht wenn eine junge, professionelle und vor allem gutaussehende Frau das GebĂ€ude nicht rocken wĂŒrde.â Halbherzig spreche ich mir Mut zu, wĂ€hrend ich meinen neuen Arbeitsplatz mustere. Da ich ziemlich laut zu mir selbst spreche, sehen mich die vorbeihuschenden Passanten skeptisch an. Kann aber auch dran liegen, dass das mit dem gutaussehend nicht ganz so
stimmt. Heute ist einer dieser Tage, der getrost als BadHairDay durchgehen kann. Meine lange MĂ€hne stand nach dem Aufstehen in alle Richtungen ab, daher halfen nur ein festgezurrter Haargummi, mein Haar reif und eine Unmenge an Nivea Creme Gel. LOS JETZT! Ich straffe meine Schulter, richte mich auf und stolziere auf meinen nagelneuen Pumps in das GebĂ€ude. Am Empfang sitzt ein kleines Schnuckelchen der mich sofort mustert als ich eintrete. âHi, kann ich helfen?â flötet er als er von seinem Stuhl springt und sich zur vollen GröĂe
aufpustet. âGuten Morgen. Mein Name ist Maria Orange, ich bin die neue Chefassistentin von Zachary Irving. Mein Firmenausweis mĂŒsste bereits vorliegen.â Sanft lege ich meine antike Lederaktentasche auf den Marmortresen und richte meinen Mantel. Sofort fĂ€ngt Schnuckel an auf der Tastatur herum zu hĂ€mmern. Junge, die hat auch GefĂŒhle denke ich Augenrollend und werfe einen Blick auf sein Namensschild. Tobias Apple. Oh je, ich ahne was gleich kommen wird. âOrange, wie die Frucht?â fragt er mit
einem breiten Grinsen. âJeah, wie die Frucht.â Antworte ich genervt. Er ist nicht der erste dem dieser Vergleich eingefallen ist. âVielleicht können wir mal zusammen was machen, jetzt so als Kollegen.â WĂ€hrend er spricht beugt er sich ĂŒber den Tresen. âSo etwas wie Obstsalat?â entgegne ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Er nickt eifrig und sein Grinsen wird breiter. Ich hebe meine Hand und streiche eine StrĂ€hne aus seiner Stirn. âWohl kaum.â antworte ich knapp,
schnappe meinen Ausweis und befestige ihn an meinem Blazer, den ich unter meinem Mantel trage. Schnuckel rĂ€uspert sich und sackt kaum merklich zusammen. âAlso gut, Miss Orange. Es wird sie sofort jemand abholen und an ihren neuen Arbeitsplatz begleiten. Herzlich Willkommen bei der Silver Holding Group.â Ich schĂŒttle die mir entgegengestreckte Hand und im selben Augenblick schieĂt eine jung gebliebene grauhaarige Dame um die Ecke. WĂŒrg, Leopard. Was finden die Leute nur an Leopard? Obwohl die Dame ein
Leopard gemustertes Etwas trĂ€gt nehme ich mir vor freundlich zu ihr zu sein. Ihre grauen Haare sind perfekt frisiert, das Makeup lĂ€sst sie frisch und munter wirken und mir gefallen ihre Schuhe. Trippelnd kommt sie auf mich zu und mustert mich quer durch den Eingangsbereich. âSie mĂŒssen Miss Orange sein, es freut mich sie endlich kennenzulernen. Mein Name ist Leandra Stone. Kommen sie, ich fĂŒhre sie an ihren Platz und danach ein wenig im GebĂ€ude herum.â Gemeinsam betreten wir den glĂ€sernen Aufzug und sie wĂ€hlt die höchste Etage. Lautlos setzt er sich in Bewegung und
wĂ€hrend wir immer höher fahren, genieĂe ich den Ausblick ĂŒber die Stadt. âSie arbeiten schon sehr lange fĂŒr die Silver Holding Group, nicht wahr?â âSeit etwa 10 Jahren. Ich habe meine Ausbildung in einer kleinen Zweigstelle absolviert und vor etwa einem Monat kam das Angebot hier fĂŒr Mr. Irving zu arbeiten.â âWissen sie, derzeit bin ich noch seine Assistentin. Aber wir werden ja alle nicht jĂŒnger und mein dritter Mann möchte nicht dass ich noch weiter arbeite, also begebe mich in den Ruhestand und ĂŒberlasse ihnen das
Ruder. Ich bin sicher, sie werden sich hier schon einleben. Mr. Irving ist manchmal etwas schwierig, aber am besten lassen sie ihn dann einfach in Ruhe. So schnell er sich ĂŒber etwas aufregt, so schnell hat er sich auch schon wieder abreagiert.â ErklĂ€rt sie mir lachend. Mit einem leisen Poing kommt der Aufzug zum Stillstand und wir gehen einen schier unendlich langen Gang entlang. Dunkles Holz dĂ€mpft meine Schritte, an den weiĂen WĂ€nden hĂ€ngen viele eingerammte Bilder von den FirmengrĂŒndern beim Golfspielen mit Klienten, wĂ€hrend Sommerfesten und
sonstigen AktivitĂ€ten. WĂ€hrend wir den Flur entlanghuschen suche ich fieberhaft nach einem Bild, auf dem er zu sehen ist. Die meisten Portraits kenne ich bereits, da mein altes BĂŒro Ă€hnlich ausgestattet war. Ăber der groĂen HolztĂŒr auf die wir zugehen, steht mit groĂen eleganten Lettern Zachary Irving. Mein Herz macht einen Satz und auf meinem Gesicht setzt sich ein dĂ€mliches Grinsen fest, krampfhaft presse die Lippen zusammen um es zu verbergen. Vor der TĂŒr erstreckt sich ein langer geschwungener Schreibtisch, ein StrauĂ Lilien ist kunstvoll in einer Vase
drapiert. âHier wĂ€ren wir Miss Orange, das ist ihr Schreibtisch.â Freundlich lĂ€chelt sie mir zu und zeigt mir ausfĂŒhrlich wo ich was finden kann. Danach begeben wir uns auf einen kleinen Rundgang durch alle Abteilungen, den Druckerraum, KaffeekĂŒche, Waschraum und den Heizungsraum. Wozu ist jedoch wissen muss wo sich dieser befindet hat sie mir nicht erklĂ€rt. Nach gefĂŒhlten Stunden kommen wir zurĂŒck an ihren alten, bzw. meinen neuen Schreibtisch und schwungvoll lĂ€sst sie sich in den Ledersessel plumpsen. âIrgendwelche Fragen?â groĂe grĂŒne Augen mustern
mich, wĂ€hrend sie an ihrem lactosefreien Latte Macchiato nuckelt, den sie sich in etlichen Arbeitsschritten gezaubert hat. âWann lerne ich Mr. Irving kennen?â Eigentlich kenne ich ihn schon. Zu Beginn meiner Ausbildung haben wir uns kennengelernt als er von seinem Vater, einer der FirmengrĂŒnder, durch alle Zweigstellen der Silver Holding Group gezerrt wurde. Er war damals kaum Ă€lter wie ich, wild und hat mich mit seinem Charme verzaubert. Seitdem denke ich an ihn, himmle ihn aus der Entfernung an und tĂ€glich frage ich meinen besten Freund Google nach dem
neuestem Klatsch und Tratsch. Sobald der neueste interne Newsletter hereinflatterte habe ich mich auf ihn gestĂŒrzt, Mails die aus seinem Postfach gekommen sind wurden angeschmachtet und nach Feierabend habe ich immer einen Kuss auf sein Bild gehaucht das in unserem BĂŒro hing. Ein breites Grinsen zeichnet sich auf dem Gesicht von Leandra ab und sie springt auf. Hier springen alle wie ein KĂ€ngurus herum kommt es mir in den Sinn. âKommen sie, ich habe schon gedacht sie fragen nie.â Sie greift nach meiner Hand, klopft an der TĂŒr und unmittelbar danach treten wir
ein. Entlang des Raumes erstreckt sich das Panorama der Stadt, Wolkenkratzer ragen in den wolkenlosen Herbsthimmel, in der Ferne kann ich einen Park erkennen. Durch die Fensterfront wirkt das BĂŒro hell und freundlich. An einer Wand befindet sich ein groĂes Kunstwerk, welches aus vielen kleinen Bildern zusammengesetzt wurde. Betrachtet man es aus der Ferne, sieht man die Erde. Tritt man nĂ€her heran, sieht man all ihre Facetten. Tiere, BĂ€ume, Blumen, Menschen, Tag und
Nacht. Direkt gegenĂŒber stehen zwei mit Aktenordnern vollgestopfte BĂŒcherregale, bei deren Anblick sich mir die FuĂnĂ€gel einrollen. Davor ist eine kleine Sitzgruppe, die mit schweren Leinen bezogen wurde. Vor dem Fenster steht das GegenstĂŒck zu meinem Schreibtisch, doch anstatt einer Blumenvase, befindet sich auf der Tischkante ein kleiner Bonsaigarten. Ich schmunzle bei dem Anblick, da ich mir nicht vorstellen kann dass das Rechen eines kleinen Sandspielplatzes jemanden beruhigen kann. Vor allem dann nicht,
wenn man sich zeitgleich mit Zachary Irving in einem BĂŒro aufhĂ€lt. Mein Chef telefoniert gerade mit dem RĂŒcken zu uns, sein Arm ruht auf dem kĂŒhlen Glas. Er trĂ€gt kein Jackett, sein blaues Hemd hat er in die Hose gesteckt und die nachtschwarze Hose liegt locker auf seinen HĂŒften. Als ich mit meinem Blick auf dieser Höhe hĂ€ngenbleibe, ist mein Mund plötzlich trocken wie die WĂŒste, meine Zunge klebt an meinem Gaumen und ich habe das GefĂŒhl als wĂŒrden mir gleich die Augen rausfallen. Langsam dreht er sich um und gibt uns zu verstehen, dass das GesprĂ€ch gleich
beendet sein wird. Sein Blick bleibt an mir hĂ€ngen und ich spĂŒre wie ich innerlich verkrampfe. Ob er mich erkennt? SchieĂt es mir durch den Kopf. Du Esel, wieso sollte er? Das Ganze ist 10 Jahre her, ihr habt genau zwei Tage miteinander verbracht und seitdem war er mit Sicherheit mit unendlich vielen UnterwĂ€schemodels aus. LĂ€chelnd widmet er sich wieder seinem Telefonat, scheinbar habe ich die gleiche Reaktion gezeigt, wie andere Frauen wenn sie auf ihn treffen. Ich streiche ĂŒber meine Bluse und stelle erschrocken fest, dass meine Brustwarzen hart geworden sind. Oh
Gott, ich brauche ein Loch. Ein Loch in das ich mich verkriechen kann. Schnell verschrĂ€nke ich meine Arme vor meiner Brust, besinne mich jedoch eines besseres, da ich mich so schlecht meinem neuen Chef vorstellen kann und fuchtle unruhig mit meinen HĂ€nden vor meinem Körper herum. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, dass ich von Leandra gemustert werde. Ich drehe ihr mein Gesicht zu und sie schĂŒttelt nur ihren Kopf. Hervorragend, wirklich hervorragend. âWunderbar. Ja, wir sehen uns heute Abend.â Das Beenden des GesprĂ€chs ist mein Stichwort und schlagartig verfĂ€rben
sich meine Wangen rosa. Mit ausladenden Schritten geht Zachary um den Tisch herum, stellt im Vorbeigehen das Telefon in seine Ladestation und tritt lĂ€chelnd vor mich. âSie mĂŒssen Maria sein. Ich bin Zachary Irving, es freut mich sie hier zu haben.â Maria, aufwachen! Als hĂ€tte mir jemand einen kalten Eimer Wasser ĂŒber den Kopf geschĂŒttet, ergreife ich die mir angebotene Hand und versuche seinem Blick standzuhalten und nicht schĂŒchtern wie ein SchulmĂ€dchen wegzusehen. âEs freut mich ebenfalls Mr.
Irving.â âSie kommen aus Seattle, nicht wahr? Das BĂŒro dort ist um einiges kleiner wie das hier in New York. Hoffentlich verlaufen sie sich nicht.â âStimmt. Stimmt beides. Leandra war so nett und hat mich bereits herumgefĂŒhrt. Die nĂ€chste Herausforderung ist mit Sicherheit der Heimweg, aber ich bin schon groĂ. Darum bin ich mir sicher ich finde schnell nach Hause.â Ich bin schon groĂ? Ich bin bescheuert trifft es eher. âSolange sie morgen wieder
hierherfinden.â Lacht er und entlĂ€sst uns, da sein Telefon aufs Neue klingelt. Am Ende meins ersten Arbeitstages schleppe ich mich völlig fertig nach Hause. Da ich mich lediglich zweimal verlaufen habe, komme ich sogar vor Einbruch der Dunkelheit an. Unterwegs habe ich mir etwas zu essen organisiert, indem ich nun lustlos herumstochere. âOh Man, ich bin so bescheuert!â Ich lasse meinen Kopf auf die Tischplatte knallen und stöhne voller Scham. âDer heiĂeste Mann auf diesen Planeten, dein neuer Chef und seit einer Dekade dein Traumtyp. Wegen ihm hast du ohne Ende Einladungen ins Kino oder zum Esse
abgelehnt, hast Beziehungen beendet weil er plötzlich frei wurde er ebenfalls eine andere Schnalle abgeschossen hat, tagelang hast du das erste Treffen geĂŒbt und du redest nur Unsinn.â TrĂ€ge schleppe ich mich ins Bett und habe sein Bild vor Augen als ich einschlafe. In meinen TrĂ€umen fahre ich mit meinen HĂ€nden durch sein kurzes lockiges Haar, weiche Lippen liebkosen meine Haut und ich stöhne unter seinen BerĂŒhrungen. Durch meine eigenen GerĂ€usche wache ich auf, erhitzt liege ich in meinem Bett und starre an die Decke. âDas kann ja heiter werden.â Nuschle ich wĂ€hrend mein Orgasmus
abebbt. PĂŒnktlich um 8:00 sitze ich an meinem Schreibtisch, der BadHairDay ist glĂŒcklicherweise vorĂŒber und meine Haare flieĂen in sanften Wellen ĂŒber meinen RĂŒcken. Mein geliebter Mantel von Chanel hĂ€ngt sĂ€uberlich auf einen BĂŒgel und alle paar Sekunden werfe ich einen Blick auf die AufzugstĂŒr. âGuten Morgen Miss Orange, freut mich dass sie wieder hergefunden haben und nicht verloren gegangen sind.â Erschrocken zucke ich auf meinem Stuhl zusammen und drehe mich langsam um. Da ich meinen Sitz noch nicht vollends
eingestellt habe, ist mein Gesicht direkt auf Augenhöhe seines besten StĂŒcks. Mit aufgerissenen Augen starre ich es an und nur langsam kann ich meinen Blick heben. Mein Kopf liegt in meinem Nacken und mit rotem Gesicht sehe ich nach oben. Ăber mir steht mein gutaussehender neuer Chef und lĂ€chelt mich ĂŒber den Rand seiner Kaffeetasse an. ââŠ. Guten Morgen, Sir.â Wenigstens hast du deine Stimme nicht verloren, als all deine GefĂŒhle in deinen Schritt verschwunden sind. âMich freut es auch dass ich mich nicht verlaufen habe, glĂŒcklicherweise habe ich mich gestern
lediglich zweimal verlaufen. Mein Essen war sogar noch warm als ich Zuhause angekommen bin.â Lachend sieht er mich an. âDann sind sie schon weiter wie ich. Gestern Abend war ich in einem neuen Restaurant und als mein Essen serviert wurde, war es kalt.â âWar es Sushi?â Er nimmt einen weiteren Schluck seines GetrĂ€nks und sieht mich schmollend an. âWissen sie, nur weil sie wunderschön sind, heiĂt das nicht dass sie mir dieses Spiel verderben dĂŒrfen.â WIE BITTE?
Seine Hand schnellt nach vorne und ehe ich mich versehe umfasst er ein loses Haar von meiner Schulter und entfernt es. Als er in seinem BĂŒro verschwindet starre ich die TĂŒr noch weitere fĂŒnf Minuten an. Seine Stimme aus der Gegensprechanlage holt mich aus meiner Bewegungslosigkeit und ich springe auf und stĂŒrme in sein BĂŒro. was!
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