Kurzgeschichte
Julia und Julius

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"Julia und Julius"
Veröffentlicht am 21. Februar 2014, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Sandra Cunningham - Fotolia.com
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Julia und Julius

Julia und Julius

julia

Julia ist gerade sechs Jahre. Lachend und voll Freude läuft sie ihrem Papa in die Arme. Er ist unheimlich stolz auf seine kleine Prinzessin. Heute bekam sie das lang ersehnte Seepferdchen für ihre tolle Schwimmleistung. Anfangs hatte sie echt Angst, aber ihr Papa und die Mama haben ihr mit Geduld und viel Liebe bei den ersten Schwimmversuchen geholfen. Jetzt kann sie sogar schon tauchen. Und jeder freut sich riesig auf den bevorstehenden Urlaub am Meer. Das Fahrrad geht natürlich mit auf die Reise, das neue Auto bietet genug Platz für die kleine glückliche Familie. Der junge

Vater denkt schmunzelnd an die Zeit zurück, als sein Töchterchen mit ihren vier Jahren munter drauf los radelte und er hinterher lief oder eher auf Knien rutschte, um sie aufzufangen. Für die rasanten Kurven brauchte sie doch noch seine Hilfe. Er hört deutlich das herzhafte Lachen seiner Frau, als er, mit seinen gut zwei Metern, wie ein kleiner Junge in zerrissenen, staubigen Hosen vor ihr stand. Ja und heute, heute kann sein kleiner Liebling schwimmen wie ein Frosch. Am Abend bringt er seinen Engel in ihr Himmelbett. Er darf sogar das Gutenachtlied singen, auch wenn die Kleine die ganze Zeit nur kichert, weil ihr Papilein krächzt wie ein Rabe. Aber

er hält tapfer durch und trägt es mit Fassung. Endlich schläft seine Julia, er gibt ihr noch ein Küsschen. Ein paar Minuten bewacht er noch ihren Schlaf und verlässt glücklich lächelnd das Kinderzimmer.

Julius

Julius ist wahrscheinlich gerade sechs Jahre. Schwimmen und tauchen wurden ihm schon mit vier Jahren beigebracht.Die ersten Tage hat er schrecklich geweint, vor Angst und vor allem von den vielen Schlägen des bösen alten Mannes. Liebe bekam er nie. Auch nicht von seinen Eltern. An die oder an seine fünf Geschwister kann er sich kaum erinnern. Er weiß nur, dass er von seinem Vater an diesen Fischer als Sklave verkauft wurde. Viele Tage dauerte die Fahrt in dem alten engen Bus. Wenn Julius nun am frühen Morgen mit den anderen Kindern im Boot sitzt,

verspürt jeder nur Angst, niemand hat sie je verloren. Weinen? Nein das sieht ihr Besitzer nicht gern, dafür gibt es nur Ärger und sicher auch Prügel. Spielzeug? Weiß keiner was das ist. Aber einen Freund hatte er schon am ersten Tag hier. Ben war jetzt schon 9 und ziemlich stark. Oft wurde Julius von ihm beschützt, wenn die anderen Kinder versuchten ihm sein Essen zu stehlen. Für die karge und zu meist einzige Mahlzeit musste jedes Kind hart arbeiten. In den wenigen freien Momenten beobachteten sie manchmal Vögel, und ein winziger Funke blitzte in ihren Augen. Kalt und viel zu kurz waren die Nächte. Vor Erschöpfung sind alle

trotzdem immer sofort auf den Strohmatten eingeschlafen. Ein Schlaflied summten ihnen nur die Moskitos. In dieser einen Nacht doch hörte jeder, wie Julius hemmungslos weinte und wütend schimpfte, ja er war wütend auf seinen einzigen Freund. Nun langsam wurde er ruhiger und seine Wut schien verflogen. Er wischte sich die Tränen fort und lachte, laut und herzhaft lachte er zum ersten Mal. Jetzt freute sich Julius insgeheim für Ben, weil Ben dem bösen Fischer nicht mehr gehorcht hat und einfach unten blieb und nicht mehr auftauchte.


©Zentaur/21/02/14

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Annabel Meine Güte, das geht echt an die Nieren. Du schreibst sehr aufrüttelnd. Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag und bin glücklich, nur Julias zu kennen. Lieben Gruß, Annabel
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer hallo helga ,
man sagt dass ist das leben , es kindern zu erzählen würde nichts bringen , sie verstehen es nicht .
erwachsenen zu erzählen würde nichts bringen , sie wollen es nicht verstehen.
leider ist es immer noch so und ob es sich je ändert .
wir müssen aber nicht unbedingt über den zaun schauen , auch in dieser reichen republik , gibt es immer noch kinder die zwar nicht verkauft , aber in armut leben.
julia und julius gibt es leider überall
lieben gruß rainer
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur Lieber Rainer, du hast vollkommen Recht,
ich brauch nur über die Strasse auf den Schulhof schauen, da sind viele Kinder ohne Pausenbrot.
vielen Dank für deinen Besuch bei mir und die schönen Geschenke
LG Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele Liebe Helga,
ich weiß, dass ich diese deine nachdenklich stimmende Geschichte schon einmal (wahrscheinlich ganz zu Anfang meiner myStory Zeit) gelesen habe - aber anscheinend hatte ich gar keinen Kommentar da gelassen. Ich vermute, weil mir die Geschichte sehr nahe gegangen ist.... Du hast auf so treffende Weise gezeigt, wie unterschiedlich Kinder auf dieser Welt aufwachsen. Sie ist dir super gelungen!!
Mit lieben Grüßen, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur vielen Dank liebe Gabriele für's wieder lesen.
Wir sollten immer daran denken, das die Kinder unsere Zukunft sind und wir ihnen diesen Weg dort hin mit Liebe bereiten.
LG Helga
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Wow! Das geht an die Nieren! Durch die Gegenüberstellung ist man noch betroffener, das hast du wunderbar gemacht. Eine Gescjichte, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht ....
mit liebem Gruß
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur vielen Dank liebe Ingrid für deinen Besuch bei mir und für die schönen Geschenke.
jeden Tag sollten wir Dankbar sein, das unsere Kinder und Enkelkinder ihr Lachen nicht verlieren.
LG Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Monczi 
Puhhh...starker Tobak
krass die Gegensätze ( dieser Welt )
angenehmen Sonntag
Monczi
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur vielen Dank liebe Monczi für deinen Besuch bei mir und für die schönen Geschenke.
wünsche dir ebenfalls einen schönen Sonntag
lg Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Django Das sind ja mal zwei krasse Gegensätze. Aber verdammt real.
Es ist echt traurig, dass Kinder so behandelt werden wie Julius.

MfG Django
Vor langer Zeit - Antworten
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