Fantasy & Horror
Des Magiers Träume - Geschichten aus Stellarion

0
"Des Magiers Träume - Geschichten aus Stellarion"
Veröffentlicht am 27. Januar 2014, 178 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: necozio.com - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

ich würde über mich sagen, dass ich ein recht normaler Mensch bin, der wie jeder andere auch seinen Weg in der großen, weiten, möglichst nicht steinigen Welt gehen will.
Des Magiers Träume - Geschichten aus Stellarion

Des Magiers Träume - Geschichten aus Stellarion

vorwort

Um die Landkarte und Hintergrundinfos von Stellarion sehen zu können, besuchen sie doch bitte die Seite www.anthologya.de Ja, ich habe mir die Mühe gemacht, und mir einen eigenen Kontinent erschaffen. Diesen werde ich nun mit vielen Geschichten bereichern. Am Ende werde ich die "Anthologya Stella" (So nenne ich den Verbund meiner Geschichten rund um Stellarion) mit einer großen Geschichte abschließen. 



Einige Charaktere aus den Kurzgeschichten werden auch in der Großen Geschichte vorkommen.


copyright by merowinger99



Des magiers träume

Eine Frau, die einsam auf einem Berg steht. Der Wind lässt ihr hellbraunes Haar wild umherwirbeln. Sie ist nackt, doch es scheint ihr egal zu sein. Eisige Kälte umhüllt sie, aber sie zittert nicht. Ihr Blick ist starr Richtung Süden gerichtet. Dort steht kaum sichtbar und weit entfernt eine ihr unbekannte Festung. Nur tief im Inneren hat sie das Gefühl, schon einmal dort gewesen zu sein.


Durch den Schneesturm kann sie nur die Silhouette erkennen. Minutenlang steht sie einfach nur da und starrt auf die riesige Festung mit den Zehn Türmen und wartet auf etwas, dass ihr selbst noch nicht bewusst ist. ‚Eine Festung in den Berg hineingebaut‘, denkt sie sich. ‚Nur die Zehn Türme ragen heraus. Es gibt nur eine Eldra-Festung in den Sternenlanden, die in den Berg gebaut wurde.‘




Der Schneesturm wird stärker. Als die Frau gehen und den Blick von der Festung abwenden will, erfassen Ihre Augen plötzlich einen grellen Lichtblitz, der sie halb erblinden lässt. Als Sie wieder halbwegs sehen kann, werden ihre Ohren von einem lauten Knall erschüttert, der aus der Richtung des Lichtblitzes kommt. Sie will verschwinden, doch sie kann nicht. Ihre Beine sind am Boden festgefroren. Langsam kommt Panik in ihr auf.



Ihr bleibt nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie der Lichtblitz sich in ihre Richtung ausbreitet und alles verschlingt, was ihm in den Weg kommt. Bäume und Berge, alles wird verschlungen. Nicht mehr lange, dann erreicht das Licht auch den Berg, auf dem die Frau steht. Verzweifelt versucht sie, ihre Beine loszureißen, während es um ihr herum immer heller wird. Sie schreit, in der Hoffnung, dass jemand kommen, und sie befreien würde, doch nichts geschieht. Nicht mal ihr Bruder kommt ihr zu Hilfe. 




Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit breitet sich in ihr aus. Nun kann sie nichts mehr sehen. Sie fällt in eine unendliche Tiefe. Sie fällt so lange, dass sie sich wünscht, endlich auf festen Boden zu treffen.







Doch dieser Wunsch 

wird ihr nicht erfüllt... Bis…



der wald

„Los, wach endlich auf! Sie kommen!“ Es war tiefste Nacht. Nur der Vollmond erhellte den Waldrand. Die Größe des Waldes war kaum der Rede wert. Er war so klein, dass er in den meisten Landkarten nicht berücksichtigt wurde. Während Darios versuchte, seine Schwester Larya aufzuwecken, sah er ängstlich den Weg herunter. Das schummrige Licht einiger Fackeln, gefolgt von den Stimmen lachender Männer kam langsam auf die beiden zu. Endlich öffnete sie Ihre

Augen. Verschlafen sagte sie „Was ist denn los? gibts Frühstück?“ „Wir müssen uns verstecken. Pack deine Sachen ein.“ Zuerst wusste Larya gar nicht, was Sache war. Als sie aber das laute Gelächter hörte, dass den Weg herauf schallte, kam ihr wieder alles in den Sinn: Plünderer. Schnell packten sie ihre Sachen in die Rucksäcke und rannten in Richtung Wald. Hinter einem umgestürzten Baumstamm fanden sie rechtzeitig Schutz. Dort wären sie sicher, dachte Darios.

Die Plünderer würden einfach vorbeilaufen. Deswegen hatten sie auch kein Feuer gemacht. Zu gefährlich. Kurz darauf waren ihre ersten Umrisse zu sehen. Darios gab seiner Schwester zu verstehen, leise zu sein. Sie hingegen zitterte am ganzen Körper. Nicht noch einmal wollte Larya einen dieser Menschen zu Gesicht bekommen. Das eine Mal hatte ihr genügt. Als die Gruppe nun kaum sechs Meter von ihnen entfernt war, bemerkte sie, dass einer von Ihnen keine Fackel hatte, aber trotzdem am hellsten leuchtete. Das muss ein Magier sein.

Kleiner als alle anderen und in einer edlen schwarzen Lederrüstung führte er die Truppe an. Seine grimmigen Gesichtszüge verrieten, dass mit ihm keinesfalls zu spaßen war. Mit dem Magier waren es insgesamt einundzwanzig. Ihre Fellrüstungen verrieten, dass sie dieselben waren, die auch Dalynos, das Dorf der beiden Geschwister überfallen hatten. Aber die Rüstung des Magiers hatten sie dort nicht gesehen. Plötzlich hob er die Hand und befahl den Anderen, stehen zu bleiben. „Wartet.“ flüsterte er.

Seine tiefe Stimme ließ Laryas Herz noch lauter pochen. Sie hatte die Befürchtung, der Magier könne es auch pochen hören. „Sie sind in der Nähe.“ Nun fing auch Darios an, schwerer zu atmen. Er hatte keine Ahnung, was er tun würde, wenn sie hinter dem Baumstamm nachschauen würden. Für eine Flucht weiter in den Wald hinein war es zu spät. die knackenden Äste würden nur noch mehr Aufmerksamkeit auf die beiden

lenken. „Also ich seh niemanden.“ sagte einer der Männer. Genervt entgegnete der Magier „Überlass mir die Sache. Ich kann ihre Magie spüren. Aber weit können Sie nicht sein. Das kleine Mädchen ist langsam.“ „Sollen wir den Wald absuchen?“ „Ich bitte darum. Stellt euch in einer Reihe auf und lauft hinein. Der Wald ist klein, sie können sich nicht verstecken.“ Larya verkrampfte

sich. Es war nur noch eine Frage kürzester Zeit, bis sie entdeckt wurden. Darios sah sich verzweifelt nach einem besseren Versteck um, während die Männer sich in eine Reihe gliederten. Als er nichts fand, befahl er seiner Schwester leise, sich unter dem Baumstamm zu verstecken. Die Männer hatten sich zum Glück für kurze Zeit in den Haaren. Einige stritten sich darum, wer an welcher Stelle der Reihe stehen soll. Im Schutze dieses Lärms rutschte Larya langsam unter den Baumstamm. Die Blätter raschelten kurz, aber niemand

bemerkte es. Als der Dreck des Baumstammes auf ihr Gesicht rieselte, hatte sie sich gerade noch so ein Husten verkneifen können.

„Worauf wartet ihr noch?“ Fragte der Magier die anderen. „Wir haben nicht ewig Zeit.“ Auf seinen Befehl hin legte sich der Streit. Bewaffnet mit Fackel und Schwert zogen die Männer in den Wald. Gerade noch rechtzeitig schaffte es auch Darios unter den Baumstamm, ließ dabei aber auch die Blätter rascheln. Dieses Mal wurde das Geräusch nicht

überhört. Einer der Männer kletterte auf den Baumstamm, der die beiden Geschwister noch mehr herunter drückte. Larya konnte kaum noch atmen. Als Darios sie schwer atmen sah, versuchte er händeringend, den Baumstamm etwas anzuheben, was ihm aber nicht gelang. Der Plünderer leuchtete mit seiner Fackel auf den Boden. Und bemerkte einen kleinen Schuh, der aus dem Laub heraus ragte. Larya merkte zu spät, dass ihr Fuß sichtbar war. Ihr Herz raste schneller. Es war nur

noch eine Frage von Sekunden, bis der Mann sie am Bein packte und herauszog. Hilflos sah sie zu Darios hinüber, der sie schweigend darum bat, sich nicht zu bewegen. Er bemerkte, dass ihr restliches Bein mit Laub überschüttet war, sodass man es nicht sehen konnte. Der Mann beugte sich über den Stamm und war mit seiner Hand kurz davor, den Schuh zu berühren. Geistesgegenwärtig hob Darios einen kleinen Stein auf und warf ihn in den Wald hinein. Der Mann schreckte auf und blickte in die Richtung des Geräusches. Dann gab er seiner Schwester zu

verstehen, ihren Schuh auszuziehen. Unter dem Stamm eingequetscht versuchte Sie, ihren Schuh mit dem anderen Schuh auszuziehen, doch er wollte einfach nicht abrutschen. Der Plünderer würde sich jeden Augenblick wieder dem Schuh zuwenden. Nun versuchte sie es mit ihrer ganzen Kraft und schürfte damit ihr Bein auf. Das Adrenalin ließ alle Schmerzen vergessen. Als der Plünderer das Geräusch nicht mehr weiter beachtete, wandte er sich wieder dem Schuh zu. Er griff danach, nahm ihn an sich und rannte zu dem Magier. „Ich hab hier etwas gefunden. Einen

Schuh.“ Ohne ihn zu berühren, begutachtete der Magier den Schuh. „Er ist noch warm. Sucht weiter! Sie sind ganz in der Nähe. Und Arush? belästige mich nicht wieder wegen einem Schuh.“ Daraufhin ging der Mann mit Namen Arush wieder in den Wald zurück. Mit einem Sprung auf den Stamm, der den beiden Geschwistern fast die Knochen brach, hechtete er zum Glück auch gleich wieder herunter auf die andere Seite und ging weiter. Darios bemerkte, dass Larya Tränen in

den Augen hatte und sich die Hand hielt. „Halte durch.“ Flüsterte er ihr zu. „Wir kommen hier raus.“ Sie nickte schwach. Während die anderen Männer sich langsam von den beiden entfernten, stand der Magier immer noch still am Waldrand und starrte über den Baumstamm in den Wald. Somit war eine Flucht ausgeschlossen, er würde die beiden bemerken und seine Männer auf Darios hetzen. Er war unbrauchbar. Sie hatten es auf Larya abgesehen. Er dachte

nach. Irgendwie musste es doch einen Ausweg geben. Wenn sie noch länger unter diesem Baumstamm blieben, würde man sie irgendwann entdecken. Da er keine bessere Idee hatte, entschied er sich für eine, die kaum Aussichten auf Erfolg hatte. Er tastete den Boden ab und fand fast auf Anhieb einen kleinen Ast. Ich brauche aber noch einen dicken, schweren

Ast. In geringer Entfernung zum Baumstamm erblickte Darios das erwünschte Objekt. Langsam und so leise, wie möglich robbte er in die Richtung des dicken Astes. Der schwere Baumstamm erschwerte die Bewegungen. Wenn nun jemand auf den Stamm springen würde… sein Rücken wäre dann hinüber. Nun war sein halber Körper außerhalb des noch sicheren Baumstammes. Das hohe Gras verdeckte zum Glück die Sicht des Magiers, der seinen Blick immer noch starr auf den Wald gerichtet hatte. Als Darios den Arm ausstreckte, ergriff

er den dicken Ast und nahm ihn zu sich. Wieder raschelte das Laub. Zum Glück schien es der Magier nicht gehört zu haben. So leise wie möglich robbte er wieder zurück unter den Baumstamm. „Larya“ flüsterte Darios. „Ich werde gleich aufstehen. Mach dich schon mal bereit. Du musst in der Lage sein, sofort losrennen zu können.“ Ungläubig schaute Larya ihrem Bruder in die Augen. „Was hast du

vor?“ „Vertrau mir. Wir müssen hier unbedingt weg. Die werden uns sonst finden. Vertrau mir einfach, okay? Wenn etwas schief läuft, rennst du einfach. Versprich mir, dass du rennst, egal was mit mir passiert.“ „Wenn etwas schief läuft?“ Sie hatte nun noch mehr Angst, als vorher und zitterte am ganzen Leib. In Ihr stieg die Angst auf, dass der Magier ihre Zähne hören konnte, die unaufhörlich

klapperten. „Versprich es mir.“ entgegnete Darios nur. Nach langem Zögern nickte sie. Er war ihr Bruder und vertraute ihm. Ausserdem war er der einzige, der ihr noch blieb. Allein die Vorstellung, dass sie ganz alleine aus diesem Wald in die Dunkelheit rennen müsse, ließ ihren Puls bis aufs Unermessliche steigen. Bei Darios war es nicht

anders. Jah, Adrenalin ist gut, dachte er. Mehr davon. Er nahm den kleinen Ast in die Hand, dann konzentrierte er sich. Wenn ich daneben werfe, werden sie schlimme Dinge mit meiner Schwester machen. Ich darf nicht daneben werfen. Ich hab doch schon oft Dinge

geworfen. Immer noch auf den Boden liegend, holte Darios leicht aus und warf den Ast ein Stück weiter den Waldrand hinunter. Mit einem leisen Geräusch fiel er auf Laub. Es war aber zum Glück laut genug. Der Magier hörte es und sah in die Richtung des Geräusches. Blitzschnell nahm Darius den dicken Ast in die Hand und sprang aus seinem

Versteck hervor. Mit einer Wucht, die er sich nicht zugetraut hätte, warf er den Ast in Richtung des Magiers. Der Wurf kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Alles verlief in Zeitlupe. Noch während der Magier sich umdrehte, drückte er die Hände zusammen und formte einen Feuerball. Ein Kampfmagier.... noch schlimmer. Der Feuerball in seiner Hand wurde

größer. Nein, bitte nicht. Nun hatte der Magier den Jungen im Blick. Das wars. Er wird mich verbrennen… Doch als er dann den heranfliegenden Ast erblickte, war es schon zu spät. Mit voller Wucht traf der Ast den Magier am Kopf. Das letzte, was er sah, war der sternenklare Nachthimmel, dann klappte er bewusstlos zusammen. Sein Feuerball flog knapp an Darios

vorbei, der die Hitze auf seiner Wange spüren konnte. „Jetzt lauf.“ flüsterte Darios seiner Schwester zu. Schnell sprang sie aus dem Baumstamm. Beide rannten sie aus dem Wald und um ihr Leben.

>

>

>

Die rast

Die Sonne schien schon früh am Morgen. Erschöpft von der Rennerei legten Darios und Larya eine Rast ein und ließen sich auf das Gras fallen. Sie befanden sich nun auf einer weiten Wiese. In einiger Entfernung sah man schon die Berge, dessen Spitzen von Wolken bedeckt waren. „Schau,“ fing Darios an, während er mit der Hand in Richtung der Berge zeigte. „Da sind die Drachenberge. Wenn wir die erreicht haben, sind wir vorerst

sicher." Doch Larya interessierte das nicht. Sie war noch erschöpft von der Flucht aus dem Wald und ihre Hand pochte. Außerdem musste sie die ganze Zeit über etwas anderes nachdenken. „Was ist mit dir?“ fragte Darios, als er bemerkte, dass mit Larya etwas nicht stimmte. „Ich hatte die Nacht wieder so einen Traum.“ Besorgt richtete Darios sich auf. „Einen Traum? Wie der Traum...“ „Ja, wie der Traum, den ich kurz vor der Plünderung von Dalynos

hatte.“ „Und…was hast du gesehen?“ „Ich..ich stand auf einem Berg und sah von weitem eine Festung mit Zehn Türmen, die in einen Berg gebaut war. Nur die Türme ragten heraus. Und ein Tor. Ein riesiges Tor. Ich wartete. Auf irgendetwas, dass mir nicht bewusst war, wartete ich. dann gab es einen lauten Knall und grelles Licht blendete mich. Das Licht kam von der Festung auf mich zu. Es verschluckte alles auf seinem Weg. Berge, Täler, Wälder, einfach alles. Es war schrecklich. Ich konnte mich nicht bewegen und das Licht verschlang schließlich auch mich. Dann hast du

mich geweckt.“ Dass sie in dem Traum nackt gewesen war, verschwieg sie. Dies war ihr zu peinlich. „Du hast die Magierfeste gesehen.“ „Ich weiß. Die kam mir auch in den Sinn. Aber was wäre, wenn...“ Sie stockte. Anscheinend traute sie sich nicht, ihre Gedanken laut auszusprechen. Darios beendete ihren Satz. „Wenn das etwas mit dir zu tun hat?“ „Jah. Ich meine, wir sind ja auf den Weg dorthin, um mich zur Magierin zu machen. Ich habe Angst, dass ich für das schuld sein werde, was auch immer

dort geschehen wird. Vielleicht wäre es besser, nicht dorthin zu gehen.“ „Nein“ sagte Darios entschlossen. „Du musst dorthin gehen. In dir steckt Magie. Du musst deine Träume kontrollieren können. Oder willst du jede Nacht von schlimmen Dingen träumen? Hellseherinnen werden verrückt, wenn sie keine Kontrolle über ihre Träume haben.“ „Aber...“ „In dem Traum standest du auf einem Berg, oder? Weit weg von der Magierfeste. Vielleicht ein Zeichen, dass du nichts mit diesem Licht zu tun hattest. Bei der Plünderung unseres

Dorfes warst du doch auch nicht schuld und hast trotzdem davon geträumt.“ Nun legte er ein sanftmütiges Lächeln auf, um sie zu beruhigen. „ Du wirst dich den Magiern anschließen und eine hervorragende Hellseherin werden. Ich werde mich in Rotheim niederlassen, Arbeit finden und dich oft besuchen kommen.“ Das erste Mal seit der Flucht grinste Larya nun wieder und ihre blauen Augen strahlten. „Ist gut...“ Aber ganz vergessen konnte sie den Traum

nicht. Dafür war er zu wirklich gewesen. Aber Darios hatte Recht. Sie stand auf einem Berg, das war ein Zeichen, dass sie nichts damit zu tun haben konnte, sondern einfach nur stille Zuschauerin war. Aber wieso war sie nicht da? Im Traum war es Winter, zu der Zeit müsste sie schon lange dort angekommen sein. Darios nahm seinen Rucksack und holte ein Laib Brot heraus. „Hast du Hunger?“ „Natürlich hab ich

Hunger.“ Er brach ein kleines Stück ab und überreichte es seiner Schwester. Die beäugte es kritisch und grinste Darios an, welches er erwiderte. „Was? Na hör mal, du bist schon dick genug. Wir werden verfolgt. Ich will nicht geschnappt werden, nur weil meine Schwester ihr vieles Fett mitschleppen mussste.“ „Wenn du mir jetzt nicht auf der Stelle mehr gibst, muss ich dich leider in einen Wurm verwandeln.“ Entgegnete Sie. „In einen Wurm? Wäre mir neu, dass eine Hellseherin jemanden in Würmer

verwandeln könnte.“ „Na ich hoffe es doch. Ich geh doch nicht zur Magierfeste, weil ich noch mehr Zukunft sehen will. Ich mache das alles nur, um dich in ein liebes und nettes Tierchen zu verwandeln, dass mir dann immer schön artig mein Brot gibt, Geschirr aufwäscht, putzt, mich wäscht, meine Gäste wäscht und Essen macht. Ob ich dich als Reittier einsetzen werde, muss ich mir noch überlegen.“ Schliesslich gab er nach und reichte ihr ein größeres Stück Brot. Als sie es nehmen wollte, schmerzte ihre Hand wieder. Darios handelte schnell und riss sich ein

ein Fetzen Stoff aus seiner Tunika. Damit verband er zärtlich ihren Arm. „Danke“. sagte sie. Es half nur bedingt. Unbeholfen nahm sie das Brot in die andere Hand. Während sie aßen, bemerkte Larya erst jetzt die riesigen Berge im Süden. Mit vollem Mund fragte sie „Die Berge da. Wie heißen die nochmal?“ Ebenfalls mit vollem Mund antwortete Darios. „Also die Rechten, das sind die Drachenberge. Und die Linken nennen sich Sturmberge. Und zwischendrin führt ein breiter Weg hindurch. diesen nennt man Schattenpass. Das ist erst einmal unser

Ziel." „Und warum heißen die Drachenberge? Da gibts doch keine Drachen, oder?“ „Dort stand damals eine Festung der Drachen.“ Ungläubig starrte Larya ihren Bruder an. „Es gibt Drachen? Und die wohnen in Festungen?“ Darios musste lachen und verschluckte sich dabei fast. „Schwester, du musst noch viel über die Geschichte dieser Welt lernen. Hoffentlich bringen die Magier dir das bei. Die Drachen waren eine Gruppe von Magiern, die sich damals dem Magierkönig angeschlossen hatten, sozusagen die Generäle des

Magierkönigs.“ „Und ich schätze, die Drachen waren böse?“ „Du weißt doch, dass die Magier heutzutage einen sehr schlechten Ruf haben, oder?“ „Hab davon gehört.“ „Das hatte man zum Teil den Drachen und dem Magierkönig zu verdanken.“ „Und der Magierkönig....“ „Nicht jetzt. Lies mehr Bücher oder höre dir Geschichten an. wir müssen weiter.“ Sie packten das übriggebliebene Brot

wieder in den Rucksack liefen weiter Richtung Süden. Larya wäre am liebsten im Gras liegen geblieben. Die kurze Pause hatte ihre Erschöpfung kaum gelindert. „Ich hab nur noch einen Schuh.“ Sagte sie. „Hier.“ Sagte Darios, während er ein Stück Leder aus seiner Weste riss und es an ihren Fuß band. „Das müsste fürs erste reichen. Ich würde dir ja gerne einen meiner Schuhe geben, aber die dürften wohl zu groß sein. Wegen dir seh ich nun aus, wie ein

Streuner." „Wir SIND Streuner.“ "Ja, aber ich will nicht, wie einer aussehen." Daraufhin plagte Larya noch etwas. "Darf ich dir noch eine kleine Frage stellen?" „Wenn die Antwort darauf eine kurze ist, gerne.“ „Dieser Magier... der kam nicht aus der Magierfeste, oder?“ Bei der Frage hielt Darios inne und

drehte sich zu ihr um. Er sah ihr direkt in die Augen und legte eine ernste Miene auf. „Ich glaube nicht. Ich glaube, das war ein schwarzer Magier...“

der schwarze magier

Währenddessen kam der schwarze Magier Adryan wieder zu sich. Die Männer standen allesamt um ihn herum und beobachteten ihn. Die erste Frage, die ihm durch den schmerzenden Kopf schoss, stellte er. „Wo sind sie?“ Einer der Männer antwortete verlegen. „Sie sind weg. Wir haben sie nicht gefunden.“ Erschöpft richtete sich Adryan auf. Mit seiner Hand tastete er das Gesicht ab und bemerkte eine riesige Platzwunde an seiner Stirn. Das Blut war schon halb

getrocknet. „Helft mir auf.“ Sofort traten zwei Männer an seine Seite und taten, was der Magier ihnen befahl. Ihm wurde schwindlig. Er drohte, wieder auf den Boden zu fallen, doch er beherrschte sich zu gut, um dem Schwindelgefühl nachzugeben. Er war nicht sauer. Viele wurden sauer, wenn ihnen ihr Ziel entwischte, doch nicht Adryan. Ihm gefiel dieses Spiel der Verfolgungsjagd. In seinem ganzen Leben hatte er nichts anderes getan, als Menschen zu

verfolgen. „Arush!?“ Seine Stimme klang nun hart. Hinter den Männern, die Adryan aufgeholfen hatten, trat schüchtern ein junger bärtiger Mann hervor. Der Magier stellte sich direkt vor ihn und sah direkt in seine Augen. „Du hast mir den Schuh gebracht?“ „J....j....ja.“ stotterte Arush. Er hatte große Probleme, den Blicken Adryans standzuhalten. „Du hast nicht unter dem Baumstamm nachgesehen?“ „N...nein.“ „Es ist deine Schuld, dass die beiden entkommen sind. Was hast du dazu zu

sagen?“ Jetzt machte sich die pure Angst in Arush breit. „Vergebt mir.“ brachte er nur aus sich heraus. „Bitte verbrennt mich nicht." „Dich verbrennen?“ Adryans Miene blieb kalt. „Nein, ich werde dich nicht verbrennen. Du bist noch jung und lernfähig. Wenn ich dich jetzt verbrenne, weiß ich nicht, ob aus dir nicht doch noch ein großer Krieger werden könnte.“ „H…habt dank. Ich werde keine Fehler mehr machen. Ich verspreche es." Gerade, als er wieder gehen wollte, hielt Adryan ihn an den Schultern

fest. „Warte.“ Sagte er leise, aber bestimmend. Arush hatte gewusst, dass er nicht so glimpflich davonkommen würde. Ein kalter Schauer lief ihm den Nacken herunter. Langsam drehte er sich um. „Ich muss dich trotzdem bestrafen. Gib mir deine Hand.“ „Aber bitte...“ bettelte der nun panische Arush. Der Magier beruhigte ihn aber. „Schhh. Es ist nur der kleine Finger. Und auch nur die Spitze. Das ist bei mir üblich. Sieh dir Mynack

an.“ Mynack, ein großgewachsener Glatzkopf zeigte grinsend seine linke Hand. Arush sah, dass bei allen fünf Fingern die Spitzen nicht mehr vorhanden waren. „Siehst du? Mynack hat auch viele Fehler begangen und nun ist er ein richtig guter Krieger geworden. Komm mit.“ Adryan führte Arush zu dem Baumstamm, unter dem sich die beiden Flüchtigen versteckt hatten. Die Panik war bei Ihm zwar wie weggeblasen,

doch die Angst vor den Schmerzen blieb. „Leg deine Hand auf den Stamm.“ Ohne zu zögern tat er es. So langsam merkte er, dass ihm keine andere Wahl blieb. Und verschlimmern wollte er die ganze Sache auch nicht. Es ist nur der kleine Finger. Es hätte wesentlich schlimmer kommen können. Halte es aus und lerne daraus. Adryan zog ein kleines Messer aus seiner Tasche und legte es auf Arushs kleinen Finger. Ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, drückte der Magier langsam das Messer herunter. Arushs Schreie erschreckten die Vögel, die sich davon

machten. Ihm kam es wie eine Ewigkeit vor, die Schmerzen waren unerträglich. Der Fingernagel rutschte herunter und Das Blut lief den Baumstamm herunter. Als Adryan am Knochen angekommen war, drückte er noch fester zu. Es knackte. Nun wurde Arush beinahe bewusstlos, die Schmerzen nahm er nur noch teilweise wahr. Als das Messer endlich unten angekommen war, fiel er auf den Boden und wimmerte. „Bringt ihm ein Tuch und verbindet die Wunde. Wir müssen weiter.“ „Aber wir wissen nicht, in welche

Richtung sie gegangen sind.“ fragte einer der Männer. Während er sein Messer abwischte, antwortete Adryan kühl „Ich weiß es. Für sie kommt nur eine Richtung in Frage: Süden. Der Schattenpass ist von hier aus der einzige Weg nach Schattenfall.“ „Schattenfall? Woher...“ „Weil sie Magier sind. Sie wollen zur Magiergilde.“ Erstaunen, gepaart mit Entsetzen machte sich unter den Männern breit. „Welcher von denen?“ „Beide... Der Junge weiß es nur noch

nicht, das ist unser Glück.“ Dann wischte er sich mit demselben Tuch, das er für das Messer benutzt hatte, das Blut von seinem Gesicht.

am schattenpass

Es war spät am Abend und die Sonne ging schon unter. Laryas Beine schmerzten so sehr, dass sie kaum noch laufen konnte. „Wann rasten wir denn endlich?“ fragte sie ihren Bruder. „Wenn wir am Fuße der Drachenberge sind. Es ist nicht mehr weit und dort gibt es genügend Möglichkeiten, sich zu verstecken.“ „Aber ich kann nicht mehr.“ „Ich auch nicht. Aber wenn wir hier übernachten, erwischen sie uns.“ „Wenigstens eine ganz kurze Rast?“ Darios drehte sich um und kam auf seine

Schwester zugelaufen. „Hör mal! Die Leute, die uns verfolgen, sind Krieger. Harte Männer, die schneller laufen können, als wir beide. Deswegen müssen wir durchhalten, auch wenn unsere Füße bluten.“ „Und was ist mit einer ganz schnellen Rast?“ „Haben wir doch gerade gemacht. Jetzt komm. Bald haben wir es geschafft." Dann stapfte Larya weiter. So hatte sie sich ihr Leben nicht vorgestellt. Sie war acht Jahre alt gewesen, als ihr erster Traum wahr wurde. Sie hatte lediglich von einem Gespräch

dreier Frauen geträumt. Am nächsten Tag sah sie auf der Straße diese drei Frauen miteinander sprechen. Zuerst kroch panische Angst in ihr hoch, doch dann wollte sie sich einen Spaß daraus machen und ihnen die Wörter aus dem Mund nehmen. Doch seltsamerweise brachte sie keinen Ton über die Lippen. Spätestens seit dem Traum von der Plünderung ihres Dorfes wusste sie, dass man die Zukunft nicht verändern konnte. Alles war vorherbestimmt. Deswegen machte ihr der Traum von der Magiergilde mehr zu schaffen, als man es ihr anmerken konnte. Darios, der einige Meter vor ihr lief,

spähte immer wieder in alle Richtungen. Er wollte keinesfalls wieder überrascht werden. Die Bürde, seine Schwester zu beschützen, machte ihm zu schaffen. Seine Mutter hatte er schon nicht beschützen können, nun hatte er Angst, auch bei Larya zu versagen. Allein der Gedanke daran, sie nicht mehr um ihn zu haben, schmerzte Darios. Sie war so eine Frohnatur. Fast nichts schien ihr die Laune zu verderben. Selbst jetzt, im Angesicht totaler Erschöpfung sah sie friedlich aus. Sie war sein Licht in der Finsternis. Lange Zeit liefen sie noch Richtung

Süden. Der Mond stand schon am Himmel. Zusammen mit den Sternen erleuchtete er die nun steinige Gegend. Nach einiger Zeit waren sie am Fuß der Drachenberge angekommen. Von hier aus sahen die Berge riesig aus und verdeckten fast den gesamten südlichen Himmel. Larya kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Darios ging es ebenso. So sehen sie also aus, wenn man vor Ihnen steht. Erstaunlich. „Dagegen sehen die Berge in Dalynos wie kleine Hügel aus, nicht wahr?“ sagte Darios. Larya antwortete mit offenem

Mund. „Ich muss aufpassen, dass ich nicht stolpere. Es ist schwer, den Blick von den Dingern abzuwenden.“ „Es gibt noch viel größere Berge. Dagegen sind diese hier ein Witz.“ Ohne seinen Blick abzuwenden, sprach er nach einer kurzen Pause weiter. „Wir dürfen nicht rasten. Wir müssen weiter.“ Entsetzen machte sich auf dem Gesicht seiner Schwester breit. Abrupt blieb sie stehen. Mit erschöpfender Stimme sagte sie „Was? Aber ich kann nicht mehr. Du hast gesagt, dass wir rasten werden, wenn wir am Fuße der Berge

sind!“ „Ich weiß. Tut mir leid. Aber es ist zu gefährlich. Wie du vielleicht bemerkt hast, rasten unsere Verfolger nachts auch nicht.“ „Aber vielleicht haben sie die Verfolgung aufgegeben. Und woher wissen die überhaupt, welche Richtung wir eingeschlagen haben?“ „Weil du eine Magierin bist. Vielleicht weiß der schwarze Magier auch, dass du eine Hellseherin bist und die sind besonders wertvoll. Er weiß ganz genau, dass es für dich nur einen Weg gibt. Wenn es nötig ist, würde er dich bis ans Ende der Welt

verfolgen. Komm her, ich trage dich. “ „Nein. Solange ich noch laufen kann, mach ichs selber. Ich nehme an, dass du keine Fackel in deiner Hosentasche hast? Es kann nachts ziemlich dunkel werden.“ Dann lief Sie voran. Zu gerne würde Larya jetzt den verdutzten Blick ihres Bruders sehen. Aber um ihre Entschlossenheit zu festigen, durfte sie nicht zurückschauen, sondern einfach weiterlaufen. Ihre Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Augenblick zerbrechen. Die

Blasen an ihren Füßen zwangen sie manchmal, zu humpeln. Doch Larya wollte ihre Schmerzen vor Darios verbergen. Sie kannte ihn zu gut. Er würde seine Schwester gegen ihren Willen auf die Schulter nehmen und sie wusste, dass er auch kaum noch laufen konnte. Es ist alles eine Frage des Willens, Larya. Einfach einen Fuß vor den anderen setzen und nicht über die Schmerzen nachdenken. Alles nur eine Frage des Willens.

Einfach nicht ans Laufen denken. Der Versuch, sich selbst zu motivieren, half nur bedingt. Nun dachte sie noch

mehr ans Laufen. Je weiter sie in den Schattenpass kamen, desto dunkler wurde es. Man konnte nun kaum noch die Hand vor Augen sehen. Beide stolperten in regelmäßigen Abständen über größere Steine. Larya bekam immer mehr Angst. Sie hatte das ständige Gefühl, dass in der Dunkelheit etwas lauerte. Etwas, dass die beiden die ganze Zeit beobachtete, doch es war totenstill. Einzig die Schritte der Geschwister hallten leise durch den Pass. Kurz dachte Larya an die alten Geschichten über Geister. Körperlose Hüllen, die in der Dunkelheit

umherschweiften und Menschen beobachteten. Es war zwar nur eine Geschichte, doch trotzdem hatte sie durch diese Gedanken nur noch mehr Angst bekommen. Ihre Angst ließ sogar die Erschöpfung ein wenig abklingen. Sie wollte einfach nur raus hier, konnte den Tagesanbruch kaum erwarten. Am liebsten würde sie jetzt die Hand ihres Bruders nehmen, aber die die daraus entstandene Sicherheit wäre nur eine Illusion gewesen. Larya konnte die Hänge an beiden Seiten zwar nicht sehen, doch sie fühlte, dass der Pass enger wurde. Eine Kutsche

würde gerade noch so durchpassen. Nun war es stockdunkel. Sie mussten sich an der Wand abtasten, um vorwärts zu kommen. Es kam ihr so vor, als ob sie sich im Schneckentempo bewegen würden. Während sie die Wände abtastete, spürte Larya plötzlich ein Kitzeln an ihrer linken Hand, dass langsam den Arm hinauf kroch. Sie stieß einen leisen Schrei aus, während sie verzweifelt mit der rechten bandagierten Hand über ihren Arm wischte. Dass diese verletzt war, hatte sie vergessen. Ein stechender Schmerz

überkam sie. „Was ist?“ sagte Darios sorgenvoll. Erst als seine Schwester sich sicher war, den ungebetenen Gast losgeworden zu sein, antwortete sie. „Nur ein Käfer.“ „Ein Käfer?“ scherzte Darios. „Du schreist herum, wegen einem Käfer? Wir werden von blutrünstigen Kriegern und einem Kampfmagier verfolgt, und du hast Angst vor einem Käfer? Oh Schwester, du enttäuschst mich.“ „Der war groß. Außerdem finde ich die Dinger eklig.“ „Diese Dinger könnten uns vielleicht das Leben retten. Unsere Nahrung hält nicht

ewig.“ „Du meinst... also du meinst... wir müssen bald Käfer essen?“ „Na wenn du keine Steine essen willst.“ „Doch doch, Steine wären mir lieber.“ Nach einer Weile bemerkte Larya, dass die Angst wieder hoch kam. Während ihres kurzen Gespräches war sie wie weggeblasen, doch mit der Stille kam auch die Angst wieder. Die Angst vor der Dunkelheit. Mit jedem Schritt dachte sie, dass irgendwas aus der Dunkelheit hervorspringen würde. Um ihr nicht völlig zu verfallen, entschied sie sich, wieder mit ihrem Bruder zu

reden. „Ich vermisse Dalynos.“ „Ich auch. War ein schönes Dörfchen. Aber noch mehr vermisse ich unsere Mutter.“ „Ich nicht.“ Sagte Larya wahrheitsgemäß und entschlossen. Wenn es nicht so dunkel gewesen wäre, würde sie nun sehen, wie ihr Bruder ein entsetztes Gesicht aufzog. „Warum nicht?“ „Ich weiß, dass sie nun an einem besseren Ort ist, wo es die Probleme dieser Welt nicht mehr gibt. Dort ist sie glücklicher, als hier.“ Darauf hatte Darios nichts mehr zu

sagen. Ihm gefiel der Gedanke, dass es für jeden Menschen einen Platz in einer besseren Welt gab. Dass diese schlimme Welt nur eine Prüfung sei, nur der Weg dorthin. Doch das war nur Wunschdenken. Er glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod. Nicht die Welt war schuld an Leid und Krieg, sondern die Menschen darin. Und wenn diese Menschen nach ihrem Tod in diese bessere Welt kämen, was würde sich ändern? Nichts. Sie würden diese wieder nach ihren eigenen Vorstellungen formen und abermals Krieg und Leid

entfachen. „Glaubst du,“ fing er an. „Dass Mutter dort wieder ein glückliches Leben mit Vater führt?“ „Ein glückliches Leben mit Vater? Wenn es dort keine Töpfe und Pfannen gibt, die sie ihm um die Ohren hauen kann, dann wäre das durchaus möglich.“ „Selbst in dieser besseren Welt gibts wohl keine Vergebung, was?“ „Du kanntest sie doch länger als ich. Ihr Temperament war... kaum zu übertreffen.“ „Jah, Vater bekam es meistens zu spüren.“ Darios grinste. „In Form von Töpfen und Pfannen.“

ergänzte seine Schwester, die nun auch grinste. Die Gedanken an ihre Familie erweckte in Larya ein Gefühl der Sehnsucht. Zu gern würde sie wieder frühs aufstehen und einen gedeckten Frühstückstisch vorfinden. Dann würde sie in den Stall schlendern und mit den kleinen Ziegen reden und schließlich mit ihrem Bruder auf das Feld gehen und Kartoffeln ernten. Sie hatte diese Arbeit gehasst, doch nun waren ihr die Kartoffeln lieber, als das herumgelaufe. Nach einer gefühlten Ewigkeit des

Abtastens. wurde der Pass wieder breiter und der Himmel heller. Eine ganze Nacht lang waren sie nun durch den Schattenpass gelaufen. Larya hatte stark mit ihrer Müdigkeit zu kämpfen. Ihre Beine schmerzten von Zeit zu Zeit mehr und knickten immer öfter ein. Die Beinmuskeln fühlten sich an, als ob sie gar nicht mehr da wären. Würden ihre Hände die Wand nicht abstützen, wäre sie schon längst hingefallen. Sie war am Rande der Erschöpfung. Jeder Schritt schien immer schwerer zu werden. Hinzu kam noch das Gefühl, überhaupt nicht vorwärts zu

kommen. Dann tasteten ihre Hände eine merkwürdige Felsformation. Die Wand war nun zu eben und zu rund, um von der Natur geformt zu sein. „Hier ist etwas.“ sagte sie. „Wieder ein Käfer?“ „Nein. Eine Art Gebäude, glaube ich.“ Sie schaute hinauf und sah die Silhouette eines alten zerfallenen Turmes, der bis zur Bergspitze hinauf ragte. „Ein Turm!“ Sagte sie aufgeregt. Gelassen antwortete Darios „Ah, das ist gut. Das bedeutet, dass wir den Pass bald durchquert

haben.“ „Was ist das für ein Turm?“ „Ein ehemaliger Wachturm der Drachen. Der einzige auf diesem Weg.“ „Der Drachen?“ Für diesen Moment war ihre Erschöpfung wieder wie weggeblasen. „Ja. Wenn es jetzt hell wäre, würden wir erkennen, dass der Turm vollkommen schwarz ist. Von den Drachen hab ich dir ja erzählt. Sie waren überall verhasst. Und da es größtenteils Kampfmagier waren, die Feuer formen konnten, hatte man sie eines Nachts mit ihren eigenen Waffen geschlagen und den Turm

ausgeräuchert.“ „Hat denn keiner Wache gehalten?“ „Nein. Sie bekamen ihren Wein immer aus Meynebruck. Dieser wurde für die Drachen so stark mit Schlafmittel angereichert, dass ein Schluck ausreichte, um sie schlafen zu legen. Zu der Zeit hätte ich lieber nicht in dieser Stadt leben wollen. Die Drachen haben Meynebruck daraufhin in Schutt und Asche gelegt. Hat Jahrzehnte gedauert, die Stadt wieder aufzubauen. Seitdem hat niemand mehr solch eine Tat begangen.“ „Woher weißt du das denn alles? Egal, was ich dich frage, du weißt auf alles

eine Antwort.“ „Diese Geschichte hab ich in der Taverne aufgeschnappt. Die alten Männer hatten sich viel zu erzählen... Hier können wir eine Weile rasten. Aber nicht hineingehen. Ich will nicht neben den Knochen toter Drachen sitzen.“ Sie setzten sich auf die Treppe, die zum Eingang führte. Fast gleichzeitig stöhnten beide erleichtert auf. Welch eine Erlösung. Anstatt sitzen zu bleiben, legte sich Larya gleich mit ihrem ganzen Körper auf die Treppe und begutachtete ihre Füße. Sie band das Stück Leder von

ihrem Fuß und sah, dass fast alles mit Blasen bedeckt war. Als Darios das sah, sagte er „Ist es sehr schlimm?“ „Ach nein. Die meisten Blasen sind ja sowieso schon geplatzt.“ „Dir kann wohl nichts die Laune verderben, oder?“ Mit einem Blick nach Süden antwortete Larya. „Noch nicht. Aber wer weiß, was uns noch alles erwartet. Wo wir schon mal bei der Zukunft sind... darf ich eine Weile schlafen? Zumindest bis zum Sonnenaufgang?“ „Ja. Ich werde Wache halten.“

adryans last

Arushs kleiner Finger machte ihm zu schaffen. Während die anderen keine Probleme hatten, dem Schritten Adryans mitzuhalten, fiel es ihm reichlich schwerer. Ständig musste er seine Wunde zudrücken, um etwas weniger Schmerzen empfinden zu können. Er war eigentlich nicht für so etwas geschaffen. Dörfer überfallen, Menschen verfolgen. Viel lieber würde er Zuhause in der warmen Wüste von Formos seine Tiere hüten und noch einmal den warmen Sand

unter seinen Füßen spüren. Sand. Er würde jetzt alles dafür geben, um Wüstensand durch seine Finger gleiten zu lassen. Doch er würde nie mehr dorthin zurückkehren, das wusste er. Es war töricht von ihm gewesen, seinen Freunden mit in diesen Feldzug zu folgen. Dieser Krieg war erst bei seinem Anfang und würde vielleicht noch ewig andauern. Seine Chancen, auch nur die nächsten Wochen zu überleben, schätzte Arush als sehr gering ein. Dafür war er noch zu unerfahren im

Kampf. Beim nächsten Fehler verliere ich vielleicht mehr als meine Fingerspitze. Leute, wie Mynack oder Adryan waren für das Schlachtfeld geboren. Was Mynack an Intelligenz fehlte, machte er mit seiner Axt wieder wett. Wenn Er einmal ausholte, gab es für sein Gegenüber meist kein Zurück mehr. Adryan war eine Klasse für sich. Blitzschnelle Reaktionen, gepaart mit einer Voraussicht, die seinesgleichen suchte. Natürlich durften seine gefährlichen Feuerbälle auch nicht fehlen. Arush wollte gar nicht wissen, wie viele

Menschen seinetwegen schon dem Feuer zum Opfer fielen. Der Himmel erhellte sich langsam wieder, als sie am Schattenpass angelangt waren. Dort machten sie kurz halt. „Sie haben keine Rast eingelegt.“ Sagte Zylayn, ein kleiner muskulöser Bulle, dessen Tätowierungen sein ganzes Gesicht bedeckten. „Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.“ Darauf entgegnete Adryan, der sich langsam auf den Boden setzte. „Die Angst ist dazu in der Lage, jeden körperlichen Schmerz vergessen zu lassen und lässt einem Menschen

ungeahnte Kräfte zukommen. Hast du denn Angst, Zylayn?“ „Ich habe nie Angst.“ „Das ist bedauerlich, denn irgendwann kann sie dir dein Leben retten. Ich wette, der kleine Arush hier hat Angst im Überfluss. Ist es nicht so, Arush?“ „Ja, manchmal.“ Antwortete Arush. Er wusste nicht so recht, wie er auf die Frage reagieren sollte. „Deswegen“ Fing Adryan an, ohne irgendjemanden anzuschauen. Sein Blick galt dem Boden unter ihm. „Wirst du länger überleben, als Zylayn. Aber ich denke, dass er nicht ganz die Wahrheit sagt. Jeder Mensch hat Angst. Das

gehört zum Leben dazu. Vielleicht hat er nur keine Angst vor dem Tod oder vor dem Feind, aber sicherlich vor etwas anderem. Seine Familie.“ Zylayns Augen weiteten sich. Bis zu diesem Zeitpunkt war ihm nicht klar, dass er genau so fühlte. Er hatte tatsächlich Angst davor, seine Familie zu verlieren, oder nie wieder zu sehen. Sie war sein einziger Grund, diese Sache überleben zu wollen. Bis jetzt hatte er diese Gefühle erfolgreich verdrängen können. Er schwieg, doch das bestätigte nur Adryans

Aussage. „Ah…“ sagte der Magier und starrte immer noch auf den Boden. „Also doch Angst. Aber genau deswegen habt ihr euch entschieden, aus eurer warmen Wüste… eurem sandigen Gefängnis auszubrechen und an diesem Krieg teilzuhaben. Damit eure Familien endlich in Sicherheit leben können. Und wer weiß… vielleicht sogar auch außerhalb der Wüste.“ Darauf schwiegen sie alle. Fast jeder von Ihnen hatte eine Familie in Formos, die dazu verdammt war, bis in alle Ewigkeit in der Wüste zu

verharren. Adryan hatte Recht. Genau deswegen hatten sie sich mit den schwarzen Magiern verbündet. Zu lange schon hatten die Formosi für ihre Vorfahren büßen müssen.Seit Jahrhunderten waren sie nun schon ausgestoßene, vogelfreie Menschen. Dann meldete sich Arush zu Wort. „Wart ihr da, als die Magierfeste belagert wurde?“ Bei diesen Worten blickte Adryan zum ersten Mal auf. Sein Blick war nun nicht mehr so starr und kalt. Ein kleiner Anflug von Traurigkeit war in seinen Augen zu

erkennen. „Ja.“ Fing er an. Seine Stimme war nun auch nicht mehr so kalt, wie sonst. „Ja, ich war da. Wir waren zu unvorbereitet, zu schnell. Es war ein Gemetzel. Kein Wunder, denn von uns kannte niemand den Krieger zu unserer Linken. Wir waren ein zusammengewürfelter Haufen zweier völlig fremder Völker. Ich wusste von Anfang an, dass es nicht gut laufen würde. Ich entkam nur knapp mit schwersten Verbrennungen.“ Adryan bemerkte, dass alle sich innerlich fragten, wo die Verbrennungen

waren. Er überlegte eine Weile, dann entschied er sich, sie ihnen zu zeigen. Mit einigen Handbewegungen öffnete er vorne seinen ledernen Brustpanzer und zog ihn aus. Als die anderen auf seine Brust sahen, verschlug es ihnen endgültig die Sprache. Einige mussten sich fast übergeben, konnten es aber gerade noch runterschlucken. Seine Brust war nicht mehr da. Stattdessen waren sämtliche Knochen zu sehen. Die übrig gebliebene Haut hatte sich hinter den Knochen versteckt und war bis zum Bauchnabel

Kohlrabenschwarz. „Die Angst war es…“ Fing Adryan wieder an. „die mich vor dem Tod bewahrt hat.“ Nachdem er sich seinen Brustpanzer wieder umgeschnallt hatte, stand er schweigend auf und setzte seinen Marsch Richtung Süden durch den Schattenpass fort. Die Anderen folgten ihm, ebenfalls schweigend.

die schatten

Die beiden Geschwister waren nun wieder unterwegs. Larya hatte ihren Schlaf sichtlich genossen, obwohl es ihrer Meinung nach zu wenig war. Ihre Beine hatten sich kaum erholt und die Blasen an ihren Füßen schmerzten mit jedem Schritt noch mehr. Aber sie wollte vor ihrem Bruder nicht meckern. Immerhin hatte er die ganze Nacht kein Auge zugetan und das merkte man ihm auch an. Augenringe, so groß wie Pfirsiche, zierten sein Gesicht. Wenn er kurz die

Augen schloss, fiel er immer wieder in einen kurzen Sekundenschlaf und wäre des öfteren beinahe gestolpert. Mit seinen Beinen hatte er weniger Probleme. Als sein Vater noch lebte, hatten sie oft Wanderungen gemacht, die sich manchmal über Tage erstreckten. Aber diese verdammte Müdigkeit. Selbst wenn Darios die Augen offen hatte, fühlte er sich wie in einem Traum. Alles war verschwommen und wirkte unecht. „Was…“, Das Reden fiel ihm ebenfalls schwer. Seine Stimme klang rau und tiefer als gewöhnlich „Was…äh, hast du heut wieder was geträumt?“ fragte er. Bei dieser Frage bekam Larya

Gänsehaut. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich nicht an ihren Traum erinnern können, doch nun kam ihr alles wieder in den Sinn. Sie hatte viel geträumt. Zu viel. „Nein, nichts.“ Antwortete Sie und war sich ihrer Lüge bewusst. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Er ist müde. Ich muss auf den richtigen Zeitpunkt warten. Da Darios zu sehr mit seiner Müdigkeit beschäftigt war, bemerkte er ihre Lüge nicht. Eine

Seltenheit. Endlich lichtete sich der Schattenpass. Beide staunten nicht schlecht, als sie die weite und steinige Ebene vor ihnen sahen. Kein einziger Baum war weit und breit zu sehen. Nur große Felsbrocken und Steine. Ganz im Süden in weiter Entfernung waren die nächsten Berge zu sehen. „Da hinten“, sagte Darios und zeigte mit seiner Hand auf das weit entfernte Gebirge. „Da hinten ist die Magierfeste.“ „Also ich seh da nur Berge.“ Entgegnete sie. „In den Bergen versteckt gibt es ein Tal und am Ende dieses Tales ist sie.“ „Und du willst ohne Rast dorthin

marschieren?“ „Nein…“, sagte Darios. Seine Stimme war nur noch ein rauchiges Flüstern. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und hatte die Augen fast geschlossen. „Nein, ich kann nicht mehr. Wir müssen ein Versteck abseits des Weges suchen.“ Sie schafften es nur ein paar Meter weit, denn ganz plötzlich sprangen mindestens ein Dutzend Menschen hinter den vielen Felsen hervor, die überall verstreut waren. Allesamt mit Bogen bewaffnet hatten sie diesen bis zum Anschlag angezogen und

zielten direkt auf die beiden Geschwister. Darios und Larya konnten nichts anderes tun, als ihre Hände zu heben und still stehen zu bleiben. Ihm fiel auf dass die hellbraune Lederrüstung der Bogenschützen allesamt mit einem Wappen versehen waren, doch sie waren zu weit entfernt, um es richtig sehen zu können. Alle standen eine gefühlte Ewigkeit still da. Die Bogenschützen hatten keine Mühe und hielten ihre Bögen angespannt. Darios entschied sich mangels Kraft, die Hände runter zu nehmen, nichts geschah. Dann endlich regte sich etwas. Hinter ihnen ertönte eine männliche

Stimme. „Wer seid ihr?“ Sagte ein kräftig gebauter Mann, dessen braunes Haar fast bis zur Hüfte reichte. Sein Blick verriet Sanftheit. Als einziger hatte er seine Waffe nicht gezogen. Die beiden Geschwister drehten sich um. Darios ergriff die Initiative „Wir sind Flüchtlinge. Dalynos wurde überfallen. Wir konnten nur knapp entkommen und sind nun auf der Flucht.“ Der Mann zog eine Augenbraue hoch. „Dalynos wurde überfallen? Diese Nachricht hat uns noch nicht erreicht. Von den Formosi?“ „Ich glaube schon. Sie trugen

Pelzrüstungen.“ „Ja, das sind Formosi. Diese Gegend hier ist zu kalt für sie, deswegen der Pelz. Ihr sagtet, ihr seid auf der Flucht? Vor wem?“ Die nächsten Worte musste Darios mit Bedacht wählen. Er durfte nicht zu viel verraten. Besonders nicht, wieso sie verfolgt wurden. „Eine Gruppe Formosi ist hinter uns her, angeführt von einem schwarzen Magier.“ Nun zog der Mann auch die andere Augenbraue hoch. „Ein schwarzer Magier? Ihr müsst ihn

wohl ziemlich wütend gemacht haben, dass er euch bis hierher verfolgt.“ „Wir sind entkommen. Das dürfte ihn schon genug verärgert haben.“ Darios hoffte, dass dem Soldaten die Aussage reichen würde. Wenn er erfuhr, dass Larya eine Magierin ist, würde das die ganze Sache noch verschlimmern. „Magier und ihre Hartnäckigkeit… Wie ich sie hasse.“ sagte der Soldat und befahl den Bogenschützen, die Waffen zu senken, was sie auch taten. Dann kam er auf die Geschwister zu und blieb einige Meter vor ihnen stehen. „Mein Name ist Adoran. Hauptmann Adoran. Was ihr hier seht, sind die

Soldaten von Schattenfall. Die Bewohner außerhalb Schattenfalls nennen uns…“ „Schatten.“ Beendete Darios seinen Satz. Nun konnte er das Wappen auf der Brust des Hauptmannes erkennen. Eine zackenschildförmige Form. In dieser war ein Berg zu sehen, über dem eine große rote Sonne schien und ihre Strahlen über das Wappen hinaus verteilte. Darios kannte diesen Berg. Mhyrgard, der einsam am Rande der Sturmberge thronte, um den sich viele Mythen rankten. Neben der Magierfest war Mhyrgard das Wahrzeichen

Schattenfalls. „Gut…“ setzte Adoran die Unterhaltung fort. „Und wer seid ihr?“ „Ich bin Darios. Und das ist meine kleine Schwester Larya.“ „Was ist euer Ziel?“ Als Larya den Mund aufmachen wollte, kam ihr Darios zuvor. „Rotheim. Wir hofften, dort ein neues Leben aufzubauen.“ „Das haben viele gehofft“, sagte Adoran und spähte immer wieder in Richtung des Schattenpasses. „Euer Dorf war nicht das einzige, dass

von den Formosi überfallen wurde. Täglich kommen Flüchtlinge von überall her. Rotheim ist überfüllt und hat keinen Platz für euch. Ich habe die Aufgabe, niemanden durchzulassen.“ „Was bedeutet das?“ sagte Darios. Seine rauhe Stimme wurde lauter. Adoran antwortete. Sein Blick blieb lange auf dem Schattenpass hängen. „Das bedeutet, dass ich niemanden durchlassen kann. Ihr müsst umkehren.“ Dann schaltete sich Larya in das Gespräch ein. „Sehen wir aus, als ob wir eine Gefahr wären? Tragen wir Fellrüstungen und stinken nach Wüste? Wir haben zwei

ganze Tage nicht geschlafen und nur sehr wenig gegessen. Wir brauchen dringend eine sichere Unterkunft. Wenn ihr uns jetzt wieder wegschickt, werden wir sterben. Wollt ihr das? Wollt ihr für den Tod eines armen kleinen Mädchens verantwortlich sein?“ Der Hauptmann erschrak, als sie zu sprechen anfing. Anscheinend hatte er Laryas junges Aussehen unterschätzt. Sie war weitaus schlauer, als ihr Aussehen es vermuten ließ. Er blickte zu seinen Männern, die schweigend wie angewurzelt da standen und überlegte. Seine eigene Tochter war

kaum älter, als dieses wackere Mädchen. Sie mussten einiges durchgemacht haben. Beide sahen sie total erschöpft aus. Darios kippte fast aus den Latschen, so müde war er. Und Larya hielt sich die Hand und stand fast nur noch auf einem Bein. Dann wendete Adoran sich wieder den Geschwistern zu. „In Ordnung. Ihr werdet in unserem Lager Verpflegung und ein Bett bekommen. Dann wird entschieden, was mit euch geschehen wird. Hasaren, Tarad! Ihr bleibt hier und bewacht den Pass. Beim ersten Anzeichen von Gefahr benutzt ihr euer

Horn.“ Das Lager, nur einige hundert Meter abseits des Weges entfernt, beherbergte lediglich einige Zelte und eine mickrige Feuerstelle, sonst nichts. Sofort schürte einer der Soldaten ein kleines Feuer. Ein anderer holte einen Topf Kartoffelsuppe aus dem Lagerzelt und erwärmte es über dem Feuer. Darios wollte sie am liebsten schon kalt essen. Sein ganzer Bauch knurrte. In letzter Sekunde konnte er sich beherrschen und wartete wie seine Schwester, bis die Suppe fast kochte. Dann erst stürzten

sich beide drauf. Das beste Essen der Welt, fand Darios. Eine Weile saßen sie noch zu zweit am Feuer und schwiegen. Sie hatten es geschafft. Sie waren vorerst in Sicherheit. Vor dem Hauptmann hatten sie nichts zu befürchten. Larya sah in seinen Augen, dass er vertrauenswürdig war. Doch ganz in Sicherheit waren sie nicht. Die Hörner der zwei Soldaten, die zurückgeblieben waren, waren ihre größte Angst. Sie wollte am besten gar nicht wissen, wie sie sich

anhörten. Als die Sonne den Zenit erreichte, wurde Darios so müde, dass er in eines der Zelte verschwand und sich schlafen legte. Larya hingegen saß noch am Lagerfeuer und blickte hinein. Die Flammen loderten wild umher und ließen die Holzscheitel knacken. Die Glut unter den Scheiteln ließ sie erschaudern. Sie musste an den schwarzen Magier denken. Und an seine Gabe, andere zu verbrennen. Wie die Drachen

damals. Dann musste sie an ihren letzten Traum denken. So intensiv hatte sie noch nie geträumt. Das darf nicht passieren. Es darf einfach nicht passieren. Sorgenfalten machten sich über ihrem Gesicht breit. Aber es wird passieren… niemand kann die Zukunft ändern… nicht einmal die, die sie sehen können. Aber…noch schlimmer ist… warum passiert es? Larya wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Adoran sich neben ihr ans Lagerfeuer setzte und auch in die

Flammen starrte. „Du erinnerst mich an meine Tochter.“, Sagte er. „Sie müsste jetzt in deinem Alter sein.“ „Müsste?“ fragte Larya ihn. „Ich bewache den Schattenpass schon seit Ewigkeiten. Schon vor dem Krieg war ich hier. Mein Sold geht gleich nach Hause an die Familie.“ Er nahm einen kleinen Stock und stocherte in der Glut herum, sodass Funken umherflogen. Als Larya schwieg, fügte er noch hinzu „Wenn meine Tochter nur halb so mutig wäre, wie du, würde ich mich als glücklichen Vater

bezeichnen.“ „Ich bin nicht mutig…“ lächelte Larya, „Ich habe Angst vor Käfern und anderen Krabbelviechern.“ Adoran beugte sich langsam zu ihr hinüber und flüsterte geheimnisvoll „Hab ich auch. Aber nicht weiter sagen, sonst lachen sie mich hier aus.“ Daraufhin konnte Larya sich ein Lächeln nicht verkneifen. So ein großer und Starker Hauptmann, der Angst vor so etwas kleinem hatte. Das gefiel ihr. Nicht jeder würde zugeben, dass er Angst vor kleinen, krabbelnden Insekten

hatte. Dann setzte Adoran die Unterhaltung fort. „Doch, du musst ziemlich mutig sein. Ihr seid den Formosi entkommen. So etwas schaffen nicht viele.“ „War meines Bruders Schuld. Er hat mich hinter sich her geschleift. Er ist der mutigere von uns beiden.“ „Du bist ja auch noch jung.“ Nun schwiegen beide wieder. Während Adoran weiter mit seinem Stock in der Glut stocherte, schaute Larya verdrossen in Richtung Süden. Es wird noch ein langer Marsch bis zur Magiergilde… sofern Adoran uns gehen

lässt. Diesmal führte Larya die Unterhaltung fort. „Was werdet ihr tun, wenn unsere Verfolger durch den Pass sind?“ „Nun ja.“ Sagte Adoran und blickte in Richtung der südwestlichen Berghänge. „Wir haben etwas weiter hinten im Berg eine kleine Schneise entdeckt. Diese haben wir mit einer Falle versehen. Wenn wir das Horn hören, ziehen wir uns dorthin zurück.“ „Was für eine Falle ist das?“ „Lass dich überraschen. Aber mir wäre es lieber, wenn wir sie nicht benutzen

müssten.“ Als Adorans Stock zu glühen anfing, legte er ihn ins Feuer. Dann sah er hinüber zu Larya. „Du solltest dich jetzt etwas ausruhen. Das Zelt da drüben ist leer.“ „Eine gute Idee. Mein letzter Schlafplatz war etwas zu unbequem, da ist mir so ein Zelt willkommener.“ Nun verschwand auch Larya in eines der Zelte und legte sich auf das Bett. Es stank zwar nach Schweiß, aber das machte ihr nichts aus. Die Bequemlichkeit, endlich wieder mal ein weiches Bett zu spüren, ließ ihre Glücksgefühle in die Höhe

springen. Nach kurzer Zeit fiel sie in einen tiefen Schlaf.

die folter

Währenddessen hockten Hasaren und Tarad schweigend hinter einem der vielen Felsen und hielten ihre Hörner griffbereit. Immer wieder blickte Tarad nach Norden, in der Hoffnung, sein Heimatdorf Mynerstatt zu sehen. Doch es war zu weit entfernt. Außerdem verdeckten die Berge seine Sicht. Einige Wochen, bevor er einberufen wurde, hatte er sich endlich getraut, seine große Liebe anzusprechen. Schon ihr Name erwärmte sein Herz. Katjana. Da er oft für den Wachdienst eingeteilt wurde, hatte er viel Zeit, um an Katjana

zu denken. Seit seiner Kindheit waren sie Nachbarn gewesen und hatten doch nie miteinander geredet. Nachdem Katjanas Vater gestorben war, hatte er sich entschlossen, ihr sein Beileid auszudrücken und das erste Mal mit ihr zu reden. Mit Erfolg. Beide verstanden sich auf Anhieb prächtig und verbrachten von nun an jeden Tag miteinander. Die Nachricht zur Einberufung in die Armee kam dann unerwartet. Tarad war am Boden zerstört, Katjana ging es nicht anders. Nun musste er noch zwei Jahre hier auf Patrouille gehen und sich hinter Felsen

verstecken. Er hatte sich fest vorgenommen, sie bei seiner Rückkehr ehelichen zu wollen. Doch dazu musste er die Sache hier überleben. Er schaute hinüber zu Hasaren, der sein Horn anstarrte. Als Hasaren die Blicke Tarads bemerkte, fragte er. „Sag mal, was ist das eigentlich für Holz?“ Lustlos antwortete Tarad.

„Keine Ahnung.“ „Und wie macht so ein kleines Stück Holz so viel Lärm?“ „Keine

Ahnung.“ „Hast du überhaupt von etwas eine Ahnung?“ „Keine Ahnung.“ „Ja, das dacht ich mir schon. Hast du noch was zu essen dabei?“ „Wo ist deins denn?“ „Vergessen. Ich dachte nicht, dass ich hierbleiben würde.“ Tarad schaute genervt um sich und machte eine fragende Handbewegung. „Siehst du hier irgendwo eine Tasche?“ „Nein.“ „Dann hab ich auch kein Essen dabei. Wir werden wohl abwarten müssen, bis uns jemand ablöst. So lange kann es ja nicht mehr dauern.“



 Plötzlich ertönte eine tiefe Stimme von hinter dem Felsen. „Kann ich euch vielleicht ablösen?“ Sie wussten erst gar nicht, was Sache war. Dann kam ein Mann mit einer schwarzen Lederrüstung zum Vorschein. Wie konnte er sich so leise an uns heranschleichen? Hier liegen überall Steine, das ist unmöglich. Schnell wollte Tarad in sein Horn blasen. „Ah ah, bitte nicht.“ Sagte Adryan und hockte sich zu ihnen. „Gebt mir eure Hörner und euch wird nichts

geschehen.“ Während Hasaren sich in Schockstarre befand, dachte Tarad nicht daran, auf diesen Mann zu hören. Wieder führte er sein Horn zum Mund und holte tief Luft, aber bevor er blasen konnte, riss ihm Adryan das Horn aus der Hand. Noch während es in seiner Hand war, fing es an, lichterloh zu brennen, bis nach wenigen Sekunden nur noch Asche übrig war. Oh nein, der Magier. Als er sich die Asche von seiner Hand gewischt hatte, galt seine Aufmerksamkeit

Hasaren. „Dein Horn bitte.“ Immer noch halb in Schockstarre tat Hasaren, was ihm befohlen wurde. Anstatt es auch zu verbrennen, steckte Adryan es ein. „Um deine Frage zu beantworten… Das ist Elfenbein, und kein Holz.“ Fügte Adryan noch hinzu. Mit einer Handbewegung rief er zwei seiner Männer zu sich, die mit Seilen bewaffnet waren. Sie fingen an, die beiden Soldaten zu an Händen und Füßen zu fesseln. „Wisst ihr…“ sagte Adryan, der nun zwischen den beiden saß und sich

gemütlich an den Felsen lehnte. „Ich sehe meine Art der Magie nicht als Gabe an. Es ist eher ein Fluch. Unzählige Male war ich zu unvorsichtig und habe meine eigene Kleidung verbrannt. Meine Mutter kam damals nicht mehr hinterher, neue zu nähen. Habt ihr euch schon mal verbrannt? Der schlimmste Schmerz, den man sich nur vorstellen kann. Es gibt nur eine Kraft, die schmerzvoller ist.“ Dann sah er zu Tarad herüber. „Die unerfüllte Liebe.“ Woher weiß er das? Dachte sich Tarad. Selbst den anderen Soldaten hab ich es

nicht gesagt. Als der Magier das verdutzte Gesicht des Soldaten sah, musste er leicht grinsen. „Keine Angst, ich kann keine Gedanken lesen. Ich hab geraten.“ Nun waren Tarads Hände und Füße gefesselt. Hasaren saß immer noch schweigend da. Er war nun ebenfalls gefesselt. Adryan setzte seine Rede fort. „Euer Anführer hat doch sicherlich einen Plan, wie er uns zuvorkommen kann. Ich möchte, dass ihr mir alles erzählt. Sonst muss ich euch foltern. Und ich erkenne

Lügen.“ Tarad war fest entschlossen, nichts zu erzählen. Er wollte nicht den Tod vieler Menschen auf dem Gewissen haben. Er würde sich auf ewig dafür hassen. Außerdem waren ihm seine Kameraden ans Herz gewachsen. Er bemerkte, dass Hasaren auch schwieg. Entweder war er noch in Schockstarre, oder bei ihm würde sich auch so etwas wie Mut zeigen. „Ich weiß.“ Adryan brach das Schweigen. „Es ist nicht leicht, seine Kameraden zu verraten. Ich würde es auch nicht tun. Eher würde ich sterben.

Aber ich habe einen Auftrag. Und ich werde diesen erfolgreich ausführen. Auch wenn das bedeutet, dass ich euch Foltern muss.“ Als einige Sekunden lang wieder schweigen herrscht, legte Adryan wortlos seine Hand auf Tarads Schenkel. Der Schmerz, der ihm widerfuhr, war unerträglich. Einer der Formosi hielt ihm den Mund zu, sodass sein Schrei verhallte. Endlich nahm Adryan wieder die Hand weg. Tarads Hose war an der Stelle verbrannt und Blasen bildeten sich auf seiner Haut. Der Geruch von verbranntem

Fleisch stieg ihn in die Nase. Es brannte immer noch. Hasaren hatte nun noch mehr Angst, als er die Wunde sah. Schnell schaute er wieder nach oben und fing an, schneller zu atmen. „Immer noch nicht?“ sagte Adryan. Als wieder niemand etwas sagte, ging er mit seiner Hand höher und blieb an der wichtigsten Stelle eines Mannes stehen. „Kinder. Komm schon. Du willst doch noch Kinder haben, oder? “ Ja, das will ich, dachte sich Tarad. Aber ich werde ihnen nie in die Augen schauen können, wenn ich jetzt aufgebe und die Sache

überlebe. Nun machte er sich auf das gefasst, was kommen würde. Sein ganzer Körper zitterte nun, doch er bemühte sich, standhaft zu bleiben. Dann senkte der Magier die Hand. Der Schmerz, der nun folgte, war noch schlimmer. Blitzschnell breitete die Hitze sich aus und ging bis zum Bauch. Wieder hielt einer der Formosi Tarad den Mund zu. Und was war auch nötig. Seine Schreie wären noch in weiter Ferne zu hören. Tarad hatte nur noch einen

Wunsch. Hör auf, hör auf, hör auf, hööööör aaaaaaaauf. Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm Adryan seine Hand wieder weg. „Du hast soeben deine zukünftigen Kinder gegen deine Kameraden eingetauscht.“ Tarads Kehle war trocken. Er konnte nur noch an den Schmerz denken. "Nun werde ich dir noch etwas wichtiges nehmen, wenn du nicht bald dein heldenhaftes Schweigen brichst." Kein Ton kam aus Tarads Mund. Diesmal tastete Adryans Hand sein Gesicht

ab. "Ob dich deine große Liebe auch noch lieben wird, wenn du kein Gesicht mehr hast?" Ohne dass Tarad die Möglichkeit hatte, etwas zu sagen, wurde sein Gesicht immer wärmer. Er wollte sowieso nichts sagen. Katjana würde ihn auch so lieben... glaubte er. Ein zischendes Geräusch verriet Hasaren, dass nun das Gesicht Tarads anfing, zu schmoren. Er konnte nicht hinsehen. Seine Gedanken waren aber nur dem Feuer

gewidmet. Dem Feuer dieses Magiers, der alles und jeden verbrennen konnte. Tarads Schreie hörten sich nun rau an, gefolgt von einem gurgelnden Geräusch. Er schluckte jede Menge Blut. Als Adryan endlich wieder die Hand vom Gesicht nahm, sagte er „Ich bewundere deinen Mut und deine Opferbereitschaft. Aus dir ist wahrlich nichts herauszuholen.“ Die Haut auf Tarads Gesicht war nun komplett verbrannt und rauchte. Seine Sicht war vollkommen verschwommen, aber das kümmerte ihn nicht mehr. Er wartete nur darauf, dass die

Schmerzen vergingen. Er wartete nur noch auf den Tod. Dann stand Adryan auf und befahl seinen Männern, Tarad loszubinden. Kurze Zeit später stand Tarad aufrecht, konnte sich aber kaum noch halten. Sein gesamter Unterleib schmerzte und war mit Blasen bedeckt. Bei jeder Bewegung schmerzte alles noch mehr. Das Gesicht brannte so sehr, dass Tarad beinahe bewusstlos wurde. Nun sah er verschwommen die restlichen Formosi, die das Schauspiel in geringer Entfernung gespannt

beobachteten. Adryan stand nun genau vor ihm. „Ich gönne dir einen schnellen Tod. Wir werden uns in der besseren Welt wiedersehen und dort zusammen einen trinken… irgendwann.“ Tarad wollte nur noch sterben. Die Schmerzen waren unerträglich. Ja, er würde seine große Liebe nicht wiedersehen. Er würde nie den Augenblick erleben, wie er wieder nach Hause kommt und sie schon sehnsüchtig auf ihn wartet. Und auch nie mehr den strahlenden Blick in ihren Augen, wenn sie lacht. Oder ihre niedlichen Mundwinkel, die

sich langsam nach unten biegen, wenn sie weint. All das würde er eine lange Zeit nicht wieder sehen. Aber er glaubte wie Adryan an eine bessere Welt nach dem Tod. Der Magier führte seine Hand nun langsam zu Tarads Kopf und legte sie auf seine verbrannte Stirn. Seine letzten Gedanken galten Katjana… Er musste lächeln… Dann spürte er ein letztes Mal einen stechenden Schmerz. Zuerst fing sein Kopf Feuer. Dann breitete es sich blitzschnell nach unten aus. Den Geruch von verbranntem

Fleisch stieg Adryan in die Nase. Aber er kannte diesen Geruch schon zu gut, um seine Nase angewidert zu rümpfen. Natürlich war das ein unerträglicher Gestank, aber er hatte sich damit abgefunden. Seine Miene blieb unverändert. Nach einigen Sekunden war nur noch ein rauchender Aschehaufen am Boden zu sehen. Nun kam Adryan schnellen Schrittes auf Hasaren zu. Der schlotterte vor Angst. „Willst du mir jetzt sagen, was ich

wissen muss? Wirst du dafür sorgen, dass dein Kamerad umsonst gestorben ist?“ Ohne Umschweife nickte er. Er wollte einfach nur überleben und auf keinen Fall verbrannt werden. Es war sowieso nicht seine Schuld, dass er hier ist. Er wollte überhaupt nicht an diesem Krieg teilhaben. Er hatte ihn nicht angefangen, also sah er es auch nicht ein, für ihn zu sterben. Zumal niemand den wirklichen Grund kannte. Klar, die Formosi wollten Freiheit, aber was hatten die schwarzen Magier damit zu tun? Für den folgenden Satz brauchte Hasaren

nicht lange überlegen. „Ja, ich erzähle alles.“

die falle

Es war früher Abend, als Larya aufwachte. Schlaftrunken rieb sie sich die Augen. Diesmal hatte sie zum Glück einen traumlosen Schlaf gehabt. Nur widerwillig setzte sie sich auf. Unter der Decke war es so schön warm und kuschelig, dass sie sich entschied, noch eine Weile sitzen zu bleiben. Um nicht an ihren letzten Traum denken zu müssen, zählte sie die Fäden, die aus der Decke hingen. An manchen zog sie, sodass diese immer länger wurden. Mit aller Kraft riss sie den Faden ab und band ihn sich um das

Handgelenk. So, jetzt habe ich endlich mal eine schöne Kette. Mein Lebenstraum ist in Erfüllung gegangen. Nachdem einige Zeit verstrichen war, fragte sie sich, ob Darios schon wach war. Es war an der Zeit gewesen, ihm von ihren Traum zu erzählen. Schließlich betraf dieser Traum nur ihn. Dann hörte sie etwas. Es hörte sich an, wie… Ein Brüllen? Nein, es war… Ein Horn! Es kam aus der Richtung des

Schattenpasses. Oh nein, sie sind da! Sofort kam Darios in das Zelt gestürmt, packte sie hart am Arm und zerrte sie hinaus. Draußen kam es Larya so vor, als würden alle wild umher rennen. Doch bei genauerer Betrachtung versammelten sie sich in der Mitte des Lagers. Als Adoran die beiden Geschwister sah, winkte er sie hektisch zu sich heran. „Sie kommen, wir müssen gehen.“ „Sehen wir jetzt die Falle?“ fragte Larya in der Hoffnung, die Stimmung ein wenig auflockern zu können und machte

dabei ein aufgeregtes Gesicht. „Ja, wir sehen jetzt die Falle.“ Entgegnete Adoran. Und wieder war er von der Kleinen überrascht gewesen. Wenn sie Angst hatte, dann konnte sie sie sehr gut verstecken. „Also los Männer. Ihr wisst, was ihr zu tun habt. Auf geht’s!“ Nach diesem Befehl traten sie ihren kurzen Marsch nach Süden an. Immer noch Hand in Hand und immer noch schlaftrunken reihten sich Larya und Darios ganz hinten ein. Das schnelle Schritttempo der Soldaten gefiel Darios, der seine Schwester fast schon hinterherziehen

musste. Ich kann mitkämpfen, aber ich hoffe, dass Larya einen Platz bekommt, wo sie sicher ist, dachte sich Darios. Nach einigen Minuten sahen sie endlich die Schneise. Es sah so aus, als ob jemand mit einer reichlichen Portion Langeweile und einer Spitzhacke einen Weg durch die Berge hacken wollte, aber nach fünfzig Metern keine Lust mehr hatte. Trichterförmig wurde sie nach und nach immer enger. An den Seiten war mannshohes undurchsichtiges

Gestrüpp. „Hier“ sagte Adoran und zeigte auf das Gestrüpp „werden einige sich verstecken. Sie werden reinkommen, und wir greifen sie dann von hinten und von vorne an. Eine Flucht ist ausgeschlossen. Keiner wird euch mehr jagen. Ganz hinten gibt es eine kleine, kaum sichtbare Höhle. Da wirst du dich verstecken, bis alles vorüber ist.“ Larya war begeistert von der Idee. Und doch fühlte sie sich irgendwie merkwürdig. Also ob etwas nicht stimmte… Als die Ersten hinten angekommen

waren, hörte sie einen Aufschrei. Sofort rannte Adoran hin. „Was ist denn?“ Alle blickten sie auf den Boden. Dort lag halb verbrannt ein zusammengekauerter Körper, der sich noch bewegte. Adoran erkannte das Gesicht trotz der schweren Verbrennungen. „Hasaren? Hasaren, was ist mit dir passiert? Geht’s dir gut?“ „Er hat euch verraten…“ Ertönte eine Stimme hinter Ihnen. Alle drehten sich um. Dort sahen sie einen einzelnen Mann mit schwarzer

Lederrüstung. Darios und Larya erkannten diesen Mann nur zu gut. „Ich habe versprochen, ihn am Leben zu lassen, wenn er euch verrät. Er hat sein Leben das seiner Kameraden vorgezogen. Ich habe ihm jedoch nicht versprochen, in welchem Zustand er am Leben bleibt. Ich hasse Verräter. Von denen gibt es schon genügend.“ Anschließend sprangen die anderen Formosi aus den Gebüschen, allesamt mit gezückten Waffen. Dass es so viele waren, hatte Adoran nicht gedacht. „Gebt mir das Mädchen und den Jungen, dann werden wir

weiterziehen." Als Adoran wieder vorne angekommen war, stellte er sich schützend vor die Beiden. „Ihr habt einen meiner Männer getötet und einen bis auf Erkennungslosigkeit geschändet. Ich kann euch nicht ziehen lassen. Die Strafe… ist euer Tod. dreckiger Magier!“ Adryan zog seine Augenbrauen hoch. „Dreckiger Magier? Ihr nennt mich einen dreckigen Magier? Ihr wisst wohl nicht, dass ihr selbst zwei Magier in euren Reihen habt… und ich will sie

haben.“ Ungläubig blickte Darios drein. Zwei Magier? Aber ich bin doch kein Magier. Er muss sich irren. Adoran schaute ebenfalls ungläubig auf die Beiden herab. Er hasste Magier. Sie drehten die Gesetze, wie es ihnen gerade passte. Die Magiergilde wanderte am Abgrund ihrer Existenz und zog Schattenfall mit hinein. Dieser Krieg galt allein den Magiern. Weil sie sich aber in ihre Festung zurückzogen, mussten nun die umliegenden Länder leiden. Diese

Angsthasen. „Ihr seid also nicht auf dem Weg nach Rotheim?“ Fragte er. „Nein,“ sagte Larya entschlossen. „Wir wollen zur Magiergilde, um mich zur Magierin zu machen. Mein Bruder ist kein Magier.“ Daraufhin meldete sich Adryan wieder zu Wort. „Na wenn du meinst. Was ist denn nun, Hauptmann? Überlasst ihr mir die Beiden, jetzt wo ihr wisst, dass sie nur dreckige Magier sind?“ Adoran musste nicht lange nachdenken. Er hasste

Magier… Und doch war sie nur ein Kind und konnte nichts dafür. Man wird einfach so geboren. Was man daraus machte, war entscheidend. „Nein.“ sagte er. „Sie stehen unter meinem Schutz.“ „Na dann…“ entgegnete Adryan und schaute an Adoran vorbei auf die linke Felswand. Ein undurchsichtiges Dickicht an Pflanzen schlängelte sich unnatürlicherweise an ihr hoch. „Merkwürdiger Platz für diese Pflanzen, meint ihr nicht

auch?“ fragte er Adoran. Dieser weitete seine Augen. Nein, er weiß es… Hasaren hat ihnen auch das erzählt? Es war Arush, der nach Aufforderung Adryans an einem Seil zog. Daraufhin preschte das Dickicht mit einer enormen Geschwindigkeit herunter. Es stellte sich als mit riesigen Stacheln versehenes Holzbrett heraus. Einige konnten gerade noch so wegspringen, doch andere wurden regelrecht aufgespießt und zerquetscht. Larya und Darios lagen am Boden und

konnten ebenfalls gerade noch so wegspringen. „Mein Bein!“ schrie sie. Als Darios ihr Bein ansah, bemerkte er, dass Larya es nicht ganz geschafft hatte. Ihr Bein war von einem Stachel aufgespießt worden und hing fest. Jede kleine Bewegung zog Schmerzen nach sich, weshalb sie nun mitten im Schlachtengetümmel lag, denn nachdem die Stacheln heruntergesaust waren, rannten die Formosi sofort auf die restlichen Überlebenden zu. Ein erbitterter Kampf begann. Während Adryan wie wild Feuerbälle umherwarf, hatte Adoran aus einiger

Entfernung seinen Bogen gespannt und schoss einen Pfeil nach dem Anderen, wobei viele ihr Ziel verfehlten oder auf Schilde trafen. Mynack wirbelte mit seiner Angst umher, wie ein Berserker. Diejenigen, die er traf, flogen meterweit und prallten mit voller Wucht gegen die Felswände. Als Adoran dies sah, spannte er einen Pfeil und konzentrierte sich mehr denn je. Er atmete tief durch. Dann schoss er. Das tiefe Einatmen hatte sich

gelohnt. Der Pfeil bohrte sich tief durch Mynacks Hinterkopf. Dieser blieb erst eine Weile stehen und schaute ungläubig um sich. Dann griff er nach dem Pfeil und mit einem Ruck zog er ihn heraus. Adoran konnte seinen Augen kaum glauben. Als der kräftige Bulle zum nächsten Hieb ausholen wollte, fiel er schliesslich nach hinten und prallte leblos auf den harten Steinboden. Währenddessen versuchte Darios, das Stachelbrett anzuheben, um seine Schwester zu befreien. Die Schlacht

interessierte ihn nicht. Er wollte sie nur in Sicherheit bringen. Das Brett war zu schwer. Es war noch mit schwerem Metall befestigt. Ab und zu verfehlten ihn nur knapp einige Pfeile, doch die Pfeile waren ihm egal. Mit aller Kraft versuchte er noch einmal, das Brett anzuheben und musste dabei schreien. Komm schon. Ich darf nicht wieder versagen. Nicht bei meiner Schwester. KOMM SCHON! Endlich konnte er es anheben. Larya robbte vor und schrie auf vor

Schmerzen. Noch nie zuvor hatte sie solche Schmerzen verspürt. Der Stachel hatte sogar ihren Knochen zertrümmert. Laufen schien ihr unmöglich. Dann kam Darios angerannt und wollte sie auf die Schulter nehmen, als sich ein kräftiger kleiner Formosi mit Gesichtstätowierungen, ihm in den Weg stellte: Zylayn. Darios erkannte ihn. Er war es. Er hatte die Mutter der Beiden brutal abgeschlachtet. Darios sah

Rot. Wütend und mit aller Kraft, die ihm noch blieb, rannte Darios auf ihn zu und rammte ihn. Zylayn, überrascht von der Kraft dieses Jungen, fiel hinterrücks auf den Boden, Darios sprang auf ihn und schlug wutentbrannt in sein Gesicht ein. Schlag auf Schlag folgte. Zylayn wusste weder ein noch aus, konnte sich nicht wehren. Sein Gesicht tat immer mehr weh und Blut strömte überall heraus, doch Darios schlug immer weiter zu. Seine Hände fingen an, zu glühen. Ab und zu knackte

es, aber der wild gewordene Junge hörte es nicht. Er hörte nichts mehr. Er sah nichts mehr. Die Wut hatte ihn voll im Griff. Eine Wut, die er vorher nicht kannte. Adryan hingegen hatte nun Larya im Blick. Schnell rannte er in ihre Richtung. Er wollte sie in Sicherheit bringen. Er brauchte sie noch. Er brauchte beide… Sie war Hellseherin. All die Jahre hatten die schwarzen Magier eine Hellseherin gesucht, um ein drohendes Unheil

abzuwenden. Ein Unheil, dass vielleicht die ganze Welt verändern würde. Die Magiergilde hatte davon keine Ahnung. Bei den Erzmagiern vergangener Zeiten stießen sie auf taube Ohren. Dieser Krieg hatte weit mehr Gründe, als nur die Freiheit der Formosi… Larya sah, wie der schwarze Magier auf sie zustürmte. Sie versuchte, aufzustehen, doch ihr Bein schmerzte zu sehr. Sie versuchte es wieder, doch vergebens. Wenn sie doch nur zu Adoran käme, wäre sie fürs erste in

Sicherheit. Adryan war nur noch einige Meter von ihr entfernt. Seine volle Konzentration galt nur noch ihr. Dies bemerkte auch Adoran. Er spannte seinen Bogen und zielte auf den heranstürmenden schwarzen Magier. Keine Zeit, sich eine ruhige Sekunde zu gönnen, um aufzuatmen. Er ließ die Sehne los, sein Pfeil flog. In diesem Augenblick schaffte Larya es, aufzustehen. Der Pfeil

flog. Erfreut über ihren Erfolg musste sie leicht grinsen. Er flog immer weiter. Adryan brauchte nur noch wenige Meter, um zu dem Mädchen zu gelangen, als er den Pfeil erblickte. Alles spielte sich nun in Zeitlupe ab. Er wusste, wo der Pfeil auftreffen würde. Das erste Mal seit langer Zeit verspürte er Angst, richtige Angst. Diese spiegelte sich in seinem Gesichtsausdruck wider. Das Mädchen…

nein! Darios konnte endlich seine Wut bändigen. Er merkte, dass etwas nicht stimmte. Langsam drehte er sich zu Larya um, die nun aufrecht stand und in sich hinein grinste. Dann sah er Adryan, wie er nur wenige Meter vor ihr stehen blieb und schockiert auf eine Stelle vor Larya starrte. Erst jetzt bemerkte Darios den Gegenstand, der auf Larya

zuflog. NEIN! Dann traf er ein. Laryas Hals wurde durchbohrt. Sie fiel wieder auf den Boden. Sofort hörten alle Männer auf, zu kämpfen. Kurz darauf schleuderte Adryan einen Feuerball auf Adoran. Dieser fiel auf die Knie und sah entsetzt auf Larya, die sich blutend am Boden räkelte und sich den Hals

hielt. Danach war von ihm nur noch Asche übrig. Darios schrie sich die Kehle aus dem Leib und wollte zu ihr rennen, doch Adryan hielt ihn fest. Wild umher schreiend schlug Darios um sich, doch ohne Erfolg. Der Griff des schwarzen Magiers lockerte sich nicht. Du kannst nichts mehr machen, Junge. Larya spürte, wie ihr das Blut den Hals herunter lief. Sie röchelte verzweifelt nach Luft, aber sie konnte nicht mehr

atmen. Stattdessen schluckte sie nur noch mehr Blut. Ich sterbe! Als sie eingesehen hatte, dass es kein Zurück mehr gab, vergingen die Schmerzen langsam. Sie kämpfte nun nicht mehr dagegen an und bemühte sich nun nicht mehr, zu atmen. Es war zwecklos. Deswegen war ich in dem Traum nicht

dort… Sie nahm nun ihre Hände vom Hals und ließ das Blut laufen. Währenddessen drehte sie sich zu ihrem Bruder um. Keine Schmerzen mehr. Ich will dir noch etwas sagen, dachte sie. Reden konnte sie nicht mehr. Der Pfeil in ihrem Hals und das viele Blut in ihrem Mund, verhinderte dies. Nun war ihr auch klar, was es mit ihrem letzten Traum auf sich

hatte. Geh nicht dorthin. Geh nicht. Du wirst nicht mehr du selbst sein. Du wirst schlimme Dinge machen. Es war doch nicht deine Schuld. Es ist alles nicht so schlimm. Ich werde diese Welt verlassen und in eine Bessere

gehen. Ihr wurde kalt. Während Adryan traurigen Blickes ihren Bruder wegzerrte, der immer noch um sich schlug und schrie, schaute sie ihnen noch ein letztes Mal hinterher. Er verstand es nicht… Sie spürte einen inneren Frieden, wie sie ihn noch nie gekannt hatte. Als ob sie nichts mehr zu befürchten hatte. Alles wurde weiß und

friedlich. Auf Wiedersehen, geliebter Bruder. Ich werde auf dich warten… Dann schlossen sich ihre Augen und sie fand sich in einer besseren Welt wieder.

0

Hörbuch

Über den Autor

merowinger99
ich würde über mich sagen, dass ich ein recht normaler Mensch bin, der wie jeder andere auch seinen Weg in der großen, weiten, möglichst nicht steinigen Welt gehen will.

Leser-Statistik
20

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Buhuuuh Gut gut! :)
Vor langer Zeit - Antworten
exguesi Seite 77 ist sehr schön geschrieben ;)
Vor langer Zeit - Antworten
merowinger99 jah find ich auch. ^^
thx.
Vor langer Zeit - Antworten
exguesi Mir gefällt deine Geschichte sehr. Hoffentlich komme ich mal dazu weiterzulesen. Vor allem die Webseite dazu ist sehr toll gemacht und amüsant ;)
Vor langer Zeit - Antworten
merowinger99 Danke.
Aber die Webseite gefiel mir nicht so, deswegen hab ich sie komplett überarbeitet und müsste nun schon online sein, wenn alles geklappt hat.
Vor langer Zeit - Antworten
exguesi ja optisch sieht die neue Seite besser aus ;)
Vor langer Zeit - Antworten
merowinger99 Uh und vielen dank für die Coins.
Ist mir erst jetzt aufgefallen ^^.
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
7
0
Senden

105199
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung