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Die Abenteuer der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz

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"Wer sagt Hexen, Zauber und Magie gibt es nicht?"
Veröffentlicht am 07. Januar 2014, 64 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Wer sagt Hexen, Zauber und Magie gibt es nicht?

Die Abenteuer der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz

Die abenteuerlichen Geschichten der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz Heft 1 „Ein Weihnachtszauber“


Eine unnötige Information

Die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz trug ein blaues Kleid mit weißen Punkten, das in der Regel sehr bekleckert war. Einige Flecken waren rot, andere grün, manche gelb und auch schwarze Flecken waren dabei. Das

kam so, weil manchmal ein Zaubertrank zu stark blubberte und ein Spritzer davon auf Amaldas Kleid landete. Am Gürtel der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz hing stets ein kleiner Beutel, gefüllt mit allerhand Kräutern. Die überaus begabte alte Hexe hatte rotes Haar, einen wahrhaftigen Krauskopf, hatte sie. Und das, obwohl sie schon so alt war, dass sie drei Ziffern schreiben musste, nicht nur zwei, wenn sie ein Formular ausfüllte. Sie war also in jedem Fall mindestens hundert Jahre alt. Und dennoch kein einziges graues Haar. Ihre Freunde fragten sich da natürlich: War das ein Zauber?

Wie dem auch sei. Die steinalte Hexe

Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz war über hundert Jahre alt. Stellt euch das mal vor. Sie war so alt, dass sie die mächtige Eiche, die vor Amaldas kleiner Hütte stand, und die bei großem Wind an ihre Fenster klopfte um die Hexe um einen warmen Tee zu bitten, bereits kannte, als die Eiche gerade einmal zehn Zentimeter groß war. Ein Winzling war das Bäumchen, kaum mehr. Es trug nur ein einziges saftig grünes Blatt, auf dem sich früh morgens immer ein einziger schimmernder Tautropfen verlief. Diesen Tropfen sammelte Amalda für den Guten-Morgen-Tee, den sie mit dem jungen Bäumchen teilte, stets ab und träufelte ihn in das Gebräu. Junge

Bäumchen müsst ihr wissen, brauchen nämlich Zuwendung.

Wo waren wir stehen geblieben? - Achso.

Die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz war so alt, dass sie Lukasch, dem kleinen Schaf, das gern meckerte, Geschichten zum Einschlafen erzählte, die der Vater von Lukasch nicht kannte, nicht einmal der Großvater. Ja sogar der Urgroßvater hatte die Geschichten nicht gekannt, hat der Vater Lukasch einmal ins Ohr geflüstert, als die steinalte Hexe Amalda Topffelpuff von Wolkenschnitz einmal nicht hingehört hatte. Mit ihrem Alter war die liebe Amalda nämlich etwas heikel. Wenn

jemand fragte wie alt sie denn sei, sagte sie stets: „So eine unnötige Information.“ „Das muss doch keiner wissen.“ „Also sowas.“ Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ließ den Fragenden bedröppelt stehen. Selbst den allerengsten Freunden sagte sie jedes Jahr aufs neue an ihrem Geburtstag sie sei 99 Jahre alt geworden. Nunja, den Freunden war es nicht so wichtig. Immerhin konnten sie doch das Transparent, dass sie in jenem Jahr, als die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz tatsächlich 99 Jahre alt geworden war, angefertigt hatten, immer und immer wieder verwenden. Das ersparte jede Menge Arbeit.

Eisblumen

An einem lauen Wintertag saßen Amalda, ihr Cousin zweiten Grades, der liebe, aber etwas mürrische Rattolowitsch Grauschwanz und das kleine Schaf Lukasch, das sie über die Feiertage besuchte, am Kaminfeuer. Sie tranken leckeren Zitronenverbene-Tee. Sie waren nämlich noch ganz erfroren, weil sie einen langen Schneespaziergang gemacht hatten um Eisblumen zu sammeln. Diese Blumen waren etwas ganz besonderes und die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz freute sich das ganze Jahr darauf diese Blumen zu pflücken und hatte sogar eine kleine

Eisblumen-Pflück-Ausrüstung: eine gläserne Schere, ein Kühlomat, eine kleine, reichverzierte Kiste für die Blumenköpfe und etwas Honigwasser um sie zu versorgen. Eisblumen waren extrem zerbrechlich. Sie wuchsen nur bei Minusgeraden und nur auf spiegelglatten Oberflächen. Manchmal wuchsen sie sogar an den Fenstern von Menschenhäusern. „Das ist ein gutes Zeichen“, hatte Amalda zu Rattolowitsch Grauschwanz gesagt, als sie von einem besonders weihnachtlich geschmückten Fenster eine besonders schön gewachsene Eisblume pflückten. Die Freunde haben dann heimlich durch das Fenster gesehen. Die ganze Familie, mit

den Großeltern, den Onkel und Tanten und den Freunden und Freundesfreunden alle saßen sie zusammen und haben gegessen, gelacht und gespielt. Rattolowitsch Grauschwanz, Lukasch und der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz wurde es richtig warm ums Herz. „Lasst uns nach hause gehen“, hatte Amalda dann gesagt. „Eine schönere Blume finden wir nirgends.“

Zuhause angekommen, verhexte die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz die Eisblumen mit einem Frostzauber:

Ein Zauber schütze dieses Bild

Vor der Wärme sei ihm Schild

Dass die Blumen halten mögen

Auf des Spiegels Spiegel liegen

Bis der Winter voller Wonne

Platz schafft für des Frühlings Sonne.

So sprach sie und stellte die herrlich verzauberten Eisblumen auf einem Spiegel drapiert, auf das kleine Tischchen vor den Kamin, wo sie wunderbar funkelten und blitzten im flackernden Licht des Kaminfeuers.

Popo das Gespenst von Burg Wolkenstein

So saßen nun, die steinalte Hexe Amalda

Toffelpuff von Wolkenschnitz und der liebe, aber etwas mürrische Rattolowitsch Grauschwanz einander gegenüber am Kamin. Lukasch, der bereits eingeschlafen war, schnarchte genüsslich, in die Laken von Amaldas Bett gekuschelt. Sie waren zwar noch etwas erfroren, aber wohligen Herzens, erzählten einander Geschichten aus der guten alten Zeit und tranken Tee, als plötzlich Popo, ein Gespenst und Bewohner von Burg Wolkenstein, durch den Kamin geschwebt kam und aufgeregt „PohPoh“ rufend, um Amalda herumgeisterte. „PohPoh! PohPoh!“ kreischte das Gespenst. Ein Spuk wie aus dem Bilderbuch. Doch die steinalte

Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz war kein bisschen erschrocken. Nein, sie freute sich über den Besuch, grüßte das Gespenst freundlich und sagte: „Hallo Popo.“ Dann stand sie seelenruhig auf, nahm eine Gespenstertasse aus dem Schrank und goss etwas Schattenessenz mit heißem Wasser auf. Ihr müsst nämlich wissen, Gespenster können gar nichts berühren, das lebt oder real ist. Das kann ganz schön frustrierend sein. Immer nur angucken, aber niemals anfassen. Gut, dass es Hexen wie die steinalte Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz gibt, die sich mit den verschiedenen Welten auskennen und immer einen kleinen

Vorrat an Schattenessenz im Haus haben. Aufgelöst in heißem Wasser und serviert in einer Geistertasse aus in Drachenfeuer gehärtetem Porzellan, ist das nämlich auch für Geister ein wahrer Gaumenschmaus. Und so beruhigte sich das Gespenst trank einen Schluck und schwebte genüsslich am Schattenwasser nippend, ein dankbares „PohPoh“ auf den Lippen, vor den Kamin.

Der arme Rattolowitsch Grauschwanz jedoch, war so sehr erschrocken, dass er seine Teetasse in hohem Bogen in die Luft geworfen hatte, und bevor diese noch auf dem Boden aufgekommen und zerbrochen war, hatte er sich schon unter Amaldas Bett geflüchtet. Auch als

das Gespenst sich schon längst beruhigt hatte, zitterte er noch am ganzen Leib. Die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz ging zum Bett, beugte sich zu dem ängstlich schlotternden Rattolowitsch hinunter und zog ihn vorsichtig unter dem Bett hervor.

„Oh, mein lieber, armer Rattolowitsch Grauschwanz“, sagte sie beruhigend, während sie beruhigend mit der Hand über seinen Kopf streichelte, „hab doch keine Angst. Siehst du, das ist Popo. Ein ganz liebes Gespenst und Bewacher meines alten Familiensitzes Burg Wolkenstein.“ Rattolowitsch beruhigte sich zwar etwas, war aber immernoch nicht überzeugt davon, dass das

Gespenst wirklich harmlos war. Darum fuhr die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz fort: „Es ist ein entfernter Verwandter von mir mein Ururururururururururururur-Großvater mütterlicherseits.“ Rattolowitsch Grauschwanz horchte verwundert auf und vergaß sogar zu zittern. „Ihr seid verwandt?“ fragte er verwirrt, denn Popo und die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz, sahen sie sich überhaupt nicht ähnlich. Rattolowitsch überlegte und hatte mit einem Mal einen unglaublichen Gedanken: „Wenn Amalda und Popo verwandt sind,“ dachte er, „und ich mit Amalda verwandt bin...“ -

Rattolowitsch sprang aus Amaldas Armen, dem Gespenst direkt vor die Füße, sodass es vor Schreck beinahe sein Schattenwasser verschüttet hätte, aber nur beinahe - „...dann,“ rief Rattolowitsch erfreut, „sind ja auch wir verwandt!“

„Na, das will ich meinen,“ antwortete das Gespenst und trank einen kräftigen Schluck. Dann räusperte es sich und begann zu erzählen, wie eine kleine, ganz und gar unscheinbare Ratte einmal das Leben seiner kleinen Nichte Tuffl rettete und sie sich unsterblich ineinander verliebten aber das, meine Lieben Freunde, ist eine andere Geschichte, die uns heute zu weit weg führt, von dem

Pfad, den wir noch gemeinsam bestreiten wollen.

Rattolowitsch Grauschwanz, der es sich wieder auf dem Schoß der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz bequem gemacht hatte, gluckste vergnügt: „Das war eine wundervolle Geschichte. Vielen Dank kleines Gespenst. Jetzt habe ich auch keine Angst mehr vor Geistern.“ Lukasch, das kleine Schaf, das weder von der Aufregung Rattolowitschs, noch von Popos Geschichte etwas mitbekommen hatte, schnatterte im Schlaf und drehte sich auf die andere Seite.

Amalda und Rattolowitsch waren so versunken gewesen in die Gespenstergeschichte, und das Gespenst Popo hatte sich so gefreut über zwei so willige Zuhörer, dass sie ganz vergessen hatten, dass es ja einen Grund hatte, dass das Gespenst so plötzlich aus dem Kamin in die Hütte von der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschlitz geschwebt war. Darum fragte Amalda: „Aber, liebes Gespenst, sag mir doch, was machst du denn eigentlich hier bei mir und nicht auf Burg Wolkenstein, bei deinen Geschwistern? Hat dein Besuch einen Grund?“

„Aber natürlich!“ Popo schwebte aufgeregt zu Amalda und Rattolowitsch:

„Ich habe heute einen kleinen Spazierschweb unternommen und kam zufällig bei Emo Flex Elchkopf vorbei.“

„Emo wie geht es ihm denn?“ fragte Amalda.

„Das ist es ja gerade,“ sagte Popo. „Er ist fürchterlich krank und morgen ist doch Weihnachten.“

„Oh nein!“ rief Amalda und legte vor Entsetzen die Hände an die Schläfen.

„Das verstehe ich nicht“, sagte Rattolowitsch, denn er war nur zu Besuch und kannte Emo Flex Elchkopf, das Assistenten-Ren vom Weihnachtsmann noch nicht.

„Weißt du“, sagte Popo, „Emo ist ein Rentier und der erste Flugassistent vom

Weihnachtsmann. Wenn er krank ist, dann kann der Weihnachtsmann nicht mit seinem Schlitten fliegen und die Kinder auf der Welt bekommen keine Geschenke.“

„Herrjemineh!“, Rattolowitsch begann wieder zu zittern. „Ein Weihnachtsfest ohne Geschenke? Das darf nicht sein.“

„Keine Sorge“, sagte die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz und marschierte geradewegs zum Schrank, um ihre und die Jacken der Anderen herauszuholen. „Kommt mit“, rief sie, „Wir besuchen Emo. Mal sehen was ich da machen kann. Uns fällt bestimmt was ein!“

„Und was ist mit mir?“ da meldete sich plötzlich Lukasch zu Wort, als hätte er gespürt, dass etwas im Gange war.

„Na du kommst mit.“ antworteten Rattolowitsch und Amalda wie aus einem Munde.

„Nein!!!“, rief Lukasch und krallte sich am Bettpfosten fest. „Komm mit Lukasch. Es geht um Emo, unseren Freund.“ sagte Amalda und half Rattolowitsch in seine Handschuhe.

„ICH BLEIB HIER!“, schrie Lukasch und warf sich trotzig, alle Viere in die Luft boxend auf den Boden.

„Na, aber“, sagte Rattolowitsch „das ist aber nicht sehr nett.“

„MIR TUN DIE FÜßE WEH,“ weinte

Lukasch, nun nicht mehr bockig. Denn ignorant war er nicht, er wollte Emo Flex Elchkopf, der ihm immer eine Süßigkeit mitbrachte, wirklich helfen, aber seine Füßen machten schrecklich „Autschi“ wenn er auftrat. Das erkannte nun auch die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz und machte ein nachdenkliches Gesicht.

„Rattolowitsch, mein lieber Freund, wärst du einverstanden Lukasch zu tragen?“ fragte sie Rattolowitsch Grauschwanz. Dieser antwortete: „Sicher, aber leider ist Lukasch fast doppelt so groß wie ich es bin. Ich fürchte dazu reichen meine Kräfte nicht.“ „Oh,“ erwiderte Amalda, “da hab

ich schon eine Idee.“ So sprach sie, ging zu ihrem Süßigkeitenfach in der Küche und holte ein seltsam glitzerndes Kaugummi heraus. „Hier Lukasch“, sagte sie, „Iss dieses Kaugummi und behalte ihn unbedingt im Mund solang wir unterwegs sind.“ Lukasch nahm das Kaugummi und aß es. Während er so kaute, kullerte noch eine letzte verirrte Träne seine Wange herunter, bevor sein Kopf plötzlich auf die Größe einer Walnuss zusammenschrumpelte. Das sah wirklich lustig aus. Dann schrumpften mit einem Mal die Beine, und es sah aus, als stünde Lukasch auf vier Streichhölzern, bevor dann auch endlich der Rumpf kleiner wurde. Die steinalte

Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz schnallte Lukasch mit einem schwarzen Laken am Rücken von Rattolowitsch Grauschwanz fest es sah beinahe aus wie ein Kreuz, das Rattolowitsch auf dem Rücken trug, ein schwarzes Kreuz. Lukasch ließ vergnügt die Füße baumeln und piepste erfreut: „Ihr seid ja alle so groß!“ Nun waren alle bereit und traten hinaus aus der Hütte um Emo Flex Elchkopf zu helfen und nebenbei vielleicht das Weihnachtsfest zu retten.

Irrlicht

Endlich machten sie sich also auf den

Weg, doch, ohweh: Je weiter sie sich vom Häuschen Amaldas entfernten, desto weniger konnten sie sehen.

„Oh nein!“, sagte Rattolowitsch. „Was machen wir denn jetzt.“

„Hast du eine Kerze?“, fragte Popo. Obwohl er ein Gespenst war, hatte er Angst im Dunkeln.

„Die geht doch aus, weil es so kalt und windig ist“, piepste Lukasch, dem es sehr gefiel auf Rattolowitschs Rücken. Es war angenehm warm und das Fell duftete so herrlich nach Kaminfeuer.

„Keine Angst“, sagte die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz, zog eine kleine Flöte aus ihrem Mantel und begann zu spielen. Die Töne glitten

wie kleine silbrige Fäden durch die eisige Luft in alle Himmelsrichtungen:

Oh wunderfeine Melodey

flieg zu den Himmelstoren hin

mein Bote voller Gnade sei

bin ich doch guten edlen Sinns

Hol Hilfe für die Freunde mein

wir wollen schön beisammen sein.

Und als die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz den letzten Ton gespielt hatte, hielten die Freunde noch einen Moment lang den Atem an um sich der wundervollen Melodie zu erinnern, die sie wie ein liebevoller Kuss der Mutter vor dem

Zubettgehen von innen heraus wärmte. Einen kurzen Augenblick herrschte Stille, bevor und die Freunde trauten ihren Ohren nicht von weither, aber deutlich näher kommend, tausend kleine Flöten auf das Spiel der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz antworteten.

„Was ist das?“, zitterte Rattolowitsch und Lukasch spürte wie sich die Nackenhaare der Ratte aufrichteten.

„Keine Angst“, sagte Amalda wieder beruhigend, „Du wirst es gleich sehen.“ Und tatsächlich, erst nur ein Schimmer, dann jedoch ein funkelnder Stern, flog ein leuchtendes Wesen auf sie zu. Es bewegte sich so schnell, dass sie die

Gestalt hinter dem flackernden Licht unmöglich ausmachen konnten.

„Was ist das?“, fragte Rattolowitsch erneut. Doch diesmal war nur Freundlichkeit in seiner Stimme und eine kleine, große Spur Neugier.

„Das“, sagte Amalda, „ist ein Irrlicht. Irrlichter haben einen Stern im Herzen. Früher haben sie einmal gelebt mit diesem Stern und als sie dann gestorben sind, haben sie den Stern hier gelassen. Das war ein Geschenk für jene, die sie zurücklassen mussten, als sie in die nächste Welt gegangen sind. Dieser Stern hat noch ein wenig Persönlichkeit von ihnen gespeichert. Und solange noch ein Verwandter, Freund oder eine Liebe

am Leben sind, leuchtet das Irrlicht als Stellvertreter des Verstorbenen ihren Weg. Erst wenn alle Hinterbliebenen gegangen sind, erlöschen die Irrlichter. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass soetwas höchst selten passiert, denn in unserer Welt ist nur selten jemand wirklich allein.  Geschieht es doch einmal, begleiten die Irrlichter den letzten Hinterbliebenen als Stern, der sie sind, in die andere Welt, wo sie dann gemeinsam mit all ihren Lieben die Ewigkeit verbringen.“

Das sagte die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz und streichelte liebevoll den kleinen Schein, der sich zutraulich in ihre Hand gesetzt

hatte.

„In dieser anderen Welt“, fragte Lukasch, „sind sie dann auch Geister?“

„Nein“, antwortete Amalda und das Irrlicht löste sich von ihr um Popo zu umschwirren, der schüchtern zurückwich, bevor auch er die Wärme des Irrlichtes spürte.

„Die Geisterwelt“, redete Amalda weiter, „ist noch eine andere Welt. Eine Welt, in der die Seelen Verstorbener zuhause sind, die auf Erden noch etwas zu erledigen haben.“

„Achso.“ Lukasch musterte Popo. „Was hast du noch zu erledigen, Popo?“ Das Gespenst schwebte mit stolzgeschwellter Brust direkt vor die Gruppe: „Ich

beschütze Burg Wolkenstein und alle die, die sie bewohnen.“ Und aber das dachte er nur, sagte es nicht laut ich warte darauf, dass jemand den Familienschatz findet, der irgendwo in der Burg verschollen ist. Auch das, meine Lieben, ist eine andere Geschichte.

„Also“, rief Amalda, „da wir jetzt etwas sehen können: auf zu Emo Flex Elchkopf!“

Emo Flex Elchkopf und das Weihnachtsfest

„Auf zu Emo!“ erwiderten die anderen und gemeinsam stapften sie durch den Schnee und die eisige Kälte, geleitet vom

Irrlicht, das ein paar Meter vor Ihnen den Weg erhellte. Einige anstrengende Minuten später konnten sie in der Ferne schon das Licht sehen, das Emo Flex Elchkopfs Hütte angenehm abgrenzte von der fast schwarzen Umgebung. Bald schon standen sie vor seiner Haustür und klopften.

„Herein“, krächzte es kaum hörbar von drinnen und die Freunde traten, der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz folgend, in die Hütte. Sofort sahen sie, dass Emo Flex Elchkopf wirklich schlimm krank war. Er lag unter dicken Decken begraben, nur seine Nasenspitze lugte unter dem Kissen hervor, in seinem Bett und - vom

Fieber ganz frostig - zitterte er am ganzen Leib.

„Du Armer!“, rief Amalda aus und fühlte vorsichtig Emo Flex Elchkopfs Stirn. „Du armes, armes Ren.“ Emo antwortete nicht, nur ein wimmerndes Schluchzen drang aus seiner Liegstatt zu den Freunden empor.

Die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz ergriff die Initiative: „Freunde. Auf gehts!“ Und in Windeseile hatte sie die Freunde angewiesen, das Geschirr zu spülen, ein Bad einzulassen, den Kamin zu entzünden, Tee zu bereiten, eine Hühnersuppe zu kochen und Emo  Wadenwickel anzulegen. Nach einer halben Stunde, frisch gebadet,

köstliche Hühnersuppe schlürfend und versorgt mit Tee und Wärme vom Kaminfeuer, saß Emo immerhin schon aufrecht in seinem Bett.

„Wie soll ich euch nur danken?“, schniefte er. „Ihr seid wahre Freunde.“

„Das haben wir doch gern gemacht.“, antwortete Rattolowitsch Grauschwanz, obwohl er Emo Flex Elchkopf doch bis vor einer halben Stunde noch  nicht einmal gekannt hatte. „Das ist doch selbstverständlich.“ Und das war es wirklich. Darin waren sich die Freunde einig, auch wenn sie so verschieden waren ein Irrlicht, eine Hexe, ein Mini-Schaf, eine Ratte und ein Gespenst. Für einen guten Freund ist keine Tat

verschwendet. Ja so war das.

„Jetzt kann ich morgen ja vielleicht doch die Geschenke ausfahren.“, sagte Emo und schlürfte weiter an seiner Suppe.

„Moment mal!“, rief Amalda. „So geht das nicht. Du bist noch überhaupt nicht in der Verfassung für eine so große Anstrengung. Ich fürchte der Weihnachtsmann muss in diesem Jahr auf dich verzichten.“

Emo sah sie entsetzt an. „Das geht nicht Wie sollen die Kinder denn dann ihre Geschenke bekommen?“ Die Freunde sahen mal zu Amalda mal zu Emo. „Wenn ich den Weihnachtsmann nicht lotse, findet er die Kamine nicht. Stell dir mal vor, dann landet das Geschenk für Peter

und Paul in der Glasfabrik Paunerstorff. Und das Geschenk für den Postbeamten Greiner bekommt die Margarete vom Edeka. So geht das wirklich nicht. Ich muss morgen arbeiten.“

„Aber nicht in deinem Zustand.“, sagte Amalda unnachgiebig. Sie hatte ja auch recht. Und bevor Emo Flex Elchkopf etwas erwidern konnte, klopfte es an der Tür. Wer das wohl war?

Der Weihnachtsmann

Als die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz öffnete stand da der Weihnachtsmann persönlich vor der Tür. Er war so groß, dass er den Kopf neigen

musste um durch den Türrahmen zu treten. „Emo!“, rief er, nachdem er die Freunde mit einem freundlichen „Hohoho. Ein frohes Weihnachtsfest euch allen“ begrüßt hatte und trat in nur zwei großen Schritten zu dem Kranken und hockte sich vor das Bett.

„Wie geht es dir Emo?“ fragte er. Emo wollte antworten, doch bekam er einen solchen Hustenanfall, dass ihm beinahe die Suppe überschwappte, hätte der Weihnachtsmann sie ihm nicht noch gerade rechtzeitig aus der Hand genommen. „Ohje“, sagte er, „Ich sehe schon, es geht dir noch nicht wirklich besser.“ „Doch, doch“, wollte Emo sagen, aber noch immer hustete er.

„Ich fürchte“, fuhr der Weihnachtsmann fort, „dann müssen wir Weihnachten verschieben.“

„NEIN!“, hustete Emo. „Bitte, ich schaffe das schon.“ „Aber Emo“, sagte der Weihnachtsmann, „Weihnachten ist ein Fest, dass man nicht auf dem Rücken eines Kranken feiern sollte. Ich glaube jeder hat dafür Verständnis.“

In der Hütte war es plötzlich ganz still. Natürlich hatte der Weihnachtsmann recht. Emo musste erst gesund werden. Lukasch schniefte bedröppelt und kuschelte sich traurig an Rattolowitschs Fell.

Nachdem alle eine Weile betroffen geschwiegen hatten, rief die steinalte

Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschlitz plötzlich laut aus: „HA! Es gibt vielleicht eine Möglichkeit.“ Alle schauten sie verwundert an. Welche Idee mochte das wohl sein?

„Lieber, guter Weihnachtsmann“, sagte Amalda geschäftsmännisch, „du bleibst bei Emo und kümmerst dich ganz lieb um ihn. Popo, du schwebst zurück zu Schloss Wolkenstein und holst deine Geschwister, wir brauchen so viele Gespenster wie möglich um meinen Plan wirklich werden zu lassen. Rattolowitsch und Lukasch, ihr lasst kaltes Wasser in die Badewanne ein und vergesst nicht ein paar Eiszapfen von draußen und eine große Brise Zucker mit hineinzugeben.“

„Zucker und Eis im Badewasser?“, fragte Lukasch ungläubig und auch der Weihnachtsmann sah - sich verwirrt unter seiner Bommelmütze kratzend skeptisch zu Amalda hin.

„Vertraut mir einfach. Ich bin in einer Stunde zurück. Bis dahin muss alles fertig sein.“ Das sagte sie und war schon mit dem Irrlicht voraus aus der Tür hinaus getreten und in der Dunkelheit vor der Hütte verschwunden.

„Was sie wohl vorhat?“ fragte Rattolowitsch, machte sich jedoch sogleich an die Aufgabe, die ihm die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz aufgetragen hatte. Denn eines wusste er genau: Amalda würde

niemals leichtfertig etwas sagen. Und auch der Weihnachtsmann zuckte nur mit den Schultern, gab Emo die Suppe zurück und las ihm aus einem Buch vor, das er aus dem Regal genommen hatte: Charles Dickens. A Christmas Carol. Popo war ebenfalls schon entschwunden und auf dem Weg seine Geschwister zu holen. Es konnte nur einen Grund geben, für die Aufgabe, die die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz ihm angetragen hatte: Purinellas. Und da er das wusste, beeilte er sich um so mehr. Eine Stunde, das war wirklich knapp bis Mitternacht, aber gemeinsam, davon war er überzeugt, gemeinsam würden sie das schon schaffen.

Der kleine Wassermann

Die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz stapfte derweil durch den Schnee. Sie lief beinahe eine halbe Stunde, bis sie endlich an einem zugefrorenen Weiher ankam. Sie trat vorsichtig auf das Eis und sprach einen kleinen Zauber.

Aquarius mein lieber Freund

Kein' lieben Dienst du je versäumst

Ich flehe deine Hilfe an

Komm zu mir kleiner Wassermann.

Kaum hatte sie die Worte in einer fremden Sprache gemurmelt, löste sich

das Eis in einem kleinen Rund vor ihr aus der Kälte und floss, grünlich schimmernd, ein Loch in der Decke hinterlassend ganz tief hinab bis auf den Grund des Weihers.

Die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz wartete geduldig, liebevoll umschwirrt von ihrem Stern, dem Irrlicht, das ihr treu und lieblich Licht und Wärme spendete in dieser so entsetzlich frostigen Nacht. Als sie da so stand und wartete, überkam Amalda ein ganz wunderbares Gefühl. In dieser Nacht, so wusste sie, würde etwas ganz besonderes geschehen. Doch damit konnte sie sich jetzt noch nicht beschäftigen. Ersteinmal musste sie Emo

Flex Elchkopf helfen. Und kaum hatte sie das gedacht, konnte sie schon ein grünliches Schimmern erkennen, dass sich ihnen vom Grund des Weihers näherte. Und kaum eine Sekunde später tauchte schon ein freundliches Lächeln aus dem Loch im Eis vor ihr auf: Der kleine Wassermann grinste sie in bester Laune an. „Amalda, liebe Hexe, du hier? Mitten im Winter? Was für eine ungewöhnliche, aber wundervolle Überraschung.“

„Aquarius, mein Lieber“, (Aquarius, das war der Name des kleinen Wassermannes in der Sprache der Magie), „ich brauche deine Hilfe!“ Der kleine Wassermann setzte eine ernste Mine auf.

„Aber natürlich Amalda, wenn du mich um etwas bittest, werde ich helfen so ich kann. Schließlich bist du meine älteste Freundin.“ Der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz fiel ein Stein vom Herzen. „Danke dir mein Lieber. Es geht um Emo Flex Elchkopf. Er ist krank. Und er ist, wie du sicher weißt, der Lotse vom Weihnachtsmann.“ Natürlich wusste der kleine Wassermann Bescheid. Schließlich war auch er ein Angestellter vom Weihnachtsmann und zuständig für die Unterwasserzustellungen der Weihnachtsgeschenke. „Ich brauche“, und Amalda schluckte, weil es ein großer Gefallen war, den sie vom kleinen

Wassermann erbat, „ich brauche Purinella-Wasser.“ Der Wassermann nickte. „Wärst du nicht die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz, würde ich nicht einmal darüber nachdenken dir meine kleinen Purinellas zu geben. Aber ich kenne dich und vertraue dir vollkommen, darum gebe ich dir zehn meiner Purinellas, wenn meine Frau Aquaria auch damit einverstanden ist.“ So sprach er, tauchte seinen Kopf unter Wasser und rief etwas auf Aquarinisch, der Sprache der Wassermänner und -Frauen, in das Nass. Kaum einen Augenblick später tauchte Aquaria, eine wunderschöne Wasserfrau, mit grauen Strähnchen an den Schläfen,

neben ihm aus dem Wasser auf und fragte „Was ist mein Liebster?“ Der kleine Wassermann stellte Aquaria und Amalda einander vor und berichtete von der Bitte der steinalten Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz. Aquaria machte große Augen. Eine solche Bitte hatte sie in ihrem Leben erst ein einziges Mal von ihrem Patenonkel, dem großen Zauberer Merlin gehört. Aber auch sie gab ihr Einverständnis. Schließlich ging es doch um Emo, der im Sommer immer so lieb mit ihren Purinellas spielte. Also schwang sie sich rittlings auf das feste Eis, öffnete ihren Bauch und zehn kleine Wassermenschenbabys schlüpften in einer Blase heraus und schwebten in

Amaldas Hände. Ganz vorsichtig hielt Amalda die kleinen Purinellas im Arm und dankte dem Ehepaar mit dem Versprechen, sie beide zum Weihnachtsfest zu sich einzuladen. Dann machte sie sich mit dem Irrlicht auf den Weg zurück zu Emo Flex Elchkopfs Hütte. Nun musste sie sich wirklich beeilen.

Purinella-Wasser

Eine halbe Stunde später traf die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz in Emo Flex Elchkopfs Hütte ein. Sie hatte große Angst, dass das Badewasser nicht vorbereitet worden

war, oder die Gespenster nicht erschienen sind. Schließlich war der Zucker in der Blase, der die zehn Wassermenschenbabys, die Purinellas, mit Lebensenergie versorgte, beinahe aufgebraucht. Und auch die Blase selbst drohte sich aufzulösen, wenn keine Gespenster sie mit ihrem halb-durchlässigen Körper flickten. Aber auf ihre Freunde war Verlass. Kaum traf sie in Emos Hütte ein, konnte sie die Purinellas in die Badewanne einlassen und schon bald schwammen sie glücklich und zufrieden in dem eiskalten Wasser herum. „Was sind das denn für Dinger?“, fragte Lukasch unbedarft und beäugte die komischen Wesen neugierig.

„Das sind Purinellas.“, sagte Amalda und fischte ein kleines Baby aus dem Wasser um es den Freunden zu zeigen. Vorsichtig schauten Rattolowitsch, Lukasch, Emo und der Weihnachtsmann das kleine Wesen an. Es war ganz und gar eingehüllt in eine Art Gallert, ein durchsichtiges Gelee. Im inneren der Blase konnte man ein winziges Wassermännchen erkennen. Um schwimmen zu können, hatte das Baby acht kleine Ärmchen aus Gallart, die es aber mit zunehmendem Alter verlor, sagte die Hexe.

„Je älter ein Purinella wird, desto mehr Arme verliert es, bis es sich schließlich ganz aus dem Gallart löst und für sich

allein, mit seinen zwei Armen und seiner starken Schwanzflosse schwimmen kann.“, erklärte Amalda und zeigte auf ein einarmiges Purinella. „Wenn es sich wohl fühlt und auf die Welt kommen möchte, wird es seine beiden Ärmchen aus dem Gallert herausstoßen und sich daraus befreien.“ „Ahhh!“, machten die Freunde.

„Aber hier in der Badewanne können sie ohne die Hilfe von Gespenstern nicht überleben.“ sagte Amalda besorgt und schaute auf die Uhr. Wenn Popo und seine Geschwister nicht bald zurückkämen, würde sich der Gallert vor der Zeit von den kleinen Körpern lösen und die Purinallas hätten keine Kraft

mehr, um Emo zu retten. Doch kaum hatte die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz das gedacht, schwebten schon Popo und seine Gespenstergeschwister Pipi, Fifi, Lola, Koko, Kiki und Flux in die Hütte.

„Da sind wir!“, rief Popo vergnügt. Er hatte tatsächlich alle seine Geschwister überreden können Emo Flex Elchkopf zu helfen. Das war wahrlich eine Besonderheit, weil normalerweise immer mindestens ein Gespenst zurück blieb um die Burg Wolkenstein zu bewachen. Aber heute wollten alle mitkommen. Schließlich ging es um Emo, einen ganz, ganz lieben Freund. Da wollten alle

helfen.

Die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz war so gerührt, dass sie Popo und seinen Geschwistern um den Hals fallen wollte, aber natürlich glitt sie durch die Geister hindurch und wäre beinahe hingefallen, hätte Rattolowitsch sie nicht aufgefangen.

„Ihr seid wahre Freunde!“, rief sie aus. Die Gespenster lächelten freundlich, und ohne ein Wort denn sie waren so alt, dass sie die Prozedur schon kannten glitten sie zur Badewanne und schwebten bald spielend und lachend zwischen den Purinellas umher. Aber ihr fragt euch bestimmt, wieso Popo mit all seinen Geschwistern überhaupt kommen

musste? Die Erklärung ist eigentlich ganz einfach. In einem Weiher, See oder Teich herrscht ein ganz besonderes Gleichgewicht zwischen all den vielen Bewohnern. Dieses Gleichgewicht ist es, das die kleinen Purinellas brauchen. In der Welt der Landbewohner herrscht ein anderes Gleichgewicht, eines, dass Purinellas genauso wenig verstehen können wie wir das der Wasserwelten noch nicht verstehen können. Die Gespenster aber leben in einer Welt in der alles miteinander verschwimmt. Leben und Tod fließen ineinander und auch die stofflichen Dinge sind nicht mehr so klar getrennt, wie in der Welt der Lebenden. Oder habt ihr schon

einmal ein Gespenst gehen sehen? Oder eines, dass Schreibmaschine tippen konnte? Nein, Gespenster schweben und sie können durch Materie hindurch schlüpfen als sei alles Wasser. Diese Fähigkeit der Gespenster, die Welten durch ihre bloße Existenz allein zu verbinden, ist es, was die Purinellas brauchen um in einer Badewanne, die nun wirklich kein geeigneter Lebensraum für ein freies Wasserwesen ist, überleben zu können. Denn Badewannen sind kein Lebensraum oder etwa doch?

„Wie schön!“, dachte Rattolowitsch und musste herzerwärmend lachen, als Puriko, der älteste der Purinellas in Popos Kopf schwamm und mal aus

seinem Auge lugte und mal aus seiner Nase und rief: „Seht mal, ich bin ein Popel!“

Die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz trat ganz dicht zu Puriko, der gerade tat als sei er Popos Zunge, und reichte ihm den kleinen Finger.

„Lieber Puriko, du bist der älteste deiner Geschwister, bitte rede mit ihnen und erkläre ihnen die Situation.“ Und als Amalda fertig erzählt hatte, hatten sich schon alle zehn Purinellas bereit gemacht und Puriko rief: „Los gehts ihr zukünftigen Meerfrauen und Meermänner; Lasst uns unseren Freunden helfen!“ Und mit einem Mal

kniffen die Purinellas fest die Augen zu, ballten die kleinen im Gallert versteckten Wassermenschhände zu Fäusten und hielten vor Anstrengung die Luft an. Ihre Gesichter wurden schon ganz rot, und nach einigen Augenblicken wirbelten sie los, wie verrückt. Sie  schwammen so schnell durch das Wasser, dass man sie gar nicht mehr erkennen konnte, so aufgewühlt war es. Und mit einem Mal begann es zu brodeln und zu dampfen und einige der Purinellas hielten inne und sonderten wie ein Tintenfisch die Tinte - eine grün-gelb schimmernde Substanz ab, die sich sofort auflöste im sprudelnden Wasser. Nach zehn Minuten sanken die erschöpften Purinellas zu

Boden und die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnoitz zauberte flux ein paar Zitronen herbei:

Sauer zu lustig

und lustig zu rüstig.

Zitronen zu Saft

Gesundheit das schafft.

- und quetschte sie über der Badewanne aus.

“Sauer macht lustig!“, rief sie den Purinellas noch einmal dankbar zu, „Ein kleines Dankeschön für eure Mühen.“ Purinellas, müsst ihr wissen, mögen nämlich nichts lieber als Zitronen. Während die Purinellas sich also

genüsslich über den Zitronensaft hermachten, schöpfte die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz eine Tasse des Purinella-Wassers ab und reichte es dem schlotternden Emo Flex Elchkopf. Hier, sagte sie, trink das in einem Zug, dann beiß in diese Zitrone und du wirst sehen, morgen bist du wieder gesund.

Kaum hatte Emo getan wie sie ihm geheißen hat, sank er schon darnieder und fiel in einen tiefen, erholsamen Schlaf.

Ein Weihnachtszauber

Am nächsten Morgen die Freunde hatten die Purinellas wieder zum kleinen Wassermann und seiner Frau zurück gebracht, das Irrlicht war wieder im Wald verschwunden, um einem Anderen den Weg zu erhellen und die Freunde waren wieder bei Amalda. Lukasch hatte wieder seine normale Größe und auch die Gespenster waren wieder auf Burg Wolkenstein und suchten weiter nach dem verlorenen Schatz. Eines sei verraten: Hätten sie nicht so freundlich geholfen, hätten sie den Schatz wohl auch niemals gefunden, aber das ist, wie gesagt, eine andere Geschichte.

Am nächsten Morgen also war Emo wieder gesund und gemeinsam mit dem Weihnachtsmann machte er sich an die letzten Weihnachtsvorbereitungen.

Alles lief genau nach Plan. Amalda derweil hatte sich überlegt, als kleines Dankeschön eine Weihnachtsfest zu organisieren. Alle Freunde sollten kommen und gemeinsam Weihnachten feiern. Also verzauberte sie ihre Hütte, sodass alle Platz finden konnten, bereitete ein Festmahl vor, Lukasch und Rattolowitsch schmückten die Hütte weihnachtlich und Popo, das Gespenst schwebte von Haus zu Haus um alle Freunde und Bekannte einzuladen.

Am Abend dann, trafen sie alle ein.

Sogar Aquarius und Aquaria, mit ihren Purinellas kamen vorbei und ließen sich in dem riesigen Wasserbecken neben der Festtafel nieder, das die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz herbei gezaubert hatte. Alle bewunderten den Weihnachtsbaum, sogar der Weihnachtsmann persönlich sagte, dass er niemals einen originelleren Baum gesehen hatte. Amalda hatte ihn mit Zitronen behängt, mit Rosmarin und Zimtstangen. Rattolowitsch und Lukasch hatten Bilder der Freunde ausgeschnitten und an die Zweige gehängt. Es war der weihnachtslichste Weihnachtsbaum den man weit und breit finden konnte und jeder, der vorbeikam, hängte selbst

etwas dazu einen Ohrring, die Fischgräte, den abgerissenen Schnürsenkel oder einen Kranz aus Eisblumen.

Wie wundervoll dieser Abend war. Alle saßen sie beisammen sogar die alte Eiche lugte mit einem Ast in die Hütte hinein. Lukasch das Schaf, baumelte quietschvergnügt an der Schaukel, die Amalda um diesen Ast gezaubert hatte. Wahrlich. Sie feierten Weihnachten ganz so wie es sich gehörte: Im Kreise der Liebsten.

Als die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz .noch etwas Zitronensorbet aus dem Eisfach holen wollte, zupfte das Irrlicht sie am Ärmel

und bedeutete ihr einmal hinaus, zur großen Eiche zu schauen. Amalda traute ihren Augen nicht. Am Fuße der Eiche wuchs eine wunderschöne Eisblume. Es war eines dieser ganz besonders seltenen Exemplare. Eines, das keine spiegelglatte Oberfläche brauchte. Eines, das ein ganzes Jahr über blühen konnte, solange die Freundschaft derer, die die Eisblume wachsen ließen ebenfalls blühte.

„Das“, dachte die steinalte Hexe Amalda Toffelpuff von Wolkenschnitz und eine Träne des Glücks rann über ihre Wange, „das ist der Zauber von Weihnachten.“

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Loohsa

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MilunaTuani ein uriges Wintermärchen,
war mir eine Freude es zu lesen,
LG,
Miluna
Vor langer Zeit - Antworten
petjula007 Hallo Loohsa,
eine schöne Geschichte. Da hast Du Dir ja gewaltig was einfallen lassen. Finde sie sehr gelungen. Vielleicht solltest Du, wenn Du noch einmal so eine, doch recht lange Handlung schreibst, diese in Teilen veröffentlichen. Ist nur ein Vorschlag, aber ich denke, sie würde dann öfter gelesen.

LG
petjula007
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Hey petjula007, vielen dank für den lieben Kommentar und den Hinweis. Ich werde das beherzigen.
Liebe Grüße
Lhs
Vor langer Zeit - Antworten
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