Kurzgeschichte
Neujahr im Auenland

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"Neujahr im Auenland"
Veröffentlicht am 07. Januar 2014, 22 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Bin ein Jahrgang 67, Married with children und wenn ich schon ins Burnout steuere, dann zumindest glücklich. Meine besseren 3/4 nennen meinen Beruf meist Computer-Heini, was nicht so schlimm ist, da ich ihren Internet-Zugang kontrolliere und somit daheim zumindest etwas in der Hand habe. Mein Credo nehme ich von Wigald Boning "Bleiben Sie neugierig" - nein, das gleichnamige Buch habe ich nicht gelesen - und füge hinzu "Höre nie auf zu ...
Neujahr im Auenland

Neujahr im Auenland

Der Winter war im Auenland eingekehrt und eine weiche Schneedecke hatte sich über die Hügel gelegt. Das Grün der Wiesen und die Farbenpracht der Gärten schlummerten still verborgen unter den weißen Flocken.

Die Hobbits hatten ihre Wohnhöhlen gut auf die kalte Jahreszeit vorbereitet. Die Vorratskammern waren mit Speisen gefüllt, die Speicher randvoll mit Getreide und Feuerholz. Die meiste Zeit verbrachten sie vor dem Kamin, sangen gemeinsam Lieder und hielten ein Festmahl nach dem anderen. Kaum jemand setzte einen Fuß vor die Türe, nur die Kinder spielten im Schnee,

bauten daraus Figuren oder Höhlen und rutschten auf dem Eis des zugefrorenen Weihers am Rande des Dorfes.

In Bilbos alter Höhle wohnte Elanor, die Tochter des früheren Bürgermeisters Gamdschie mit ihrer Familie. Ihr Mann Gundbert war Schmied und ein ausgezeichneter Geschichtenerzähler. Vor dem Schlafengehen bettelten die Kinder Merry und Rose: „Bitte Papa! Lies uns doch ein Kapitel aus Opas Buch vor!“.

„Das letzte Mal, als ich euch aus dem <Roten Buch Der Westmark> vorgelesen habe, konntet ihr vor lauter Angst nicht

schlafen!“ erwiderte der Vater. „Aber das waren ja die Abenteuer aus der Orkhöhle. Und du hast die Stimmen so gruselig nachgemacht. Diesmal wollen wir etwas Ruhigeres hören, zum Beispiel den Abschied von Großonkel Frodo. Das ist immer so schön traurig!“

So holte Gundbert das dicke Buch, blätterte weit nach hinten und begann zu lesen. Die Kinder lauschten schweigend und auch Elanor blieb im Türrahmen stehen und hörte zu. Ihre Augen begannen zu glänzen als sie hörte, wie Bilbo und Frodo das Schiff bestiegen um mit den Elben nach Valinor zu segeln. Sie dachte daran, dass Sam, ihr Vater,

diese letzten Seiten im Buch geschrieben hatte und Jahre später, nachdem er seines Amtes als Bürgermeister müde geworden war, auch die Erlaubnis erhalten hatte, den beiden zu folgen. Mit Tränen in den Augen wandte sie sich ab, hörte aber noch, wie die Kinder fragten „Haben alle Elben Mittelerde verlassen?“. Gundbert antwortete mit einem Lächeln, da er bereits ahnte, was folgen würde „Ja, alle Elben und alle anderen magische Wesen.“ Und wie erwartet erwiderten die Kinder mit einem besserwisserischen Ton ein  „Und was ist mit dem Weißen Elb des Neujahres mit seinem zahmen Ork?“

„Der kommt ja nur einen Tag im Jahr nach Mittelerde. Den Rest des Jahres verbringt er irgendwo in den unsterblichen Landen, beobachtet durch seine magische Kugel die Kinder von Mittelerde und bereitet für die braven die passenden Geschenke vor.“ Nachdenklich  schwiegen die Kinder eine Weile, dann sagte der junge Merry, „Ich wünschte der Elb würde mir aus den unsterblichen Landen einen Brief von Großvater mitbringen!“

Gundbert suchte kurz nach Worten und antwortete dann tröstlich „Ich glaube nicht, dass er die Zeit haben wir nach deinem Opa zu suchen! Aber jetzt macht

die Augen zu und gute Nacht. Morgen ist der letzte Tag vor der Jahreswende und ihr müsst für das Neujahrsfest ausgeschlafen sein“. Damit schloss  er die Tür, seufzte und ging in den Wohnraum, wo Elanor mit ihrem Gast Olórin am Tisch saß und plauderte.

Olórin war ein fahrender Händler, der vor einigen Tagen mit seinem Eselskarren nach Hobbingen gekommen war. Er hatte nach einem Gästezimmer gefragt und versprochen, als Gegenleistung für Bett und Essen ein prächtiges Feuerwerk am Neujahrsfest zu veranstalten. Elanors Wohnhöhle war eine der größten des Dorfes und obwohl

Olórin sich drinnen bücken musste und für ihn drei Hobbit-Betten nebeneinander gestellt werden mussten, nahm er das Zimmer dankend an.

Nun saßen sie beim zweiten Abendmahl und erzählten sich Geschichten. Olórin brachte Neuigkeiten aus den Menschenländern, Elanor wusste um Gerüchte aus den nachbarlichen Dörfern und Gundbert brachte zuletzt noch den Wunsch seines Sohnes zur Sprache einen Brief von seinem Großvater.

„Soso, sein Großvater ist also tatsächlich Samweis Gamdschie, der Gefährte von Frodo Beutlin dem

Ringträger?“ fragte Olórin. „Ja, so ist es. Er hat den Ring sogar selbst eine zeitlang getragen und stets erzählt, dies sei die dunkelste, schwerste Zeit seines Lebens gewesen. Diesen Edelstein hier“ Elanor zeigte auf ein funkelndes Juwel, das in der Mitte der beiden, aus Tannenzweigen geflochten, Neujahrskränze thronte, „hat ihm König Elessar gegeben. Er war sein letztes Geschenk an uns, vor seiner Abreise in die Elbenländer.“

„Der Stein von König Elessar? Davon habe auch ich schon gehört, er soll magische Kräfte haben“ erwiderte Olórin. „Magische Kräfte? Davon wissen

wir nichts. Mit Gandalf und den Elben, haben nicht nur die letzten Magier sondern die ganze Magie Mittelerde verlassen! So ist es und so ist es auch gut!“.

Elanor holte noch zwei Kerzen und auf jeden der beiden Neujahrkränze, die wie eine Schleife verbunden durch das Juwel am Tisch lagen, steckte sie eine davon. Sie tranken noch den Rest vom Wein, rauchten eine Pfeife und freuten sich auf das morgige Fest.

In der Früh wurden die Kinder geweckt und beim ersten Frühstück zündete Elanor die Kerze für das alte Jahr an. Sie

sangen Lieder und schickten die Kinder zum Spielen hinaus in den Schnee. Der Tag war sonnig und windstill, gerade das richtige Wetter für ein Fest mit einem großen Feuerwerk.

An diesem Tag kamen alle Hobbits aus ihren Wohnhöhlen und halfen bei den Vorbereitungen. Tische und Stühle wurden aufgestellt, ein Podium zum Tanzen und ein Platz für die Musiker wurden aufgebaut. Auch Olórin bereitete sich vor. Auf einer eingezäunten Wiese stellte er Röhren auf, packte Kisten und Säcke aus und tat recht geheimnisvoll.

Der Abend kam, es wurde noch eine

kleine Zwischenmahlzeit gehalten um sich für das Fest zu stärken Olórin schüttelte den Kopf und murmelte etwas in der Art „Hobbits müssen wahrhaftig 5 Mägen haben“ und mit dem Untergehen der Sonne ging es los.

Die Kapelle spielte ein Lied nach dem anderen, es wurde mitgesungen, ganz gleich ob der Text stimmte oder nicht. Auf der Tanzfläche wurde es eng und immer enger, schließlich begannen die Hobbits sogar im Schnee ihre Bahnen zu ziehen. Die Kinder hüpften mit, bewarfen ihre Eltern mit Schneebällen und durften ausnahmsweise auch die Wohnhöhlen besteigen und herunterrutschen.

Daneben wurde natürlich ständig ordentlich geschmaust und so verging die Zeit bis Mitternacht wie im Flug. Die Musik spielte einen Tusch, alle Hobbits fielen sich um den Hals, beglückwünschten sich und Olórin zündete sein Feuerwerk. Es war wirklich so wie er es versprochen hatte. Bunt und laut, prächtig und abwechslungsreich. Da blühten Blumen am Himmel auf, dort pfiffen Vögel durch die Luft. Ein glitzernder Regen wurde von Blitzen abgelöst. Die Hobbits staunten, zeigten hierhin und dorthin und schrien laut „Da!“ und „Oh!“.

Nun folgte nur mehr ein letzter kleiner

Schmaus - „Es müssen doch 6 Mägen sein“ murmelte Olórin in seinen Bart dann verschwanden die Hobbits in ihren Höhlen, worauf die Kinder schon sehnlichst warteten um zu sehen, ob der Neujahrselb mit seinem zahmen Ork Geschenke für sie da gelassen hatte. Auch Merry und Rose konnten es kaum noch aushalten. „Habt ihr sie gesehen? Ich habe ständig aufgepasst, aber nichts bemerkt!“ „Gesehen haben wir auch nichts, aber wart ihr überhaupt brav genug?“ erwiderte Gundbert. „Aber sicher doch, Papa! Wir waren doch brav, oder?“. „Wir werden ja sehen, jetzt lauft schon rein in die gute Höhle!“

Kaum drinnen, gab es ein Geschrei und Gejubel, denn auf dem Tisch lagen tatsächlich bunte Säckchen mit Geschenken. Elanor und Gundbert warfen sich glückliche Blicke zu. Gemeinsam wurde die Kerze für das alte Jahr ausgeblasen und die andere für das neue Jahr angezündet.

Dann waren die Kinder nicht mehr zu halten, die Säckchen wurden ausgepackt und die neuen Spielsachen und einige Instrumente wurden bestaunt und ausprobiert.

Rose merkte als erstes, das sie noch ein Päckchen am Tisch übersehen hatten.

„Da schaut mal, dort wo der Edelstein war, ist nun etwas verpackt! Darf ich das auspacken?“ Rose und Gundbert blickten sich gegenseitig fragend an, zuckten mit den Schultern aber sagten „Ja, natürlich.“

Als Rose mit dem Auspacken anfing, begann der Inhalt plötzlich zu zittern. Sie lies erschrocken alles fallen, der Edelstein fiel heraus und landete am Tisch. Anstatt im Licht zu glitzern begann aber auf einmal Rauch aus dem Stein aufzusteigen. Die Hobbits schrien verängstigt auf, blieben aber stehen, als sie sahen, dass sich der Rauch nicht im Raum verteilte, sondern sich über dem

Tisch sammelte und begann sich zu etwas Rundem zu formen. Mit offenen Mündern sah die Familie wie die Rauchschwaden immer dichter wurden, bis endlich ein Kopf über dem Tisch schwebte.

Elanor musste sich an ihrem Mann festhalten als sie das Gesicht ihres Vaters erkannte, dass plötzlich zusprechen anfing. „Meine Lieben! Elanor meine Tochter, Gundbert mein Schwiegersohn und ihr Kleinen! Rose und Meriadoc meine Enkel, die ich nun endlich sehen darf. Der Neujahrselb hat mir von eurem Wunsch erzählt und mir angeboten, auf diesem Weg mit euch zu

sprechen. Ach wie ich mich freue! Aber was rede ich so viel und ihr steht da wie die Lämmer? Erzählt mir doch etwas - und Fragen werdet ihr doch auch haben.“

Elanor war die erste die unter Tränen fragte „Bist du das wirklich? Papa?“ und dann ging es weiter und weiter. Es wurde erzählt und berichtet, es wurde gelacht und geweint und selbst als die Kinder schon schlafen gegangen waren, wurde noch lange mit dem Rauchkopf gesprochen.

Am nächsten Tag standen alle sehr spät auf, beim ersten Frühstück wurden die

wunderlichen Ereignisse der Nacht noch einmal besprochen aber weder Elanor noch Gundbert konnten sich das Geschehene erklären. Olórin hatte bereits seine Sachen gepackt und er bedankte sich ausgiebig für die Gastfreundschaft der Hobbits.  Elanor begleitete ihn zu seinem Karren und fragte ihn „Sagt, könnt ihr euch das erklären? Vielleicht besitzt der Edelstein tatsächlich magische Kräfte!“

Olórin lächelte und klopfte mit seinem langen Wanderstab auf den Boden. Während er ihr sein Gesicht zuwandte, begann er sich langsam zu verändern, sein grauer Bart wurde weiß und auch

sein fleckiger Mantel und der dunkle Umhang nahmen ein strahlendes Weiß an. Selbst der graue Esel verschwand und wurde zu einem edlen Schimmel. „Nun ja, Elanor, magische Kräfte waren wohl am Werk, aber der Stein hatte nichts damit zu tun. Grüsse hätte ich euch von eurem Vater jedenfalls ausgerichtet, aber so hatte ich viel mehr Spaß an der Sache. Eure Kinder glauben wieder an den Neujahrselb und an die Magie und auch der gute Sam hatte es verdient einmal etwas von seiner Familie zu hören. Mit Hilfe eines Palantirs“, dabei klopfte er auf seine Manteltasche, „und etwas zusätzlicher Magie, konnte er von den elbischen Inseln aus mit euch

sprechen“. Er lachte und etwas Stolz mischte sich in sein Grinsen. „Gandalf?“ die Worte formten sich mehr auf Elanors Lippen, als das sie sie aussprach. Er nickte. „Olórin werde ich in anderen Gegenden genannt, aber ihr kennt mich wohl als Gandalf, aus den Geschichten, die ihr von Eurem Vater, von Frodo und von Bilbo gehört habt.“ „Aber ich dachte, ihr habt Mittelerde mit den anderen verlassen?“. „Das stimmt wohl. Aber ab und zu reisen einige von uns in die alten Lande, um zu sehen wie sich das Zeitalter der Menschen entwickelt und ob die alten Kräfte in Mordor nicht wieder aufleben.“

Er zog seinen Hut tiefer ins Gesicht, verabschiedete sich mit einem „Lebt wohl!“, bestieg sein Pferd und ritt in Richtung der aufgehenden Sonne als weiße Gestalt durch die schneeweiße Landschaft.

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Über den Autor

Silbenfaeller
Bin ein Jahrgang 67, Married with children und wenn ich schon ins Burnout steuere, dann zumindest glücklich. Meine besseren 3/4 nennen meinen Beruf meist Computer-Heini, was nicht so schlimm ist, da ich ihren Internet-Zugang kontrolliere und somit daheim zumindest etwas in der Hand habe.

Mein Credo nehme ich von Wigald Boning "Bleiben Sie neugierig" - nein, das gleichnamige Buch habe ich nicht gelesen - und füge hinzu "Höre nie auf zu Lernen, vor allem aus deinen Fehlern". Eine Zahnfüllung, verbeultes Blech, gebrochene Knochen oder Herzen - aus allem kann man eine Lehre ziehen.

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MilunaTuani hallo,
eine anheimelnde Weihnachtsgeschichte, eine liebevolle Adaption, in einer urigen Umgebung,
hat mir sehr gut gefallen,
LG
Miluna
Vor langer Zeit - Antworten
Silbenfaeller Danke für den Balsam! lg SF
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Ich bin Tolkien-Fan. Die Geschichte ist ganz süß. Eben wie eine typische Weihnachtsgeschichte, nur dass sie eben im Auenland spielt, sehr schön.

LG Shirley
Vor langer Zeit - Antworten
Silbenfaeller Merci, genau das war meine Idee dazu. Bin gespannt ob Nicht-Fantasy/Tolkien/HerrDerRinge-Fans das auch so sehen. Lieben Gruß SF
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monalisa592107 hm genial geschrieben hat mir gut gefallen lg monika
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Silbenfaeller Danke! Ist ein Beitrag zur Storybattle Wintermärchen. Mit Weihnachtsstress und Silvesterurlaub und Recherche - es soll ja zu der ziemlich umfangreichen Welt von Tolkien passen - hab ich das grad noch so fertig bekommen. .. und trotzdem beim Schreiben Spass gehabt. lg SF
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