Kurzgeschichte
Alles, was ich brauchte

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"Alles, was ich brauchte"
Veröffentlicht am 05. Januar 2014, 68 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich schreibe schon mein ganzes Leben lang, angefangen von kleinen Gedichten bis hin zu ganzen Büchern. Mein erstes Buch habe ich geschrieben, als ich gerade lesen und schreiben gelernt hatte und habe nie aufgehört, bis heute nicht. Jetzt, mit 15 Jahren, habe ich schon mehrere Bücher geschrieben, jedoch noch keines veröffentlicht.
Alles, was ich brauchte

Alles, was ich brauchte

Teil 1

Es war der 21. Dezember. Wie jedes Jahr fuhr ich mit meiner Familie in den Skiurlaub. Meine Schwester und mein Vater saßen vorne, ich hatte mich alleine nach hinten gesetzt, hatte keine Lust mit irgendwem zu reden oder so zu tun, als hätte ich gute Laune. Hinten konnte mich keiner sehen. Da konnte ich schlechte Laune haben, ohne dass es jemand mitbekam. Das Letzte, worauf ich jetzt Lust hatte, war Skifahren. Vor zwei Wochen war meine Mutter ohne ein Wort abgehauen und hatte uns im Stich gelassen. Trotz allem, was passiert war, tat mein

Vater so, als wäre alles in Ordnung. Er war der Einzige, der Lust auf diesen Urlaub hatte. Wahrscheinlich tat er auch nur so, aber die ganze Autofahrt redete er und lachte und wunderte sich, dass Kate und ich stur aus dem Fenster schauten und kein Wort sagten. Aber mein Vater wollte die Tradition unbedingt wahren, auch, wenn Kate und ich keinen Spaß an dem Urlaub haben würden. Ich setzte mir die Kopfhörer auf und machte Musik an. Linkin Park war jetzt genau das, was ich brauchte. Seit dem Tag, an dem meine Mutter abgehauen war, hatte ich mich nie wieder mit meiner zwei Jahre jüngeren

Schwester gestritten. Seit dem Tag waren Kate und ich uns sehr nahe. Sie war sowas wie meine beste Freundin. Nur noch viel mehr!, bemerkte ich bei Gedanken an meine beste Freundin. Mit dieser hatte ich mich vor ein paar Tagen heftig zerstritten. Seit ich denken kann waren wir unzertrennlich. Sie wusste alles von mir und ich wusste alles von ihr - dachte ich. Nur hatte sie mir immer verschwiegen, dass sie in meinen Freund verliebt war. Vielleicht hat sie das auch nur aus Liebe zu mir getan, weil sie wusste, dass ich sie hassen würde, wenn sie mir meinen Freund ausspannen würde. Nun hat sie es aber

trotzdem getan. Mit Erfolg. Mein Freund war seit exakt 5 Tagen ihr Freund. Seit dem hatte ich kein Wort mehr mit ihr geredet. Man sollte denken, ich wäre froh, dass ich jetzt in den Urlaub fahre, 460 Kilometer weit weg von Lea. Aber im Gegenteil. Es tat mir Leid. Lea konnte nichts für ihre Gefühle und noch weniger für die von Nico, die ja wohl ganz offensichtlich dieselben waren. Man kann sich eben nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. Jetzt wollte ich mich mit Lea aussprechen und fuhr für 7 Tage in den schlimmsten Skiurlaub aller Zeiten! Dieses Jahr fuhren wir das erste Mal nach Frankreich, nur eine halbe Stunde

von Grenoble entfernt. Dass dort Französisch gesprochen wurde, war ein netter Nebeneffekt – wäre gewesen, wenn ich mich auf den Urlaub freuen würde. Aber so war es ja nicht und so konnte mich nicht mal das aufheitern, obwohl Französisch mein Lieblingsfach war. Meine Mutter kam niemals wieder, ich hatte keine beste Freundin mehr und mein Freund war jetzt mit meiner besten Freundin zusammen. Konnte mein Leben eigentlich noch schlimmer sein? Chamrousse war ein sehr schönes Skigebiet. Klein, aber sehr schön. Unter normalen Umständen würde ich den Aufenthalt hier mit Sicherheit genießen. Aber jetzt konnte ich es kaum abwarten,

Samstag in einer Woche wieder nach Hause zu fahren. Unser Hotel war ein Traum. So wie alles in diesem Skiurlaub. Nur wünschte ich, ich würde möglichst schnell aus diesem Albtraum wieder aufwachen und mit Lea reden können. Alles, was ich brauchte, war Lea! Noch an dem Abend gingen wir unsere Skipässe für 6 Tage kaufen und die Skier leihen. Morgen würden wir sofort auf den Berg können. Na klasse... Die Zeit verging schleppend langsam. Wenn jede Stunde so lange dauert, dann bin ich nächstes Jahr noch hier... Beim Abendessen bemerkte ich, dass Kate halbwegs gute Laune hatte. Als sie

meinen Blick sah, erklärte sie: „Komm schon, Lucy, ist doch gar nicht so schlimm hier! Ich meine, klar, Mama ist abgehauen. Aber hey, wir können nicht für den Rest unseres Lebens traurig sein!“. Ich sah meine Schwester irritiert an. „Was hast du denn geraucht? Geht es dir gut? Bist du krank?“. Ich fühlte ihr Stirn. Sie lachte und schob meine Hand weg. „Ach, komm schon Lucy, du musst zugeben, es ist toll hier! Und warum sollen wir die Zeit hier nicht genießen?“. Ich seufzte. „Kannst du ja machen, du hast ja auch nur das Problem, dass deine Mutter abgehauen ist! Dein Freund

ist ja nicht mit deiner besten Freundin durchgebrannt!“. Katy seufzte auch. „Ich weiß, Lucy, tut mir leid! Aber bitte versprich mir, dass du Papa und mir die Zeit hier nicht zur Hölle machst, okay? Du bist in einer Woche wieder Zuhause, dann kannst du immer noch mit Lea reden. In Ordnung?“. Ich sah meine kleine Schwester einen Moment an, dann nickte ich. „Ist okay, Katy!“. Sie umarmte mich erleichtert. „Wollen wir gleich ein Spiel spielen? Mit Papa?“. Zweifelnd sah ich sie an. Aber dann nickte ich. Ich wollte mein Versprechen nicht gleich am Anfang brechen. Wir spielten 2 Runden Hexentanz. Dann ging

ich ins Bett. Mehr hielt ich wirklich nicht aus. Am nächsten Morgen hatte ich halbwegs gute Laune. Zumindest bessere als gestern. Ich hatte einen Traum, der mir geraten hatte, wenigstens zu versuchen, es zu genießen. Ich gab mir wirklich Mühe. Doch ich verlor schon den Mut, als ich auf der ersten Piste bemerkte, dass die Skischuhe zu klein waren. Mein Vater versprach, dass wir noch heute Nachmittag die Schuhe umtauschen würden, aber für den heutigen Skitag würde ich auch mit denen klarkommen. „Welche Piste fahren wir als nächstes?“, fragte mein Vater, als wir

eine rote beendet hatten und im Lift saßen. Immerhin war hier nicht viel los. Im ganzen Skigebiet nicht. Es war ein kleines Skigebiet, aber trotzdem schön. „Ich würde gerne nochmal die Rote fahren!“, sagte Katy. „Ich will nochmal über die Rampe springen!“. Mein Vater sah mich an. „Okay?“. Sofort nickte ich. Ich muss zugeben, dass ich die Rampe auch klasse fand. Danach kann man den Rest der Piste im Tiefschnee weiterfahren. Noch ein Pluspunkt. Wir stiegen aus der Gondel, schnallten unsere Skier an und warteten, dass alle bereit waren. Dann fuhren wir los. Eine Weile fuhren wir normal die Piste runter, aber kurz

vor einer großen Biegung hielt mein Vater an. Katy und ich hielten auch und sahen ihn an. „Wer fährt zuerst?“, fragte er. „Ich!“, sagte ich sofort und fuhr los, als keiner mehr kam, der mir den Weg hätte abschneiden können. Auf die Rampe zu fuhr ich noch in Schlangenlinien, aber einige Meter davor fuhr ich dann gerade darauf zu. Ich ging in die Knie und sprang. Beim Aufkommen ging ich wieder in die Knie und federte so den Aufprall ab. Ein paar Meter hinter der Rampe bremste ich und wartete auf die anderen. Meine Schwester fuhr los. Sie machte es genauso wie ich, doch schon als sie auf die Rampe zufuhr, konnte ich

sehen, dass sie in Rücklage war. Ich kniff die Augen zusammen, bevor sie sprang. Und obwohl es höchstens zwei Sekunden dauerte, kam es mir vor wie eine Ewigkeit.Ihre Skier machten ein lautes Geräusch auf dem vereisten Boden, trotzdem konnte ich ihren Schrei hören. Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah Katy auf dem Boden liegen. Mit schmerzverzerrten Gesicht setzte sie sich auf. Mein Vater war inzwischen auf dem Weg zu ihr. Als er bei ihr ankam, zog er seine Skier aus und kniete sich neben sie auf den Boden. Langsam bekam ich meine Muskeln unter Kontrolle und schleppte mich ein

wenig den Berg hoch. Die Mühe, die Skier auszuziehen, machte ich mir gar nicht. Als ich bei Katy war, konnte ich sehen, dass ihre Skier nicht aufgegangen waren. Das war übel. „Alles klar?“, fragte ich sie. Sie schüttelte nur den Kopf. Mein Vater machte vorsichtig ihre Skier ab, damit sie sich besser bewegen konnte. Ihr rechtes Bein legte Kate gerade auf den Boden. „Da ist irgendwas!“, sagte sie. „Ich kann nicht aufstehen!“. Ein paar Leute hielten an, fragten ob sie helfen konnten. Andere glotzten einfach nur und fuhren vorbei. Diese Leute ärgerten mich. Durch meine Wut hindurch sagte ich: „Papa, du bleibst

hier, ich fahre runter und hole die Sanitäter!“. Mein Vater nickte und redete auf Katy ein, dass alles gut werden würde. Ich fuhr so schnell es ging runter, aber trotzdem ziemlich vorsichtig. Als ich endlich unten am Lift war, atmete ich auf. Ich zog die Skier aus, steckte sie aufrecht in den Schnee neben dem Lift und ging dann zu dem kleinen Häuschen daneben. Der Mann sah mich durch das Glas hindurch an und machte dann auf. „Bonjour... Äh... Monsieur!“, begann ich in schlechtem Französisch. Aber dann begann ich einfach zu reden. Die Wörter fielen mir schon von selbst ein. „Meine Schwester ist verletzt! Mein

Vater ist noch bei ihr. Sie braucht so schnell es geht einen Arzt!“, erklärte ich die Situation so schnell es ging. Der Mann schien zu verstehen und griff nach dem Telefon. Er redete auf schnellem Französisch, ich verstand kein Wort. Aber als er auflegte, erklärte er langsam: „Die Sanitäter kommen jetzt hierher. Du bringst sie dann dahin, wo deine Schwester ist, okay? Sie sind in ein paar Minuten hier!“. Ich nickte. Ich hatte nicht jedes Wort verstanden, aber ich wusste, was er sagen wollte. Ich wartete ungeduldig. Obwohl sie tatsächlich nach knapp 3 Minuten da waren, kam mir die Zeit vor wie eine

Ewigkeit. Die Sanitäter hatten eine Pistenraupe dabei, womit sie Patienten transportieren konnten. Erst redeten sie mit dem Mann in dem Häuschen, dann erklärten sie mir kurz, dass ich sie zu dem Platz bringen soll. Der Lift war voller als vorhin. Aber die Männer gingen gar nicht auf den Lift zu. Ich schnappte mir meine Skier und sah, dass sie sich auf die Pistenraupe setzten. Sie bedeuteten mir ohne viele Worte, dass ich mich auch drauf setzen sollte und ihnen den Weg weisen soll. Bis auf ein „Da lang!“ ab und zu redete keiner. Dazu war es auf der Raupe auch viel zu laut.Dann kamen wir der Rampe immer näher und ich deutete in die

Richtung, wo sie lag. Obwohl kaum 10 Minuten vergangen waren, seit ich Katy und meinen Vater verlassen hatte, kam es mir vor, als hätte ich sie viel zu lange alleine gelassen. Die Raupe hielt vor Katy an und die Männer stiegen ab. „Bonjour!“, sagten sie erstmal freundlich. Ich ging auf Katy zu und redete mit ihr. „Alles klar?“. Kate nickte. Einer der Männer kam auf Kate zu. Ich stand auf und machte Platz. Vorsichtig betastete er ihr Knie durch die Skihose. Aber auf Schmerzen reagierte Katy trotzdem. Ich zuckte zusammen, als sie einmal aufschrie, als der Sanitäter auf eine Stelle am Knie

drückte. Dann sagte der Mann, sie würden Katy runter ins Tal bringen, dort könnten sie sie besser untersuchen. Sie legten sie auf die Trage auf der Pistenraupe und fragten dann, ob wir auch darauf mitfahren wollen oder ob wir nebenher fahren. Wir entschieden, auch auf die Pistenraupe zu steigen und uns kutschieren zu lassen. Mein Vater redete die ganze Zeit mit Katy, beruhigte sie, nahm ihr die Angst. Aber ich starrte einfach nur in das Weiß, was kein Ende nahm. Überall wo ich hinsah war weiß. Vorher war mir das nie so aufgefallen. Weiß wie ein Engel. Bald kamen wir an der Gondelstation an.

Die Krankenstation war oben, die hatte ich schon gesehen. Aber die Männer brachten Kate nicht zu der Gondel, sondern stiegen von der Raupe und brachten sie zu einem Krankentransporter, der direkt an der Straße stand. Mein Vater und ich folgten ihnen wortlos. Als sie Katy darin verfrachtet hatten, drehten sie sich zu meinem Vater und mir. „Vielleicht ist es sinnvoller, wenn nur einer mitkommt. Sonst wird es zu voll!“. Ich übersetzte meinem Vater kurz. Eine Weile sahen wir uns einfach an. Aber dann sagte ich: „Geh ruhig, ich warte im Hotel!“. Mein Vater atmete auf. Ich wäre zwar auch gerne

mitgekommen, aber wie es aussah, war mein Vater nicht bereit zu hier bleiben. Ich verabschiedete mich noch von Katy mit einem Winken. Katy sah erstaunlich glücklich dafür aus, dass sie vielleicht einen Kreuzbandriss oder sogar schlimmeres hatte. Sie winkte mir breit grinsend zu. Es tat schon fast weh, sie so glücklich zu sehen. Sie musste doch schrecklich traurig sein! Wenigstens wegen der Schmerzen! Ich winkte noch meinem Vater, der in den Wagen stieg und machte mich dann auf den Weg ins Hotel. Ich hatte nicht wirklich Lust, wieder hochzufahren, um zur Piste zu gelangen, die zu unserem Hotel führte. Stattdessen lief ich einen

kleinen Weg entlang, der zu einem Schlepplift führte, der sich direkt unter unserem Hotel befand. Sehr langsam und mit schweren Schritten, was aber größtenteils an den Skischuhen lag, ging ich den Pfad lang. Doch schon als ich die ersten 100 Meter gelaufen war, bereute ich meine Entscheidung. Die Schuhe waren wirklich nicht geeignet zum Wandern und die Skier, die ich mir über die Schulter gelegt hatte, waren auch keine große Hilfe. Ich sah zurück zur Gondel. Aber bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, trugen mich meine Füße wie von alleine den Berg weiter hoch. Meine Gedanken waren eh so weit weg, dass ich die

Schmerzen kaum spürte. Nach einer Weile kam ich zu einer kleinen Straße, die man überqueren muss um zum Schlepplift zu kommen. Aber gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass mir der Schlepper nicht ganz so viel bringt und lief stattdessen die 50 Höhenmeter, die noch vor mir lagen, die Straße lang. Irgendwann stand ich tatsächlich vor dem Skikeller. Aber weder freute ich mich darüber, nach war ich traurig, dass Katy jetzt gerade irgendwo bei einem Arzt saß. Ich fühlte gar nichts. Es war wie vor 2 Wochen, als Mom ohne ein Wort abgehauen war. Ich sah alles wie durch einen Schleier, fühlte

nichts, dachte nichts, konnte nicht mal weinen. Ich schloss die Tür auf, zog die Skischuhe aus und die Hausschuhe an und ging dann hoch in mein Zimmer. Dort zog ich mir die Skiklamotten aus und ging unter die Dusche. Danach fühlte ich mich besser. Ich setzte mich aufs Sofa und schaltete den Fernseher an. Klasse, nur französisches Fernsehen. Egal, es ging mir eh nicht darum, was zu verstehen, nur darum, mich irgendwie abzulenken. Nach 5 Minuten begann ich zu frieren. Ich drehte die Heizung auf und legte mich dann gemütlich aus Sofa.

„Lucy, wach auf, die musst Platz für deine Schwester machen!“. Ich öffnete die Augen und sah meinen Vater und Kate reinkommen. Kate ging auf Krücken und grinste schief, als sie meinen Blick sah. „Kreuzbandriss!“, sagte sie und zuckte die Schultern. „Das war's dann mit Skifahren!“. Ich stand auf und machte Platz für Katy. „Tut's sehr weh?“, fragte ich besorgt. Sie zuckte die Schultern. „Kommt drauf an. Mal so mal so. Aber ich habe Angst zu schlafen und erst recht vor der Dusche!“. Ich legte meine Hand auf ihre

und sah sie an. „Das wird wieder, okay? Ich helfe dir!“. Sie lächelte mich dankbar an. Ich stand auf und sagte, sie solle mit in unser Zimmer kommen, ich würde ihr beim Umziehen helfen und, wenn sie möchte, auch beim Duschen. „Ja, bitte, aber duschen möchte ich jetzt nicht! Das macht mir Angst...“, erklärte sie und ich nickte verständnisvoll. Vor einem Jahr hatte der Vater von Lea einen Kreuzbandriss gehabt. Lea hatte mir alles erzählt und ich wusste, wie ich mit Katy umgehen musste. Lea. Immer wieder Lea. Wieso musste ich bloß immer wieder an sie denken? Hatte sie auch ein schlechtes Gewissen? Tat es ihr Leid? Ich wusste es nicht und das

war es, was mich so verrückt machte. Aber jetzt war erstmal Katy wichtig. Ich half ihr, ihre Skiklamotten auszuziehen und lieh ihr dann meine Jogginghose, weil sie sehr weit war. Dort passte auch die Schiene drunter. „Du kannst meine Jogginghose haben, aber du kannst nicht immer nur die anziehen! Ich gehe gleich mal in ein Sportgeschäft und kaufe noch eine!“, bot ich an und Katy lächelte mich dankbar an. „Danke Lucy! Du bist echt die beste Schwester, die man sich wünschen kann!“. Jetzt war ich in dem Sportgeschäft, das nur ein paar Minuten zu Fuß von dem Hotel entfernt war, und suchte nach Jogginghosen, die weit genug waren. Ich

fand schließlich auch eine, die würde nur ein wenig zu lang sein. Aber das war ja egal. Ich bezahlte und lief zurück ins Hotel. Katy lag auf dem Sofa und las. Als ich reinkam, sah sie auf und lächelte. „Danke“, sagte sie, als ich die Jogginghose aus der Tüte holte und sie ihr zeigte. „Die ist toll!“. „Los, probier sie an, wir müssen gucken, ob sie auch über die Schiene passt!“. Kate rappelte sich auf und winkte mich zu sich. Ich half ihr, meine Jogginghose auszuziehen uns die Neue anzuziehen. Passte wie angegossen. Sie war ihr nicht mal zu lang, wie ich vermutet hatte. Kate hatte längere Beine,

als ich dachte. Nochmal bedankte sich Katy bei mir uns ließ die Jogginghose gleich an. Den Nachmittag verbrachten wir mit Katy unten in der Wohnung. Für den ersten Tag sagte Kate auch nichts dazu. Aber am nächsten Morgen schüttelte sie entschieden den Kopf, als wir sagten, wir wollten heute nicht hochfahren. „Kommt nicht infrage! Ihr fahrt heute hoch! Ich will nicht, dass ihr meinetwegen den Skiurlaub sausen lasst! Ich komme schon klar! Ihr fahrt jetzt hoch!“. Wenn sie könnte, wäre sie wahrscheinlich aufgestanden und hätte uns zur Tür herausgeschoben, aber jetzt zeigte sie einfach nur energisch dahin

und sah uns streng an. Ich grinste und nahm die Hand von meinem Vater, der noch zweifelte. „Ist in Ordnung, Katy! Aber sobald irgendwas ist, kannst du mich und Papa auf dem Handy erreichen!“. Sie nickte und ich zog Papa zur Tür raus in den Skikeller. Dort musste ich ihm erst noch einreden, dass sie wirklich alleine klarkommt und uns schon anruft, wenn irgendwas ist. Trotzdem konnte er den Skitag nicht wirklich genießen. Im Gegensatz zu mir. Aus irgendeinem Grund hatte ich gute Laune. Ich konnte mir aber wirklich nicht erklären, warum. Im Gegenteil. Ich wüsste 1000 Argumente, warum ich eigentlich hätte heulen können. Doch

stattdessen konnte ich nicht aufhören zu grinsen, als wir die Piste herunterdüsten, die Sonne auf unseren Gesichtern genossen und sogar, als ich mich einmal richtig hinfiel, sodass ich überall Schnee hatte. Als wir gegen 2 Uhr auf der Hütte saßen, machte ich meine Skischuhe auf, damit sie während der Pause nicht so eng sind, zog meine dicke Jacke aus und sagte dann: „Ich gehe Essen holen! Was möchtest du?“. Mein Vater war erstaunt, war allerdings zu erschöpft um zu widersprechen. „Einen Germknödel fände ich jetzt toll! Und ein Bier!“. Ich nickte und verschwand. „Danke!“, rief er mir noch hinterher und ich grinste ihn

schief über die Schulter an. Na klasse. Germknödel gab es in Frankreich natürlich nicht. Stattdessen gab es hier Crêpes. Ich entschied, für uns beide stattdessen einen Crêpe zu kaufen. Er würde schon nichts dagegen haben. In Österreich gab es keine Crêpes, in Frankreich keine Germknödel. Aber ein Bier bekam ich trotzdem. Für mich kaufte ich eine Cola, obwohl ich auch ein Bier hätte nehmen können. Letzten Monat war ich 16 geworden. Aber ich mochte Bier nicht mal, also ließ ich es bleiben. Ich balancierte das Tablett nach draußen, wo mein Vater saß. Vor der Tür blieb ich stehen, weil mir ein Junge entgegenkam. Er grinste mich an und ließ

mich vor. Er fragte mich etwas in schnellem Französisch. Ich war kurz verwirrt. „Ich... äh... Ich bin Deutsche!“, erklärte ich kurz und er nickte verständnisvoll. „Kann ich dir helfen?“, fragte er, diesmal langsamer. Ich musterte ihn kurz. Er war ein wenig älter als ich, hatte hellbraunes Haar, ein freundliches Gesicht und trug eine Billabong-Jacke. Er wirkte sehr freundlich, also nickte ich und bedankte mich. Er nahm mir das Tablett ab und trug es zu unserem Tisch. Dort bedankte ich mich nochmal und er küsste mich auf beide Wangen. „Stets zu Diensten!“, sagte er und verschwand.

Mein Vater sah mich mit großen Augen an und ich erklärte ihm lachend, was passiert war und wie es dazu kam, dass er nun Crêpes essen musste. Am späten Nachmittag kamen wir völlig fertig ins Hotel. „Hey Katy!“, wollte ich rufen, doch konnte mich im letzten Moment aufhalten, als ich sah, dass sie schlief. Leise ging ich in unser Zimmer und zog mich um. Mein Vater sprang unter die Dusche, bevor ich mich vordrängeln konnte. Also setzte ich mich ins Wohnzimmer auf das Sofa, das Katy nicht komplett in Beschlag nahm. Als ich meine Schwester einen Moment

ansah, bemerkte ich, dass sie gar nicht schlief. „Alles klar, Katy?“, fragte ich und sie nickte müde. „Was ist?“, fragte ich, die sehr wohl bemerkt hatte, dass nicht alles klar war. Kate sah mich an. „Ich hatte heute viel Zeit zum Nachdenken“, erklärte sie.„Und ich habe daran gedacht, wie du das mit Lea und Nico regeln könntest...“. Ich sah sie zweifelnd an. Doch sie setzte sich auf und fuhr fort. „Lucy, wir sind in Frankreich, nicht aus der Welt! Ruf sie an! Wo ist das Problem?“. Ich sah sie immer noch zweifelnd an. Sie seufzte. „Schreib ihr eine SMS, dass sie auf Skype gehen soll, damit ihr kostenlos skypen könnt! Bitte!“. Jetzt sah sie echt

verzweifelt aus und ich musste grinsen. „Wieso eigentlich nicht“, sagte ich schließlich und zuckte die Schultern. „Du hast recht! Warum 6 Tage warten müssen, wenn ich es auch jetzt klären kann?“. Katy atmete erleichtert auf und lächelte mich aufmunternd an. Ich nahm mir vor, heute Abend mit Lea zu skypen, vielleicht sogar zusammen mit Nico. Aber jetzt gerade hatte ich wirklich keine Lust. Stattdessen entschied ich, nach diesem anstrengenden Tag mal ein paar Bahnen in dem kleinen Pool des Hotels zu schwimmen. Ich erklärte Kate, wo ich hinging, damit sie es Papa erklären

konnte, der noch unter der Dusche war und zog mich dann um. Kurze Zeit später trat ich in das kleine Schwimmbad und legte mein Handtuch auf eine Liege. Das Schwimmbad war wirklich nicht groß, bestand nur aus einem kleinen Becken, aber es reichte, um sich ein bisschen abzukühlen. Gerade, als ich elegant einen Köpper ins Wasser machte, kam jemand rein. Ich bemerkte ihn nicht, aber als ich wieder auftauchte, sah ich genau in die Augen von dem Jungen, den wir heute auf der Hütte getroffen hatten. „Hi!“, begrüßte ich ihn verwundert. Er hatte mich vorher nicht bemerkt und drehte sich jetzt zu mir um. Als er mich erkannte,

strahlte er. „Hallo! Du wohnst auch hier?“. Ich nickte und lächelte ihn an. Er legte sein Handtuch auf eine Liege und sprang ins Wasser. Als er auftauchte, schwamm er auf mich zu und begrüßte mich mit Küsschen auf beiden Wangen. Wir unterhielten uns eine Weile und ich erfuhr, dass seine Tante nicht weit von Chamrousse in Grenoble wohnte und sie Weihnachten immer zusammen feierten, also hatten sie den Skiurlaub wie jedes Jahr in Chamrousse gebucht. Das Skigebiet war nicht weit von Grenoble, so konnten sie immer mal wieder runter fahren. Ich erzählte, dass ich Ferien hier machte, dass meine Mutter uns verlassen

hat, dass ich Probleme mit meinem Freund und meiner besten Freundin hatte und, dass meine Schwester seit gestern einen Kreuzbandriss hat. Obwohl ich ihn (Er hatte sich eben mit Sebastien vorgestellt) kaum kannte, tat es gut, ihm das alles zu erzählen. Er fühlte mit mir und tröstete mich. Dann fiel mein Blick auf die Uhr, die über der Eingangstür hing. Entsetzt riss ich die Augen auf. „Was, schon so spät?! Ich schwimme nur noch kurz eine oder zwei Bahnen und dann hau ich ab!“. Sebastien schwamm mit mir die letzten zwei Bahnen, jedoch tauchte ich diese, also konnten wir uns nicht weiter

unterhalten. Er tauchte auch und ich spürte genau seine Blicke, obwohl er hinter mir schwamm. Aus irgendeinem Grund störten sie mich nicht. Was hatte dieser Typ an sich, dass ich mich bei ihm fühlte, als würde ich ihn schon mein ganzes Leben lang kennen? Nach den zwei Bahnen kletterte ich aus dem Becken und schnappte mir mein Handtuch. Schnell sprang ich unter die Dusche und trocknete mich ab. Als ich wieder ins Schwimmbad kam, war Sebastien gerade unter Wasser. Ich wartete, bis er wieder auftauchte. Als er dies tat, sah er mich an und ich winkte. „Sehen wir uns morgen?“, fragte er, bevor ich verschwand. Ich drehte mich

nochmal um. „Zur selben Zeit wieder hier?“. Er nickte und dann verließ ich das Schwimmbad. Kaum war ich im Hotelzimmer angekommen, wurde ich schon von meinem Vater begrüßt. „Wo warst du denn so lange? Wir haben halb 7! Wir wollen auch noch irgendwann essen!“. Ich seufzte. „Ich hab im Schwimmbad Sebastien getroffen, den Jungen, der mir heute Mittag auf der Hütte geholfen hat, das Tablett zu tragen! Und...“. „Warte!“, unterbrach mich meine Schwester von der Couch. „Wen hast du getroffen?“. Ich lächelte und sagte: „Ich erkläre dir

gleich alles, ja? Ich gehe mich kurz umziehen und dann erzähle ich es dir beim Essen!“. Während wir Nudeln mit Tomatensoße aßen, begann ich, von Sebastien zu erzählen. „Er ist unglaublich nett und der coolste Junge, den ich je getroffen habe!“, vollendete ich meine Rede nach 5 Minuten. Ich sah Kate und meinen Vater abwechselnd an. Sie grinsten. „Na, dann...“, begann mein Vater. „Dann ist ja alles gut!“, beendete meine Schwester. Ich lachte. „Morgen Abend treffen wir uns wieder im Schwimmbad!“. Mit einem Blick auf meinen Vater ergänzte ich: „Wenn das für euch okay ist...“. Mein Vater und Kate nickten gleichzeitig.


Teil 2

Nach dem Essen schrieb ich Lea eine SMS. Können wir skypen? Bitte? Ich muss mit dir reden... Es dauerte keine 2 Minuten, bis eine Antwort kam. Ja, bitte. Ich muss auch mit dir reden. Ich schnappte mir also mein Laptop, erklärte, wo ich hinging und verließ dann das Zimmer. Internet gab es nur an der Bar. Dort fragte ich also einen Mitarbeiter nach dem Code und loggte mich dann ein. Lea war schon online. Ich schrieb sie an. Lucy: Hey Lea...

Lea: Hey...Sollen wir Video anmachen? Lucy: Ja, warte. Ich rief Lea an. Als sie abnahm, warteten wir auf das Video. „Hallo, Lucy...“, begann Lea leise. Doch dass einzige, was ich hören konnte, war „Ha... Lu...“. Ich runzelte die Stirn. „Ich verstehe kein Wort!“, sagte ich, doch Lea konnte mich nicht verstehen. Ich seufzte. „Wir legen auf und schreiben, ja?“. Als sie die Stirn runzelte, öffnete ich das Chatfenster unten und schrieb: Lucy: Wir legen auf und schrieben nur, okay?

Lea: Okay Ich legte auf und schrieb dann: Lucy: Alles klar? Wie läuft es mit Nico? Lea: Nicht so gut... Wir machen uns Vorwürfe... Lucy: Hör zu, Lea. Klar war ich sauer auf euch. Auf euch beide. Du hast mir meinen Freund ausgespannt und mein Freund ist fremdgegangen. Aber ich habe nachgedacht: Ihr könnt nichts für eure Gefühle. Und du hast mir ja nur nie etwas gesagt, weil du wusstest, dass du mich verletzen würdest und wolltest unsere Freundschaft nicht kaputtmachen. Und noch weniger kannst du was für Nicos Gefühle, die ja nun mal

dieselben sind. Klar ist es scheiße für mich, ich dachte, ich hätte nicht nur meinen Freund, sondern auch noch meine beste Freundin verloren. Aber man kann sich eben nicht aussuchen in wen man sich verliebt. Und... es tut mir leid. :/ Lea: Du bist also nicht sauer auf mich? Auf uns? Lucy: Nein, überhaupt nicht mehr. Es tut mir ganz schrecklich Leid! :/ Lea: Nein, mir tut es Leid! Die beste Freundin geht immer vor dem Freund! Ich hätte dich nicht hintergehen dürfen... :'( Lucy: Das ist doch jetzt Schnee von gestern. Ich weiß nur, dass es mir sehr

viel wichtiger ist, meine beste Freundin zu behalten, als Nico! Verzeihst du mir? Lea: Wieso sollte ich dir verzeihen? Auf dich war ich nie sauer, ich hatte nur ein schrecklich schlechtes Gewissen. Ich habe einen Fehler gemacht, nicht du! Verzeihst du mir? <3 Lucy: Längst geschehen! <3 Freunde? Lea: Ich hoffe doch, mehr als bloß Freunde... BFFE?<3 Lucy: BFFE <3 :* Lea: Wie ist denn der Skiurlaub? Ist der Schnee gut? Ich hab im Wetterbericht gesehen, dass die Sonne scheint!? Ich hätte heulen können vor Freude. Erstens, weil alles wieder gut war zwischen uns, aber außerdem, weil sie

trotz unseres Streits an mich gedacht hatte, sich sogar den Wetterbericht angesehen hat. Lucy: Soweit ganz in Ordnung... Der Schnee ist gut – Es gibt nur keinen. Und ja, die Sonne scheint, es sind +3 Grad, deshalb schneit es auch nicht und... Naja, meine Schwester hat einen Kreuzbandriss... Lea: ...Was?! Das ist heftig! Wann ist es passiert? Direkt gestern, am ersten Tag?! Oder heute? Ich erzählte Lea alles und war so froh, dass wir wieder normal miteinander reden konnten. Wenn wir uns auch wie rohe Eier behandelten. Aber für den Anfang war das besser als gar nichts.

Wir redeten den ganzen Abend über unverfängliche Themen. Wir mussten unsere Freundschaft erst langsam wieder aufbauen. Es würde eine Weile dauern, bis wir wieder miteinander lachen konnten wie früher. Aber das ist okay. Als ich spät am Abend wieder in die Wohnung kam, war Kate noch wach. „Und?“, fragte sie leise, weil unser Vater im Zimmer nebenan schon schlief. Ich lächelte und nickte. „Alles in Ordnung!“. Kate lächelte zurück. Am nächsten Morgen fuhren mein Vater und ich wieder auf den Berg. Ich konnte

es nicht abwarten, am Nachmittag wieder schwimmen zu gehen. Was blöd ist, denn eigentlich war ich zum Skifahren hier. Und es machte auch echt Spaß, nur die Rampe mieden wir. Jetzt, wo alles wieder gut war, machte es sogar noch mehr Spaß. Wir fuhren gerade eine rote Piste, als von hinten ein Junge kam und mir den Weg schnitt. Ich konnte gerade noch bremsen, sonst wären wir beide gestürzt. „Vollidiot!“, rief ich ihm hinterher. Aber er hörte mich nicht mehr. Als wir unten am Lift ankamen, war der Junge auch da. Ich sah ihn wütend an. Dann nahm er seine Skibrille ab, sodass

ich sein Gesicht sehen konnte. Ungläubig sah ich ihn an. „Sebastien? Aber...“. Ich wusste plötzlich nicht mehr, was ich sagen sollte. Ich konnte ihm jetzt ja schlecht sagen, dass er mir vorhin den Weg abgeschnitten hat. „Lucy!“, sagte er und kam auf mich zu, um mich mit les bises zu begrüßen. Ich küsste ihn auf beide Wangen, immer noch sprachlos. „Wie geht’s?“, fragte er. Endlich fand ich meine Sprache wieder. „Gut! Und dir?“. „Ja, geht schon! Du, wegen heute Abend...“, begann er, wurde aber von meinem Vater unterbrochen, der sich räusperte. Ich drehte mich zu ihm um.

„Sorry, Papa, das ist Sebastien. Sebastien, dass ist mein Vater!“, stellte ich sie vor. Dann wandte ich mich wieder zu meinem Vater. „Ich komme sofort, muss ganz kurz etwas klären!“. Ich drehte mich wieder zu Sebastien und sah ihn aufmerksam an. „Was ist denn mit heute Abend?“. Er lächelte. „Ich dachte, vielleicht würdest du lieber mit mir essen gehen als wieder ins Schwimmbad! Ich kenne ein tolles Restaurant nicht weit von hier! Da kann man zu Fuß hinlaufen!“. Mit leuchtenden Augen sah ich ihn an. Sebastien war echt süß. Er lädt mich zum Essen ein! Vielleicht... Ach, Quatsch, ich bleibe nicht mal mehr eine

Woche, danach bin ich wieder in Deutschland! Selbst wenn für diese Woche etwas aus uns werden würde, das würde nicht mal einen Monat halten! Er sah mich fragend an. Schnell nickte ich. „Sicher! Ähm, ja, ich würde gerne mit dir Essen gehen!“. Sebastien lächelte und küsste mich wieder auf beide Wangen. „Na, dann bis heute Abend! Ich hole dich um halb 8 ab!“. Mit den Worten verschwand er in der Menge, die am Lift anstand. Ich sah ihm hinterher. Zu spät bemerkte ich, dass mich mein Vater mit einem amüsierten Lächeln beobachtete. Schnell drehte ich mich in die andere Richtung und tat so, als wäre nichts gewesen. Aber ich

wusste genauso gut wie mein Vater das etwas passiert war. Etwas, was nicht gut gehen konnte. Schon um halb 7 rannte ich in Unterwäsche durch die Wohnung und kreischte verzweifelt, als ich nichts zum Anziehen fand. Mein Vater war einkaufen gegangen, deshalb hatten Katy und ich die Wohnung für uns. Katy sah mir amüsiert dabei zu, wie ich fast verrückt wurde. Irgendwann setzte ich mich auf das Sofa neben sie und schmollte. Kate lachte. „Komm, du findest schon was! Ich würde dir ja helfen, aber ich kann nicht so durch die Wohnung springen

wie du. Andererseits...“. Sie sah mich verschwörerisch an. „Ich habe ein Kleid in meinem Koffer. Falls wir mal irgendwann essen gehen wollten. Auch wenn es ein bisschen zu schick für ein einfaches Restaurant ist, aber meine Bluse war in der Wäsche. Du hast Glück, dass du du für dein Alter so klein bist!“. Ich sah sie mit großen Augen an. „Du bist die beste kleine Schwester der Welt!“, kreischte ich, sprang auf, stürzte in unser Zimmer und durchwühlte Katys Koffer. Als ich das Kleid gefunden hatte, kreischte ich wieder. „Das ist perfekt!“, rief ich. „Danke, Katy!“. Ich schlüpfte in das Kleid, das mir

genauso gut passte wie Kate. Ich ging zurück ins Wohnzimmer. Kate sah mich bewundernd an. „Das ist nicht fair! Mein Kleid steht dir besser als mir!“. Ich lachte. „Das stimmt nicht, du siehst wundervoll darin aus!“. „Jetzt nicht mehr, mit Schiene am Knie sieht auch das schönste Kleid nicht aus!“, sagte sie. Sie lachte zwar, aber ich bemerkte, dass ihre Stimme ein wenig brach. Ich setzte mich neben sie. „In einem Jahr ist alles wieder gut“, sagte ich leise. Sie nickte und schluckte, entschied sich dann aber, dass jetzt nicht der richtige Moment war um emotional zu werden. Stattdessen nahm sie ihre Krücken und

stand auf. „Komm schon, du musst dich schminken! In nicht mal einer ¾ Stunde kommt dein Freund!“. Ich stand auch auf, sah sie aber empört an, als ich hörte, wie sie Sebastien nannte. „Hey! Er ist nicht mein Freund!“. „Genau, deshalb lädt er dich auch zum Essen ein!“, neckte sie mich. Ich grinste. „Neidisch?“. Jetzt lachten wir. „Willst du dich nicht lieber im Wohnzimmer hinsetzen?“, fragte ich besorgt, als wir aufgehört hatten, uns wie kleine Kinder gegenseitig zu necken. Kate schüttelte den Kopf. „Ich sitze den ganzen Tag! Ich kann echt nicht mehr! Ab und zu muss ich einfach mal aufstehen!“. Ich nickte langsam. Dann

begann ich, mich vor dem kleinen Badezimmerspiegel zu schminken, während mir Katy dabei zusah. Als mein Vater um kurz nach 7 nach Hause kam, war ich noch immer im Bad, aber Kate war schon wieder ins Wohnzimmer gegangen. Ich hörte die beiden scherzhaft darüber lästern, dass Mädchen immer Ewigkeiten brauchen, um sich auf ein Date vorzubereiten, als ich noch ein wenig Lipgloss auftrug und mich dann zufrieden im Spiegel betrachtete. So konnte ich gehen. Ich trat aus dem Bad und sofort hörte meine Familie auf zu lästern und sah mich mit großen Augen an. Mein Vater pfiff. Ich grinste, drehte mich zu

Vorführungszwecken im Kreis. „Du hast nicht zufällig auch eine Jacke, die ich darauf anziehen kann, oder?“, fragte ich Kate. Sie zog die Augenbrauen hoch. „Doch, natürlich! Und wie viel von dem, was du heute trägst, gehört auch dir?“. Sie grinste und stand dann auf, um mithilfe ihrer Krücken eine Jacke zu holen. „Danke!“, sagte ich, als sie mir eine einfache schwarze taillierte Jacke gab. Ich hoffte nur, der Weg würde nicht zu lang sein, denn die Jacke war nicht sehr warm. Pünktlich um halb 8 klopfte es an der Tür. Möglichst gleichgültig ging ich sie öffnen. „Oh, du bist es!“, sagte ich überrascht,

obwohl ich genau wusste, dass er es war. Ich begrüßte ihn mit Küsschen. „Du siehst gut aus!“, sagte Sebastien. „Danke“, sagte ich und nahm meine Jacke, damit er nicht sah, wie ich rot wurde. „Gehen wir?“. Er bat mir seinen Arm an und ich hakte mich ein. Meiner Familie rief ich noch ein „Bis später“ zu und die Tür fiel ins Schloss. Das Restaurant war klein, aber sehr gemütlich. Auf dem Hinweg waren wir gerannt, weil ich Lust dazu hatte und irgendwie war ein Wettrennen draus geworden. Obwohl das Restaurant 10 Minuten entfernt ist, wenn man normal geht und

ich mit Sicherheit gefroren hätte, hatte mich das Wettrennen schnell aufgewärmt. Wir lachten und redeten, bis der Kellner kam und unsere Bestellung aufnahm. Ich nahm Couscous und Sebastien bestellte ein Putenbrustfilet mit irgendeiner Art von Kartoffeln. Wir redeten, lachten und nervten teilweise sogar die anderen Gäste, als wir herumalberten. Nach ein paar Minuten brachte uns ein gut gekleideter Kellner Brot und irgendeine Pastete. Sie schmeckte aber wirklich gut! Es dauerte nicht lange, da stand unser Essen vor uns. Das heißt, nach einem

Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass wir bereits 40 Minuten hier saßen, aber es fühlte sich an wie 10. Mein Couscous war super lecker, das beste, was ich ja gegessen hatte. Auch Sebastien nickte zufrieden auf meine Frage, ob es ihm schmeckte, aber sein Mund war voll, also konnte er nichts sagen. Als er den Mund endlich gelehrt hatte, sagte er: „Joa, ist ganz lecker!“. Ich lachte. „Typisch Franzosen! Selbst das beste Essen ist nicht gut genug!“. „Du weißt doch gar nicht wie mein Essen schmeckt!“, beschwerte er sich scherzhaft. Ich grinste. „Lässt sich ändern!“, sagte ich und stibitzte ein Stück Fleisch von seinem Teller. Ehe er

protestieren konnte, ließ ich es schon in meinem Mund verschwinden.Als wir fertig waren mit Essen, unterhielten wir uns eine Weile, bis ein Kellner kam. „Wünschen Sie einen Nachtisch?“. Sebastien nickte wie selbstverständlich und wir bestellten beide eine „Dame blanche“, eine Weiße Dame. Nach ein paar Minuten kam unser Vanilleeis mit Schokosoße und Mandeln. Es war köstlich! Wie alles in diesem Restaurant. Nachdem wir aufgegessen hatten, holte Sebastien sein Portemonnaie raus um zu zahlen. Ich holte meins auch aus der Tasche, aber Sebastien schüttelte den Kopf,

bevor ich überhaupt die Tasche auf hatte. „Ich mach das!“, erklärte er und bezahlte, bevor ich mich weigern konnte. „Danke!“, sagte ich und er lächelte kurz. Ich hielt mich an der Kante vom Tisch fest und wahr wieder einmal froh, dass wir saßen. Dieses Lächeln! Als wir den Laden verließen, war es bereits 10 Uhr. Wir waren über 2 Stunden da gewesen! Vor der Tür fröstelte ich. Es war doch ganz schön kalt geworden. Wir liefen langsam, genossen die kühle Luft und den klaren Sternenhimmel. Was gab es romantischeres? Er sah mich an. „Ist dir kalt?“, fragte er und bevor ich

antworten konnte zog er seine Jacke aus und legte sie mir um. „Danke!“, sagte ich und sah ihn lächelnd an. Er sah mir tief in die Augen und ich in seine. Und dann küsste er mich. Mit einem Schlag waren alle meine Probleme vergessen, alle Zweifel, ob es mit uns funktionieren könnte, hatten sich in Luft aufgelöst. Es zählte nur das Hier und Jetzt. Hatte ich jemals behauptet, der Skiurlaub würde der Schlimmste in meinem Leben werden? Blödsinn! Das war der beste Urlaub meines Lebens! Wer braucht schon Nico, wenn man Sebastien hat? Wer braucht schon den Freund direkt nebenan, wenn man stattdessen einen Freund in Frankreich

haben kann? Alles, was ich brauchte, war hier in meinem Armen. Jetzt und Hier. Egal was in der Zukunft sein würde. Hier und jetzt war ich glücklich. Das ist alles, was man zum Leben braucht.

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Hörbuch

Über den Autor

JolieFleur
Ich schreibe schon mein ganzes Leben lang, angefangen von kleinen Gedichten bis hin zu ganzen Büchern.
Mein erstes Buch habe ich geschrieben, als ich gerade lesen und schreiben gelernt hatte und habe nie aufgehört, bis heute nicht. Jetzt, mit 15 Jahren, habe ich schon mehrere Bücher geschrieben, jedoch noch keines veröffentlicht.

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