Kurzgeschichte
Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte - Mein Weihnachtsgeschenk an Euch

0
"Was für´s Herz, dass den wahren Geist der Weihnacht greifbar macht."
Veröffentlicht am 17. Dezember 2013, 98 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Rita Eberle-Wessner
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich schreibe hauptsächlich um zu unterhalten. Dabei möchte ich Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und egal welcher Herkunft unterhalten. Meine Ambitionen liegen bei den spannenden und aufregenden Romanen. Jedoch experimentiere ich hin und wieder auch mal an anderen Genres herum. Mehr über mich: www.porterthomson.de.tl sowie bei Facebook: "Porter Thomson, Autor aus Cuxhaven" und bei Google+ unter der web-Adresse: ...
Was für´s Herz, dass den wahren Geist der Weihnacht greifbar macht.

Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte - Mein Weihnachtsgeschenk an Euch

Vorwort

Man kennt das ja! Alle Jahre wieder, kommt das Christuskind... und wenn man dann nach draußen schaut, rieselt leise der Schnee, zumindest manchmal! Zu guter Letzt hat man dann auch noch einen oh wie schönen Tannenbaum mit seinen grünen Blättern. Gähn! Immer das gleiche! Aber trotzdem macht man Jahr für Jahr einen riesigen Tam Tam um diese drei Tage. Und doch gibt es da einige wenige Menschen unter uns die verbringen diese Tage, wenn auch jedes Jahr gleich, so doch ganz anders als wie die meisten anderen Menschen in unserem Land. Ich war einer dieser

Menschen und möchte Euch von einem Heiligabend berichten, Euch teilhaben lassen an diesem wundervollen und heiligen Tag.

was mache ich hier?



All die Jahre habe ich immer gejubelt und mir ein Loch in´s Knie gefreut wenn es pünktlich an Heiligabend angefangen hat zu schneien. Schöner kann ein Weihnachtsfest doch gar nicht beginnen! Lautlos schneit es vor sich hin, die Straßen und Wege sind jungfräulich zart vom weißen Schnee ummantelt, welcher ein jedes mal unter meinen Schuhen knirscht während ich im Kreise meiner Familie zur Christmette gehe. Ja! Das war immer schön! Das kam natürlich

viel zu selten vor, dass Schnee lag. Meistens war der 24.Dezember eher geprägt von Regen und Wind. Oder, wenn es ganz verrückt kam, herrschten an Heiligabend frühlingshafte Temperaturen, dass man angst hatte, die Blumen könnten glauben der Winter sei schon wieder vorbei.

Aber dass ich mich über richtig viel Schnee gefreut habe, war früher, in den glücklichen und sorglosen Tagen meiner Kindheit. Heute schneite es so heftig, als wollte die olle Frau Holle die Feiertage raus arbeiten. Wie jedes Jahr, seitdem ich auf diesem Gutshof im Rheinland arbeite, stehe ich sogar heute, am 24.

Dezember, in der Weihnachtsbaumkultur, habe die frisch geschränkte Bügelsäge geschultert und warte auf die Leute, die sich den ultimativ frischesten Baum ins Wohnzimmer stellen wollen.


Es schneite wie gesagt in dicken Flocken und ich stapfte von einem Bein auf das andere als müsste ich mal pinkeln gehen. Jedoch plagte mich ein ganz anderes Bedürfnis, eigentlich ja zwei Bedürfnisse, aber ich möchte nicht vorgreifen. Mir ist schon jetzt, am frühen Morgen, arschkalt. Meine Füße fühlen sich an wie Eisklumpen, sind doch Gummistiefel nun wirklich keine Wärmedämmende Beschuhung. Jedoch sind sie für den Job des Weihnachtsbaumverkäufers am besten geeignet.

Wenn nicht alles so pitsche patsche nass wäre, könnte ich in der Feuertonne

einige Abschnitte von verkauften Bäumen verfeuern. Aber dummerweise hat die Abendschicht es versäumt Feuerholz trocken zu legen oder trockenes Feuerholz zu besorgen.

Ich friere wie ein Hund und giere nach etwas Wärme. Allenthalben hauche ich in die Hände um die beißenden Schmerzen in meinen Fingern etwas zu lindern. Wenn es nicht so schneien würde, wäre die Kälte, mit seinen minus ein oder zwei Grad, relativ erträglich. Doch diese verfluchte Nässe überall zog das letzte bisschen Wärme aus meinem eh schon unterkühlten Körper.

Erschwerend kam vielleicht noch hinzu, dass ich auch die zurückliegenden

Nächte arbeitender weise durchgebracht habe. Wo ich denn auch schon bei meinem zweiten Bedürfnis wäre, welches mich plagte. Es zog mich zu meinen Schafen! Denn auf diesem Gutshof war ich neben dem Weihnachtsbaumverkauf auch für die kleine Schäferei, die Schweinemästerei und zur Zeit auch für die Anlieferung im Geflügelschlachthaus zuständig, wo noch heute, am 24.Dezember, die letzten 100 bestellten Weihnachtsgänse, Enten und Puten das Zeitliche segnen mussten.

Aber jetzt im Augenblick zog es mich doch arg zu meinen Schafen, hatten diese doch vor ein paar Wochen damit

begonnen die ersten Lämmer zu bekommen. Das wollte ich natürlich nur ungern versäumen. Zum einen konnte da soviel passieren und zum anderen waren gerade die Lämmer, welche um Weihnachten herum geboren wurden, die wertvollsten. Diese Lämmer waren doch schließlich die Osterlämmer! Das heißt, dass diese Lämmer, welche in diesen Tagen geboren wurden fast alle kurz vor dem Osterfest als Milchmastlämmer beim Metzger endeten. Doch diesen Gedanken wollte ich im Moment gar nicht so nah an mich ran kommen lassen. Zuerst zählte das Leben eines jeden Lammes und einer jeden Mutter!

Doch was mache ich hier? Ich stehe hier

im Wald und verkaufe Weihnachtsbäume an die nicht wirklich vorhandene Kundschaft!

Aber die Leute würden schon noch kommen, am besten solange wie der Schnee noch auf den Bäumen lag. Das ist doch so schön romantisch, nicht wahr? Jedoch in Wirklichkeit ist das natürlich ein Wahnsinn! Zum einen sieht, so dicht verschneit, wirklich jeder Besenstiel wie die Königin unter den Weihnachtsbäumen aus. Zum anderen sehe ich, der den Baum mit der romantischen Bügelsäge absägen und ihn durch die Kultur zum Bauwagen wuchten und einnetzen darf, anschließend aus wie ein Schwein!

Ich war, wie jeden Tag, seitdem die Schafe angefangen haben zu lammen, sauer, sauer darüber, dass ich hier in der Kultur meine Zeit verplempern musste, während vielleicht in diesem Augenblick eine dicke Mama ihre ein, zwei oder drei Lämmer zur Welt brachte. Wie schnell konnte da etwas passieren wenn ich nicht dabei war! Doch jetzt im Weihnachtsgeschäft schien mein Chef wohl nur noch Eurozeichen in den Augen zu haben. Er sah nur die fünfzig oder sechzig Euro, die eine solche Nordmann-Tanne bringen konnte. Zu schnell vergaß er scheinbar, dass an diesen Lämmern auch das kommende Ostergeschäft hing.

Aber wenigstens hat mir mein Chef versprochen, mich in ein oder zwei Stunden mit einem der polnischen Saisonarbeiter abzulösen. Doch noch war der polnische Kollege beim Gänse schlachten! Also war ich auch weiterhin zum nichts tun verdammt, immer in der Hoffnung, doch noch den einen oder anderen Weihnachtsbaum absägen zu können um ihn dann zu verkaufen. Nicht dass ich etwa einen neuen Tagesverkaufsrekord aufstellen wollte, der Alte war an diesem 24. Dezember dann doch nicht mehr zu toppen. Nein! Vielmehr war ich von der Hoffnung getrieben, bei der Arbeit diese unangenehme nasse Kälte

ein wenig verdrängen zu können. Frierend und gelangweilt stapfte ich durch die tief verschneite Weihnachtsbaumkultur und schnitt einfach nur so, um überhaupt etwas zu tun, den einen oder anderen höher hervorstehenden Baumstumpf ab. Diese konnten mitunter recht unangenehme Stolperfallen darstellen. Besonders heikel war es, wenn man so einen zwei bis drei Meter langen Weihnachtsbaum auf die Schulter nahm, um ihn zum einnetzen nach vorn zur Weihnachtsbaumkanone zu bringen. Der Umstand brachte es so mit sich, dass man beim Transport manchmal nicht allzu viel sehen konnte, da überall nur

grüne Tannenzweige waren. Wenn man dann einen solch fiesen Baumstumpf erwischte, konnte man recht schmerzhaft stürzen, zumal einem auch keine Zeit und Möglichkeit blieb sich wenigstens ein wenig abzufangen. Schlimmstenfalls könnte noch der frisch abgesägte Baum beschädigt werden. Dann wären fünfzig bis sechzig Euro einfach so futsch. Nicht auszudenken wie mein Chef da im Dreieck hüpfen würde!

Irina! Oh Ja!

Da endlich! Nachdem ich bereits den vierten oder fünften Baumstumpf flach über dem Boden abgesägt hatte, kam endlich Kundschaft den Waldweg zur Kultur entlang gelaufen.

Es war eine Familie mit zwei Kindern. Die Kinder waren dick eingepackt in so einer Art Skianzug. Der Vater war vom Typ her der Sparkassenfilialleiter mit eleganter Brille auf der Nase und ohne einen einzigen winzigen Bartstoppel im Gesicht. Er tat so als wäre er der coolste Holzfäller schlechthin. Bekleidet war er mit einem schicken Bundeswehrparka und einer Jeans die es

bestimmt nicht für nur 9,99€ bei Kik zu kaufen gab. An seinen Füßen trug er sündhaft teure Bergwanderschuhe, die wahrscheinlich mehr gekostet haben, als wie ich in einem halben Monat verdiene. Ja und die Arbeitshandschuhe, die er an seinen Händen trug, der eine oder andere wird es sich denken können, waren flauschig weich gefüttert und natürlich nagelneu. Jedoch seine Frau schlug dem Fass den Boden aus! Gut! Als Mann erwartet man nun nicht unbedingt von einer Frau, dass sie den Baum absägt und ihn vielleicht nach vorn zur Weihnachtsbaumkanone wuchtet, aber sich für die Weihnachtsbaumkultur auf

zu brezeln, als wolle man gleich im Anschluss noch die Düsseldorfer Kö unsicher machen, war dann doch etwas unpassend.

Zugegeben, die Frau war wirklich sehr hübsch anzuschauen. Vielleicht hat sie aber auch jede Menge Zeit und vor allem Geld in ihre Schönheit investiert. Ich werde es wohl nie erfahren! Aber, dass diese Frau für einen Besuch in einer Weihnachtsbaumkultur weiße Stiefeletten mit bestimmt zehn Zentimeter hohen Pfennigabsätzen trug und eine dicke schneeweiße Daunenjacke mit einem Rotfuchskragen an hatte, würde sie nach dem Besuch des Waldes wahrscheinlich schwer

bereuen.

Auf dem Kopf trug sie eine überdimensionierte Pelzmütze, von der ich mal ausging, dass sie, wie dieser Fuchspelzkragen, sogar echt war. Solche Mützen habe ich schon hin und wieder im Fernsehen in der einen oder anderen Dokumentation über Sibirien gesehen.

Die Leute waren fast da und ich lief ihnen entgegen um sie lächelnd und freundlich zu begrüßen. „Schönen guten Tag!“, begann ich, wie bei jedem Kunden, das Verkaufsgespräch und ergriff, wie es sich gehört, zuerst die kleine zierliche Hand der Frau, die auch sogleich mit einem unverkennbaren russischen

Akzent den Gruß erwiderte. Anschließend reichte ich auch dem Mann die Hand, der sofort mit der Tür ins Haus fiel. „Haben Sie noch einen Baum für uns?“ Ich setzte ein fragendes Gesicht auf und schaute mich um. Ich tat so als würde ich nach einem Baum suchen und antwortete schließlich: „Ich glaube einer ist noch da!“ Das war wohl witzig, denn allgemeines Gelächter setzte ein.

Wir gingen zusammen in die Kultur. Sogleich stoben die Kinder wie ein paar übermütige Hunde auseinander und waren auch schon zwischen den unzähligen Weihnachtsbäumen

verschwunden. „Lauft nicht so weit weg, Kinder!“, rief die Frau ihren Söhnen hinterher. In dem Wörtchen „nicht“ konnte man das, für das Russisch so typische, harte „ch“ hören, „Seien Sie unbesorgt!“, versuchte ich die Mutter zu beruhigen. „Die Schonung ist komplett eingezäunt und auch nicht all zu groß!“ Ich führte die Herrschaften in die Kultur, bis wir umgeben waren von lauter kleineren oder größeren Nordmann-Tannen die, dick eingeschneit, eine schöner als die andere waren. Wie ich schon sagte, sieht unter Schnee selbst der letzte Besenstiel wie

die Königin unter den Weihnachtsbäumen aus. Unvermittelt blieb ich stehen und drehte mich zu den Beiden um. „Na! Welcher darf´s denn sein?“ Erschrocken fuhren die Beiden etwas zurück. „Ähm! Können wir uns mal etwas umschauen?“, erwiderte zaghaft der Sparkassenfilialleiter, sichtlich ratlos, angesichts der weißen Pracht rundum. „Aber sicher doch! Nehmen sie sich alle Zeit. Wir haben noch bis 15.00 Uhr geöffnet!“ Plötzlich zog der Mann unter seinem Bundeswehrparka eine kleine nagelneue Axt hervor.

Oh was jetzt? Will er mich etwa erschlagen? Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Ich ahnte schlimmes was die Herrschaften vor hatten. „Wir möchten unseren Baum selber abschlagen. Geht das?“, fragte mich der Mann sorglos, sich über die Konsequenzen seines Vorhabens wohl nicht im Klaren. „Mit dem Ding da?“, fragte ich skeptisch. „Ja! Warum nicht? Was spricht dagegen?“ „Prinzipiell nichts! Aber das ist nicht so einfach und wird dem Baum einige Zentimeter Stamm kosten, wenigstens! Hinzu kommt, dass es für eine nicht so

geübte Hand auch etwas gefährlich sein könnte. Kann ich Ihnen nicht meine Säge anbieten. Damit geht es einfacher und der Stamm bleibt erhalten.“ „Ach! Mit so einer Axt ist das doch viel romantischer. Außerdem möchte Irina schöne Bilder schießen. Das sieht mit einer Axt doch viel besser aus!“ Irina lächelte unschuldig zu mir rüber und klapperte neckisch mit ihren langen, schwarzen Augenwimpern. Wenn ich eines in den Jahren gelernt habe, dann die Tatsache, nie mit den Kunden zu diskutieren. Das verschreckt sie bloß! Ich habe ihnen meine Bedenken geäußert, das musste reichen! „Wie Sie meinen! Dann würde ich

sagen, dass Sie sich in aller Ruhe einen schönen Baum aussuchen. Wenn Sie möchten berate ich Sie gern. Dann einigen wir uns auf einen Preis, den Sie mir vorab bezahlen. Wenn das alles geklärt ist, können Sie sich Ihren Baum abschlagen.“ Der Sparkassenfilialleiter und Irina schauten sich einen Moment an und nickten einander zu. „Meinetwegen! Das geht in Ordnung!“ „Ja wunderbar! Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß bei Ihrer Weihnachtsbaumsuche. Wenn Sie einen Baum haben, oder eine Frage, dann rufen Sie einfach ganz laut nach mir. Ich bin immer in der

Nähe.“ Der Mann vorneweg schlugen sich die Beiden in die Büsche. Als Irina an mir vorbei ging, schaute sie unauffällig, mit einem entzückenden Augenaufschlag, zu mir rüber. Ein verführerischer Duft eines, wahrscheinlich sehr teuren, Parfüms schlug mir entgegen. Eins ums andere mal hörte ich einen Baum rascheln, als man versuchte ihn von seinem Schnee zu befreien. Beim dritten mal war dieses Rascheln vom heftigen Fluchen des Sparkassenfilialleiters begleitet, da ihm jedes mal der Schnee um die Ohren flog und er wohl schon nass wie ein begossener Pudel sein musste.

Auch Irina ließ einige male von sich hören. Mal war da ein Loch in der gefrorenen Erde, in dem sie mit ihren schicken Stiefeletten umknickte, oder sie stolperte über einen Baumstumpf, oder sie blieb mit ihrer schicken weißen Daunenjacke an irgendwelchen, nicht ganz so sauberen oder verharzten, Tannenzweigen hängen. Schließlich und endlich fing dann auch noch eines der Kinder an zu plärren, weil es ebenfalls über einen Baumstumpf oder ein Loch gestolpert war. Ja! Diese Weihnachtsbaumsuche war total romantisch! Nach etwa einer halben Stunde hörte ich den Sparkassenfilialleiter laut nach mir

rufen. Entweder hatten sie wirklich einen passenden Baum gefunden oder einfach nur jegliche Motivation zur Weitersuche verloren. „Kommen Sie mal eben?“, rief der gute Mann quer durch die Kultur. Er und seine Irina hatten wohl gar nicht gemerkt, dass ich nur etwa zehn Meter von ihnen entfernt, still und unauffällig, meine Runden um jene potentiellen Kunden drehte. „Sind Sie fündig geworden?“, tönte ich hinter den Beiden, auf dass sie erschrocken herum fuhren. „Ja!Ja! Wir glauben der sieht ganz nett aus!“ Der Sparkassenfilialleiter sah erwartungsgemäß etwas mitgenommen

aus. Sein Parka war durchnässt und auch seine Jeans war nicht mehr als trocken zu bezeichnen. Vom Stil des kanadischen Holzfällers war nicht mehr viel übrig, sollte er denn jemals da gewesen sein.

Auch Irina konnte sich für heute einen kleinen Bummel auf der Düsseldorfer Kö abschminken, zumindest in diesem Outfit. Die weißen Stiefeletten waren wohl hinüber. Es war fraglich, ob man ihnen noch einmal zu altem Glanz verhelfen konnte. Sie waren völlig aufgeweicht und ein paar unschöne Kratzer zierten das weiße Leder. Die ebenfalls weiße Daunenjacke war von ein paar hartnäckigen

Tannenharzflecken gezeichnet und hing schwer vor Nässe an ihrem schlanken und grazilen Körper herab. Wie bei ihrem Mann war der Gesichtsausdruck ziemlich zerknirscht. Von der anfänglichen Euphorie über den anstehenden Weihnachtsbaumkauf war nicht mehr viel übrig. Ihr Mann zeigte auf eine etwa 2,20 Meter große Nordmann-Tanne, die für meine Begriffe im oberen Bereich etwas nackig erschien. Aber das war eine Eigenart bei den meisten natürlich aufgewachsenen Nordmann-Tannen. Zudem war sie allgemein etwas ruppig, stand sie doch die letzten Jahre durch zwei andere größere Bäume, die

inzwischen verkauft waren, ziemlich unter Druck. „Der soll es sein?“, vergewisserte ich mich mit freundlichem Ton und trat an den Baum heran. Da ich selber fast zwei Meter groß bin, konnte ich die Größe des Baums leicht bestimmen. „Dann wollen wir mal schauen!“ Langsam ging ich um diesen Baum herum und überschlug gedanklich den auszuhandelnden Preis. Bei 25€ je Meter käme der Baum normal bei 2,20 Meter auf 55€. Da er doch ziemlich nackig ist, könnte ich noch bis auf 45€ runtergehen. Mal schauen! „Da haben Sie sich aber ein schönes Bäumchen ausgesucht. Der hat doch schöne weit

ausladende Äste mit sattgrünen Nadeln! Sie haben hier einen kerngesunden Weihnachtsbaum, an dem Sie bis weit ins neue Jahr ihre Freude haben werden, ohne dass der auch nur eine Nadel verliert!“ Okay! Eine Nordmann-Tanne könnte man auch bis Pfingsten im Wohnzimmer stehen lassen, ohne das sie auch nur eine Nadel verliert, das haben Nordmann-Tannen so an sich. Aber dieser Spruch passt einfach zu gut in ein solches Verkaufsgespräch. „Ich mache Ihnen einen Vorzugspreis. Da wir es ja nun schon fast Weihnachten haben, soll der Baum für sechzig Euro ihnen gehören. Normal würde ich den für siebzig oder fünfundsiebzig Euro

verkaufen. Aber da es ja nichts schlimmeres als eine Bescherung ohne Weihnachtsbaum gibt, will ich mal nicht so sein.“ Mein Tonfall hatte etwas gönnerhaftes. „Ist das nicht ein bisschen happig?“, fragte der Mann vorsichtig nach, bemüht mich nicht irgendwie persönlich anzugreifen. „Schauen Sie doch mal hier, an der Seite, da ist ja gar nichts dran!“, sprach er und zeigte auf eine Seite des Baumes, die auch nicht viel schlechter aussah als die anderen Seiten. Was wollte man auch von einem Besenstiel erwarten? „Ach na ja nun!“, sagte ich mit einem Tonfall als würde ich aus allen Wolken

fallen. „Ich weiß ja nicht, wie der Baum bei ihnen zu Hause stehen soll, aber ich schätze mal irgendwie an einer Wand oder in einer Zimmerecke. Drehen Sie den Baum entsprechend so hin, dann sieht man das gar nicht! Aber gut! Ich will mal nicht so sein und komme ihnen mit fünfundfünfzig Euro entgegen.“ Jetzt erst schien der Mann zu begreifen, dass man hier im Wald noch nach Herzenslust feilschen konnte, und wurde auch gleich übermütig. „Ach und hier oben! Sehen Sie mal! Da sieht man ja den blanken Stamm! Können wir uns nicht auf vierzig Euro einigen?“ Man glaubte fast zu vergessen, dass es

die Leute selbst waren, die sich diesen Baum ausgesucht haben! „Ja nun lassen wir doch mal die Kirche schön im Dorf! Wenn denn erst mal Lametta, Kugeln und Lichter dran hängen, sieht das kein Mensch mehr. Fünfzig Euro! Mein letztes Angebot!“ „Fünfundvierzig Euro!“ Bingo!!!, dachte ich mir und setzte ein zweifelndes Gesicht auf. „Na los! Kommen Sie schon! Es ist doch Weihnachten!“, versuchte mich der Mann zu überreden. Ein Angebot ist noch drin! Ich wiegte den Kopf hin und her, als würde ich mit mir ringen und ging vor dem Baum auf und ab. „Auch wenn ich an dem Baum

nichts mehr verdiene...Aber sie müssen mir unbedingt versprechen nichts meinem Chef zu erzählen! Wenn der Sie fragt, haben Sie sechzig Euro bezahlt! Wenn Sie das machen, lasse ich mich auf Siebenundvierzig Euro ein. Abgemacht?“ Der Mann tuschelte kurz mit seiner Irina, die mich dabei erneut aus den Augenwinkeln, mit diesem gewissen Blick, beobachtete und mir unauffällig zu lächelte. Schließlich schlug ihr Mann in die von mir gereichte Hand ein und der Handel war besiegelt. „Abgemacht!“ Der Sparkassenfilialleiter zückte seine Geldbörse und zählte exakt 47€ ab, die ich sogleich in meiner Geldkatze

verschwinden ließ. Diese hing, einer Umhängetasche gleich, über meiner Schulter. „Sie wollen also wirklich das arme Bäumchen mit dieser Axt massakrieren? Ich kann ihnen wirklich nur ans Herz legen, dass Sie meine Säge nehmen! Auch das ist schon schwer genug. Aber es ist sauberer!“ „Nö! Nö! Das geht schon! Lassen Sie mal. Das ist zwar lieb gemeint, aber deswegen sind wir ja hier.“, wiegelte der Mann, sich seiner Sache absolut sicher, ab. „Clemens!!! Aljoscha!!! Kommt Ihr eben!? Wir wollen jetzt den Baum abschlagen!!“, rief er in den Wald nach seinen

Jungs. Die kamen sogleich aus dem Unterholz angestürmt und gesellten sich zu ihrer Mutter. Irina hatte unterdessen eine kleine Digitalkamera hervor geholt und visierte nun ihren Mann damit an.

Dieser hatte sich etwas nach vornüber gebeugt und drosch linkisch mit dem Beil auf das Bäumchen ein, ohne den Stamm überhaupt richtig zu sehen. Dabei stand er so ungünstig zum Baum, dass, sollte er mal daneben schlagen, das Beil voll in seinen linken Knöchel ginge. „Stellen Sie sich lieber etwas parallel zum Schwung! Das ist gesünder für ihr Bein!“, riet ich ihm, doch etwas

besorgt.

Wenigstens das nahm er sich zu Herzen und stellte sich etwas günstiger zum Schwung auf. Aber dennoch hieb er weiter auf das arme Bäumchen ein. Es kam wie es kommen musste und der erste der, eh schon wenig vorhandenen, Zweige fiel zu Boden. „Schatz!! Du machst ja den ganzen Baum kaputt!!“, keifte Irina aufgebracht aus dem Hintergrund. „Ach der eine Ast! Der müsste sowieso für den Ständer dran glauben!“, ließ sich der Mann nicht beirren. Oder auch nicht!, dachte ich mir so und schüttelte nur mitleidig den Kopf. Das hat er nicht verdient, der arme

Baum! „Lass das jetzt den Mann machen!!! Oder ich gehe mit den Jungens nach Hause!!!“, schrie Irina wütend. Durch ihr aufwendiges Make up leuchtete ihr gerötetes Gesicht. „Bitte helfen Sie ihm!“, bat mich die Frau und schob mich, sanft an der Schulter berührend, zu ihrem Mann. „Ja Himmelherrgottnochmal!!! Dann machen Sie es halt! Bitte!“, fluchte der Sparkassenfilialleiter frustriert und stand mit seiner Axt auf. Oh! Das werden bestimmt harmonische Weihnachten bei denen! Ich kniete mich vor den Baum, hob die untersten Äste soweit nach oben, dass

ich den arg verunstalteten Stamm sehen konnte und setzte die Säge knapp über dem Boden an. Nach etwa zwanzig Sekunden fiel der Baum. „So!“, sagte ich und stand auf. „Nun packen wir ihn noch schön ein!“ Ich wuchtete mir den Baum auf die Schultern und lief durch die Weihnachtsbaumkultur zum Bauwagen am Eingang der Schonung. Die Familie folgte mir im Gänsemarsch. Am Bauwagen rettete ich mit einer Raspel vom Stamm soviel wie noch zu retten war, damit der Mann daheim den Baum vernünftig auf den Weihnachtsbaumständer gesetzt bekam. Anschließend netzte ich den Baum ein

und wünschte den Leuten zum Abschied noch ein schönes Weihnachtsfest.

Bevor die Familie glücklich mit ihrem Baum den Waldweg entlang zu Ihrem Auto stiefelte, steckte mir Irina noch unauffällig 5€ zu und zwinkerte zweideutig mit dem Auge. „Mein Gott! Was für Typen!“, sagte ich zu mir und schaute grinsend den Leuten hinterher. Sie waren schon fast an der nächsten Biegung verschwunden, als sich Irina noch einmal zu mir umschaute. „Mein Gott! Was für eine Frau!“


WeihnachtEn für Alle!!! aber im Tiefflug!!

Wenig später kam endlich mein Chef mit dem polnischen Kollegen zur Ablösung. Es wurde höchste Zeit! Ich musste dringendst zu den Mamas. Fix machten wir die Übergabe. Prompt bekam ich auch ein minimales Zeitfenster von knapp drei Stunden auf´s Auge gedrückt, um gegen Mittag noch einmal bis 15.00 Uhr in der Kultur zu stehen. Da blieb nicht viel Zeit! Eilig lief ich, ja ich rannte fast, zum Gutshof, um so schnell es eben ging, mit meinem Gespann aus Geländewagen und Viehanhänger zu den Schafen auf der Weide raus zu fahren. Doch trotzdem

kam ich nur langsam voran, waren natürlich die Feldwege zu geschneit und zum Teil verweht, so dass man sogar mit einem Geländewagen aufpassen musste, zumal noch ein schwerer Viehanhänger hinten dran hing.

Ich hatte zwar die meisten hochtragenden Muttertiere bereits aufgestallt, aber einigen Schafen, zumeist jungen Erstmuttern, sah man eine Trächtigkeit oftmals kaum an ohne ihren Bauch abzutasten. Da war kaum ein Euter, der Bauch war flach und auch alle anderen Anzeichen einer Hochträchtigkeit fehlten häufig fast gänzlich. Auf der Weide schien alles ruhig. Die

Schafe lagen träge im Schnee, oder labten sich an dem großen Heuballen, den ich ihnen Tags zuvor in die Wiese gefahren hatte. Doch die Schafe, welche beisammen lagen oder das Heu fraßen, interessierten mich im Moment eher weniger. Ich hielt auf der großen Wiese Ausschau nach einzelnen Schafen, die sich von der restlichen Herde abgesondert hatten, nervös durch die Gegend liefen und dabei allenthalben mit den Klauen auf dem hartgefrorenen Boden scharten. Das waren meine Spezialisten! Denn diese Schafe spürten, dass bei ihnen die Lammung unmittelbar bevor stand. Oder sie waren gar schon in den

Frühwehen. Im hintersten Ende der Weide stand eine alte ausladende Linde. Das war einer der typischen Plätze an denen sich lammende Muttern gerne zurück zogen. Der Baum bot mit seinem Laub auf dem Boden ein relativ trockenes Plätzchen, wenn nicht gerade Schnee lag. Zudem stand die Linde in einer kleinen Senke, was den Platz etwas vor dem Wind schützte. Mit Bedacht habe ich in der Nähe die Tränke aufgebaut. So hübsch hergerichtet, nahmen die werdenden Mamas diese Stelle als Ablammplatz gerne an, meistens jedenfalls. Langsam, als hätte ich alle Zeit der Welt, schlenderte ich über die Wiese,

um meine Herde nicht unnötig zu beunruhigen, und versuchte schon von weitem einen Blick in die Senke zu werfen. Doch zum Glück gab es an diesem Morgen keine Mutter, die kurz vor der Lammung stand oder bereits gelammt haben könnte. Eine Lammung im Schnee ist, wenn das Lamm etwas schwach ist, auch nicht ohne Risiko. Zu schnell kühlt der kleine Körper im Schnee aus. Wenn dann auch noch die Mama unerfahren und nervös ist, wird es für das Lamm richtig kritisch, da es von der Mama nicht richtig gesäubert wird und nicht rechtzeitig seine erste Milch bekommt. In solchen Fällen komme dann hoffentlich ich ins Spiel,

bevor es zu spät ist! Zu meinem Glück war in der Herde alles ruhig. So konnte ich mich, ebenso langsam wie zuvor, zurück zum Wagen begeben, wo schon sehnsüchtig Fleck, mein Border Collie, auf mich wartete. Ich verlor am Wagen auch keine Zeit und fuhr zurück zum Gutshof um im Eiltempo erst den Schweinemaststall mit seinen dreißig Schweinen und im Anschluss den Geflügestall mit seinen, Enten, Hühnern, Puten, Wachteln, Perlhühnern und Legegänsen zu versorgen.


Da bei Schweinen und Geflügel überall Futterautomaten standen, die bloß mit großen Eimern nachgefüllt werden mussten war die Fütterung recht schnell abgeschlossen. Eben noch überall frisches Stroh oder Hobelspäne aufgebracht und die Tränken überprüft

und fertig war die Fütterung des Geflügels und der Schweine. Schnell waren auch die Hühner-, Wachtel- und Gänseeier gefunden und in einer Liste eingetragen. Zum Feierabend brauchte ich die bloß noch ins Lager des Hofladens stellen. So! Jetzt hatte ich noch knappe 90 Minuten Zeit um den Schafstall mit seinen zirka 80 Muttern und etwa 70 Lämmern zu versorgen. Kaum kam ich hinter dem Geflügelstall hervor an die Wiese, auf der mein Schafstall stand, begrüßte mich das Geblöke aus etwa 150 Kehlen. Auch wenn der Lärm ohrenbetäubend war, so war es doch ein schönes Gefühl von den Schafen bereits

aus dieser Entfernung, immerhin noch 50 Meter, erkannt zu werden.



Ich betrat den Stall und kontrollierte als erstes die „Mutter/Kindgruppe“. So nannte ich ein Abteil des Stalles, in dem ich aus lauter kleinen Hürden viele

Einzelboxen von etwa zwei Quadratmetern Fläche gezimmert habe. In diesen Boxen hatten die frischen Mamas die ersten drei oder vier Tage alle Zeit und Ruhe der Welt um sich intensiv um ihren Nachwuchs zu kümmern. Das war besonders bei jungen Erstmuttern wichtig. In den ersten drei Tagen findet die Mutter-Lammprägung statt. Auch bei 7104 war alles in Ordnung, relativ gesehen. 7104 war eine solche Erstmutter, in Schäferkreisen nennt man sie auch Jährlingsmuttern, die mir seit vier Tagen oftmals den letzten Nerv raubte. Das ging schon mal los, dass sie überraschend auf der Weide ein

wunderschönes Bocklamm bekam. Jedoch war 7104 so clever sich beim lammen mitten in eine schlammige Pfütze zu legen. Wäre ich nicht dazu gekommen, wäre das Lamm unmittelbar nach der Geburt in der eiskalten Pfütze ersoffen. Ein wirklich dummes Schaf! Als ob das nicht reicht, zickte 7104 auch noch herum und wollte um keinen Preis der Welt ihr Lamm akzeptieren. Zudem hatte sie kaum Milch. Rundherum, war dieses Tier züchterisch gesehen ein absoluter Griff ins Klo! Sollte 7104 ihr Benehmen und ihre Milchleistung nicht wesentlich verbessern würde dieses Lamm ihr erstes und letztes Lamm sein! Das klingt

vielleicht hart, muss aber verstanden werden. Der Schäfer züchtet sich jedes Jahr einige neue Muttern heran und trennt sich von alten und leistungsschwachen Tieren um das Alter und die Leistungsfähigkeit der Herde auf einem hohen Niveau zu halten und sich nicht unnötig viel Arbeit zu machen. Da war ein solches Muttertier wie 7104, in das der Schäfer Unmengen an Zeit und Energie investieren musste, einfach untragbar. Bei aller Liebe zum Beruf, darf man die Wirtschaftlichkeit nie aus den Augen verlieren! Aber das Lämmchen von 7104 entwickelte sich prächtig. Das lag nicht zu Letzt daran, dass ich den kleinen

Kerl vier mal täglich bei seiner Mama ans Euter ansetzte und ihn saugen ließ. Während er sich seine Milch holte, bändigte ich mit geübtem Flankengriff das dumme Schaf, welches sich mit Händen und Füßen gegen die Annäherungsversuche seines Lammes wehrte. Immer wieder drückte ich ihre Nase an seinen Lämmerschwanz, damit sie so intensiv wie möglich seinen Geruch aufnahm. Ich gab ja bis zum Schluss die Hoffnung nicht auf! Zusätzlich setzte ich den Kleinen ein oder zwei mal am Tag bei einer alten erfahrenen Ammenmutter an, die zwar selber zwei Lämmer hatte, aber mit ihrem „Kuheuter“ ohne Probleme zwei

weitere Lämmer aufziehen könnte.

Problemschaf 7104 und Lamm waren also wohlauf. Blieb noch die Geburtsklinik zu überprüfen. Das war ein kleines Abteil welches sich der Mutter/Kindgruppe anschloss. Hier waren die meisten hochtragenden Muttern aufgestallt. Ich kletterte über eine Hürde und war sogleich von den dicken Mamas umzingelt, weil sie endlich ihr allmorgendliches Kraftfutter haben wollten. Doch das konnte ich denen erst geben, wenn ich sicher sein konnte, dass kein frisches Lamm im Eifer des Gefechts um den besten Raufenplatz unter die Räder kam. Raufen sind

übrigens Futterkrippen. Im hinteren Bereich, in einer Ecke, erblickte ich denn auch mit Freude eine alte erfahrene Mutter mit zwei wunderschönen Lämmern, die auch schon fleißig am Euter nuckelten und fürsorglich von der Mama bemuttert wurden.


Das war immer wieder schön anzuschauen, dass mir das Herz aufgehen wollte. Dieser Anblick

belohnte doch für den hektischen und vermurxten Morgen. Vorsichtig trat ich an die kleine Familie heran und streichelte liebevoll die Bäuche der Lämmer. Sie hatten schon ordentlich Milch aufgenommen. War ich schon mal dabei schaute ich den beiden Lämmern auch noch unter den Rock und stellte fest, dass es doch tatsächlich Brüderchen und Schwesterchen waren.

Schon jetzt wusste ich, dass das Mädchen die besten Voraussetzungen hatte später einmal eine gute Mutter zu werden und nicht als Osterlamm auf irgendeiner Festtafel zu enden. Bocklämmer hatten es da schon bei weitem schwerer, älter als acht Monate

zu werden, oder als Milchmastlamm gar nur drei bis vier Monate. Alles war paletti! Könnten nicht alle Lammungen so sein? Problemlos führte ich Mutter und Lämmer in eine freie Box in der Mutter/Kindgruppe in dem ich die Lämmer einfach an den Vorderläufen nahm und vorneweg ging. Wie ein Hund folgte mir die Mutter. Nun endlich konnte ich den lärmenden Schafen ihr heiß geliebtes Kraftfutter geben. Da dies sehr schnell gehen musste, damit sich die Schafe nicht vor einer Raufe stapelten, verteilte ich die vielen Futtereimer, die ich schon am Abend zuvor befüllt hatte, erst rundum außerhalb der Stallabteile vor allen

Raufen und musste dann im Sauseschritt, so schnell es ging, alle Raufen beschicken. Ich rannte von Raufe zu Raufe und streute das Futter in einem geübten Schwung über die ganze Raufenfläche um sogleich den Eimer fallen zu lassen und zur nächsten Raufe zu rennen. Im Verlauf der Jahre habe ich mir eine Technik und Schnelligkeit angewöhnt, dass die eigentliche erste Fütterung am Morgen nur noch zwanzig Sekunden dauerte. Schlagartig war es still im Stall und man hörte nur noch die Schafe schnorpsen.

Nun waren noch die Schafe in den Boxen zu füttern und alle Schafe wären fürs fürs erste versorgt! Da mir ja

bekanntlich die Zeit im Nacken saß, frischte ich schnell die Tränken auf, befüllte große Reisigkörbe mit Futterrüben und verteilte diese ebenfalls in den Raufen. Doch hierbei konnte ich es etwas ruhiger angehen lassen, da die Schafe mit ein wenig Futter im Bauch gleich viel ruhiger waren. Zu guter Letzt lief ich auf die Hofplatte am Gutsgebäude, schnappte mir den alten Deutz und setzte mit dem Frontlader einen großen Rundballen Stroh in den Stall um auch den Schafen ein weihnachtliches flauschig weiches Bett zu bescheren.

Jetzt hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit! Fix steckte ich etwas Heusilage auf

die Raufen und fuhr zum Abschluss raus zur Herde auf der Weide. Als hier auch alles ruhig war, meldete ich mich pünktlich wieder bei meinem Chef in den Weihnachtsbäumen. Mal ne Pause wäre nicht schlecht! Nicht wahr?

>

Endspurt in den Bäumen

Wer nun glaubt, dass ich wenigstens hier etwas verschnaufen konnte, den muss ich enttäuschen. Gerade am 24.Dezember, in den Mittagsstunden, kamen viele der Leute, die sich bereits zu Beginn der Adventszeit einen Baum erspäht und reserviert haben. So kam es, dass, just in dem Moment als ich meinen Chef ablöste, wenigstens vier oder fünf Familien in der Kultur waren, die gerade ihren Baum suchten und natürlich alle zeitgleich den Baum abgeschnitten haben wollten.

Zum Glück ließ mir mein Chef den polnischen Kollegen da. So konnte ich

im Eilverfahren den Preis aushandeln und abkassieren, während er die Bäume abschnitt und vorne am Bauwagen einnetzte. Das war wirklich eine große Hilfe, auch wenn ich noch immer die ganze Zeit am hin und her rennen war, standen doch die Bäume nicht alle auf einem Flecken. Da bemerkte ich mal wieder, das die Weihnachtsbaumkultur ja doch nicht so klein war, wie anfangs behauptet.

Immer kamen neue Käufer dazu. Es war ein Kommen und Gehen. Wirklich erst gegen 15.00 Uhr, es fing schon an leicht zu dämmern, wurden die Familien in der Kultur etwas weniger. Als wir schließlich um 15.00 Uhr offiziell den

Verkauf beendeten, begannen mein Kollege und ich die ersten Gerätschaften wie die Feuertonne, diverse Raspeln und Schabeisen zum bearbeiten der Stämme und natürlich die Weihnachtsbaumkanone in den Bauwagen zu räumen.

Es war schon halb Vier durch und bereits bedenklich dunkel, als doch tatsächlich noch ein junger Mann daher kam, der sich wirklich noch einen Baum aussuchen wollte. „Sie wissen schon, dass wir kein Licht im Wald haben?“, fragte ich skeptisch. „Ja ich weiß, ich bin spät dran!“, versuchte sich der Mann zu rechtfertigen. „Aber wissen Sie, wir

haben uns schon vor zwei Wochen einen Baum aus dem Baumarkt gekauft. Jetzt packen wir den zu Hause aus, da ist auch schon der ganze Teppich voller Tannennadeln. Und außerdem sieht der so richtig scheiße aus. Ich beeile mich auch!“ Ich wiegte den Kopf hin und her. Was sollte ich machen? Ich hatte noch einen Haufen Arbeit hinten an stehen und wollte auch mal fertig werden. Andererseits wollte ich den Mann und seine Familie diese Weihnachten nicht ohne Baum da stehen lassen. Fragend schaute ich zu meinem Kollegen rüber, der auch fertig werden wollte. Schließlich sollte es doch noch heute für

ihn und seine drei Kollegen zurück nach Polen gehen. Aber auch die Polen haben ein Herz! Er nickte mir leicht zu. „Also gut Mirek! Lass uns die Kanone wieder raus holen. Und Sie suchen sich derweil einen Baum aus.“ „Vielen Dank!“, rief der Mann freudig und stapfte im Laufschritt durch den, inzwischen schon zehn Zentimeter tiefen, Schnee. Schon war er zwischen den Bäumen verschwunden. Mirek und ich wuchteten wieder die Weihnachtsbaumkanone aus dem Bauwagen und genehmigten uns erst mal eine echte polnische Machorka. Das waren filterlose Zigaretten, die einem wahrhaftig die Zehennägel umkrempeln

ließen. Aber egal! Das musste jetzt sein!

Eins ums andere mal hörten wir es im Wald rascheln, wenn der Mann einen Baum vom Schnee befreite. Es war bereits kurz nach Vier und fast dunkel, da hörte ich ihn schließlich rufen. Anhand seiner Rufe hatte ich ihn schnell gefunden. Jedoch konnte ich den Baum wirklich nur noch schemenhaft erkennen. Ich sah, dass es eine Blautanne war, dass sie so um die 1,80 Meter groß war, aber mehr auch nicht. So verlangte ich den Standardpreis für eine Zwei Meter große Blautanne von 40€. Der Mann schlug sofort ein und packte sogar noch einen Zehner drauf. Schnell war der Baum abgesägt und

eingenetzt. Die 10€ Trinkgeld steckte ich dem Polen zu. So war das Weihnachtsfest für eine Familie gerettet, dem Polen hatte ich auch noch ein kleines Weihnachtsgeschenk gemacht und ich konnte mich hoffentlich bald wieder um die Schafe kümmern! Eilig packten wir alles zusammen, schlossen den Bauwagen ab und liefen auf den Gutshof mit dem Schloss meines Chefs.


Der erwartete uns bereits in der Gutsverwaltung, dem Büro des Gutshofes. Just in dem Moment, als ich mit Mirek das Büro betrat, befüllte er drei Gläser mit polnischem Wodka.

„Kommen Sie rein und setzen Sie sich!“ Das war zwar lieb gemeint vom Chef,

aber dennoch brannte mir die Zeit unter den Fingernägeln. Hatte ich doch noch allerhand zu tun! Ja! Und Mirek? Der wollte mit seinen Kollegen wahrscheinlich auch bei Zeiten los fahren! Na ja! Aber eine Abfuhr erteilen konnte man dem Chef ja auch nicht! Also setzten wir uns lächelnd zwar aber Zähne knirschend in die beiden antiken Stühle vor seinem ebenso antiken wuchtigen Schreibtisch. „Haben wir es nun endlich geschafft! Das hat doch nochmal ordentlich gescheppert da drüben nicht wahr? Haben Sie noch viele Bäume verkauft?“ „Ja! Noch allerhand Leute sind gekommen!“ Ich reichte dem Chef über

den Schreibtisch hinweg die Geldkatze. Der schaute sogleich in dessen Inneres und lächelte zufrieden. „Ach und eine Mutter hat heute Vormittag wunderschöne Zwillinge bekommen.“, fügte ich noch hinten an, hielt ich das doch auch für erwähnenswert. Doch der Chef war gerade dabei die Anzahl der Geldscheine zu überfliegen und schaute abgelenkt auf. „Wie? Ach ja ja natürlich! Das ist toll!“ Er packte die Geldkatze beiseite. „Ja gut meine Herren! Dann lassen Sie uns mal anstoßen. Ich glaube wir haben dies Jahr ein neues Rekordergebnis bei den Weihnachtsbäumen

erzielt.“ Wir erhoben die Gläser und stießen an. Brennend heiß ran der hochprozentige Alkohol durch meinen noch immer durch gefrorenen Körper. „Auch wenn die letzten Wochen hart für uns waren, können wir doch recht stolz sein und haben uns ein ruhiges und besinnliches Weihnachtsfest redlich verdient.“

>

Die Heilige Nacht

So saßen wir noch ein paar Minuten beisammen und führten Smalltalk, bis ich mich höflich aber bestimmt loseisen konnte. Schnell lief ich hinter auf die Hofplatte und befreite Fleck aus meinem Auto, der sogleich wie ein kleines Kind im Schnee herum tollte. Eilig huschte ich durch die Ställe und überprüfte ob alles in Ordnung war. Schon ging es hinaus auf die Weide zu den Schafen. Auch da war alles ruhig. Sollte ich wirklich einen ruhigen Heiligabend verbringen dürfen? Im Schafstall bekamen die Tiere eine abschließende Portion Kraftfutter,

frisches Wasser und Heusilage satt. Lämmi wurde noch einmal bei seiner dusseligen Mutter angesetzt und bekam zusätzlich eine Extraportion von der Amme. Auch die Neuzugänge waren erwartungsgemäß fit und hatten volle Bäuche. Endlich! Gegen Achtzehn Uhr hatte ich fast schon so was wie Feierabend und schleppte mich schlurfend durch den tiefen Schnee zu meiner Wohnung im alten Torhaus des Gutshofes.


Fleck lief, wie immer freudig, vorneweg. Eine einsame dunkle Stille empfing mich, als ich die Wohnungstür öffnete. Wie sollte es auch anders sein? Es war ja keiner da, der mich erwartete. Da war niemand, der schon mal das Essen vorbereitet, die weihnachtlichen Lichter

entzündet oder ein wenig Weihnachtsmusik eingeschaltet hätte. Ich betrat die Wohnung, schaltete das Flurlicht ein und legte meine klammen bis nassen Sachen ab. Mein direkter Weg führte mich ins Bad, wo ich mir eine heiße Dusche gönnte. Ich hätte mir lieber ein heißes Bad gegönnt, doch dafür fehlte mir die Zeit, wollte ich wenigstens noch in Ruhe essen und ein zwei Stunden die Füße hochlegen, bevor ich wieder raus müsste um nach den Schafen zu schauen. Mein Abendessen war eines Heiligabend unwürdig und bestand aus einer Tiefkühlpizza. Die war wenigstens warm und schnell zubereitet. Dazu gab es

starken Kaffee! Die Nacht war noch lang und ich musste wach bleiben. Nach dem Essen legte ich wirklich mal die Beine hoch und schaute was es in der Glotze so gab. Aber an einem Heiligabend war das Programm bekanntlich gähnend langweilig. Also schaute ich mal ob das Internet etwas her gab. Nun ja! Man wird es sich denken können. Hallo! Wir haben Heiligabend! „Scheiß Weihnachten!“, fluchte ich etwas angenervt. Endlich war es 22.00 Uhr und ich konnte wieder raus zu den Schafen. Das war auf jeden Fall interessanter, als wenn mir die Decke meiner Wohnung auf den Kopf fiel. Fleck und ich

verließen das Haus und traten hinaus in die kalte Nacht. Es hatte tatsächlich aufgehört zu schneien. Die Wolken waren aufgebrochen und man konnte sogar ein paar Sterne erkennen. Wir kletterten in den kalten Geländewagen und fuhren raus zu den Schafen. Dort schnappte ich mir einen leistungsstarken Akkuscheinwerfer und kletterte über das Tor in die Weide. Langsam ging ich über die Wiese und schwenkte in gleichmäßigen Bewegungen mit dem leuchtenden Scheinwerfer über die Fläche. Weit verstreut und ruhig wiederkauend lagen die Schafe mit weißen Rücken im Schnee und nahmen

mich und den Scheinwerfer recht gelassen hin, waren sie es doch von den zurückliegenden Wochen schon gewöhnt, dass ich ein paar mal die Nacht mit diesem grellen Licht hier auftauchte. Ihre Augen leuchteten mystisch, traf der Schein der Lampe auf sie. Wie Tausend Sterne funkelte der Schnee im Licht. Alles schien ruhig zu sein. Ich wollte schon frohlocken, ob der Aussicht auf eine ruhige heilige Nacht. Doch es sollte nicht sein. Wiedereinmal unter der alten Linde lief unruhig eine Mutter hin und her. Immer wieder scharrte sie mit den Klauen im Schnee und blökte leise. Schon von weitem war die heraus

hängende Fruchtblase zu erkennen. „Na ja! Zu Hause ist es eh langweilig!“, stieß ich ironisch hervor und umkreiste vorsichtig die Mutter.

Lammende Muttern waren oftmals sehr nervös und schreckhaft. Ich versuchte genaueres zu erkennen. Aus der Scheidenöffnug waren bereits die Klauenspitzen des Lämmchens zu erkennen. Nur ob sie nach oben oder nach unten zeigten, das war noch nicht zu unterscheiden. Aber war gerade dieser Punkt wichtig! Zeigten die Klauenspitzen nach oben, war alles supi. Zeigten sie nach unten, war das überhaupt nicht supi. Zeigten die Klauenspitzen nach unten, kam das

Lamm rückwärts. Dann musste es, wenn es soweit war, schnell gehen. Sonst drohte das Lamm zu ersticken. Doch viel schlimmer wäre es, wenn zuerst das Mäulchen oder die Schwanzspitze zu sehen gewesen wäre. In beiden Fällen hätte ich dann eingreifen müssen. Ich hätte das Lamm zurück in den Bauch pressen müssen und die Beine, die nach hinten lägen, vorbringen müssen, was sich mitunter als recht schwierig erweisen konnte. Aber hier kamen auf jeden Fall zuerst irgendwelche Füße, was die Sache doch recht unproblematisch machte. Ich beschloss, dem Schaf eine Zigarettenlänge Zeit zu geben bevor ich

das nächste mal nach schaute. Ich wandte mich also ab, löschte das Licht und steckte mir eine Zigarette an.

Es war absolut still. Nur das leise Blöken der werdenden Mutter war zu hören. Nicht ein Auto war an diesem Abend unterwegs. Durch viele Fenster der umliegenden Häuser in der Ferne funkelten mir Weihnachtsbäume entgegen und ich stellte mir vor, wie die Familien den heiligen Abend ausklingen ließen. Die vielen Kinder waren nur widerwillig von ihren ganzen neuen Spielsachen zu trennen um ins Bett zu gehen und viele verliebte Pärchen lagen sich vielleicht gerade bei Kerzenschein in den Armen. Mit all dem konnte ich

nicht aufwarten. Weder hatte ich eigene Kinder noch wartete eine Frau auf mich daheim. Meine Zigarette war aufgeraucht und ich warf die Kippe beiseite. Zischend versank sie im Schnee. Ich schaltete das Licht ein und wandte mich wieder der werdenden Mutter zu. Deutlich sah man jetzt die Füße des Lammes. Freudig stellte ich fest, dass die Klauenspitzen nach oben zeigten. Alles war gut! Das Lamm kam normal. Jetzt musste nur noch die Mutter vernünftig sein. Sie musste kräftige Wehen, ordentlich Milch im Euter und einen ausgeprägten Mutterinstinkt haben. Dann war alles in Ordnung! Das nicht immer alles

zwangsläufig gegeben sein musste, war mir bewusst. Mit Grimm musste ich an 7104 denken. Bei dieser dummen Kuh passte wirklich gar nichts! Wieder setzte bei dem Schaf eine Wehe ein. Sie stand stocksteifig da, reckte den Kopf nach oben und presste sichtlich angestrengt. Dabei ließ sie ein lautes Röhren vernehmen, was ein Laie durchaus als ein Schmerzensschrei deuten könnte. Doch war dies nichts weiter als eine Art Kraftschrei. Die Schmerzschwelle liegt bei Schafen wirklich sehr hoch! Da! Jetzt schob sich ein schwarzes Köpfchen hinter den Füßen her. Es war schon halb draußen! Nun war es für das

Schaf an der Zeit sich hinzulegen. Das war für mich das Zeichen, dass gleich die Austriebswehen einsetzen würden. Gebannt, und mit Mutter und Lamm mitfiebernd, verfolgte ich das Szenario. Ich ertappte mich dabei wie ich das Schaf anfeuerte. Es war für mich immer wieder verblüffend was für eine emotionale Verbindung man zu so einem Tier aufbauen konnte. Die nächste Wehe setzte ein. Der ganze Körper verkrampfte und der Bauch verformte sich auf eigentümliche Weise. Wieder war da dieses Kraftröhren und das Köpfchen flutschte jetzt vollendens aus dem Geburtskanal. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern! Füße und

Köpfchen waren immer das schwierigste bei einer Lammung. Eine letzte Wehe und das Lamm glitt heraus. Es lag in seinem eigenen warmen Fruchtwasser. Das abgegangene Fruchtwasser hatte zweierlei nützliche Nebeneffekte. Zum einen ließ es am Geburtsort den kalten Schnee weg tauen zum anderen desinfizierte es den Boden ein wenig. Sofort lief ich zu Mutter und Lamm und befreite das Mäulchen des Lammes von Geburtsschleim und Blasenhaut um ihm das Atmen zu erleichtern. Ich schaute sogleich dem Lamm unter den Rock und hatte auch schon einen Namen für mein Weihnachtslamm gefunden. „Willkommen im Leben, Maria!“


Vermied ich es eigentlich immer meinen Schafen Namen zu geben, so machte ich doch bei denen die in der heiligen Nacht geboren wurden eine Ausnahme. Dies Jahr war eben mal wieder Maria dran!

Ich ließ der Mutter einen Moment die

Gelegenheit die kleine Maria ab zu lecken, bevor ich mir das Lamm schnappte und langsam vorneweg ging. Leise vor sich hin blökend folgte das Schaf seinem Lamm. Ohne Probleme bekam ich die beiden auf den Anhänger geladen und fuhr zum Stall. Ich sperrte die beiden in eine der Boxen in der Mutter/Kindgruppe, desinfizierte mit Jodlösung die frische Nabelschnur von Maria und melkte ihre Mutter auf beiden Zitzen einmal kurz an. Oftmals verstopften Talkpfropfen die Zitzen, welche es dem Lamm unmöglich machen würden Milch zu saugen. Wenn ich schon mal mit dem Schaf zu Gange war, tastete ich auch gleich dessen

Bauchdecke ab, ob noch ein Lamm zu erwarten sei. Doch dem war nicht so.

Mehr war erst mal nicht zu tun. Ich gab dem Schaf noch Wasser und etwas Heusilage und atmete tief durch. Das war`s!

Ich kletterte in die kleine Abteilung, die ich Gruppenbuchte nannte. Hier war Platz für bis zu zwanzig Schafe mit ihren Lämmern. Hier lernten Mutter und Lamm sich in der Masse wieder zu finden. Entspannung suchend setzte ich mich ins Stroh und lehnte mich gegen eine Raufe. Eine wundersame ja fast heilige Stille hatte Einzug gehalten. Die Schafe lagen zufrieden im Stroh oder knabberten ein

wenig an der Heusilage herum. Durch den halboffenen Stall erkannte ich über der weiß verschneiten Wiese den klaren Sternenhimmel. Einige Lämmer standen um mich herum und beäugten mich neugierig. Eines begann dreist damit an meinem Hosenbein herum zu knabbern und ein anderes stupste mir mit seinem Mäulchen in die Seite, geradeso als suche es bei mir ein Euter. Gerührt begann ich zu lächeln. Gibt es etwas friedlicheres auf der Welt? „Ist doch eigentlich eine schöne heilige Nacht!“

Vergessen war der Stress der letzten Wochen, des heutigen Tages. Plötzlich nahm ich die Einsamkeit in meiner

Wohnung an diesem Abend total gelassen. Dieser eine Augenblick, gerade eben, entschädigte doch für alles. Ich wollte ihn nie wieder missen.

0

Hörbuch

Über den Autor

PorterThomson
Ich schreibe hauptsächlich um zu unterhalten. Dabei möchte ich Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und egal welcher Herkunft unterhalten. Meine Ambitionen liegen bei den spannenden und aufregenden Romanen. Jedoch experimentiere ich hin und wieder auch mal an anderen Genres herum. Mehr über mich: www.porterthomson.de.tl sowie bei Facebook: "Porter Thomson, Autor aus Cuxhaven" und bei Google+ unter der web-Adresse: https://plus.google.com/+PorterThomsonAutorausCuxhaven/posts

Geschenke

Leser-Statistik
71

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Sealord Schön geschrieben! Ich konnte es mitfühlen!
LG Uwe
Vor langer Zeit - Antworten
Scheherazade Herrlich lebendig erzählt, man war mittendrin! Sehr schön!

Liebe Grüße
Scheherazade
Vor langer Zeit - Antworten
Hofdichter Wunderbar geschrieben !!! Das deine Wertschätzung vor allem der Lämmeraufzucht gilt ist unschwer zu erkennen , ich bin sehr gerne mit dir die Wiesen abgegangen und deine Art die Geburt zu beschreiben trotz der ganzen anderen Arbeiten die dir im Kopf herumschwirren müssen , war wie ein Sonnenaufgang verfolgbar !

Einen schönen Heiligen Abend dir und vielleicht gibt es ja wiedermal eine Maria :-)

LG Ephraim
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
3
0
Senden

102330
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung