Stella
Hoch oben auf dem Berg lag das ganze Jahr über Schnee, was den Menschen gut gefiel. Ihnen schien der Schneeteppich großes Vergnügen zu bereiten. Um es auszukosten, besuchten sie mit den unterschiedlichsten Geräten den Berg und sausten auf ihnen auch wieder hinunter ins Tal. Blitzschnell glitzernde Wolken von Schnee aufwirbelnd stoben sie die Berghänge runter, durch die weiße Pracht aus Tausenden von weißen Flockensternen. Jeder hatte seine eigene Gestalt.
Mühelos trieb sie der Wind, als sie aus den Wolken herausfielen. Er spielte Fangen mit ihnen, bis sein Atem nachließ. Erst wenn der windige Geselle genug davon hatte, ließ er sie fallen und machte sich davon. Waren die weißen Flocken aber erst einmal unten angelangt, konnte keiner sie mehr voneinander unterscheiden. Sie gaben ihre zarten Gestalten auf, kuschelten sich eng zusammen und fügten sich dicht am Berg zu einer weißen, glatten Schneedecke. Sie waren eng aneinander geschmiegt, mit ihrem Leben zufrieden. Hatten sie doch ihre Bestimmung gefunden.
Nur das einzelne Schneeflöckchen, das auf der Spitze des Gipfelkreuzes gelandet war, blieb, wie es war, dieses Eine änderte sich nicht. Es behielt das Aussehen eines zarten, besonders gelungenen Glitzersternchens, dem sogar die Bewunderung des unsteten Windes galt. So wohlgeraten, wie Sternchen war, wollte er es für sich behalten, und weil ihm der Name Stella gefiel, nannte er es fortan Stella. Dringend riet er ihr, ganz oben zu bleiben, und sich nicht mit den anderen zu vermischen.
„Ffffffwwuuuhuuuuiiiiiiiii, bleib einfach, wo du bist, ich kümmere mich um dich", säuselte er so leise es ging, um seine Stella nicht aus Versehen von ihrem Platz zu blasen. Der Wind hatte nämlich die Absicht Stella zu besuchen, sooft ihm der Sinn nach einem Plausch stand.
Jedoch war das nicht so ganz einfach.
Zuerst musste sich Sternchen Stella an der Kreuzspitze befestigen lassen, und das ganz sicher, damit sie nicht doch noch herunterfiel. „Hallo du, hör mal her", rief sie dem Eisprinzen zu, der gerade vorüberflog. „Würdest du bitte mal herkommen?"
Stella hatte nämlich eine Idee.
„Könntest du mich bitte hier am Kreuz fest anfrieren, damit ich nicht runterfalle."
„Aber ja doch, sehr gerne", entgegnete der Prinz und blies seinen Eisatem Stella ins Gesicht, dass sie völlig erstarrte.
Doch dann hielt sie auch bombenfest. Nicht einmal der Sturm konnte das Eissternchen fortwehen, so stark er auch daherkam.
„Danke", rief sie noch, aber der Eisprinz war schon über alle Berge.
Nun ließ Stella ihren Blick sicher über die weite Welt schweifen. An den Tagen sah sie, wie sich die Rodler und Skifahrer am steilen Berghang vergnügten. Aber auch andere Menschen beobachtete sie, denen es Spaß bereitete, aus Stellas Schneegeschwistern runde Bälle zu formen, die sie als Wurfgeschosse benutzten, um sich dann gegenseitig damit zu bewerfen. Auch, wie sich einzelne Flockensterne vom Wind hochpusten ließen, um sich an anderer Stelle wieder in die Decke zu fügen.
Hin und wieder geschah es jedoch, dass sich der Schnee fest zusammenballte, und weil er sich an der Bergflanke nicht mehr halten konnte, hinunter zu rollen begann. Dabei wurde er zu einer Lawine, die groß und immer größer wurde, bis sie, auf ihrem Weg ins Tal alles mit sich riss, was ihr im Weg stand. Das aber machte Stella Angst. Und nicht nur ihr, sondern auch den Menschen.
Viel lieber saß sie da, ließ sich vom Wind besuchen, von den hell leuchtenden Sonnenstrahlen zum Glitzern bringen, oder bewunderte in der Nacht die silbernen Sterne und die goldene Mondlaterne am Himmel.
Doch das Umherschauen wurde ihr mit der Zeit ein wenig langweilig. Und so senkte sie eines Tages dabei ihren Blick in die Tiefe und staunte. Da unten war es nicht weiß, sondern grün und herrlich bunt. Ein Grün, worauf die Menschen in kurzen Hosen und knappen farbigen Shirts spazieren gingen. Ja sie zogen selbst das Wenige noch aus und tauchten in einem See unter. Sie plantschten und spritzten sich gegenseitig an, lachten und tobten vergnügt miteinander, dass zu sehen war, sie fühlten sich wohl. Das gefiel Stella.
„Dort im grünbunten Unten lebt es sich gewiss besser als oben bei mir, wo alle Menschen in dicke Kleider eingemummelt sind und trotzdem manchmal vor Kälte zittern", dachte Stella sehnsuchtsvoll. Ihr Blick ging immer wieder zu den fröhlichen Farben im grünbunten Unten. Selbst während der Besuche des Windes sahen ihre Augen so oft hinunter, sodass es ihm auffiel.
„Warum schaust du denn immer wieder nach unten?“ erkundigte er sich, „gefällt es dir hier oben bei mir nicht mehr?“
Obwohl sie ihren Freund nicht enttäuschen wollte, blieb ihr nun nichts anderes mehr übrig, als ihm zu gestehen, dass sie den Wunsch hatte, selbst einmal dort unten zu sein und das Grünbunt aus nächster Nähe zu betrachten.
„Mein lieber Freund, wie wäre ich dir dankbar, wenn du mal nachsehen könntest, was es mit dem grünbunten Unten auf sich hat. Ich muss genau wissen, wie es da unten ist", bat sie den Wind und seufzte.
Der aber erschrak fürchterlich, als er das hörte.
„Weißt du, ich möchte nämlich unbedingt einmal da hinunterfliegen", redete Sternchen weiter, und merkte überhaupt nicht, wie bestürzt der Wind über diesen Plan war. Keinesfalls wollte er auf die unterhaltsamen Besuche bei seiner Stella, seinem geliebten Flöckchen, verzichten, weshalb er ihr auch dringend davon abriet. Außerdem fürchtete er mit Recht um Stellas Leben, Denn er wusste, dass das grünbunte Unten ungeeignet für Schneesterne war. „Dort im Unten ist gerade der Sommer“, wandte er deshalb ein, „das ist nichts für Schneesterne. Lass das lieber bleiben, es ist für dich zu gefährlich."
Diese Antwort gefiel Stella absolut nicht.
„Aber, wenn du ein bisschen wartest", warf der Wind schnell ein, „bringe ich dich, sobald es Weihnachten ist, hinunter.“
Auch diese Antwort gefiel dem Flöckchen Stella nicht. Genauso wusste sie nichts mit dem Wort Weihnachten anzufangen, weshalb sie auch nicht mehr länger warten wollte, ja sich sogar überlegte, ob sie dem Wind glauben sollte. Vielleicht fürchtete er, dass dieser Herr Sommer sie ihm wegnehmen könnte. Dabei war ihr nicht einmal, bekannt, wer eigentlich, der Herr Sommer und was Weihnachten sein sollten. Doch soviel und sooft sie auch hinuntersah, sie konnte keinen Herrn Sommer ausmachen. Wie konnte er ihr da gefährlich werden? Auch bemerkte Stella, dass die Menschen keine Angst hatten, denn sie lachten und freuten sich ihres Lebens. Also drohte ihr aus dem Unten auch keine Gefahr. Sie musste sich weiter erkundigen.
Aber wen konnte Stella sonst noch fragen? Eine große Auswahl hatte sie ja nicht. Außer dem Wind und den Sonnenstrahlen kam am Tag niemand zu Besuch. Höchstens in der Nacht, der Mond mit seinen Sternen. Wenn der aber kam, war es stockdunkel, auch unten im Grünbunten und demnach nichts zu sehen. Außerdem waren die Himmelswanderer viel zu weit oben, um sich darum zu kümmern.
Doch Stellas Sehnsucht gab keine Ruhe.
Da der Wind dringend abriet, kam ihr der Sonnenstrahl, der eben vorbeikam, gerade recht. Sie hielt ihn an und fragte einfach mal.
„Hallo du, darf ich dich bitte mal etwas fragen?“
Der helle Strahl sah sich um, sah aber nichts anderes als den glitzernden Flockenstern. Also war er gemeint.„
Wenn du mich fragen möchtest, frag nur ruhig weiter. Du Brauchst kein Blatt vor den Mund zu nehmen, ich kenn mich gut in der Welt aus." Das klang allerdings ein wenig hochmütig, aber der Strahl sprach weiter.
„Ich helfe dir."
Um sicherzugehen bat Stella den goldenen Strahl noch schnell: „Mach dich bitte bei den Antworten nicht zu warm, du weißt ja, dass ich es gern kalt habe.“
Gutmütig stellte der Sonnenstrahl sich darauf ein, zog einen kleinen Nebelschleier über sein Gesicht und ging etwas auf die Seite. Das beruhigte Stella. Sie fasste sich ein Herz und redete einfach mal drauflos: „Weißt du vielleicht etwas über das grünbunte Unten?", und als der Strahl das verneinte, fragte Stella weiter.
„Kennst du einen Herrn Sommer, der soll nämlich dort unten sein Unwesen treiben. Ich würde so gern einmal da runter fliegen und mir alles genau ansehen. Meinst du das ginge? Ich muss andauernd dran denken. Glaubst du, ich soll es wagen?“
„ts, ts, ts, ts, ts“, machte der Strahl und blinkerte auf und ab. „Lass das lieber sein. Ich glaube das ist überhaupt nichts für dich", versuchte der Strahl, Stella von ihrer Idee abzubringen und riet ihr ab.
„Der Sommer ist viel zu gefährlich. Warte lieber bis Weihnachten“, meinte er noch und fort war er. Die Sonne hatte sich nämlich inzwischen ein großes Stück entfernt, sodass der Strahl sich sehr beeilen musste, ihr hinterherzukommen. Nun war das Flockensternchen so schlau wie vorher. Ratlos fragte es sich immer wieder::
„Was heißt hier gefährlich? Es ist doch blöd, dass mir keiner genau sagt, wer der Herr Sommer ist, und was Weihnachten bedeutet, und warum ausgerechnet der unsichtbare Herr Sommer für mich gefährlich sein soll.“
Schmollend saß Stella auf ihrem Kreuz und überlegte, was zu tun sei. Da kam zufällig die Schneefee auf ihrem weißen Schlitten am Himmel entlanggesaust. Jetzt am Abend wollte sie schnell wieder über den Regenbogen zurück nach Fantadonien fahren. Hatte es also eilig.
„Hallo, hallo - Hohe Frau - könntet ihr mir bitte eine Frage beantworten? Ich muss unbedingt wissen, was an dem Herrn Sommer im grünbunten Unten gefährlich ist“, rief das Schneeflöckchen und deutete mit einer seiner Sternspitzen hinunter ins Tal, von wo es grün und bunt heraufleuchtete.
„Brrrr, brrrr, meine Schneepferdchen, haltet mal kurz an, ich muss mit einem Flockenstern reden“, ließ darauf die Fee ihre Tiere halten, „aber machs kurz, ich hab es eilig.“
Stella hatte nicht mit einer Antwort gerechnet, weshalb sie überrascht war. Doch schnell fasste sie sich und fragte: „Kennst du die Gefahr, die dort im grünbunten Unten wütet? Es soll einen gefährlicher Herrn Sommer dort geben."
Und weiter, „Oder meinst du, ich kann mich trotzdem einmal umsehn?"
„Tut mir leid“, bedauerte die Schneefee, „aber ich selbst war in der letzten Zeit nicht unten und einen Herrn Sommer kenne ich nicht. Aber ich würde dir abraten, es könnte gefährlich für dich werden. Vielleicht ist es gut, du wartest bis Weihnachten. Überleg es dir und sei auf alle Fälle vorsichtig. Also dann und auf Wiedersehen. „Hühh, hühh."
Und schon wurde sie von den Schneepferden, über den Abendhimmel weitergezogen, ihrem Zuhause zu. Nicht einmal danke sagen, konnte Stella.
„Wieder nichts erfahren,“ murmelte sie traurig, aber sie raffte sich energisch auf. „Nun ist aber Schluss."
„Es ist mir zu dumm bei allen nachzufragen", beschloss Stella nun, „ich werde auf niemanden mehr hören, und mich einfach am nächsten Tag in die Tiefe wagen."
Zuerst musste sie jedoch auf die Sonne warten, um sie vom Eis abzulösen. Stella hatte nämlich bemerkt, dass ihr Halt in der Sonnenwärme ganz langsam nachließ und sie sich lockerte. „Nur ein klein bisschen Ruckeln braucht es, dann löse ich mich" wusste Stella als sie es versuchte und feststellte, dass sie jetzt noch festsaß, „natürlich werde ich gut aufpassen und mich erst in die Luft schwingen, sobald ich völlig locker bin“, nahm sich Stella vor, besah nochmal ihren Weg nach unten und schlief ein.
Nun zog die Nacht herauf. Mit ihren silbernen Sternen, und dem runden goldenen Mondgesicht schenkte sie dem Sternchen Stella für diese Nacht Vergessen und einen wunderbaren Traum, in dem sie wild tanzte und umherwirbelte, dass es eine Freude war. Doch als der helle Morgen mit seiner Sonne daherkam, kam auch der Wunsch zurück.
Die frühen Morgenstrahlen brachten aber noch nicht genug Wärme um es mit dem festen Eis aufzunehmen, die Schneeflocke Stella musste bis mittags warten. Und wirklich, in der Wärme der Mittagssonne verspürte sie ein langsames Gleiten. Sie bewegte sich nach rechts und nach links, wackelte ein bisschen Hin und Her und schon lösten sich nacheinander ihre Sternspitzen, bis sie sich mit einem letzten Ruck frei fühlte. Schnell rief das Flöckchen den Wind zu sich, der ganz in ihrer Nähe kreiselte und mit einigen Schneeflocken spielte, weil er gerade nichts Besseres zu tun hatte.
„Huhuh, lieber Wind, schau ich bin frei. Bitte lass mich auf deinem Rücken zu Tal reiten."
Als der Wind still blieb, erklärte sie noch einmal: „Ich muss unbedingt da hinunter und das grünbunte Unten ansehen."
Als er das hörte blieb dem Wind vor Entsetzen geradezu die Luft weg, so erschrak er.
Nun gab nur noch eine Möglichkeit, wie er Stella retten konnte. Er musste sich weigern sie hinunterzutragen.
„Nein, nein, das nicht“, stöhnte er, „das kannst du nicht machen, du fliegst in dein Unglück. Dabei werde ich dir auf keinen Fall behilflich sein. Tut mir leid meine liebe Stella, aber ich kann das nicht.“
„Bitte, bitte lieber Wind, ich bin fest entschossen, und wenn du mir nicht helfen willst, stürze ich mich selbst einfach so hinunter, egal, was dann aus mir wird.“
Und schon schob sich Stella von der Spitze des Kreuzes weg und ließ sich fallen.
Da konnte der Wind nicht anders, er nahm sie auf den Rücken und schwebte sacht mit ihr dem Grünbunten im Unten entgegen. Ihm war klar geworden, dass das der letzte Liebesdienst für seine Lieblingsschneeflocke war.
Das Sternchen aber sorgte sich nicht. Es nahm alles, was zu sehen war, begierig in sich auf. Die leichtbekleideten lachenden Menschen und ihre Kinder, die sich auf dem Grünbunt und im klaren Wasser des Sees vergnügten. Es bewunderte die seltsamen Tiere und das Grün mit den wunderbaren Blüten, doch vor allem beglückten es die Farben. Über den Mut sich den langgehegten Traum zu erfüllen freute es sich besonders, denn ohne den, hätte es diese Herrlichkeiten nie schauen können.
Seine Sehnsucht hatte sich erfüllt. Was nun auch kam, Sternchen Stella würde es nie bereuen, das grünbunte Unten besucht zu haben.
Schon vor dem Landen hatten beide die warme Luft bemerkt, die ihnen entgegenflimmerte, was dem Wind nichts ausmachte, aber Stella um so mehr. Sie spürte die unangenehme Wärme, die ihr den Atem nahm, sie locker und lockerer werden ließ und in ihre zierliches Kristall eindrang.
Langsam begann sie, sich aufzulösen. Immer schneller schmolzen die wunderbaren, filigranen Spitzen. Winzig kleine Tropfen bildeten sich an ihren Enden, wobei Stella zusehends schwacher wurde. Ringsum breitete sich Nässe aus, Tropfen kam zu Tropfen, die wie Tränen von Flöckchens Armen rannen.
„Lieber Wind, ich danke dir“, flüsterte Stella zittrig und leise, „nun weiß ich, dass du mit deiner Warnung recht hattest. Ich werde vergehen, doch sollst du wissen, ich bereue nichts. Habe ich, als einzige Schneeflocke doch erblicken dürfen, was keines meiner Geschwister oben auf dem Berg je sehen wird. Nur den Herrn Sommer habe ich nicht gefunden, aber das macht nichts. Lebe und vergiss mich nicht wohl mein lieber Gefährte.“
Darauf schloss die kleine Stella ihre Augen und zerrann völlig zu Wasser. Nur ein kleines Tröpfchen legte der Wind sanft im grünbunten Unten nieder.
Jedoch das Nass blieb nicht dort, denn der Sonnenstrahl wartete schon.
„Du kleines Dummerchen, du“, flüsterte der, als er das kleine Tröpfchen aufnahm, „es gibt doch keinen Herrn Sommer. Sommer heißt doch nur die Jahreszeit, in der keine Schneesterne leben können, weil es da zu warm für sie ist.“
Danach trug der Sonnenstrahl den kleinen Tropfen auf seinen goldenen Armen hoch hinauf in den Himmel und vertraute ihn einer großen Schneewolke an, die ihn aufnahm.
Und siehe da, dort wurde aus dem Tropfen wieder ein Schneesternchen, genau wie die vielen, die schon im Wolkenbett auf ihre Reise zur Erde warteten.
So auch das Lieblingsflöckchen des Winds. Es fieberte dem Augenblick entgegen, an dem es auf seinem Atem wiederum auf die Erde fliegen durfte, um vom Berg ins grünbunte Unten zu schauen und sich über die Farben zu freuen.
Und wirklich, die Wolke öffnete nach einer Weile ihr Schneetor und entließ die vielen Sternchen. Als hätte er nur auf diesen Moment gewartet, kam auch gleich der Wind daher. Er wusste, dass er sein Sternchen, seine Stella wiederfinden würde. Mitten hinein sauste er in die vielen Schneeflocken, erfasste dort seine Stella, trug sie auf dem Rücken zum Kreuz auf dem Gipfel und befahl dem Frost sie besonders gut dort anzuheften. Danach überprüfte der Wind Stellas Haltbarkeit, denn wenn sie herunterfiele, hätte er sie erneut verloren. Aber auch Stella vergewisserte sich, dass sie fest saß, denn ihre Sehnsucht nach dem grünbunten Unten war gestillt. Sie begnügte sich mit dem, was ohne Gefahr für ihr Leben zu sehen war.
Eines Tages nun traute Stella ihren Augen nicht. Das grünbunte Unten hatte sich völlig verwandelt. Zwar leuchteten immer noch, glitzernd schöne Farben herauf zu Stella, aber das ganze Grünbunte im Unten war weiß geworden, so weiß, wie oben bei ihr.
„Nun kannst du mit mir hinunterfliegen, dort unten ist Weihnachten und Schnee, da droht dir keine Gefahr. Wenn du willst, sausen wir gleich los“, blies der Wind seinem Sternchen zu.
„Hallo, du liebes, kleines Flöckchen“, rief der helle Sonnenstrahl von Weitem, „jetzt kannst du unbesorgt ins Unten fliegen, dort ist Weihnachten und Schnee. Diesmal wird dir bestimmt nichts passieren“, und schon versteckte er sich hinter einer dicken Schneewolke, die sich gerade bereit machte ihr Tor zu öffnen, um die Welt mit neuen Glitzersternen zu beglücken. Kaum hatte Stella sich von ihrem Staunen erholt, als mit hüh und hoh, auch schon die Schneefee daherkam, und mit ihrem Pferdeschlitten bei Stella anhielt.
„Guten Tag, liebes Schneeflöckchen“, rief sie ihr gleich zu, „wenn du willst, kannst du nun völlig ohne Sorge hinunterfliegen. Es ist Weihnachten und da ist unten alles voller Schnee, es besteht keinerlei Gefahr für dich. Hüh, hüh, meine lieben Pferdchen“, rief sie noch und war hinter der dunklen Wolke, die gerade ihr Schneetor öffnete, verschwunden.
„Was sie nur alle mit Weihnachten und Schnee wollen, und wieso mich nun jeder ins Unten schicken will?“ wunderte sich die Flocke. „Das Glitzern dort unten gefällt mir zwar, doch fehlt das Grün. Außerdem glitzert es hier auch, auch bin ich sicher, wo ich bin. Ich begnüge mich fortan allein mit dem Hinuntersehen.“
Und so blieb der Schneeflockenstern Stella auf seinem Gipfelkreuz sitzen. Stella bewunderte in jeder Nacht die goldene Mondlaterne und die Silbersterne, unterhielt sich mit dem Wind und ließ sich von ihm an ihren Spitzen kitzeln. Am Tag rief sie den Sonnenstrahl, damit der sie, in einen hell strahlenden Kristall verwandelte.
Ganz besonders freute sich Stella, wenn die Schneefee in ihrem weißen Schlitten vorbeikam, und das hell glitzernde Weihnachten in das Unten streute. In jedem Jahr jedoch, wartete sie, sehnsüchtig auf den Sommer, denn er war der Höhepunkt ihres Lebens. Dann erfreute sie sich den ganzen langen Tag, an dem Bunt, das vom Unten in allen Farben bis hoch zu ihrem Gipfelkreuz leuchtete und auf das herrliche Grün. Nie konnte sie sich daran sattsehen, aber sie blieb fortan, wo sie war. Ihr könnt sie ja mal dort oben am Gipfelkreuz besuchen.
Was wuselt denn vor meinem Fenster? Es huscht und fliegt, aus weiter Ferne. Sind das etwa schon Nachtgespenster?
Nein, es sind kleine, weiße Sterne.
Sie purzeln, schweben hoch und nieder und drehen lustig sich im Kreis, sie gehen und sie kommen wieder, man hört sie nicht, sie sind ganz leis.
Mal tanzen sie den Sternenreigen, mal lassen sie vom Wind sich tragen, dann wieder abwärts sie sich neigen, bevor sie einen Salto wagen.
Wollt einen Stern zu fangen wagen, hab mir gleich einen eingefangen, um in der Hand ihn fortzutragen. Da ist er einfach so zergangen.
Schreib mir was!
Schreib mir was!
Schreib mir was!
Schreib mir was!