Kurzgeschichte
Heimatmelodie

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"Heimatmelodie"
Veröffentlicht am 10. Dezember 2013, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
Heimatmelodie

Heimatmelodie

HEIMATMELODIE




„Okay, 30 Minuten Pause Leute!“ Grölte der Aufnahmeleiter durch die Sprechanlage. „Und Fritzi… beim nächsten Take bitte mit etwas mehr Begeisterung, Hingabe und schönem Schmalz! Mach dich frisch, lass dich überpudern und dann noch mal mit Disziplin.“

Fritz Hanfstengl hasste es wenn man ihn Fritzi nannte. Selbst seine Eltern - seine größten und treuesten Fans - hasste er, wenn sie i hn so nannten. Immerhin war er inzwischen 38 Jahre alt, hatte noch

sein volles Haar und bezog ein regelmäßiges und recht üppiges Einkommen.

Fritzi, so fand er, war ein Name für beknackte Muttersöhnchen mit einem Selbstachtungsdefizit. Eben geborene Versager, Verlierer und Vollpfosten.

Er hingegen, der große Fritz Hanfstengl, ist ein Gewinner. Ein Mann mit formidablen Vorzügen, einem einnehmenden Lächeln (das bei näherer Betrachtung etwas unheimlich hinterlistiges hat), einer lässigen Frisur, die seine Zugehörigkeit zum einfachen Volk demselben in schamloser Weise vorgaukelt und einen enorm ausgeprägten siebten Sinn für günstige

Gelegenheiten und gelegentliche Missgriffe im guten Ton.

„Dieser bescheuerte Kamera Fuzzi hat die Aufnahme versaut!“ Pöbelte er Richtung Aufnahmeleitung, war sich aber nicht sicher ob sie ihn verstanden hatten. Deshalb wedelte er zugleich mit seinem ausgestreckten rechten Mittelfinger in dieselbe Richtung.

Natürlich war ihm klar das nur e r allein die Aufnahme verkackt hatte, doch so etwas vor all den Hilfskräften, Fans und Claqueuren überhaupt nur zuzugeben ging ihm gewaltig auf die ohnehin schon überspannten Nerven.

Er brauchte ne Erfrischung und Inspiration.

Also stürmte er über die endlos scheinenden Korridore des Senders in seine private Garderobe, wo er sich erst mal hinsetzte, eine Filterlose Camel in Brand setzte und eine mordsmäßige Portion Kolumbianisches Sorgenbrecher - Pulver auf einen kleinen Handspiegel häufte; es sorgfältig mit seiner Bankkarte zerhackte, und unter Zuhilfenahme eines Designer Brieföffners gierig in seine Nasenlöcher zog.

WUUUUUSSSSSSSCH!

Das Zeugs war erste Sahne. Sofort fühlte er sich wieder ganz Herr über sein Schicksal und das seiner Sendung.

Ja genau, seine Sendung! Ganz egal was

all diese kleingeistigen Neider und die angeblichen Hüter der Hochkultur in diesem Sender und draußen in der weiten Welt der verlogenen Presse auch behaupteten.

Seine Sendung. Ohne ihn würde es die „Heimatmelodie“ nicht einmal geben. Geschweige denn so ein Riesen Super Mega Erfolg sein, da draußen an den

Fernsehgeräten des Volkes.

Nun, gewisse Menschen mit einem Hang zur Krittelei und niederträchtiger Besserwisserei behaupten ja gerne, dass das Volk auch jede Scheiße frisst, solange diese nur appetitlich genug serviert wird.

Und Fritz Hanfstengl kann diesem doc h

recht zynischen Argument nicht wirklich widersprechen. Volksmusik IST Scheiße! Und zwar eine verlogene; eine rein auf

das äußere Erscheinen ausgerichtete Heile Welt Fassade. Ein Truggebilde, gebaut aus idyllischen Landschaften, gut gespielter Heimatverbundenheit und

albernem Brauchtum.

Doch das Volk liebt es. Denn das Volk will lieben, hoffen und sich genüsslich aalen im seichten Einerlei musikalischen Dünnschisses. Die Masse sehnt sich eisern nach Heile Welt Idylle, nach Bergwelt Romantik und sauber gemähten Wiesen. Die Masse liebt nun mal das Hoffen, die vagen

Versprechungen und die verlogenen Propheten.

Darum kauft das Volk ja auch Bauch - weg Gürtel, magnetische Kupferarmbänder die ein langes glückliches Leben garantieren, Koffeinshampoo, das verspricht die dünnen Haare wieder sprießen zu lassen.

Das Volk will doch beschissen werden!

So dachte Fritz Hanfstengl vor sich hin während er noch einmal den heutigen Sendeplan durchging, sich einen steifen Cognac genehmigte und sich versonnen am Sack kratzte.

Er schaute sich die Liste seiner Gäste an. Aha, die kleine Barbara ist mal wieder dabei. Fritz erinnerte sich an sie.

Er hatte sie letztes J ahr in die Sendung geholt.

Da war die Kleine gerade einmal sechzehn, und sie durfte nicht etwa Aufgrund ihres feinen Gesangstalents bei ihm auftreten. Gewiss nicht. Sondern weil sie Fritz so wunderbar unbeholfen und eifrig einen geblasen hatte.

Nun, manche Menschen tun eben alles für ein bisschen Rampenlicht, dachte Fritz. Die kleine Barbara fraß ja auch haufenweise Diätpillen und Antidepressiva. Bringt der Erfolg eben mit sich. Und bei der Erinnerung an die kleine Barbara wurde ihm sein Ding herrlich hart.

Wer war denn heute noch dabei?

Aha, die Senftaler Kraxlbuam. Die waren momentan der ganz heiße Hit. Verkauften hunderttausende Alben. Obwohl Fritz aus absolut sicherer Quelle wusste, dass von den Typen keiner ein Instrument richtig spielen konnte, geschweige denn singen. Es war alles Trickserei. Studiotechnik und Ersatzmusiker. Aber die Kraxlbuam waren heiß, sahen aus wie Models. Schwiegermütterschwärme. Jung und sexy. Und das Beste an diesen Torfnasen war das Fritz bei ihnen mit 7,5 Prozent mit drinhing. Eine kleine Aufmerksamkeit für seine Dienste als begeisterter Förderer.

So lief das eben.

Alles ging nur um die Kohle.


Das hatte Fritz Hanfstengl schon früh erkannt. Damals schon, als er als mäßig talentierter Alleinunterhalter durch dörfliche Festzelte und Altersheime tingelte. All die verlorene Zeit mit besoffenen Hinterwäldlern und halbdementen Greisinnen, letztendlich für ein Taschengeld. Nie wieder würde er dahin zurückkehren. Da ließ er sich nun lieber verhöhnen und beleidigen; von den Eierköpfen der Kulturbranche einen Botschafter des schlechten Geschmacks und Totengräber des wahrhaften Liedgutes schimpfen.

Scheiß auf all diese Arschlöcher.

Fritz schob noch ne Extraladung Koks nach, zog sich ein frisches Armani Hemd an und machte sich auf in die Maske um sich neu schminken zu lassen.

Er fühlte sich gut und stark und sich absolut sicher das Richtige zu tun. Und mit weit ausgebreiteten Armen, einem wölfischen Lächeln und den Taschen voller guter Laune stürmte er auf die Bühne.

"Willkommen zu Heimatmelodie, liebe Zuschauer!





Text: harryaltona

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Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.

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socalledbu 
Wenn nicht in Stein gemeisselt, dann kommt jeder Satz, wie gerade mit einer alten Druckerpresse gedruckt.Man spürt die Hand eines echten Arbeiters, der im Kopf beweglich geblieben ist, auch wenn die Schritte schwerer werden.
Also bei mir kommt es so rüber...
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Ja klar, mit 54 macht man keine unnötigen Sprünge mehr. Man setzt kleine wohlüberlegte Schritte. Klar und verständlich und ohne Umwege. Und das blumige Gepflücke überlasse ich gerne denen, die auf romantische Lautfärberei stehen. Danke für das Kompliment mit dem beweglichen Kopf, hört man gerne, besonders wenn man von sich selber weiß, das man ganz schön verpeilt ist. Zumindest hin und wieder.
Besten Dank für alles!
lg, harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
EllaWolke Klasse geschrieben!
Gruß Ella
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Heimatmelodie. Und es ist so gut und so schlecht, wie eben wir Menschen sind. Gut, wenn man sich von gewissen Dingen distanzieren kann. Toll erzählt, wie die Maschinerie losgetreten werden kann. Und wie man ohne Talent, aber mit Charakterschwäche Wege gehen kann, die sich selbst ein noch so gut vernähter Hosenstall nicht zu träumen gewagt hätte. Jörg, eine weitere geniale Gesellschaftskritik.
Beste Grüße...Lämmchen
Vor langer Zeit - Antworten
Willy Hallo, Freund Jörg!
Kolumbianisches Sorgenbrecher Pulver!- was für eine geniale Wortschöpfung und gleich eine Gebrauchsanweisung mitgeliefert.
Tat gut- deine Geschichte zu lesen, nach all dem Mittelmaß, das ich letzte Zeit aus reiner Freundlichkeit gelesen und kommentiert habe.
Ja- diese erbärmlichen Sendungen, die großen Quotenbringer und das behämmerte Publikum mit ihren Leuchtstäben und den seligen Grinsen in ihren Gesichtern.
Nur- die Gegenseite- also moderne Bands ziehen nach- nur dass sie die Bässe lauter drehen und ihr Publikum anders herum verrückt ist. Massenhysterie- ich kann sie nicht ausstehen, auch nicht beim Fußball, wo diejenigen am lautestens brüllen, die nie Fußball gespielt haben. Nun gut, ich muss da ja nicht mittun und für Künstler, wie dem von dir vorgestellten, gibt es eine nützliche Taste an der Fernbedienung.
Machs gut bis demnächst und in alter Frische
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Tausend Dank Sweder,
ja genau, den Knopf zum abstellen sollte man viel öfter benutzen. Doch schlechter Geschmack reagiert leider nicht aufs Knöpfchen drücken.
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Die Senftaler Kraxlbuam. Es gibt Namen, die lassen mich auf der Stelle vor Ehrfurcht in die Hocke gehen. (Und in meinem Alter weiß man nie so genau, ob man jemals alleine wieder hochkommt!) Wenn das Carmen Nebel liest, Harry, dann sind dir die nächsten zehntausend Jahre im Fegefeuer sicher, gelle. Aber, ehrlich gesagt, du hast sie dir mit diesem wunderbaren Text auch ehrlich verdient.

Feste...äh...beste Grüße

Dok
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Nun ja, jeder schafft sich seine eigene Hölle. Und meine ist bevölkert von so Typen wie dem lustigen Hansi H. und seinen Adepten. - Und da gibts auch keinen Alkohol um sich weg zu dröhnen.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Es wird wohl bei Fritzi bleiben müssen, Harry!
Der "Große" und der "Alte" sind ja schon besetzt (und dann noch von ein und derselben Person)!
Aber was sind schon Ruhm und Ehre gegen Arroganz und Selbstliebe?
Schönes Portrait der verblödeten Klasse der Halbgebildeten und Neureichen!
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Tausend Dank, Peter.
und das abfeiern von Mittelmäßigkeit kennt man ja nich nur von diesen grenzdebilen Schunkelbrüdern. Ich hab ´s da so läuten hören, dass in deiner Stadt auch nich gerade ein Mangel herrscht an solch lustigem Volk.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
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