Romane & Erzählungen
Das lächelnde Mädchen

Das lächelnde Mädchen

Jeden Morgen stand dieses Mädchen an der Bushaltestelle. Sie stieg am Morgen ein und am Abend kam sie wieder. Jeden Tag wieder.

Jedes Lächeln, auf ihren blassen Lippen, dass sie lächelte, jedes einzelne von ihnen, war ein ehrliches Lächeln. Doch sie lächelte für die Anderen, nicht für sich, schon lange nicht mehr. Sie lächelte für den hustenden Mann, der Flaschen aus den Mülleimern sammelte. Für die alte Frau, die alle 10 Meter stehen blieb, weil sie keine Kraft hatte weiter zu gehen. Für den kleinen Jungen im

Rollstuhl, für die Frau die ihr Geld vom Boden aufsammelte, für den großen mageren Jungen, der niemals redete. Wenn sie lächelte vergaßen diese Menschen ihr Probleme für einen Augenblick, sie sahen auf, direkt in die Augen des Mädchens und lächelten zurück. Manchmal vorsichtig und zaghaft, manchmal breit grinsend oder lachend. 

Doch nie sah man sie für sich selbst lächeln. Nie dachte sie an sich selbst. Bis zu diesem Morgen im Bus, als sie auf den nassen Asphalt schaute, auf die trübe Welt außerhalb des Fensters. Da lag auf ihren Lippen verträumt von Mundwinkel zu Mundwinkel ein

zartes Lächeln. Ihr eigenes Lächeln, das niemandem gehörte außer ihr selbst. Es war das wundervollste Lächeln, dass ein Mensch zeigen konnte.

Sie stieg in den Bus ein, noch immer mit diesem geheimnisvollen, wunderschönen und traumhaften Lächeln, dass alles um sie herum zum strahlen brachte. Sie verschwand zwischen den alten verschmutzten Sitzen im Bus und genau wie ihr Lächeln, seit diesem Tag sah man dieses Lächeln nicht mehr. Es war das erste und einzige mal, dass sie nur für sich selbst lächelte.

Und am nächsten Morgen standen sie

wieder alle an der Bushaltestelle, der Flaschensammler, die alte Frau, die Jungen und die Frau, sie alle waren dort. Sie warteten auf das wundervolle lächelnde Mädchen, doch diesen Morgen kam sie nicht. Und auch die darauffolgenden Tage kam sie nicht.

Kein Mädchen. Kein Lächeln mehr.