Biografien & Erinnerungen
Das Leben das noch in dir ist...

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"Das Leben das noch in dir ist..."
Veröffentlicht am 23. August 2008, 4 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen. Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt. In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur ...
Das Leben das noch in dir ist...

Das Leben das noch in dir ist...

 

Zum 95. Geburtstag meiner an Demenz leidenden Schwiegermutter 

 

Eine Bluse mit blau gedrucktem Muster auf weissem Grund und eine goldfarbene Kette zieren deine Brust. Das farblich durchaus passende wenn auch schon etwas abgenutzte Jäckchen bedecken deine kantigen und spitz geworden Schulterknochen. 

Der rechte Arm unverkennbar und unübersehbar in die Höhe gestreckt, leicht kreisend als hättest du mich gesehen und würdest mir freundlich winken.

Nur ich weiss, dass dem nicht so ist und du darüber deine Sorgen vergisst. Es lenkt dich ab, fühlst damit das bisschen Leben das noch in dir ist. Ich begrüsse dich und sage dir wie hübsch du bist und schon verzaubert ein zaghaftes aber fröhliches Lächeln dein Gesicht. Mein anerkennendes Lob über deine Frisur nimmst du mit gespielter Schüchternheit zur Kenntnis in dem du für ein paar Sekunden dein Arm vom Himmel holst und statt dessen kurz gefühlvoll mit der Hand über deine Haare fährst und dich in einem imaginären Spiegel betrachtest, denn Dauerwellen, Locken, gekonnt geflochtene Zöpfe und hoch gesteckte Frisuren gaben deinem Leben viele Jahre

einen Sinn.
Heute bist du unser aller Mittelpunkt und wir schenken dir zum 95.Geburtstag unsere Zuwendung.

 

Erna Müller-Rytz

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Hörbuch

Über den Autor

Coeur
16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt.
In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur schwer ertragen und davon gab es in der Schule und außerhalb mannigfach.
Frauen brauchen keine Bildung, dieser Meinung war damals mein Vater obwohl meine Mutter einem 100% Job nachging.
1970 ziehe ich für einige Zeit zu meiner damals geschiedenen Schwester Irene und in diesem Jahr lernte ich meinen ersten Mann kennen.
1971 wurde unser gemeinsamer Sohn geboren.
Am 26. November 1974 erhängte sich meine Schwester Irene in ihrer Wohnung, am Schlafzimmerfenster. 13 Tage vor ihrem 29. Geburtstag! Mein verzweifelter Versuch eine Logik in den chaotischen Tod von Irene zu bringen, scheiterte. Entsetzen, Wut, Schuld, Enttäuschung und auch Angst der Verantwortung nicht gerecht zu werden.
Plötzlich war ich mit meinen 22 Lenzen die Ersatzmutter vom damals 10-jährigen Jungen, natürlich nicht ohne die Unterstützung meines ehemaligen Mannes, er war in all den schwierigen Zeiten mein fröhlicher und treuer Begleiter, auch wenn sich unsere Wege später getrennt hatten blieben wir jedoch Freunde. Abschied für immer musste ich am 18. Januar 1983 von Bruder Hans nehmen.
Im 33. Lebensjahr wählte er den Freitod. Ein Schnellzug erfasste ihn in Lenzburg.
Im gleichen Jahr starb auch mein Patenkind. Er war im zarten alter von 3 Jahren in ein Desinfektionsbad für Schafe gestürzt.
Der ohnehin schon angeschlagene Gesundheitszustand meines Vaters verschlechterte sich nach dem Todesfall von Hans zusehends, ja sogar schlagartig.
15. Juni 1984 war mein Vater gestorben. Wenigsten blieb ihm die nur ein gutes Jahr später schmerzliche Nachricht von meinem verunglückten Bruder Hugo, die ich meiner Mutter überbringen musste, erspart.
Am 5. Oktober 1985, im 39. Lebensjahr war er bei einem Tauchgang im Zugersee tödlich verunglückt.
Dieser Abschied war sehr, sehr, sehr schwer, dabei hat das Jahr 1985 glücklich angefangen.
Damals lebte ich allein mit meinem Sohn der ein fröhlicher, lieber und sorgloser Teenager war, ja, sicher in der Schule hätte er durchaus mehr leisten können...
Ich war glückliche Kioskleiterin. Durch gute Leistungen sowie Umsatzsteigerungen gewann ich immer wieder traumhafte und einzigartige Motivationsferien im Ausland unter anderem im Piemont, in Florida, Norwegen, Andalusien und vieles mehr. Den Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen war eine Herausforderung die ich gerne annahm. In meinem Team waren Frauen und Männer mit unterschiedlichsten Berufsausbildungen sowohl Hausfrauen, Lehrerinnen, Studenten und Verkäufer auch auf meinen 20jährigen Sohn durfte ich mich eine Zeitlang verlassen. Er war eine super tolle Unterstützung für unser Team. Zu den Kunden gehörte der Designer Luigi Colani oder der bekannte Jan Tinguely ebenso wie Obdachlose und natürlich meine neue große Liebe.
Am 17. Mai 1991 starteten wir mit einem gecharterten Düsenflugzeug im Berner Flughafen Belpmoos um über den Wolken unser Jawort zu besiegeln.
Am 17. Dezember 2003 wurde ich erneut daran erinnert, dass man diese Zeit nicht für immer hat! Mein geliebter Mann erlitt einen Herzinfarkt. Dieses Mal war es glücklicherweise nur eine Warnung. 2004 und 2005 wurde mein Mann erneut am Herzen operiert und konnte so einem erneuten akuten Herzversagen vorbeugen.
Während ich diese Zeilen schreibe genieße ich ein harmonisches und glückliches Leben!



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Coeur Re: Das Leben das noch in dir ist -
Zitat: (Original von Meryl am 28.08.2008 - 20:12 Uhr) ein wundervoller Text für und über deine Schwiegermutter

GLG Meryl


Danke für deinen Kommentar
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Meryl Das Leben das noch in dir ist - ein wundervoller Text für und über deine Schwiegermutter

GLG Meryl
Vor langer Zeit - Antworten
Micha2071 Re: Re: Schön! -
Zitat: (Original von Coeur am 25.08.2008 - 21:59 Uhr)
Zitat: (Original von Micha2071 am 25.08.2008 - 14:04 Uhr) Gefällt mir.
Gruß Micha.
PS ich kenne das von meiner Omi, die ihr Leben nach einem Schlaganfall in einem Heim fristet.


in meinem Alter wird man dauernd mit diesem Lebensabschnitt konfrontiert und offensichtlich bist auch du schon so weit.... *grins*
LG, Erna


Ja, wir liegen alle recht nah bei einander. meine Oma ist nur 39 Jahre älter als ich. Darum habee ich mir 33 Jahre Zeit gelassen. Meine Kinder sollen ihr Leben selbst leben und sich nicht noch mit mir rumschlagen müssen. In den kommenden Zeiten vielleicht gar nicht so schlecht?
Gruß Micha
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Schön! -
Zitat: (Original von Micha2071 am 25.08.2008 - 14:04 Uhr) Gefällt mir.
Gruß Micha.
PS ich kenne das von meiner Omi, die ihr Leben nach einem Schlaganfall in einem Heim fristet.


in meinem Alter wird man dauernd mit diesem Lebensabschnitt konfrontiert und offensichtlich bist auch du schon so weit.... *grins*
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Das Leben das noch in dir ist und... -
Zitat: (Original von Rattenfaenger am 24.08.2008 - 15:12 Uhr) ...ich begrüsse dich und sage dir wie hübsch du bist und schon verzaubert ein zaghaftes aber fröhliches Lächeln dein Gesicht...

Ja, liebe Erna, so kann ich mir Dich vorstellen*****
LG
Karl-Heinz


Du schmeichelst mir... :-)))))
LG, Erna

Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Ich kann mir gut vorstellen, -
Zitat: (Original von Chrissy55 am 23.08.2008 - 21:51 Uhr) wieviel Anstrengung und Kraft es kostet, so einen Text zu schreiben, denn ich kann mir auch vorstellen, wieviel Anstrengung und Kraft die Demenzerkrankung deiner Schwiegermutter kostet. Ich kenne das zum Glück ja nur aus Erzählungen, kann mich aber schon hineinversetzen. Ich wünsche dir Kraft, denn die brauchst du.
LG Chrissy


Liebe Chrissyl
Heute ist meine Schwiegermutter sehr pflegeleicht und der Liebling unter den Heimbewohner. Sie hat keine Wünsche und Bedürfnisse mehr, aber das war nicht immer so. Anfänglich war es durchaus nicht immer leicht für uns. Sie war oft unzufrieden und bisweilen auch unerträglich, wenn auch verständlich.... Es ist eigentlich keine Krankheit nur ein Zustand aber der kommt schleichend und die Betroffenen realisieren ihre hoffnungslose Lage schon und die Heimeinweisung hatte sie grundsätzlich abgelehnt!
Danke für deinen Kommentar und liebe Grüsse
Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: liebevoll -
Zitat: (Original von Carola am 23.08.2008 - 19:47 Uhr) und zärtlich hast du deine Gefühle in Worte gewebt
und uns ein klein wenig von dir geschenkt,
danke liebe Erna
es grüßt dich herzlich
Carola


Liebe Carola
Danke für deinen liebevollen Kommentar!
Freue mich sehr über deinen Lesebesuch und über die in uns leuchtenden Sterne... :-)
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Das Leben ... -
Zitat: (Original von Rehmann am 23.08.2008 - 19:21 Uhr) in kurzen Worten wunderbar beschrieben !!!
LG
H. Rehmann


Das Leben ist kurz wenn man glücklich ist!
Herzlichen Dank für dein Lob und liebe Grüsse
Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: DAs ... -
Zitat: (Original von MarianneK am 23.08.2008 - 18:32 Uhr) Ich stelle es mir furchtbar vor, aber die davon betroffen sind leben in ihrer eigenen Welt des Vergessens
Ein liebevoller Gruß an deine Schwiegermutter.

LG Marianne


Liebe Marianne
Die Erkenntnis, dass man sein Gedächtnis verliert ist furchtbar und leider ist man sich dieser Tatsache anfänglich bewusst.
Leider musste sie viele traurige Momente erleben bis zu ihrem jetzigen Zustand. Deinen lieben Gruss an sie werde ich ihr beim nächsten Besuch gerne überbringen.
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: 95. Geburtstag -
Zitat: (Original von sanktpauli am 23.08.2008 - 18:25 Uhr) Seid wie die Kinder selig,
dann haelt das Glueck sich ewig,
Den Himmel blickst du freudig an,
ein Blick zu uns..auch..dann und wann.


Für diesen passenden und tröstenden Vers bedanke ich mich ganz herzlich!
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
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