mySTORYs Schreibratgeber
Für Anfänger und Fortgeschrittene

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Ideensuche

Wo fange ich an? Von der Idee zum Text

Sie gleicht einem mystischen Wesen, die große Idee des Autors, die ihn dereinst berühmt machen wird. Einzigartig soll sie sein, mitreißend, eben besonders. Sie ist schwer zu finden. Und hat man sie erst, muss man sie ehrgeizig beschützen, schließlich ist Ideenklau an der Tagesordnung. Die Idee, dieser untrügliche Ausdruck der künstlerischen Kreativität, ist heiß begehrt.

Dieser Artikel beschäftigt sich also vor allem mit der Idee. Und er will die Idee entmystifizieren, denn gemeinhin werden Ideen bei Weitem überschätzt!

1. Die Idee, das A und O?

Ohne Idee geht es nicht. Daran ist nicht zu rütteln. Wer schreiben will, braucht für jeden Text zuallererst eine Idee. Sie ist also wichtig, die Idee. Und dennoch wird sie im Allgemeinen überschätzt. Außergewöhnliche Ideen sind viel seltener, als man denkt. Ganz neue Ideen erst recht. Wer sich also vor allem damit plagt, nach der ganz besonderen zu suchen, wer die bereits vorhandene Idee immer wieder in Zweifel zieht oder wer Höllenqualen aussteht, weil ihn die Sorge umtreibt, jemand anderes könne sie sich aneignen, dem sei gesagt, die Idee allein ist nicht viel wert, wir müssen sie erst zu etwas Außergewöhnlichem machen.

Ihre Wichtigkeit bezieht die Idee nämlich weniger aus ihrer Bedeutung für die späteren Leser, sondern aus der für den Autor. Sie ist gleichzeitig die Initialzündung, die Inspiration und das Rohmetall, das erst geschmiedet werden will.

2. Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

"Die Ideen liegen auf der Straße", heißt es oft. Aber ist das wirklich so? Zumindest die Idee zum ersten Text dürfte bei den wenigsten Schreibern ein Problem sein, ist sie doch oft der Auslöser, überhaupt mit dem Schreiben zu beginnen. Doch schon beim nächsten oder übernächsten Versuch gehen oftmals die Ideen aus. Die erste flog einem noch zu, als man es gar nicht erwartete, nun, da man sich aktiv das Hirn zermartert, will einem nichts mehr einfallen.

Andererseits klagen gestandene Autoren meist über einen so großen Fundus an Ideen, dass sie überzeugt sind, sie nie im Leben alle umsetzen zu können.

Tatsächlich trifft hier für noch unerfahrene Autoren nicht selten das Sprichwort zu, sie sähen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Auf der Suche nach der einen großen Idee übersehen sie häufig die vielen anderen, die nicht sofort ins Auge stechen.

Es gilt, die Sinne zu schärfen! Denken wir an einen Fotografen, dessen Augen die Welt stets wie durch ein Objektiv sehen. Sie betrachten dasselbe wie die Augen eines Nichtfotografen und sehen doch etwas ganz anderes. Im Kopf wird das Motiv sofort auf seine Tauglichkeit geprüft und als Foto arrangiert.

So ähnlich sollte es dem Autor gehen. Ihm stehen dafür alle Sinne zur Verfügung. Ein Geruch, ein Geräusch oder ein Gefühl kann genügen. Ein Dialog oder auch nur ein Satz, ein Traum, aber auch eine Szene in einem Film. Eine Idee kann sich entwickeln, während man einen Roman liest, weil man an einer bestimmten Stelle in eine andere Richtung denkt als der Autor. Viele Ideen ergeben sich während des Schreibens und man sollte tunlichst prüfen, ob sie nicht zu einer anderen Geschichte gehören als zu der, an der man gerade schreibt.

Ideen lassen sich auch durch reines Brainstorming entwickeln. Denn man sollte nicht vergessen, dass sich die grundlegenden Ideen der meisten Geschichten immer wieder sehr ähneln. Ob es um den Kampf Gut gegen Böse geht, um die Suche nach Liebe, die Überwindung eines Schicksalsschlags oder einer Naturkatastrophe, nahezu jede Geschichte lässt sich auf eine von relativ wenigen Grundideen herunterbrechen.

Mit solchen Grundmotiven kann der Autor spielen, kann sie abwandeln, ihnen etwas ganz Eigenes zufügen, sie mit ungewöhnlichen Figuren besetzen.

Aber sind wir da nicht schon nahe am Stehlen? Nun, zunächst einmal sei gesagt, nicht ohne Grund lassen sich in Deutschland Ideen nicht gesetzlich schützen. Wo kämen wir hin, wenn niemand mehr eine Geschichte schreiben dürfte, in der zwei Liebende nicht zueinanderkommen können, weil ihre Familien dies nicht zulassen, oder in der ein Kind seine Rechtschaffenheit gegen Armut, Hass und Hinterlist verteidigen muss? Oder wenn niemand mehr ein Gedicht an der Frühling verfassen könnte?

Denn wie schon gesagt, die Idee allein ist nicht schützenswert, wir müssen aus ihr erst etwas erschaffen. Und wenn zwei Dichter gleichzeitig den Frühling besingen wollen, so werden doch ganz unterschiedliche Gedichte entstehen.

Es ist also weder strafbar noch verwerflich, sich zu bedienen. Filme und Bücher hatten wir schon genannt, vielleicht hilft aber auch ein Blick in die Zeitung, ein Sprichwort, eine an sich langweilige Gerichtsshow im Fernsehen oder die Handlung eines Computerspiels.

All das kann ein Anlass sein, ein Auslöser, und wenn es dabei bleibt, man von da aus Eigenes entwickelt, statt platt zu übernehmen oder gar abzuschreiben, ist alles in Ordnung.

3. Was zeichnet eine gute Idee aus?

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich schon das wichtigste Kriterium einer guten Idee: Sie muss den Autor begeistern, ihn inspirieren, seine Fantasie anregen, ihm einfach Spaß bereiten. Sie muss ihn dazu treiben, aus der Idee ein Gedicht werden zu lassen, aus ihr eine knackige Kurzgeschichte zu entwickeln oder einen Roman wachsen zu sehen.

Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Der Rest hängt vom Autor ab - ob es ihm gelingt, aus der Idee etwas Neues, etwas Besonderes, etwas Großes zu formen. Oder auch einfach etwas, das gut unterhält, was oft nicht weniger schwer ist.

4. Geschichten, die das Leben schreibt

Viele, die den Schritt in die Welt der Schreiberei wagen, finden ihren Schreibanlass in Erlebnissen und Erfahrungen, die sie selbst, Angehörige oder Bekannte gemacht haben. In der Realität, im Leben.

Aber nein, es ist nicht so, dass das Leben die besten Geschichten schreibt. Das Leben schreibt überhaupt keine Geschichten!

Der Fotograf, den man ja als den Biografen unter den Künstlern benennen könnte, findet das perfekte Foto auch nicht einfach in der Natur. Er findet nur ein Motiv, aus dem er erst noch ein gutes Bild machen muss. Mithilfe des richtigen Blickwinkels, des richtigen Abstands und mit den technischen Möglichkeiten der Kamera und eventuell sogar der Nachbearbeitung setzt er das Motiv ins rechte Licht, sodass das fertige Bild in Wirklichkeit nur noch wenig mit dem zu tun hat, was wir in der freien Natur tatsächlich erleben könnten. Es ist ein vom Fotografen beeinflusstes Abbild der Realität, nicht die Realität selbst.

Auch eine gute Biografie ist nicht mehr als ein Abbild der Realität. Sie wählt aus, spart aus, fasst zusammen, gibt einzelnen Blickwinkeln den Vorzug vor anderen, nicht zuletzt vergisst und verändert sie auch. Sie gewichtet neu, rückt einen Konflikt in den Mittelpunkt und verschärft ihn, blendet einen anderen dafür aus. Sie ist eine Komposition, die nicht allein den Biographierten, sondern gleichwohl den Leser im Blick hat. Sie macht aus dem mehr oder weniger interessanten und aufregenden Leben einer Person, eine Geschichte. Eine Geschichte, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten möglichst viele Leser interessieren und begeistern soll. Eine Geschichte, die weit spannender ist als das Leben selbst, weil jeder Lebenslauf letztlich zum weitaus größten Teil aus Alltäglichkeiten besteht, selbst wenn sie in einem absolut ungewöhnlichen Lebensabschnitt geschehen.

Um also auch Ideen mit biographischem Hintergrund zu guten Geschichten werden zu lassen, ist es in der Regel hilfreich, ein Gefühl für die Dramatik und den Spannungsbogen von Geschichten zu entwickeln. Weil man gerade, wenn es um persönliche Erfahrungen geht, schnell das Händchen dafür verliert, empfehle ich gern, sich vorher an fiktiven Ideen zu versuchen, um sich das Gefühl dafür anzutrainieren. Schließlich sind es oft gerade diese persönlichen Geschichten, die besonders am Herzen liegen, also sollte man bereits gut gerüstet sein, bevor man sich an ihre Umsetzung begibt.

5. Was fange ich mit einer Idee an?

Es kommt natürlich sehr darauf an, was für ein Text am Ende entstehen soll. Wird es ein Gedicht oder eine Kurzgeschichte, steht die Sprache, eine Stimmung oder ein Konflikt im Mittelpunkt.

In den meisten Fällen wird und sollte es der Konflikt sein. Nur wenige Genres kommen ohne ihn aus und müssen dem Leser auf anderer Ebene etwas bieten. In dem, was man gemeinhin als Unterhaltungsliteratur bezeichnet, geht es gar nicht ohne ihn.

Daher wird in solchen Fällen auch die Entwicklung eines tragfähigen Konflikts im Vordergrund stehen. Der Konflikt trifft eine zentrale Aussage darüber, worum es geht, und soll noch Thema eines eigenen Artikels werden.

Daneben sind gerade in der konfliktbasierten Geschichte die Handlungsträger von entscheidender Bedeutung, die also ebenso wichtig für die Fortentwicklung der Idee sind und die ebenfalls noch mit einem eigenen Artikel bedacht werden sollen.

Ideen können - müssen aber nicht - sowohl von vorneherein auf einem Konflikt beruhen als auch auf einem erlebten oder erfundenen Charakter. In beiden Fällen hat man also einen Teil der Arbeit schon hinter sich. In jedem Fall empfehle ich, sich zumindest über diese beiden Punkte, also die Hauptfigur(en) und den Konflikt, Gedanken zu machen, bevor das erste Wort (des Manuskripts) geschrieben ist.

Ob man sich anschließend dem Schreibfluss oder einer ausgiebigen Planung hingibt, ist im Wesentlichen davon abhängig, ob man eher der Typ des Bauchschreibers oder des Planers ist, was wiederum Thema meines nächsten Artikels sein soll.

Veröffentlicht am 02.07.2010
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