mySTORYs Schreibratgeber
Für Anfänger und Fortgeschrittene

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Anfänge

Gedicht, Kurzprosa, Roman - womit fange ich an?

Die meisten, die diesen Artikel lesen, werden ihre Schreibkarriere längst mit Texten, die sich mindestens einer der drei Textsorten zuordnen lassen, begonnen haben. Doch die Frage im Titel zielt natürlich nicht allein auf die wenigen Ausnahmen, die tatsächlich noch nicht den winzigsten literarischen Text zu Papier oder auf die Festplatte gebracht haben.

Allerdings wird er, wie die meisten Tipps zum Schreiben, letztlich auch nur für diejenigen wirklich interessant sein, die sich hinsichtlich der Schreibtätigkeit ein Ziel gesetzt haben, sei es, einmal ein erfolgreicher Autor zu werden, oder der Anspruch, das eigene Schreiben aus anderen Gründen zu verbessern.

Denn natürlich kann die Frage nur aus dem Interesse heraus gestellt werden, dass man sich schreiberisch auf einem Weg sieht, der Entwicklung bedeutet. Wer nur aus Spaß an der Freude schreibt, sollte das schreiben, wozu er Lust hat. Wer sich von vornherein nur zu einer der drei Textsorten hingezogen fühlt, sollte sich nicht mit den anderen herumquälen.

Der leichteste Einstieg

Das ist letztlich die Frage danach, ob es schwerer ist, einen Roman oder eine Kurzgeschichte zu schreiben, oder ob am Ende gar das Verfassen eines Gedichts die höchsten Anforderungen an den Dichter stellt.

Pauschal kann man darauf antworten, dass es zuallererst von den eigenen Ansprüchen abhängt. Vor allem Gedichte fließen scheinbar schnell aus der Feder. Nahezu jeder Mensch, der schreiben gelernt hat, wird schon irgendwann einmal eines geschrieben haben, und seien es nur ein paar obszöne Reime gewesen.

Um einer Kurzgeschichte Leben zu schenken, gehört schon ein bisschen mehr Ambition dazu, doch wer die besitzt, wird auch wenig Probleme haben, seine Ideen in einigen wenigen Stunden zu Papier zu bringen.

Einzig der Roman (oder ähnlich lange Textsorten wie das Drama oder ein Drehbuch) fordern selbst von dem sorglosen Schreiber einiges mehr. Wer ein ganzes Romanmanuskript fertiggestellt hat, egal wie es andere beurteilen mögen, hat schon einiges auf die Beine gestellt und verdient Bewunderung. Dennoch, wer mit ebenso viel Disziplin wie Begeisterung ans Werk geht, kann diese Hürde überspringen.

Wer sich allerdings intensiver damit beschäftigt, wird bald feststellen, dass alle drei Textsorten ihre ganz eigenen Ansprüche an den Schreiber stellen, die die Frage, was denn am leichtesten zu schreiben sei, sehr schnell relativieren. Es ist durchaus nicht selten, dass ein gepriesener Lyriker beim Romanversuch kläglich versagt, der versierte Romanautor an der Kurzgeschichte scheitert.

Andererseits können einzelne Fähigkeiten, die man sich in der Beschäftigung mit einer Textsorte aneignet, die Voraussetzungen für eine andere verbessern, die Möglichkeiten erweitern. So wird, wer beim Dichten gelernt hat, welche Wirkung die Wahl des einzig richtigen Wortes erzielen kann, derartige Präzision im Ausdruck auch in Kurzprosa und Roman nicht vermissen lassen. Wer in seinen Kurzgeschichten nah am Konflikt bleibt und ihn auf den Punkt bringt, dem wird das helfen, den Konflikt auch im Roman nicht aus den Augen zu verlieren.

Es ist also weder leicht, ein überzeugendes Gedicht, gute Kurzprosa oder einen fesselnden Roman zu schreiben. Jede Textsorte hat gleichermaßen ihre eigenen Ansprüche und ihre besonderen Reize.

Die Zeitfrage

Lässt sich die Frage also am einfachsten beantworten, indem man die Zeit berücksichtigt? Wer gern schreibt, aber wenig Zeit zur Verfügung hat, schreibt eher Kurzes, wer die Zeit dagegen aufbringen kann, stürzt sich gleich auf einen ganzen Roman?

Ja, so kann man es sagen. Zwar wird der anspruchsvolle Schreiber weit mehr Zeit für ein Gedicht oder eine kurzes Stück Prosa aufwenden, als man es gemeinhin denkt, und, bis er mit einem Text zufrieden ist, Tage, Wochen oder gar Monate verstreichen lassen, aber mit dem Zeitaufwand für einen Roman ist das nicht zu vergleichen.

Allerdings relativiert sich auch dieser Zeitaufwand. Wer nun einmal gern einen Roman entstehen lassen würde, hat wenig gewonnen, wenn er stattdessen ungleich mehr Gedichte oder Kurzgeschichten schreibt. Schriebe er pro Tag nur eine Seite an dem Roman, wäre dieser nach einem Jahr schon 365 Seiten stark.

Tatsächlich ist fehlende Zeit die häufigste Ausrede dafür, dass man seine Romanideen nicht in die Tat umsetzt. Klar ist, dass jedem von uns unterschiedliche Möglichkeiten gegeben sind, etwas unserer kostbaren Zeit für das Schreiben abzuknapsen. Doch was bringt es dem, der von einer Romanveröffentlichung träumt, mit neidvollem Blick auf denjenigen zu zeigen, der den halben Tag vor seinem Rechner sitzen kann, ohne zu verhungern?

Wer nicht mit solchem Zeit-Luxus gesegnet ist, aber den Ehrgeiz besitzt, seinen Traum vom Roman zu verwirklichen, wird sich zu helfen wissen. Wer schon diesen Schritt scheut, wird es kaum jemals schaffen, die Disziplin aufzubringen, die Arbeit an einem einmal begonnenen Manuskript auch zu Ende zu führen. Denn tatsächlich ist das die viel schwierigere Aufgabe, als die Zeit dafür zusammenzukratzen.

Dabei muss niemand sein Leben komplett umstellen, sich von seiner Familie trennen und sich einen Halbtagsjob suchen. Es gilt lediglich, die möglicherweise wenigen Freiräume, die man bereits hat, neu einzuteilen, sie also zumindest zum Teil dem Schreiben zu opfern, und zu überprüfen, ob sich nicht hier und da doch noch weitere schaffen lassen.

Möglicherweise kann man sich überwinden, morgens früher aufzustehen oder abends später ins Bett zu gehen. Vielleicht bietet der Weg zur Arbeit die Möglichkeit, in öffentlichen Verkehrsmitteln ein Notizbuch vollzuschreiben. Sicherlich benötigt es Überwindung, sich, nachdem die Kinder im Bett sind, nicht einfach vom Fernseher berieseln zu lassen, sondern noch einmal kreativ zu werden. Unter Umständen kann man ein lieb gewonnenes Hobby für eine Weile etwas zurückstellen. Und mit einem ruhigen Gespräch und etwas Glück lässt sich hoffentlich der Partner überzeugen, ein-, zwei Stunden am Wochenende als Schreibzeit zu akzeptieren.

Optimal wäre, wenn sich so am Ende pro Tag wenigstens eine halbe Stunde herausschlagen lässt. Je regelmäßiger desto besser. Wenn es sich partout nicht anders einrichten lässt, muss man das Schreiben eben auf das Wochenende beschränken.

Auf dem Weg zum Ziel

Heißt das dann nicht, derjenige, der einmal einen Roman veröffentlichen will, sollte sich gar nicht erst mit kurzen Texten aufhalten und sich stattdessen sofort in sein erstes Romanprojekt stürzen?

Ja! Und nein! Die Meinungen dazu gehen auseinander, was nicht viel mehr heißt, als dass viele Wege nach Rom führen und man das Für und Wider abwägen muss, um schließlich selbst eine Entscheidung zu treffen.

Im Wesentlichen dreht sich alles um zwei Punkte:

1. die Verbesserung des Schreibhandwerks, um einen veröffentlichungsreifen Roman fertigzustellen,

2.    die Optimierung der Möglichkeiten, mit diesem Roman Verlage zu interessieren, also zu einer Veröffentlichung zu kommen.

Wer seine Karriere als Autor gleich mit dem ersten Romanmanuskript beginnt, schreibt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit für die Schublade. Wenn nicht gar für den Papierkorb.

Das ist nicht weiter schlimm und es ist auch nur vordergründig verlorene Zeit, denn es ist eben eine Lernphase, die dem nächsten Roman zugute kommt. Zumindest dann, wenn man bereit ist, sich die Fehler, die man fast zwangsläufig machen musste, aufzeigen zu lassen, um sie in Zukunft zu vermeiden.

Und natürlich hat das dauerhafte Schreiben an einem Roman schon einen reinen Übungseffekt. Nicht selten wird so ein „Schreib-Erstling“ im Handlungsverlauf zunehmend besser, sodass Schreib- und Erzählstil von Anfang und Ende gar nicht zusammenpassen wollen.

Dennoch ist es natürlich schade, weil gerade im allerersten Projekt eines Autors oft besonders viel Herzblut steckt und weil derjenige, dem diese „Gesetzmäßigkeit“ nicht bewusst ist, über die Enttäuschung schon mal die Lust am Schreiben verlieren kann.

Unter diesem Gesichtspunkt kann es dann eben doch ratsamer sein, seine ersten Schreiberfahrungen mit kürzeren Texten zu machen. Man lernt die Grundlagen des Schreibhandwerks, ärgert sich aber deutlich weniger über die ersten missglückten Versuche.

Wenn man dann zu einem versierteren Schreiber geworden ist, wagt man sich an das erste längere Projekt. Wie bereits weiter oben geschrieben, wird man auch dann noch mit den speziellen Anforderungen eines Romans konfrontiert, wird also noch vieles dazulernen müssen, dennoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man ein brauchbares Manuskript auf die Beine stellt, deutlich höher.

Oft bekommt man auch den Ratschlag, es sei besser, mit Kurztexten in die Schreiberei einzusteigen, weil man auf diese Weise leichter an Veröffentlichungen komme, mit denen man dann die Chancen mehre, einem Verlagslektor aufzufallen. Auch sei eine Vita, in der man auf bereits veröffentlichte Texte in Anthologien und Zeitschriften verweisen könne, ein besseres Aushängeschild.

Wieder muss man sagen, das stimmt nur zum Teil. Es ist richtig, dass es heutzutage relativ leicht geworden ist, eine Geschichte oder ein Gedicht in einer der unzähligen Kleinverlagsanthologien unterzubringen. Und das ist vor allem in einer Hinsicht nicht zu unterschätzen: Es bringt dem Autor Erfolgserlebnisse, die motivierend wirken. Und es sieht schon toll aus, wenn in der Vita und auf der Homepage die Veröffentlichungsliste Seite um Seite anwächst.

Allerdings sollte man auch auf dem Teppich bleiben. Auf dem Weg zur Romanveröffentlichung bringt diese Liste bestenfalls wenig bis gar nichts. Große Verlage verlegen kaum einmal eine Sammlung von Kurzgeschichten und auch Gedichte finden meist eher in Nischenverlagen ihren Platz. Verlagslektoren stolpern in den seltensten Fällen über Kleinverlagsanthologien und wissen, dass selbst eine gute Kurzgeschichte mit einem verlagsreifen Roman wenig zu tun hat.

Tatsächlich erreichen Anthologien aus Kleinverlagen selten mehr Leser als den Verwandten- und Freundeskreis der teilnehmenden Autoren, in den besseren Kleinverlagen eine immer noch überschaubare Anzahl an Lesern darüber hinaus.

Dennoch ist es natürlich immer besser, eine kleine, aber feine Liste mit Veröffentlichungen vorweisen zu können als gar keine. Vor allem, wenn man nicht wahllos veröffentlicht, sondern bei den renommierteren unter den Kleinen.

Insgesamt sollte man aber, entscheidet man sich, seine Autorenlaufbahn erst einmal mit kürzeren Texten zu beginnen, die Vorteile eher in der Schulung der eigenen Fähigkeiten und dem Anreiz der kleinen Erfolgserlebnisse sehen. Die Hoffnung, damit einen Fuß in die Tür eines großen Verlags zu bekommen, wird in den meisten Fällen in einer Enttäuschung enden.

Veröffentlicht am 01.04.2010
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