mySTORYs Schreibratgeber
Für Anfänger und Fortgeschrittene

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Interview

Das sagt T.S. Orgel

Foto: © Birgit Mühleder

Gewinnspiel: Das sagen Tom und Stephan Orgel zu deiner Geschichte

Gewinne eine Einschätzung der Autoren zu deinem Kurzexposé! Sie werden dir in einigen Sätzen ihre ehrliche Meinung dazu schreiben. Sicher, das kann hart werden, aber kompetente Kritik bringt dich schließlich weiter. Und vielleicht sind die Herren Orgel ja auch ganz begeistert, dann hast du eine Empfehlung aus mehr als berufenem Munde. Schwarz auf weiß! Eine, die vielleicht sogar Türen öffnen kann.

Und so geht es:

Beantworte meine Gewinnspielfrage und sende sie an hfaquote@pb-netz.de. Unter allen richtigen Einsendungen und unter Ausschluss des Rechtsweges ziehe ich einen Gewinner oder eine Gewinnerin. Dieser/diese darf mir dann ein Kurzexposé von maximal 3000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) schicken, und ich leite es an die Autoren weiter. Dann heißt es, gespannt sein!

Einsendeschluss ist der 20. Mai 2016!

Die heutige Frage:

Trägt der folgende Textausschnitt Merkmale einer personalen oder einer auktorialen Erzählhaltung?

Arglos dachte Henriette an Onkel Herrmann und seine Hunde. Sie bemerkte nicht, wie Peter sich ihr näherte, und hätte sie es, wäre er ihr nicht weiter aufgefallen, denn Peter war ihr vollkommen unbekannt. Doch der hatte es genau auf sie abgesehen. Sie wird mich gleich kennenlernen, dachte Peter, hielt aber inne, als Henriette mit einem Lächeln seinen Namen flüsterte und ihn endlich ansah. Was er nicht wusste: Onkel Hermanns Hunde hießen Max, Jack und … Peter.

a) Personal,

b) weder noch,

c) auktorial.

Na, das ist doch gar nicht so schwer. Viel Glück!

 

Interview

Klar, obligatorische Frage: Wie hat das bei euch mit dem Schreiben begonnen? Gibt es einen Zeitpunkt in eurem Leben, von dem ihr sagen würdet: „Von da an waren wir Autoren/Schriftsteller“?

Tom: Der erste Teil ist leicht beantwortet. Bei mir war es ungefähr mit 16 – eine furchtbare Mary-Sue-Fanfiction zu Raumpatrouille Orion, gefolgt von einem 800-Seiten-Mary-Sue-Fantasyschinken (bei dem ich ab und an aber heute noch eine halbe Seite entdecke, die ich gar nicht mal so schlecht finde). Und danach immer wieder mal eine Kurzgeschichte.

Stephan hat so um 2000 bis 2002 herum einige Kurzgeschichten geschrieben, die zusammen mit einigen von meinen für eine nie veröffentlichte Anthologie gedacht waren – und dann um 2007 bis 2009 herum haben wir ein größeres, nie veröffentlichtes Romanprojekt „gebastelt“. Aber so richtig ans Schreiben ist er – seiner Aussage nach – erst durch das Entdecken von Joe Abercrombie gekommen. Das heißt, davor habe ich ihn wohl nur gezwungen, und damit gilt das nicht.

Der zweite Teil … ich denke, wir sollten den Zeitpunkt nehmen, an dem wir es tatsächlich ernst gemeint haben. Also die Zeit, in der wir uns für den „Schreiben Sie einen magischen Bestseller“-Wettbewerb von Heyne beworben haben und uns im Anschluss an unser glorreiches Versagen dort eine Literaturagentur gesucht und tatsächlich am Tag der Preisverleihung zusammen mit Carsten Steenbergen „Steamtown“ entworfen haben.

Gegenfrage: Was ist eigentlich literarisch hochwertiger? Autor oder Schriftsteller?

Wir sind immer noch das andere.

 

Seht ihr euer Schreiben heute mehr als Hobby oder mehr als Beruf? Gibt es da überhaupt einen Unterschied für euch?

Stephan: Da wir uns die Einnahmen aus den Büchern teilen, haben wir leider keine andere Wahl, als weiter unseren jeweiligen „Brotjobs“ nachzugehen. Vom Schreiben allein können wir leider (noch – so viel Hoffnung muss sein) nicht leben. Daher für mich: Eher Hobby als Beruf. Aber immerhin ein sehr ernsthaft betriebenes.

Tom: Ich betrachte es eigentlich als Beruf. Keinen, von dem wir leben können, dafür haben wir jeder noch einen Hauptberuf – wie die meisten anderen Autoren auch. Aber wenn das Finanzamt das als Beruf ansieht, muss es wohl stimmen.

 

Welche drei Dinge haben euch eurer Meinung nach auf dem Weg als Autoren am meisten vorangebracht?

Tom: Lesen, Übung und Deadlines

Lesen: Weil man nach den ersten paar Hundert Büchern beinahe automatisch mitbekommt, was funktioniert und was nicht – stilistisch ebenso wie als Geschichte und Figuren. Wer viel liest, bekommt automatisch ein besseres Verständnis für Sprache und lernt irgendwann, was eine gute Geschichte von einer nicht so guten unterscheidet.

Übung: einfach, weil die ersten paar Hundert Seiten Mist sind, und die nächsten paar Hundert nicht viel besser. Egal, wie viel man gelesen hat.

Deadlines: Weil wir beide faul sind und am besten unter einem gewissen Druck schreiben. Fehlt der Druck, dann gibt es immer noch andere Sachen, die man tun könnte. Zum Glück können wir uns diese Deadlines auch gegenseitig setzen.

Ich würde jetzt noch „Kritik“ und „Kontaktpflege“ anführen, aber Stephan darf auch noch drei, oder?

Stephan: Auf jeden Fall Deadlines. Uns muss man nämlich eine hochgradige Prokrastination im Endstadium attestieren. Und eine gewisse Kritikfähigkeit ist bislang auch recht hilfreich gewesen. Wenn uns jemand begründet erklären kann, dass dieses und jenes Scheiße ist, dann kündigen wir ihm oder ihr nicht die Freundschaft auf, sondern setzen uns mit dieser Kritik auseinander. Gerade den vernichtenden Urteilen unserer Testleser vertrauen wir uneingeschränkt. Wenn von denen einer Kritik äußert, dann hat das so gut wie immer Hand und Fuß.

 

Gab es vielleicht auch einen „Fehler“, eine „Schwäche“, die ihr erkannt und abgestellt habt, um in eurem Sinne als Autoren erfolgreicher zu sein?

Stephan: Da wir zu zweit schreiben, können wir unsere jeweiligen Schwächen relativ gut gegenseitig ausbügeln. Ich schreibe meistens zu kurz, der Tom eher etwas ausschweifender. Am Ende kommt ein recht guter Kompromiss aus beiden Stilen heraus. In der Hinsicht lernt der eine immer wieder vom anderen dazu.

 

By the way – was bedeutet für euch persönlich Erfolg in eurer Autorinnenkarriere?

Tom: Also ich als Autorin sehe … ähm … Erfolg … Okay. Erfolg sind für mich vor allem diese kleinen Erzählungen. Die von dem Mitvierziger, der uns schrieb, dass ihn unser Erstling nach mehr als 10 Jahren wieder zum Lesen gebracht hat. Die von dem 12-Jährigen, der unseren Roman als sein absolutes Lieblingsbuch in der Schule vorgestellt hat. Oder die Tatsache, dass wir jetzt schon einige tausend Menschen mehr von Büchern und Geschichten begeistern konnten, als es der durchschnittliche Deutschlehrer in seiner gesamten Schullaufbahn kann.

Oh – und dass wir tatsächlich auch noch dafür bezahlt werden. Angesichts der vielen Leute, die schreiben und nie etwas für ihre Arbeit sehen, ist das schon auch ein gewisses Erfolgskriterium.

 

Glaubt ihr eher an schriftstellerisches Talent oder Handwerk?

Stephan: Ja. Oder um es noch ein Stück zu konkretisieren: Es gehört beides dazu. Das ist ja im Grunde überall so. Ein hoch talentierter Schulsportler, der sich auf seinem Talent ausruht, kommt niemals über die Kreisklasse hinaus. Dafür gibt es einfach viel zu viele gute Talente. Dummerweise gehört ganz am Ende auch noch eine große Portion Glück dazu, wenn es wirklich etwas mit der Karriere werden soll. Deshalb mein Ratschlag: Den Brotjob sicherheitshalber erst dann kündigen, wenn die erste Million auf dem Konto liegt (wir arbeiten zurzeit noch daran), und in der Zwischenzeit: schreiben, schreiben, schreiben.

Tom: Was er sagt.

 

Hattet ihr Hilfe auf eurem Weg? Welche Möglichkeiten für einen angehenden Autor oder eine angehende Autorin, von anderen zu lernen, könnt ihr besonders empfehlen?

Tom: Wir hatten Hilfe von vielen Leuten, ja. Zuerst einmal hatten wir uns gegenseitig (das ist ja mehr, als die meisten Autoren haben. Luxus.), nicht zu vergessen einen ganzen Haufen Leute aus mehreren Rollenspielgruppen und einem Onlinespiel, für die wir Geschichten erschaffen haben, und die uns ganz klar gesagt haben, was sie gut fanden und was nicht so.

Die größte professionelle Hilfe waren tatsächlich andere Autoren, die uns auf Messen, Cons und anderen Veranstaltungen mit Tipps versorgt haben: Was an Schreibratgebern (oder einfach nur besonders guten Büchern) zu lesen, wie an Agenten und Verlage heranzugehen, wie ein erfolgreiches Exposé zu schreiben, oder einfach, wo gerade Kurzgeschichtenausschreibungen zu finden sind und mit welchen anderen Leuten man reden sollte. Perfekte Orte dafür sind Veranstaltungen mit gehäuftem Autorenvorkommen, wie z. B. die Buchmessen, besonders die Leipziger. Es kostet Geld, ja, aber seht das als Investition, als Lehrgeld, das man kaum besser investieren kann. Denn die meisten Autoren reden gern und knausern mit Tipps nicht, denn die meisten waren selbst mal an diesem Punkt.

Und was natürlich hilft: Sich in Schreibforen umzusehen.

 

Und welche Ratschläge hinsichtlich des Schreibhandwerks findet ihr für angehende Autoren/Autorinnen besonders wichtig? Was sollte man unbedingt versuchen, was unbedingt vermeiden?

Stephan: Meine Lieblingsautoren haben alle einen recht schnörkellosen Schreibstil, der sich nicht in den Vordergrund spielt. Für sie ist eindeutig die Geschichte der Star im Buch.

Wenn ich beim Lesen zu oft über den Schreibstil stolpere, dann geht mir das irgendwann ganz gewaltig auf den Keks. Deshalb ist mein ganz subjektiver Ratschlag an angehende Autoren, sich nicht so sehr zu verkünsteln. Hängt euch nicht an möglichst eleganten Formulierungen oder exotischen Wörtern auf, sondern schreibt die Geschichte in einfachen, klar verständlichen Sätzen – und streicht überflüssige Adjektive!

Bei der Entwicklung meines eigenen Scheibstils hat mir geholfen, dass ich in meinem Job eine Zeit lang redaktionelle Arbeiten machen durfte. Also aus Pressemeldungen kurze Artikel erstellen oder Interviews in eine lesbare Form bringen. Ich finde, das ist überhaupt eine ganz gute Fingerübung für Jungautoren.

 

Was braucht es eurer Meinung nach, um als Autor/Autorin zu einer Verlagsveröffentlichung zu kommen? Welchen Weg schlagt ihr vor?

Tom: Zuerst einmal – und ich weiß, dass ich jetzt Stephan oben widerspreche, auch wenn ich weiß, was er gemeint hat – wenn man auf eine ernsthafte Veröffentlichung raus will, dann darf man es nicht als Hobby sehen. Dann sollte man es sich angewöhnen, das Schreiben als seinen Beruf zu betrachten. Nicht als Hauptberuf vielleicht – die meisten Autoren müssen schließlich ihren Brotjob pflegen, weil das Schreiben nur bei sehr wenigen die Miete bezahlt – aber doch als ernsthaften Nebenberuf. Denn Verlage wollen nicht mit Hobbyschreiberlingen arbeiten. Für sie geht es klar um Geld und damit um Professionalität.

Das bedeutet: Gewöhnt euch beizeiten Disziplin und eine gewisse Professionalität an und schreibt, schreibt, schreibt. Wartet nicht darauf, dass ein Verlag das eine Buch will, das ihr fertig habt. Schreibt weiter.

Punkt 2: Sucht euch einen Literaturagenten. Diese Leute kennen die Verlagsbranche viel besser als ihr (das ist ihr Job), sie kennen die Ansprechpartner, die Verlage, die rechtliche Seite, sie können einschätzen, ob eure Arbeit eine Chance auf dem Markt hat – ob ihr überhaupt so weit seid. Sie können euch an der Hand nehmen, schulen und euch einen Großteil der Bürokratie abnehmen.

Drittens: Sofern ihr nicht komplette Einsiedler seid – geht unter Leute. Besucht Autoren und Veranstaltungen mit Autoren. Buchmessen, wie gesagt, sind großartige Plätze, um ins Gespräch zu kommen. Nicht nur, dass ihr Autoren kennenlernt, von denen ihr lernen könnt – die Verlagsleute und Autoren kennen einander, und wer regelmäßig da ist, Beharrlichkeit beweist und zeigt, dass das nicht nur eine kurzlebige Idee ist, wird erkannt, wenn es darum geht, einen Roman unterzubringen.

 

Wäre für euch aus heutiger Sicht Selfpublishing generell oder in bestimmten Fällen eine Alternative oder sogar mehr? Wo liegen die Vorteile, wo die Nachteile gegenüber einem klassischen Verlag?

Stephan: Selfpublishing ist eine Alternative, die mehr und mehr an Reiz gewinnt. Vor allem seit es Dienstleister gibt, die einem einen Teil der Arbeit abnehmen. Ich vermute ohnehin, dass sich die Branche immer mehr in die Dienstleisterrichtung entwickelt – und zwangsläufig entwickeln muss. Verlage, die sich bisher auf ihrer Marktmacht ausruhen konnten, weil die Händler ohnehin alle ihre Bücher abgenommen hatten, werden nach dem Wegfall langjähriger Handelspartner langsam nervös. Mit einem Mal verkaufen sich ihre Bücher nicht mehr von allein, und ihre Starautoren schielen nach Alternativen. Was verständlich ist, denn warum sollte man einem Verlag einen so großen Anteil der Einnahmen überlassen, wenn der am Ende nicht mehr Bücher absetzen kann als man selbst?

Zum Glück ist der Autor ja im Allgemeinen ein Faultier, das nichts anderes möchte, als den lieben langen Tag vorm Schreibtisch zu baumeln und an Kugelschreibern herumzuknabbern. Marketing, Buchhaltung und Verkauf sollen doch bitteschön andere für ihn übernehmen. Und an dieser Stelle kann der klassische Verlag tatsächlich auch in Zukunft punkten: Gelingt es ihm, die unangenehmen Arbeiten vom Autor fernzuhalten und ihm ein ordentliches Auskommen zu ermöglichen, dann ist das doch eine prima Symbiose.

 

Und, weil ihr es seid, noch eine zusätzliche Frage, die sicher für den einen oder die andere sehr hilfreich sein kann: Was könnt ihr Autorenduos raten, wie man gemeinsam Bücher schreibt und trotzdem in so vielen Jahren den Brei nicht verdirbt?

Tom: Ich denke, das Wichtigste ist, kompromissbereit zu sein. Nicht auf einer einzigen Lösung zu beharren (jeder Autor hat für jede Szene eine andere Lösung), sondern sich auch darauf einlassen können, dass der andere vielleicht doch die bessere Idee für die Szene hat. Und dazu gehört auch, die meiste Zeit nicht über Kleinigkeiten zu diskutieren. Die Geschichte ist in der Regel wichtiger als eine bestimmte Formulierung – und man kommt nirgendwohin, wenn man über Kleinkram diskutiert. Lasst den anderen machen und werft euch gegenseitig die Bälle zu. Und wenn einer davon herunterfällt – egal. Macht weiter.

 

Vielen Dank für das interessante Interview!

 

 

Veröffentlicht am 04.05.2016
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